Kapitel 9: Ein Abend mit viel Magie Wir standen, zum Abmarsch bzw. in meinem Fall zur Abfahrt bereit, vor dem Haupthaus von Sweet Apple Acres in der Dunkelheit - es mochte später Nachmittag oder früher Abend sein, jedenfalls war das Tageslicht derweilen erloschen und hatte dem nachtschwarzen Sternenhimmel Platz gemacht. Applejack trug eine Lampe im Maul, ähnlich der, mit der Twilight uns am Vormittag den Raum der Artefakte erhellt hatte - auch dieses Exemplar hatte keine erkennbare Energiequelle, strahlte aber eine beachtliche Helligkeit ab und war als Zusatzausstattung mit einer Art einseitigem Lampenschirm versehen, damit das Licht zwar den Weg ausleuchtete, dabei aber nicht gleichzeitig das Pony, welches die Lampe trug, blendete. Ich besah mir das Gerät und kam zu der Vermutung, daß die Lichtquelle leuchtende Kristalle sein mußten - oder vielleicht auch schlicht Magie. Ich nahm mir mein Fahrrad und war im ersten Moment erstaunt darüber, daß es noch da stand, wo ich es deponiert hatte, ohne daß es jemand gestohlen hatte, wiewohl es nicht angeschlossen war (was ich ohne Schloß ohnehin nicht hätte tun können), bis ich mich daran erinnerte, daß hier weit und breit kein anderes Lebewesen existierte, das Interesse oder Verwendung für dieses Fortbewegungsgerät haben könnte. Ich schaltete das Licht ein, schwang mich auf den Sattel und trat an - und richtig erhellte flackernder Lichtschein vom Frontscheinwerfer den Bereich vor mir. "Hey, coool! Das Ding leuchtet!", kommentierte Rainbow sichtlich begeistert. Ich hielt an, und der Lichtschein erlosch. "Ooooch, schade. Aus." Ich grinste. "Tja, dieses Licht hier wird erzeugt durch Induktion, und die funktioniert nur so lange, wie ich mit diesem Fahrrad hier in Bewegung bin. Es gibt zwar auch schon Modelle mit Kondensatoren, bei denen das Licht auch im Stand noch eine kleine Weile weiter leuchtet, aber dieses Rad hier hat diese Technik offenbar noch nicht. Wenn ich allerdings wieder losfahre..." Ich fuhr erneut an, und richtig leuchteten die Lampen vorn und hinten wieder auf. "Cool! Wenn wir Pegasi sowas hätten, könnten wir auch bei Nacht fliegen!" "Was spricht dagegen? Lampe nehmen wie Applejack, und los gehts!" Rainbow zog eine Schnute. "Hast du eine Ahnung, wie unhandlich es für einen Pegasus ist, die ganze Zeit so ein Ding mit sich umherzuschleppen? Es geht zwar, aber man sollte damit keine Loopings oder Spins fliegen, durch die entstehenden Kräfte reißt es einem die Lampe schneller aus dem Maul, als du denkst, und dann fliege mal im Dunkeln, wenn du nicht siehst, wo du hinfliegst... das kann sehr unangenehm enden", sie zog eine Grimasse, der ich entnahm, daß sie wohl schon einige Male im Finstern mit soliden Hindernissen in ihrer Flugbahn Bekanntschaft geschlossen hatte. Wir begaben uns auf dem mir schon bekannten Weg, der wieder nur ein Weg und nichts weiter war, in die Stadt. Dort existierte, wie mir erst jetzt auffiel, eine Straßenbeleuchtung, die nach demselben Prinzip zu funktionieren schien wie die transportablen Lampen der Ponys. Applejack und Rainbow Dash lotsten mich zur neu erbauten Stadthalle, und wir schienen fast die letzten Gäste zu sein, die eintrafen - auf den Straßen war kaum noch ein Pony zu sehen, dafür war die Stadthalle, der Geräuschkulisse nach zu urteilen, voller fröhlichem Leben. Ich stellte mein Fahrrad, wie gehabt, an einer Hauswand ab. Als ich mich umdrehte, hörte ich ein machtvolles Rauschen, das von oben zu kommen schien, und blickte zum Himmel. Über der Stadt war etwas erschienen, das am ehesten an eine fliegende offene Kutsche erinnerte. Gezogen wurde das Gespann von sechs männlichen Pegasi (zu erkennen an den deutlich eckigeren Gesichtszügen) in prachtvollen Rüstungen. Sie legten sich mitsamt der Kutsche in die Kurve und vollführten einen eleganten Landeanflug, um direkt auf der Straße vor dem Eingang zum Stehen zu kommen. Im Inneren des Fluggefährtes befanden sich, wie ich es bereits erwartet hatte, die beiden Prinzessinnen Equestrias persönlich - Celestia hatte ich ja bereits gestern selbst kennengelernt, und auch Lunas Aussehen entsprach exakt der Darstellung in der Cartoonserie. Alle Ponys, die die Ankunft bemerkt hatten, kamen herbei und verbeugten sich respektvoll, und auch ich näherte mich der Kutsche mit den beiden Alicorns. Luna entdeckte mich zuerst. "Wir, die Prinzessinnen dieses Unseres geliebten Landes, Equestria, haben die Ehre, den Botschafter aus der Welt der Menschen willkommen zu heißen!" Ich hatte das Pech, nur wenige Meter entfernt zu sein - vermutlich konnte ich einige Prozente meines Gehörs hiermit abschreiben. Ich verzog das Gesicht. "Danke, verehrte Prinzessin Luna..." "Wir hoffen, Er ist mit seinem bisherigen Aufenthalte und dem, was Wir Ihm bieten können, zufrieden?" Celestia, die meinen Gesichtsausdruck bemerkt hatte, stupste ihre Schwester mit dem Flügel an. Der offizielle, hochherrschaftliche Gesichtsausdruck verschwand aus dem Gesicht des dunkelblauen Alicorns und machte einem Ausdruck der Verwirrung Platz. "Was ist? Habe ich was Falsches gesagt?", fragte sie, jetzt in normaler Lautstärke und hörbar verunsichert. Ich ging näher an die Kutsche heran. "Verehrte Prinzessin der Nacht...", begann ich umständlich, wurde aber sofort unterbrochen. "Oh, bitte... ich habe doch auch einen Namen... Luna reicht völlig, werter Botschafter, wenn Wir Ihn darum ersuchen dürfen." "Wie Ihr wollt.... Luna. Also: Ihr habt nichts Falsches gesagt, ich danke Euch für den Empfang, und außerdem für das Paket mit meinen Sachen und dem Raumöffner. Ich... seht es bitte nicht als Respektlosigkeit an... ich habe schon von Eurer berühmten Royal Canterlot Voice gehört, nur, eine Bitte: ich bin nicht taub und habe auch nicht vor, das zu werden. Normale Lautstärke reicht bei mir völlig. - Wenn ich das so sagen darf... immerhin hatte ich bisher nicht viel mit Prinzessinnen zu tun." Celestia versuchte offensichtlich, nach außen hin ihre offizielle Fassade zu wahren, aber ich konnte das amüsierte Funkeln in ihren Augen deutlich sehen. Luna blickte fragend, schien dann aber innerlich mit den Schultern zu zucken (oder vielmehr das Pony-Gegenstück davon zu tun) und sah mich freundlich an. "Wie Ihr wünscht, werter Botschafter. Es ist für mich... für Uns... nicht leicht, den richtigen Ton zu treffen. Aber auch wenn meine Schwester und ich Prinzessinnen sind, so sind wir doch trotzdem noch auch normale Ponys... also macht Euch bitte keine zu großen Umstände." "Nun... wenn das so ist... ich muß nicht mit Botschafter angesprochen werden, immerhin habe ich diesen Titel erst gestern bekommen. Bis dahin war auch ich nur ein normaler Mensch - ich heiße schlicht Michael." Sie strahlte mich glücklich an. "Dann sollten wir, solange wir unter uns sind, und für diese Nacht doch ganz auf Titel verzichten - oder, Tia, wie siehst du das?" Schelmisch stupste sie ihre größere Schwester an. Deren Gesicht verfinsterte sich in gespieltem Ärger. "Tia... also bitte... ich sag doch auch nicht nur Lu zu dir, oder Lulu oder sowas! Wenigstens meinen vollen Namen können wir doch wenigstens beibehalten! - Aber sonst hast du schon recht... nur nicht vor unseren Untertanen, bitte, ein wenig Etikette müssen wir da schon wahren." Luna grinste fröhlich. "Wie du meinst, Celes - Tia." Das weiße Alicorn verdrehte die Augen, ging aber nicht weiter auf die Neckerei ihrer Schwester ein. Stattdessen machten beide Prinzessinnen Anstalten, auszusteigen, aber ich hielt sie zurück. "Verzeiht, beide, wenn ich euch noch aufhalte, aber ich glaube, es gibt da etwas, was ihr wissen solltet. Heute mittag gab es einen Vorfall, bei dem Dinge aus meiner Welt kurzzeitig nach Equestria kamen und wieder zurückfielen in mein Universum - um genau zu sein, ein Auto und ein kompletter Eisenbahnzug. Vom Auto habe ich nur noch die Reifenspuren gesehen, das Gleis für den Zug erschien dagegen auf offenem Feld, der Zug fuhr durch, und der Bahndamm verschwand erst nach Kontakt mit equestrianischer Materie, in dem Falle war es ein Schneeball." Die beiden Alicorns tauschten einen besorgten Blick miteinander. "Warst du allein dort?" "Nein, Applejack und Rainbow Dash waren bei mir und haben alles selbst mit angesehen." "In Ordnung. Applejack, sieh bitte drinnen nach, ob die anderen Elemente der Harmonie schon da sind, und hole sie mir her - aber unauffällig. Wir werden die Stelle sofort inspizieren, ich muß wissen, was genau da los war." Die Angesprochene eilte nach drinnen, um nach erstaunlich kurzer Zeit mit Fluttershy, Rarity, Pinkie und Twilight zurückzukommen, alle vier trugen festliche Gewänder. Als sie die Kutsche der Prinzessinnen und ihre Insassen sahen, traten sie näher und setzten zu der obligatorischen Begrüßungsgeste an, aber Celestia winkte ab. "Schon gut, das sparen wir uns. Heute mittag ist etwas vorgefallen, von dem ihr wissen solltet - aber bitte vorerst nur ihr und keine weiteren Ponys. Wir begeben uns jetzt zum Ort des Geschehens. Und wundert euch nicht, daß kein anderes Pony irgendwie reagiert oder wie eingefroren zu sein scheint - diese Erscheinung kann euch nachher Twilight erklären, sie sollte mit der selektiven Zeitdilatation hinreichend vertraut sein. Du mußt sie nicht selbst anwenden", fügte das weiße Alicorn hinzu, als sie das Erschrecken in Twilights Gesicht sah, "das erledige ich für uns, ich fürchte, bei all deinen unbestrittenen Fähigkeiten, daß Zeitdilatationsblasen noch ein kleines Stück über deine Fähigkeiten hinaus gehen. Und nun, Michael, Applejack, Rainbow Dash - führt uns zu der Stelle, an der ihr den Bruch der Barrieren zwischen den Welten gesehen habt." Die Prinzessin hatte in ruhigem und freundlichen, aber auch äußerst bestimmten Tonfall gesprochen, einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ und deutlich machte, daß bei aller Freundlichkeit noch immer sie es war, die im Zweifelsfall die Kommandos erteilte. Die Ponys fügten sich auch ohne Widerrede oder weiteren Kommentar, und während die Prinzessinnen aus ihrer Kutsche ausstiegen (die Zug-Pegasi rührten sich bereits nicht mehr, offenbar hatte Celestia die Zeitblase bereits eingerichtet, während sie gesprochen hatte), holte ich mein Fahrrad und schloß zu der Gruppe aus. "Laßt uns aufbrechen. Michael, bitte informiere die Elemente der Harmonie, die nicht dabei waren, was genau ihr gesehen habt, während wir uns auf dem Weg befinden." Luna, Rainbow und Fluttershy hoben vom Boden ab und schwebten neben uns her, während Celestia, die beiden Erdponys (von Pinkies üblicher überdrehter Fröhlichkeit war im Moment nichts geblieben, offenbar begriff auch sie den Ernst der Lage und würde es natürlich nicht wagen, den Herrscherinnen zu widersprechen oder sie mit Albernheiten zu stören) und die beiden Unicorns zu Fuß gingen. Ich fuhr mit meinem Fahrrad an und nutzte die Zeit, um Celestias Weisung Folge zu leisten und noch einmal unser Erlebnis vom Mittag zu schildern - auch die Prinzessinnen erfuhren so die notwendigen Einzelheiten. Auf dem Weg angelangt, wurde ich langsamer, rollte aus und blieb schließlich ganz stehen, um mich einigermaßen ratlos umzusehen. "Also, um ehrlich zu sein... wo ganz genau das nun war, weiß ich nicht, dazu sieht alles zu gleich aus, und es ist zu dunkel. Wenn ich fliegen könnte und Licht hätte, würde ich ja parallel zum Weg hier über das Feld fliegen, da findet man die Spuren sofort, aber so..." "Kleinigkeit!" Rainbow war neben mir gelandet. "Applejack - die Lampe." Die Angesprochene gab dem blauen Pegasuspony das Verlangte, und trotz ihrer eigentlichen Abneigung gegen ein Fliegen mit einer Lampe, von dem sie mir früher am Abend erzählt hatte, hob sie vom Boden ab und vollführte einen flachen Gleitflug über das Feld. Wir folgten ihr parallel auf dem Weg. Nach vielleicht einer Minute und zweihundert Metern hatte sie die Stelle mit den Reifenspuren gefunden. Von da aus waren es weitere hundert Meter bis zum Bahndamm, wie ich mich erinnerte. "Ihr habt also hier gestanden, als das Gleisbett erschien?", vergewisserte sich Celestia, und Applejack, Rainbow (die ihre Lampe inzwischen an mich abgegeben hatte) und ich nickten. Celestias und Lunas Gesichter versanken für einige Sekunden in einem Ausdruck angespannter Konzentration, bevor das weiße Alicorn die Augen wieder öffnete. "Es hat keinen Sinn, ich muß selber sehen, was geschehen ist. Bitte erschreckt nicht." Erneut versanken beide Alicorns in tiefer Konzentration, und die Hörner an ihren Stirnen begannen, in einem unheimlichen, düsteren Licht zu schimmern. Es hatte keiner Anweisung Celestias an Luna bedurft - offenbar verstanden sich die Schwestern ohne Worte, aber das war wohl auch wenig überraschend, wenn man bedachte, daß sie mindestens einige Jahrhunderte zusammen verbracht hatten und vermutlich beide Telepathinnen waren. Fluttershy gab ein erschrecktes Quietschen von sich und verschwand mit einer blitzartigen Bewegung hinter Pinkie. Diese starrte wortlos und, für sie untypisch, auf einer Stelle stehend, in die Richtung, in die wir heute mittag ebenfalls gesehen hatten, und ich folgte ihrem Blick. Der Weg vor uns war nicht mehr leer und dunkel. Es war... schwer zu beschreiben. Fremdartig, gespenstisch, unheimlich... aber ebenso faszinierend. Nur wenige Meter vor uns endete die Dunkelheit der Nacht, und der Weg war taghell, obwohl der Himmel über uns nach wie vor schwarz und nur vom Sternenfunkeln erleuchtet war. Der helle Bereich erstreckte sich entlang des Weges und links und rechts davon auf beiden Seiten etwas über hundert Meter in die Richtung, in die wir sahen, und außerhalb dieses Bereiches herrschte nach wie vor Dunkelheit. Und ich sah noch mehr: Applejack - die Ausgabe von ihr, die nicht soeben mit schreckensstarren Augen auf die Erscheinung vor ihr starrte und sich just in diesem Moment schutzsuchend an mich drückte - stand auf dem Weg und starrte auf einen Punkt in der Ferne, wo ein funkelndes und blitzendes Leuchten erschienen war. Dann sah ich mich selbst: ich und Rainbow - die Rainbow, die nicht mit Flügeln, die in der Bewegung des Zusammenfaltens erstarrt waren, neben mir stand und ungläubig auf das blickte, was sich ihr bot - kamen vom Feld, sie flog, ich stapfte durch den unwegsamen Schnee. Unsere anderen Ichs erreichten Applejack und folgten ihrem Blick. "W - w - was... was ist das nur? Was sehe ich hier?", fragte Rarity mit zitternder Stimme, während Fluttershy und Pinkie einige ängstliche Quietschlaute von sich gaben. Luna schüttelte unwillig den Kopf und öffnete kurz ihre Augen - nur daß sie im Moment keine Augen mehr hatte. Da, wo diese sein sollten, schienen Scheinwerfer oder wenigstens Lampen zu sitzen, denn anstatt Pupillen oder wenigstens etwas Augenähnlichem drang nur ein grellweißes, nur von den Umrissen ihrer Augenform begrenztes Leuchten aus dem Inneren ihres Kopfes nach draußen. Die Erscheinung vor uns wurde blasser und unschärfer wie ein alter Film. "Habt keine Angst, meine kleinen Ponys. Wirsehennurwasbereitspassiertist", die letzten Worte waren kaum zu verstehen gewesen, so sehr war ihre Stimme verzerrt. Sie schloß ihre unheimlichen Nicht-Augen wieder, und das Bild vor uns gewann seine Schärfe und Farbtiefe zurück. Ich spürte ein Zittern neben mir - und bemerkte, daß sich jetzt schon zwei Ponys an meine beiden Seiten drängten, Applejack auf der einen, Rarity auf der anderen Seite. Die beiden Pegasi hatten je einen ihrer Flügel über den der anderen gelegt, und Pinke stand einfach nur starr da. Einzig Twilight schien die Szenerie mit einer Art wissenschaftlicher Neugier und weniger mit Furcht als vielmehr mit Respekt zu betrachten. Ich ging in die Hocke, um auf der richtigen Höhe zu sein, und legte meine Arme um die beiden Ponys. "Was passiert hier bloß?", flüsterte Rarity, die selbst als Unicorn offenbar Mühe hatte, zu verstehen, was hier stattfand. "Wie Luna schon gesagt hat: kein Grund zur Furcht. Sie sagte es ja schon: wir sehen hier nur, was bereits passiert ist - heute mittag, um genau zu sein. Wir sehen uns also nur die Bilder der Vergangenheit an." "Schatten der Vergangenheit, bitte", preßte Luna hervor. "Auch gut... dann eben Schatten. Jedenfalls nichts, wovor wir Angst haben müßten, und ich nehme an, sowohl mein anderes Ich als auch Rainbow und Applejack da drin können uns hier weder sehen noch hören." Ich sah zu den Magierinnen, bekam dieses Mal aber keine Reaktion, dafür nickte mir Twilight bestätigend zu. "Wir sollten die Gelegenheit nutzen - so seht ihr gleich selbst, was wir heute gesehen haben." Immerhin hatte ich die Ponys damit so weit beruhigt, daß sie ihre Augen auf das Geschehen vor uns gerichtet hielten. Und die Ereignisse vom Mittag wiederholten sich getreulich: die S-Bahn erschien, rauschte durch das kleine Stück Equestria und verschwand wieder, und Rainbow und Applejack rannten los, während mein anderes Ich vergeblich versuchte, sie aufzuhalten. Unsere Gruppe aus der Gegenwart folgte den drei Wesen aus der Vergangenheit in einigen Schritten Abstand, und hinter uns verschwand die Helligkeit des Tages - der helle Bereich unter dem Sternenhimmel wurde kleiner, je näher wir dem Bahndamm kamen. Nach meinem dritten Schneeballwurf und nachdem sich der Schneeball in einer Dampfwolke aufgelöst hatte, verschwand der Bahndamm, und die Gestalten aus der anderen Zeit rannten los, nur, um keine Spuren mehr davon zu entdecken. Dann verging die Erscheinung: der helle Bereich vor uns, der inzwischen nur noch wenige Meter umfaßte, flackerte, die drei Figuren darin wurden unscharf, und das Bild erlosch ohne weiteren Übergang. Von einer Sekunde auf die andere befanden wir uns wieder auf dem nachtdunklen Weg unter dem Sternenhimmel, von dem das Sternbild des Orion uns hämisch anzugrinsen schien, und unsere Umgebung war wieder so, wie sie sein sollte. Die beiden Prinzessinnen keuchten erschöpft und öffneten mit einem Ruck ihre Augen - beide hatten wieder ihre normalen, bekannten Sehorgane, keine unheimlichen Leuchterscheinungen mehr. Ihre sonst in einem unsicht- und unfühlbaren Wind wehenden, ehedem funkelnden Mähnen hingen stumpf und kraftlos herab, und sie taumelten, offenbar vor Erschöpfung. Ich sprang auf und griff mit jedem Arm einer von beiden unter die Vorderhufe - in diesem Moment war es mir egal, ob ich es mit Herrscherinnen oder Magierinnen zu tun hatte und was irgendwelche Etikette-Regeln sagen mochten, vor mir zitterten zwei Ponys vor Schwäche, und ich würde nicht tatenlos dabei zusehen, wie sie vor meinen Augen kollabierten. Ich griff zu und fühlte ein leichtes Kribbeln in meinen Armen, aber weiter nichts. Nachdem ich sie vielleicht eine Minute lang derartig gestützt hatte, wurde ihr Zittern schwächer, und ich konnte spüren, wie meine Arme entlastet wurden, als die beiden Alicorns wieder genügend Energie in sich fanden, um ihr eigenes Körpergewicht zu tragen. Als ich mir sicher sein konnte, daß keine Gefahr des Zusammenbrechens mehr bestand, lockerte ich meinen Griff und zog meine Arme zurück. Celestia, deren Mähne bereits wieder sichtlich an Farbe und wehender Magie gewonnen hatte, öffnete die Augen und lächelte hintergründig. "Allerhand. Daß jemand bei zwei Prinzessinnen derartig zupackend ist, habe ich auch noch nicht erlebt." "Tut mir leid, wenn ich damit gegen irgendwelche hiesigen Benimm-Regeln verstoßen habe und es irgendein Gesetz gibt, wonach ein Berühren von Mitgliedern der herrschaftlichen Familie verboten ist." In meiner Stimme lag nicht die leiseste Spur von Humor, und ich konnte hören, wie die Ponys hinter mir, erschrocken ob meines Tonfalls, die Luft einsogen. "Ich werde nicht zulassen, daß ihr beide hier vor meinen Augen zusammensackt. Ich kann mir vorstellen, wie anstrengend diese Demonstration gerade eben war, aber deshalb lasse ich zwei denkende und fühlende Lebewesen noch lange nicht zusammenklappen wie einen alten Liegestuhl, Prinzessinnen-Titel hin oder her." "Ähm, entschuldigt bitte, nur wenn es Euch nichts ausmacht... ich möchte wirklich nicht vorlaut sein...", vernahm ich eine schüchterne Stimme hinter mir. Fluttershy war herbeigekommen. "Michael ist noch nicht lange genug in Equestria, er wollte Euch gewiß nichts Böses antun... falls ich das so sagen darf..." Celestias Lächeln wurde wärmer. "Sorge dich nicht, Fluttershy. Er hatte außerdem recht: dieses Zurückdrehen der Zeit war anstrengend, und im Schnee zusammenzusacken ist sicherlich nicht besonders angenehm. Daher denke ich, wir werden uns eher bei ihm bedanken." "Bin ich froh, das zu hören..." Sie sauste zurück zu ihren Freundinnen, und ich sah die beiden Alicorns fest an. "Hält die Zeitdilatation noch, oder sollten wir zurück, bevor die Zeitblase zusammenbricht?" Luna, deren Mähne inzwischen auch wieder leicht zu funkeln und wehen begonnen hatte, machte ein erstauntes Gesicht, scheinbar hatte lange niemand derart offen mit ihr oder ihrer Schwester gesprochen, aber Celestia nahm ihr die Mühe einer Antwort ab. "Wir werden die Zeitblase, wie du sie nennst, wohl aufrecht erhalten können, auch wenn es schwierig wird. Mit mehr Energie wäre das Ganze sicher einfacher, aber niemand sagt, daß Magie eine einfache Angelegenheit wäre." "Mehr Energie? - Ich denke, ich kann helfen.... so viel Gemeinsamkeiten zwischen Ponys und Menschen sollte es dann doch geben. Applejack? Hole mir doch bitte die Colaflaschen, die ich mitgebracht habe, sie sollten auf meinem Fahrradgepäckträger festgeklemmt sein." "Kommt sofort, die Herrschaftn!" Das orangene Farmpony sauste los, zu meinem Fahrrad, das ich an der Stelle, an der wir vorhin gehalten hatten, stehengelassen hatte, um kurz darauf mit dem Schserpack im Maul zurückzukommen und diesen vor mir abzusetzen. Zum Glück war es durch den Sternenhimmel nicht völlig finster, und der Schnee reflektierte genügend Licht, so daß sie für diesen kurzen Ausflug keine Lampe benötigte. Ich entnahm zwei Flaschen, schraubte sie auf und hielt sie in die Höhe. "Hier - das ist Cola, ein Getränk aus meiner Welt. Ich bin sicher, das wird euch beiden helfen, ich kann nur leider keine Gläser anbieten." Die beiden Flaschen begannen zu schweben, und in einer reichlich komisch aussehenden Bewegung, in der sie ihren Hals halbwegs über ihren Rücken verdrehen mußten, setzten beide Alicorns ihre Flaschen an und begannen zu trinken. Schon nach wenigen Schlucken konnte man sehen, wie die Energie in ihre Körper zurückkehrte (besonders deutlich war die Veränderung an ihren Mähnen und Schweifen abzulesen, die wieder vollständig zu ihrer altbekannten Erscheinungsform des Wehens in einem nicht vorhandenen Wind und Funkelns von Energie zurückkehrten), und beide leerten ihre Flaschen komplett, bevor sie sie zu mir zurückschweben ließen. Pinkie hatte das Schauspiel mit ungläubigen Blicken verfolgt. "Ooooooooooooooiiiiiii.... was ist denn das? Was ist da bloß drin, daß es die mächtigen Alicorns wieder in Schwung bringen kann?" Sie sah mich mit großen, neugierigen Augen an. "Sehr einfach: hauptsächlich in Wasser gelöster Zucker und Koffein. Dazu noch paar andere Stoffe, damit es nach was schmeckt." "Yuiiii! Zucker! Koffein! Yuiiii! Genau das Richtige für ein müdes Pony - oh, ups, Entschuldigung, Eure Hoheiten, keine Beleidigung beabsichtigt. Aber das ist so geniaaaaaal! Willichauchwillichauchwillichauch!!" Sie begann, im Kreis um uns herumzuhopsen. Ich grinste. "Kannst du kriegen - ich hab die Flaschen eigens für die Party mitgebracht." Hinter mir erklang ein Schnaufen. "Och nööö... Pinkie mit noch mehr Energie... das halt nicht mal ich aus." Ich konnte mir das Feixen nicht verkneifen, als ich Rainbows Stimme erkannte. "Tja, da wirst du wohl durch müssen." Inzwischen schienen sich die Prinzessinnen weitestgehend regeneriert zu haben. "Danke, Michael, das war gut. Was sagst du, große Schwester - schaffen wir es, die anderen Spuren auch noch verfolgen zu können?" "Ich denke schon, kleinere Schwester", erwiderte Celestia zwinkernd. Wir gingen zurück zu der Stelle, an der sich mein Fahrrad befand. Nun, da die Ponys wußten, was auf sie zu kam, konnten sie dem Heraufbeschwören der Vergangenheit gelassener begegnen - obwohl auch diese Vorstellung durchaus beeindruckend war, wenngleich der räumliche Bereich naturgemäß wesentlich kleiner ausfiel und die Zeitverschiebung nicht einmal eine halbe Minute lang dauerte. Jetzt sah ich, was geschehen war, bevor Rainbow und ich die Reifenspuren entdeckt hatten: Die Luft über dem Feld flimmerte auf einer Länge von rund 20 Metern, gelegentlich zuckten kleine Blitze hindurch, und das mir schon vertraute elektrische Zischeln und Kracksen war zu hören. Dann, mit einem kurzen Aufleuchten, erschien ein großer, recht neuer Pickup-Truck am Bildrand, legte die Strecke in nur ungefähr einer Sekunde zurück und verschwand. Allerdings war etwas anders als bei unserer Begegnung mit dem Zug: war mir dieser genauso deutlich und scharf erschienen, wie ich es aus meiner Welt kannte, so war der Pickup verwischt, unscharf und schien Schlieren hinter sich herzuziehen. Und noch etwas war anders: die S-Bahn hatte keine Schneefahnen hinter sich hergezogen, dieses Fahrzeug hier aber tat es. Nachdem es am Ende des Dimensionentunnels verschwunden war, fächelte durch den Luftzug des schnellen schweren Fahrzeugs equestrianischer Schnee in seiner Spur, da, wo der Wagen entlanggekommen war - und kollidierte mit der schmalen Begrenzungsseite des Tunnels, der daraufhin genauso verschwand, wie wir es beim Bahndamm gesehen hatten, und nur die Reifenspuren hinterließ, die ich und Rainbow gefunden hatten / finden würden. "In Ordnung... das war weniger kritisch, zumal die Barriere nicht vollständig durchdrungen wurde, dieses Ereignis fand ungefähr eine Stunde vor der Zugdurchfahrt statt. Ähnliche Vorkommnisse geschehen seit Jahren immer wieder einmal, deshalb wurde ich auch darauf aufmerksam, daß die Barrieren zwischen unseren Welten schwächer werden", kommentierte Celestia, nachdem diese Vorstellung beendet war, diesmal ohne sichtbare Schwächung der Alicorns. "Kehren wir zurück nach Ponyville." Bevor die Fragen der Ponys auf die beiden Prinzessinnen einprasseln konnten, fiel mir etwas ein. "Celestia... du... Ihr... ach, was solls, wir sind unter uns, so lange bleib ich beim du, wenn es erlaubt ist", unterbrach ich mich, sehr zu ihrer sichtlichen Erheiterung. "Was ich eigentlich sagen wollte: du hast gestern gesagt, daß Menschen zwar womöglich von meiner Welt nach Equestria kommen können, aber der umgekehrte Weg für uns nicht möglich ist, da unsere Zellstruktur anders beschaffen ist als die von Ponys und es uns, so habe ich es verstanden, umbringen würde. Was ist mit dem Autofahrer passiert? Und den Fahrgästen in der S-Bahn? In so einem Zug sitzen meistens Dutzende, wenn nicht Hunderte von Menschen - sind die jetzt alle... tot?" Das weiße Alicorn sah mich ernst an. "Es stimmt, daß Menschen nicht hin- und herreisen können wie Ponys. Aber ich glaube nicht, daß deine Artgenossen tot sind... sie haben die Grenze zwischen den Welten, die Dimensionsfelder, wenn du so willst, nicht überschritten, sondern sind in beiden Fällen innerhalb des Dimensionstunnels geblieben. Hätte deine S-Bahn angehalten und die Leute wären ausgestiegen und durch die Felder hindurchgegangen, hätten sie das zwar überlebt, aber hätten dann auch dauerhaft hier bleiben müssen, jeder Versuch, wieder zurückzugehen, wäre in der Tat tödlich gewesen. Es gab schon in der Vergangenheit ähnliche Vorfälle... ich sage nur, daß ich es daher weiß, daß für Menschen der Weg eben nur in eine Richtung möglich ist. Sowohl der Mensch im Wagen auf dem Feld als auch die Menschen im Zug haben zwar für die Zeit des Passierens der schwachen Barrieren zwischen den Welten Equestria gesehen, aber mehr auch nicht - und bei der Geschwindigkeit werden sie nicht viel erkannt haben und es womöglich als Sinnestäuschung abtun." Ich nickte nur - immerhin bestand damit die realistische Chance, daß wir eben nicht Zeugen eines Massentods durch ein Naturphänomen geworden waren. Auf dem Rückweg zur Stadthalle wurden, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, die Prinzessinnen und Twilight mit Fragen bombardiert, und die magischen Wesen taten ihr bestes, sie zu beantworten - dennoch glaubte ich nicht, daß wirklich alle Unklarheiten beseitigt waren, nachdem wir nach vielleicht einer Viertelstunde Wegezeit wieder dort ankamen, wo wir losgegangen waren, und dort - wenig überraschend - alles unverändert vorfanden. Celestia hob ihren Blick und ihre Stimme. "In Ordnung, meine kleinen Ponys - ich verstehe ja, wie sehr euch das alles beschäftigt, und ich bedaure, euch damit belästigen zu müssen und doch nicht alles erklären zu können, aber das, was ihr jetzt gesehen habt, war fortgeschrittene Magie, die vielleicht seit Starswirl dem Bärtigen noch kein normales Pony je wieder gesehen, geschweige denn praktiziert hat. Für den Moment müssen wir es dabei belassen. Es wird Zeit, unsere Zeitblase aufzulösen und wieder Teil des normalen Raum-Zeit-Flusses zu werden - bitte stellt euch vor der Kutsche auf, so wie vorhin, als ich euch rufen ließ. Wir werden ebenfalls unsere Plätze wieder einnehmen", damit setzten sich beide Alicorns in die Kutsche, "und nun werden wir wieder Teil des normalen Zeitablaufes. Denkt bitte immer daran, das ist von größter Wichtigkeit - ich bitte euch wirklich inständig", die letzten Worte klangen weitaus weniger wie eine Bitte, sondern wie ein unbedingter Befehl, der sie ja auch waren, "denkt stets daran: für jedes Pony außer uns ist keinerlei Zeit vergangen, wir waren für sie nie abwesend, unser Ausflug aufs Feld hat für sie nie stattgefunden. Nur wir neun wissen davon, für alle anderen gibt und gab es all das schlicht nicht. Bereit zur Rückkehr in die normale Zeit?" Wir nickten. Celestia neigte kurz den Kopf, und ein leichter Ruck schien durch die Wirklichkeit zu gehen. Die Ponys rings um uns setzten ihre Bewegungen, in denen sie wie eingefroren gewesen waren, fort, und Rarity, Twilight, Pinkie und Fluttershy vollführten die traditionelle Begrüßungsgeste, die von den Prinzessinnen huldvoll erwidert wurde. "Prinzessin Celestia! Prinzessin Luna! Wie schön, daß Ihr kommen konntet, seid willkommen auf der Party", sprudelte eine überzeugend enthusiastisch klingende Pinkie Pie hervor - offenbar hatten die Ponys die Anweisung Celestias verstanden und verinnerlicht. "Eure Hoheiten - wenn Ihr gestattet, möchte ich gern eine Art Gastgeschenk holen. Es ist ein Getränk aus der Menschenwelt, vielleicht wird es das Wohlwollen von Euch und Euren Untertanen finden: es handelt sich um Cola." Celestia neigte den Kopf in einer huldvollen Geste, und wer es nicht wußte, der hätte das belustigte Funkeln darüber, wie ich meine Rolle spielte, mit Sicherheit nicht wahrgenommen. Ich ging zu meinem Fahrrad und nahm mir die verbliebenen vier Flaschen, dann gingen wir ins Innere der Halle. Kaum hatten die anwesenden Ponys - es schien sich um die gesamte Bevölkerung von Ponyville zu handeln - bemerkt, wer da zur Tür hereinstolzierte, vollführten auch sie die traditionelle Begrüßungsgeste, bevor sie sich nach einigen Sekunden erhoben und zu dem zurückkehrten, was immer sie gerade getan hatten, bevor wir eingetreten waren. Ich wandte mich mit meinen Colaflaschen dem Tisch mit den Getränken zu, als ich von der Bühne, elektronisch verstärkt, Pinkies Stimme vernahm. "Fillies und Gentlecolts! Zeit für... Musik! Begrüßt mit mir eure heutige DJane, die einzige, die wahre, die unvergleichliche... DJ Pon-3!" Scheinwerfer flammten auf und wanderten zu einer Seitenbühne, auf der ein weißes Unicorn mit einer streifenartig zweifarbigen, aus Türkis und Hellblau bestehenden Mähne, einem ebensolchen Schweif und stylischer Sonnenbrille vor einem Mischpult stand und die Hufe hochriß. "Yeah! Ponyville, Lust auf... Paaaarrtyyyyy?! Lets get it on!" Damit leuchtete ihr Horn magisch auf, und selbst auf die Entfernung hin konnte ich sehen, wie sich Regler verschoben und Plattenspieler in Bewegung setzten. Ich erinnerte mich an die Serie: das DJ-Pony dort drüben war niemand anderes als Vinyl Scratch, die hier unter ihrem Künstlernamen für Stimmung sorgte und energiegeladene elektronische Musik auflegte. Luna verschwand im Getümmel auf der Tanzfläche, und zu meiner Überraschung lief kein Pony vor ihr davon oder hielt ihr einen separaten Raum frei - sie behandelten sie wie ihresgleichen, und Luna schien sich prächtig zu amüsieren. "Wuuuhuuuyyyiii! Zeit für einen guten Drink!", quietschte ein rosafarbenes Energiebündel vergnügt und zauberte eine Flasche unter dem Tisch hervor. Nach kurzem Nachdenken fiel es mir wieder ein: Pinkie hatte die Flasche Jack Daniels Winter Apple vom Vormittag mitgebracht... und jetzt hervorgeholt, wie sie es angekündigt hatte. Nun, versprochen war versprochen, also nahm ich die Flasche, die sie mir erwartungsvoll hinhielt. "Gib mal bitte ein paar Gläser her. - Jede nur einen kleinen Schluck! Ich will euch nicht einseifen... nicht besoffen machen, das kann ich nicht verantworten, also macht mir bitte keine Schande!", ermahnte ich sie, bevor ich die kleinen Gläser füllte. Applejack war die erste und leerte ihr Glas mit genießerischem Blick. "Whollalla, gutes Zeug, das muß ich sagn... aber wenn'de denkst, daß'n Pony davon schon besoffn ist, kennst'e uns noch nich' wirklich." Sie kicherte und hielt mir erwartungsvoll das Glas erneut hin. Achselzuckend schenkte ich nach - und beglückwünschte mich dazu, daß so viele Ponys anwesend waren und sich die Gesamtmenge der Flasche entsprechend verteilte. Auch andere Ponys probierten das Getränk, und ich hörte die Kommentare. "Sta-hark!" "Aber gut! Und schmeckt!" "Hey Applejack, wie wäre es, wenn ihr Apples selber sowas braut?" "Hätte nichts dagegen, ich würde es kaufen!" "Damit würdest du reich werden, meine Liebe!" So in etwa ging es weiter. Auch meine Cola fand guten Anklang, und nach kurzer Zeit waren die Flaschen mit Getränken aus der Menschenwelt leer. Twilight kam auf mich zu. "Hier, das soll ich dir von Spike geben. Er war fasziniert von der Schreibmaschine und möchte wissen, ob er richtig damit umgegangen ist." Ein Blatt Papier schwebte heran. Ich griff danach und las: aLikg7%njf ) jK kf p?& )ne4MMgf .-ö e a WvGE GFEG" !! dwGTfs sowie noch einige weitere, ebenso unaussprechbare Zeilen. Die Typen waren unterschiedlich ausgeprägt, von so schwach, daß fast nichts zu sehen war, über genau die richtige Stärke bis hin zu so brutal angeschlagen, daß es die Löcher der gefüllten Zeichen aus dem Papier geschleudert hatte, war alles vertreten. Ich grinste. "Sieht so aus, als hättet ihr das Farbband aufgefrischt, das war schon erstmal gut und richtig. An der richtigen Anschlagstärke muß er aber dringend arbeiten", ich zeigte ihr, was ich meinte, "und außerdem wäre es vielleicht sinnvoll, wenn er etwas schreiben würde, was man auch lesen und aussprechen kann. Das hier ist nur Zeichenwirrwarr ohne Sinn und Verstand." "Sieht wohl so aus... sind das menschliche Schriftzeichen? Natürlich - die Maschine stand im Raum der menschlichen Artefakte, also sind es wohl eure Buchstaben und Zahlen, nicht unsere." "Richtig erkannt. Sicher, man kann auch unsere Sprache erlernen... womit ich leider nicht dienen kann, ist, die Maschine auf equestrianische Schriftzeichen umzubauen." Ihre Augen begannen zu leuchten. "Eure Sprache und Schrift lernen? Das wäre... wundervoll!" "Wenn Zeit dazu ist... gern." Ich lächelte - und seufzte innerlich. Was hatte ich jetzt bereits alles auf meiner Liste? Ich überlegte: Fotomodel für Rarity spielen, mit Rainbow ihr Haus und eventuell die Wetterfabrik besichtigen, ihr mehr über die Sportarten der Menschen erzählen, Spike meine Schrift und die korrekte Handhabung einer mechanischen Schreibmaschine beibringen... ich hoffte nur, daß ich mich mit all diesen Punkten nicht übernommen hatte, zumal ich nebenher auch noch Botschafter der Menschen für die Ponys sein sowie möglichst viel über die Ponygesellschaft lernen sollte und dann noch verhindern wollte, daß Equestria und meine Heimatwelt eins wurden. Und noch eine Sache fiel mir ein - diese ging ich am besten sofort an. Ich wandte mich an die Prinzessin der Sonne. "Verehrte Celestia?" Ein huldvoller Blick bedeutete mir offenbar, daß ich sprechen sollte. "Momentan wohne ich auf der Farm von Applejack, wie Ihr ja bereits wißt. Dort war R...", ich unterbrach mich, als ich merkte, daß ich um ein Haar verraten hätte, daß Rainbow mit Applejack zusammen dort wohnte, "ein Pony so freundlich, mir seinen Raum anzubieten, aber ich kann ihm nicht ewig diesen Raum wegnehmen und wollte Euch daher fragen, ob wohl die Mögichkeit besteht, daß ich ein eigenes Domizil haben kann. Außerdem wäre es dann leichter, meine Studien auszuführen." Celestia sah mich belustigt an. Denkst du, ich weiß nicht, daß Rainbow Dash und Applejack ein Paar sind und zusammen auf der Farm leben?, hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf, und ich antwortete auf die gleiche Weise. Du weißt das vielleicht, Prinzessin - wir sind in Gedanken doch unter uns, nehme ich an? Also, wie gesagt, du weißt das, hast ja selber gesagt, dir entgeht so schnell nichts. Die beiden haben mich aber um Diskretion gebeten, und daran halte ich mich. Das ehrt dich, das ehrt dich. Übrigens brauchst du keine Angst haben, daß ich den beiden ihr Glück nicht gönnen würde - ich mische mich in aller Regel nicht in die persönlichen Angelegenheiten meiner Ponys ein, ich nehme zwar vieles zur Kenntnis, aber ich muß ja nicht alles kommentieren. Ich jedenfalls freue mich für jedes Pony, das seine große Liebe gefunden hat, egal, wie die aussieht, und ich freue mich, daß du offenbar ähnlich denkst. "Und wo möchtet Ihr wohnen, Botschafter? Ich dachte, Ponyville wäre eine gute Idee, um die Gesellschaft der Ponys besser kennenzulernen, weil hier die gesamte Bandbreite unserer Gesellschaft vertreten ist." "Dem stimme ich zu, Eure Hoheit. Ich würde durchaus gern auf der Farm bleiben, sofern die Besitzerin nichts dagegen hat, dort habe ich sowohl die nötige Ruhe zum Arbeiten als auch die erreichbare Nähe von Ponyville." Celestia blickte fragend zu Applejack, die uns zugehört hatte, auch wenn sie die Antwort wohl längst wußte - gegenüber den Ponys wahrte sie aber zumindest den Anschein. "Klar kannste bleib'n, solange du willst. Wär vielleicht 'ne Idee, dir 'n eig'nes kleines Haus hinzubaun, gleich neb'n dem Haupthaus?" "Das wäre wunderbar. Zu dumm aber, daß immer noch Winter herrscht, da baut es sich schlecht." Celestia lächelte erneut. "Was das angeht... für diesen Zweck gebe ich euch gern die Erlaubnis, auf dem entsprechenden Gebiet den Winter vorzeitig zu beenden, auf daß Michaels Haus gebaut werden kann. So sei es also beschlossen und verkündet: Michael bekommt sein Haus auf Sweet Apple Acres. Die Arbeiten mögen gleich morgen beginnen, ich werde die Wetterkontrolle entsprechend anweisen und den Bau in Auftrag geben." "Mit Verlaub, Eure Hoheit", meldete sich Rainbow zu Wort, "das Wetter würde ich gerne selbst erledigen. Es wäre mir eine Ehre und ein Vergnügen!" Sie salutierte zackig in Celestias Richtung. "Es sei dir gewährt, Rainbow Dash. - Nun, Botschafter, ich glaube, Eure werte Präsenz wird von einigen Ponys gewünscht." Offenbar war dies die Aufforderung an mich, mich den Ponys der Stadt zu widmen, eine Tätigkeit, der ich gerne nachkam. In den nächsten Stunden sprach ich mit zahllosen Ponys, einige kannte ich aus der Cartoonserie, andere hatte ich noch nie gesehen. Bedenkt man, daß ich im Smalltalk nie wirklich geübt war, kam ich erstaunlich gut mit meiner neuen Aufgabe zurecht... und fand wieder einmal bestätigt, daß die Ponygesellschaft deutlich freundlicher war als die der Menschen. Ich hörte kein einziges böses Wort, keinen Sarkasmus oder Zynismus... stattdessen begegneten mir Freundlichkeit, ehrliche Neugier, Offenheit und die Freude darüber, daß ich der Ponygesellschaft längerfristig erhalten bleiben und somit jedes Pony, welches das wünschte, die Gelegenheit haben würde, mich persönlich kennenzulernen. Nach mehreren Stunden, es mußte inzwischen weit nach Mitternacht sein und die Musik, die Vinyl Scratch auflegte, war inzwischen deutlich ruhiger geworden (wenngleich dem Musik-Unicorn noch längst keine Erschöpfung anzumerken war, aber ich vermutete, daß sie sich einfach auf ihr Publikum einstellte und nicht ausschließlich nur nach ihrer eigenen Stimmung auflegte), verabschiedeten sich mehr und mehr Ponys, und auch die Prinzessinnen, die inzwischen wieder zusammen an einem der Tische saßen, erhoben sich. "Wir, die Prinzessinnen dises Unseres geliebten Landes, Equestria, wünschen euch, liebe Ponys, eine gesegnete Nacht!" Ich war mir sicher, daß kein Pony im Saal - oder in der gesamten Stadt - die Verabschiedung der Prinzessin der Nacht überhört hatte. Offenbar war dies der offizielle Schluß der Party - Vinyl ließ den aktuellen Titel langsam ausklingen, die Scheinwerfer erloschen, und die Ponys, die noch da waren, verabschiedeten sich von ihren Bekannten, zeigten die Grußgeste in Richtung der Prinzessinnen, solange diese noch nicht verschwunden waren, und verließen die Halle. Auch wir drei "Farmbewohner" taten es ihnen gleich und traten den Heimweg an - und selbst die beiden sonst so energiegeladenen Ponys schienen ehrlich müde zu sein. Noch einmal verschwanden Rainbow und Applejack in deren Raum, um sich für die Nacht Applejacks Bett zu teilen, und ich sank einmal mehr in Rainbows Wolkenbett und war auf der Stelle eingeschlafen.