Kapitel 12: Party für ein besonderes Pony Nachdem ich mir selbst über meine Pläne klargeworden war, ging ich zurück ins Haupthaus - ohnehin war es bald Zeit zum Mittagessen. In der Küche hörte ich Granny Smith und Applebloom hantieren. Ich trat ein. "Hallo, ihr beiden. Ich wollte euch nur Bescheid sagen: es kann sein, daß Applejack und Rainbow heute nicht am Essen teilnehmen werden." "Oh du meine Güte... ging wohl nich' gut aus heute für die kleine Rainbow, so, wie sich das anhört?", antwortete mir Granny. Ich nickte. "Es wird sich sowieso nicht lange geheimhalten lassen... aber im Moment ist Rainbow schlicht am Boden zerstört. Zum Glück ist sie inzwischen eingeschlafen, ich war bei ihr - jetzt hat Applejack mich abgelöst. Deshalb sage ich ja: kann passieren, daß die beiden nicht zum Essen erscheinen." "Ißt du wenigstens mit uns?" "Natürlich. Ich kann schon immer mal das Geschirr auftragen." Im Wohnzimmer erwartete mich zu meiner Überraschung Applejack: sie saß mit traurigem Gesichtsausdruck und leerem Blick auf dem Sofa und sah nur kurz auf, als ich mit dem Tablett hereinkam. "Sie schläft noch", sagte sie nur. Ich setzte mein Tablett ab und sah sie an. "Du kennst sie länger und besser als ich. Ich habe mir was überlegt, um sie aufzuheitern... um ihr zu zeigen, wie wichtig sie für uns alle ist. Dazu brauche ich aber vorher deine Meinung." "Was hast du vor?" "Sehr einfach: ich würde gerne für, sagen wir ruhig, morgen eine Art Überraschungsparty auf die Beine stellen. Klar, ihr Rauswurf bei den Wonderbolts ist nun gerade kein Grund zum Feiern, aber weiß sie, wie sehr sie hier vor Ort gebraucht wird? Immerhin regelt hauptsächlich sie hier das örtliche Wetter, wovon jedes Pony betroffen ist... ich dachte an die Blumenponys, an Carrot Top, auch an dich. Es soll eine Art 'Wir-brauchen-und-wollen-dich-hier'-Party werden, um ihr zu zeigen, wie sehr sie hier vor Ort geschätzt und auch gebraucht wird - daß sie also keinen Grund hat, diesen Wonderbolts lange nachzutrauern. Was denkst du, bringt das was?" "Schwer zu sagen... käm wohl auf'n Versuch an. Am besten gehste dabei über Pinkie... weißt ja, sie is' hier die Partymacherin Nummer Eins. Ich kann dafür sorgn, daß Dashie bis morgn nichts davon mitkriegt... muß nur wissn, zu welcher Zeit ich'se wohin bringn soll." "Das werde ich schaffen... danke schon immer mal." Nachdem ich das Geschirr fertig verteilt hatte, kamen Granny Smith und Applebloom mit dem Essen, und auch Big Macintosh, der in der Zwischenzeit weitergearbeitet hatte, kam herbei. Zuerst aßen wir ohne zu reden, aber dann brach Granny das Schweigen. "So. Nu' ma' los un' raus mit der Sprache: was war los mit uns'rer Kleinen?" Applejack begann zu erzählen, erst langsam und stockend, dann immer flüssiger. Ich streute nur hier und da eine kleine Ergänzung ein. Nachdem wir geendet hatten, starrte Granny mit finsterem Blick vor sich hin, und Applebloom kuschelte sich an ihre große Schwester. Big Macintosh schüttelte fassungslos den Kopf. "So ein unmögliches Benehm'n is' mir noch seltn untergekomm' in all mein' Jahrn... is' dieser Arado überhaupt 'n Pony? Der sollte gar nich' frei draußn rumfliegn, der sollte in der Wetterfabrik irgendwo am Band stehn", grummelte Granny. Ich erzählte der Familie noch einmal von meinem Plan, um Rainbow wieder aufzubauen. "Gute Idee... mach das mal, die Kleine braucht jetzt wohl wirklich Zuspruch. Vielleicht kann Applebloom ja helfn. Applejack sollte hierbleibn un' sich um Rainbow kümmern, wie du schon gedacht hattest, und Macintosh kümmert sich derweiln um die Arbeit.. würdes'te das für die beidn machn, Mac?" "Eeyup", kam die gewohnt wortkarge Antwort. Damit hatte ich die Bestätigung für meinen Plan, die ich wollte. Nach dem Essen beriet ich mich mit Applebloom - sie hatte die Idee, zusammen mit Sweetie Belle und Scootaloo, welche ja immerhin so etwas wie Rainbows jüngere Schwester und damit für moralischen Zuspruch für sie geradezu prädestiniert war, eine kleine musikalische Einlage einzustudieren. Nachdem das geklärt war, nahm ich mir mein Fahrrad und begab mich in die Stadt. Meine erste Station war Sugarcube Corner. Ohnehin konnte ich einen kleinen Nachtisch vertragen, also trat ich ein - und fand, genau wie ich es gehofft hatte, hinter der Theke Pinkie Pie vor, die mich überschwänglich begrüßte. "Hallihallo Michael, lange nicht gesehen! Wie gehts immer so bei den Menschen? Bei euch alles in Ordnung? Oooo, am liebsten würde ich die Menschenwelt ja auch mal besuchen, aber das geht ja leider nicht, aber wenn, dann wäre das sicher ein Riesenspaß! Kann ich dir etwas anbieten? Einen Pudding-Cupcake vielleicht? Gerade frisch fertiggeworden! Oder lieber zwei? Oder drei? Wir haben auch Streuselkuchen, oh, und Kaffee, Kaffee, Kaffee!" Ich konnte nicht anders, als über das stets energiegeladene Verhalten des pinkfarbenen Ponys zu lächeln. Inzwischen stand sie direkt neben mir - oder besser: sie hopste um mich herum. Ich deutete auf einen der Pudding-Cupcakes in der Auslage - und hielt ihn unmittelbar darauf wie hingezaubert in meiner Hand. "Pinkie - ich muß mit dir reden. Ich brauche deine Hilfe." "Oki-doki-loki! Wenn es um eine Party geht, bist du bei mir immer richtig!" Verwirrt sah ich sie an. "Woher weißt du, daß es um eine Party gehen soll?" "Mein Pinkie-Sinn! Ich habe es schon gewußt, als du zur Tür hineingekommen bist! Und es hat was mit einem Pony zu tun, das wir beide kennen, richtig?" "Stimmt genau. Ich muß dich aber bitten, dafür zu sorgen, daß dieses Pony bis zur Party selber nichts, aber auch gar nichts davon erfährt. Wäre das wohl möglich?" Sie sah mir, mitten in einem Hopser scheinbar in der leeren Luft eingefroren, fest in die Augen. "Ich gebe dir den Pinkie-Schwur! Wenn ich den breche, will ich nicht mehr Pinkie Pie heißen!" "In Ordnung... also, es ist so...." Ich erzählte ihr die gesamte Geschichte. Als ich Arados Verhalten beschrieb, geschah etwas Seltsames: jede Fröhlichkeit verschwand aus ihrem Blick, und Schweif und Mähne verloren urplötzlich ihre Locken und waren von einem Moment auf den anderen glatt, wie gebügelt. "Oh, dieses unmögliche Pony... denkt wohl, er wär was besseres! Er sollte mir hier lieber nicht begegnen..." Die Erscheinung verging, so übergangslos, wie sie gekommen war, und Pinkie war wieder Pinkie - mit lockiger Mähne, ebensolchem Schweif und voller Energie und Lebensfreude. "Ich werde diese 'Rainbow-wir-brauchen-und-wollen-dich-hier'-Party schmeißen, mein Wort darauf!" "Meinen herzlichen Dank... und ich werde jetzt noch einige andere Ponys heimsuchen gehen, die ich ebenfalls brauche." Vielleicht eine oder zwei Stunden später, inzwischen hatte ich mit gleich mehreren Ponys gesprochen, die mir als von Rainbows Wetterkünsten besonders betroffen erschienen, näherte ich mich der Carousel Boutique. Die Tür schwang von selbst auf, kurz bevor ich sie erreichte. Ich trat ein und fand Rarity, die mich anscheinend bereits erwartet hatte. "Einen guten Nachmittag wünsche ich, auch wenn der Anlaß wohl weniger freudig ist. Was kann ich tun für unsere einzigartige Fliegerin?", begrüßte sie mich. Verwundert sah ich sie an. "Guten Tag auch dir. Woher weißt du, weshalb ich komme?" "Aber bitte. Meine kleine Schwester hat mir bereits erzählt, was vorgefallen ist... wie furchtbar für Rainbow. Sie erwähnte, daß du eine Veranstaltung für sie planst, deshalb dachte ich, daß du früher oder später deswegen auch zu mir kommen würdest." "Nun, das ist allerdings wahr... ich kann mir also einen langen Vortrag sparen. Ich brauche deine Dienste: Rainbow soll einen Fliegeranzug erhalten, mit dem sie wieder Freude am Fliegen findet, ich dachte da an etwas, was an die Fluguniformen der Wonderbolts erinnert, aber trotzdem anders ist... einmalig vor allem, genau wie sie. Ich will ihr damit zeigen, daß diese Wonderbolts ohnehin nichts für sie gewesen wären, und sie soll diese Montur gern anziehen wollen, wenn sie für sich trainiert oder uns ihre Kunststücke zeigt... wäre so etwas möglich?" "Nun, bei wem sollte es möglich sein, wenn nicht bei mir... ich habe zwar jede Menge Arbeit und entsetzlich viel zu tun, aber ich werde es einrichten können, denke ich - nein, ich bin mir sicher. Gedenkst du den fertigen Anzug abzuholen, oder soll ich ihn morgen abend mitbringen?" "Bring ihn am besten selbst mit... wo auch immer die Veranstaltung stattfindet." Soeben war mir siedend heiß eingefallen, daß ich noch keine Idee hatte, wo genau ich die Feier veranstalten sollte... ich hoffte nur, daß Pinkie Pie sich darum kümmern würde. "Wie du es wünschst. Rainbows Maße habe ich noch da, der Anzug wird fertig sein, er wird... fabulös werden, und garantiert einmalig." "Ich danke dir - der Preis spielt übrigens keine Rolle, bei meinen Vorträgen in den letzten Monaten habe ich genügend Bits erhalten." Indigniert schüttelte sie ihre Mähne. "Ts... wer wird denn in so einem Moment an Geld denken. Also wirklich. Und nun würde ich gern ohne weiteren Verzug an die Arbeit gehen - es bleibt wenig Zeit, und es ist eine Menge zu tun." Ich verabschiedete mich und machte mich auf den Weg. Meine nächsten und gleichzeitig letzten Ziele waren Twilights Bibliothek und Fluttershys Cottage - auch diese beiden Freundinnen von Rainbow gedachte ich zu beteiligen, je mehr Zuspruch sie bekam, desto besser würde es für sie werden. Unterwegs kam ich am Rathaus vorbei. Die Bürgermeisterin von Ponyville, deren Namen ich noch immer nicht wußte, die aber von allen nur Mayor Mare genannt wurde, stand auf dem Balkon und hielt scheinbar nach etwas Ausschau. Oder nach jemandem. Kaum hatte sie mich entdeckt, wedelte sie mit dem Huf. "Auf ein Wort, Botschafter!" Ich hielt an, und richtig kam sie fast schon im selben Moment zur Tür heraus. "Wie ich hörte, wurde Miss Dash heute bei den Wonderbolts abgewiesen, und Sie, werter Botschafter, möchten ihr eine Feier geben, um ihr die Wertschätzung der Ponys von Ponyville für ihre Leistungen für die Stadt auszudrücken. Steht schon ein Veranstaltungsort fest?" "Ehrlich gesagt, nein... ich dachte, Pinkie könnte einen finden." "Oh, kein Grund, Miss Pie damit zu belästigen. Ich möchte gern unsere Stadthalle anbieten - sie ist groß genug und wie geschaffen für den Zweck." "Sehr freundlich, Miss Mayor... ich nehme gerne an." "Wunderbar! Das ist doch das Mindeste, was ich als Bürgermeisterin für unsere geschätzte Wetterkontroll-Leiterin tun kann! Darf ich wohl auch erscheinen?" Erst sah ich sie ein wenig verwirrt an, dann konnte ich mir ein Lachen nicht mehr verkneifen. "Selbstverständlich. Immerhin sind Sie ja so etwas wie die Gastgeberin, auch wenn sich Pinkie Pie um die Organisation kümmert - aber was wäre diese Party ohne die Hausherrin, sie ist selbstverständlich willkommen. Noch einmal vielen Dank für das freundliche Angebot." Eine glücklich strahlende Mayor Mare trottete zurück in ihr Rathaus, und ich begab mich weiter in Richtung Bibliothek. Auch Twilight wußte bereits, warum ich kam... offenbar sprachen sich Neuigkeiten in dieser Stadt sehr schnell herum, und das völlig ohne elektronische Hilfsmittel. Sie hatte von Spike erfahren, was geschehen war... woher der es wußte, blieb mir allerdings verborgen. Als letztes begab ich mich zu Fluttershy. Sehr im Gegensatz zu praktisch jedem anderen Pony in der Stadt wußte sie noch nichts von Rainbows Abfuhr bei den Wonderbolts, nicht einmal, daß Rainbow überhaupt zu einer Vorstellung eingeladen worden war... offenbar machte es sich hier bemerkbar, daß sie ein wenig abseits wohnte. Bei meiner Erzählung konnte ich spüren, wie auch sie mit den Tränen kämpfte... ich konnte es ihr nicht verdenken. "Aber was kann ich nur tun, damit sie sich besser fühlt? Ich kann doch nicht Arado Flash konfrontieren, oh nein, das würde ich nie schaffen, er ist... nun ja... Captain der Wonderbolts, er würde mich in Grund und Boden fliegen." Ich lächelte - irgendwie war ihre starke Schüchternheit süß und anrührend zugleich. "Nein, mit Arado sollst du dich nicht auseinandersetzen, den soll Rainbow am besten nie wiedersehen. Aber ich dachte an etwas anderes: du bist ein Pegasus, genau wie sie, aber hast keinerlei Ambitionen zu Stuntflug oder gar darauf, den Wonderbolts beizutreten. Vielleicht kannst du ihr zeigen, daß man ein vollwertiges Pegasuspony sein kann, auch wenn man nicht Mitglied in diesem Verein ist?" Sie lief rot an. "Ich will es gerne versuchen... ich bin ja ihre älteste Freundin. Aber sie hat, wenn es ums Fliegen ging, noch nie auf mich gehört... aber ich versuche es trotzdem, wenn es ihr hilft, sich besser zu fühlen." Ich bedankte mich und machte mich auf den Heimweg. Ein glücklicher Zufall wollte es, daß ich Applejack allein in der Scheune antraf, als ich mein Fahrrad abstellte, und so konnte ich ihr gleich vom aktuellen Stand der Planungen berichten. "Klingt tatsächlich, als wärs morgn ab'nd soweit. Zum Glück geht Granny morgn vormittag sowieso in'de Stadt zum Einkaufn, das läßt'se sich nich' nehm'n - werd'se gleich ma' anspitzn, daß'se die genaue Zeit rausbekommt un' mir dann noch rechtzeitig flüstert. Krieg'n wir alles in den Griff", erklärte sie mir mit einem Blick, der von zuversichtlicher Entschlossenheit kündete. Zum Abendessen erschien Rainbow immerhin schon wieder... ein Schritt in die richtige Richtung, dachte ich. Zwar sagte sie fast kein einziges Wort und schmiegte sich die ganze Zeit schutzsuchend an ihre Freundin, und anhand ihrer Körpersprache (hängende Ohren, kleine, mühsame Schritte, die Flügel zu minimaler Größe zusammengefaltet) war unschwer zu erkennen, daß sie noch längst nicht über die Angelegenheit hinweg war, aber immerhin aß sie wieder ein wenig mit uns. Nach dem Essen trottete sie nach oben, um gleich darauf mit ihrem Fotoalbum im Maul zurückzukommen und damit in Richtung Haustür zu gehen. "Ähm, Rainbow? Darf ich fragen, wo du damit hin willst?" Sie legte das Album auf der Kommode neben der Tür ab und sah mich an. "Zur Mülltonne, wohin sonst? Ich muß ja wenigstens mal mein Zimmer aufräumen... der andere Kram ist schon da drin, das hier fehlt jetzt noch." "Du meinst, du wirfst deine alten Fotos weg?" "Klar! Hat sich erledigt! Was soll ich noch damit?" "Aber das sind persönliche Erinnerungen... so etwas wirft man doch nicht einfach in den Müll! Bist du dir denn ganz sicher?" "So sicher, wie ich nur sein kann! Aber bitte, wenn du die Schwarte und diese alten Bildchen unbedingt aufheben willst... kannst sie haben." Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und verschwand wieder nach oben in ihr Zimmer. Ich nahm mir das Album, ging in mein Haus und sah es mir noch einmal komplett an... fast ihr gesamtes Leben war darin festgehalten. Kopfschüttelnd verstaute ich es in einem meiner Schränke - was mußte nur in ihrem Geist vorgehen, dachte ich, daß sie einen derartigen Schlußstrich unter ihre Vergangenheit ziehen wollte. Am nächsten Tag blieb Rainbow bei Applejack auf der Farm und tat etwas, was für sie eher untypisch war: sie half beim Arbeiten mit. Nicht daß sie ansonsten faul gewesen wäre, nur waren die Arbeiten auf der Farm meistens Tätigkeiten für Erdponys, während Pegasi andere Spezialaufgaben zu erledigen hatten - an diesem Tag aber befaßte sich Rainbow fast nur mit erdgebundenen Arbeiten, auch wenn sie, wie ich selbst sah, einige Male ihre Schwingen benutzte, aber das geschah vermutlich eher instinktiv. Am frühen Nachmittag dann erklärte Applejack die Arbeiten für beendet. "In Ordnung, alle zusamm'! Wir sin' gut vorangekomm', für heute solls reichn! Wird Zeit, daß wir uns zurechtmachn!" "Zurechtmachen? Wofür?", wollte Rainbow wissen. "Für die... ähm... Veranstaltung natürlich! Ich hab Karten dafür!" "Welche Veranstaltung?" "Na, die... äh... Theatervorstellung! Genau, heute abend is' Theaterabend!" "Seit wann hat Ponyville ein Theater?" "Seit voriger Woche! Heute is' große Sondervorstellung!" "AJ... verheimlichst du mir da etwas?" "Äh... wer... ich? Was... wieso..." - Sie sah verlegen zur Seite, und mir fiel es wieder ein: als Element der Ehrlichkeit konnte sie nur schlecht bis gar nicht lügen, auch wenn es für einen guten Zweck war. Zeit für mich, einzuspringen. "Laß es mich so sagen: die Vorstellung ist eine Überraschung. Reicht das?" "Naja... aber Theater...." Ich grinste. "Falls es das ist: es wird dir gefallen, dessen bin ich mir sicher." Rainbow sah mich schief an. "Ihr verheimlicht mir doch alle was! Was ist los?" Ich grinste erneut. "Freilich verheimlichen wir dir etwas! Sonst wärs doch keine Überraschung, oder? - Aber wie gesagt, glaub mir, es wird für dich das richtige sein... natürlich nur, wenn du mitkommst. Ohne dich haben wir sicher keine rechte Freude daran." "Stimmt das, AJ? Ihr wollt mich dabeihaben?" "Klar! Stimmt genau, was Michael gesagt hat! Ohne dich hättn wir kein' schön' Abend... deshalb wär es nett, wenn du mit kämst." "Na schön... warum nicht. Wenn ihr beide das schon sagt, kann es so schlimm nicht werden." Mit dem Pony-Äquivalent eines Achselzuckens willigte sie damit schließlich ein, uns zu begleiten. Die beiden Ponys marschierten Richtung Haupthaus, aber ich hielt sie zurück. "Augenblick... ich wollte euch nur sagen, daß ihr nicht auf mich warten sollt. Ich weiß doch, daß Mädchen im Bad und zum Zurechtmachen immer ein wenig brauchen... ich bin da schneller fertig und fahr schon immer mal voraus, wenns recht ist. Ich seh euch an der Stadthalle." In meinem Haus angekommen, machte ich mich hastig ein wenig frisch, suchte meine guten Sachen hervor, schnappte mir mein Fahrrad und brauste los. Natürlich hing meine Eile nicht damit zusammen, daß Applejack und Rainbow etwa zu lange brauchen würden, um sich selbst herzurichten: ich wollte einfach vor ihnen an der Stadthalle sein, um sicherzustellen, daß meine Überraschung nicht doch noch im letzten Augenblick vorfristig verraten werden würde. Deshalb fuhr ich, so schnell ich konnte, ohne zu schwitzen anzufangen, in Richtung Stadt. Wie bei meinem ersten Besuch in der Stadthalle vor Monaten schienen die Straßen fast wie ausgestorben. Offenbar hatte sich fast die gesamte Einwohnerschaft Ponyvilles eingefunden, und am Himmel kamen noch einige mir nicht persönlich bekannte Pegasi angeschwebt, die ebenfalls eindeutig die Stadthalle als Ziel hatten - einen besseren Beweis dafür, daß sie geschätzt wurde, konnte es für Rainbow kaum geben, hoffte ich. Ich stellte mein Fahrrad ab und stürmte durch den Haupteingang hinein, direkt in den großen Saal. Kaum hatte ich ihn betreten, brandete Jubel und Beifall auf - allerdings nur so lange, bis die Ponys erkannten, wer da zur Tür hineingefegt kam, dann erlosch er schlagartig und machte enttäuschten Lauten Platz. Ich grinste und ging zur Bühne, auf der Mayor Mare ein Rednerpult und einen Stuhl aufgestellt hatte. "Guten Abend, everypony. Ich weiß, ich bin nicht die, auf die ihr wartet, aber unser Ehrengast kann jeden Moment da sein. Ich wollte nur noch einmal sicherstellen: das soll eine Überraschung werden. Ich bitte euch daher alle, möglichst leise zu sein, bis auf vielleicht ein paar Musikinstrumente... ich habe ihr gesagt, es wäre eine Theatervorstellung, die hier heute stattfindet, sie hat keine Ahnung, daß ihr alle da seid, wofür ich mich übrigens sehr herzlich bedanken möchte. Wie gesagt, ein paar klassische Musikinstrumente können draußen zu hören sein, mehr aber nicht... nicht daß sie direkt weiß, was wirklich gespielt wird. Ich werde versuchen, sie am Haupteingang vorbeizulotsen, ich behaupte einfach, die Türen sind verklemmt - wir kommen durch den Seiteneingang und direkt auf die Bühne, wenns recht ist." Ich bekam zustimmendes Gemurmel zur Antwort. Ein graues Pony mit edler dunkelgrauer Mähne, ebensolchem Schweif und einer rosafarbenen Fliege mit weißem Kragen erhob sich - Octavia von Klef, wie ich mich erinnerte. "Die Musikprobe übernehme ich, Botschafter. Ich hatte ohnedies gehofft, musikalisch ein wenig zum Abend beitragen zu können, bevor der Partyteil mit Vinyl beginnt." "Meinen herzlichen Dank - und nun entschuldigt mich bitte auch schon wieder, ich muß Rainbow Dash abfangen." Unter allgemeiner Erheiterung verließ ich die Bühne und das Gebäude. Draußen waren nun wirklich keine Ponys mehr unterwegs... zum Glück für mich. Ich begab mich zum Haupteingang, überzeugte mich davon, daß die Türen geschlossen waren, und wartete. Nach kurzer Zeit hörte ich von drinnen tatsächlich klassische Musik, es klang wirklich so, als würden die Instrumente gestimmt und sich die Musiker aufwärmen (was ja sehr wahrscheinlich tatsächlich der Fall war) - Octavia leistete offenbar ganze Arbeit. Keinen Augenblick zu früh. Seitdem ich die Bühne verlassen hatte, mochten vielleicht zwei Minuten vergangen sein, als Rainbow Dash und Applejack um die Ecke kamen, mich entdeckten und auf mich zusteuerten. Applejack hatte Schweif und Mähne jeweils zu einem eleganten Zopf geflochten und trug ein grünes Gewand mit weißen Besatzstreifen sowie eine Festtagsversion ihres Hutes, Rainbow, die zwar für sie untypischerweise noch immer nicht flog, sondern unverändert zu Fuß ging, aber wenigstens schon in der Unterhaltung mit ihrer Freundin ab und zu mit den Flügeln gestikulierte und auch sonst bereits einen wesentlich besseren Eindruck als noch gestern abend machte, hatte ihre Haare ordentlich gekämmt, die Mähne wurde von einem Haargummi zusammengehalten, und sie trug ein festliches dunkelblaues Gewand mit bunten Applikationsstreifen, die zu ihren natürlichen Haarfarben paßten. "Siehste, Sugarcube. Klingt, als hätten'se derweilen ohne uns angefangn, weil du so lange für deine Haare un' die Klamottn gebraucht hast." "... sagt die richtige", frotzelte Rainbow zurück. "Wer mußte sich denn unbedingt Zöpfe flechten?" "Hallo, schön, daß ihr da seid", unterbrach ich die beiden. "Nein, ihr seid noch nicht zu spät, die Musiker sind noch beim Stimmen und Warmspielen, allerdings sind wir die letzten. Außerdem müssen wir durch den Seiteneingang gehen, die Haupttüren hier vorn klemmen... warum auch immer, scheinen schlecht gewartet zu sein." Ich grinste schief. "Och, wenns das nur is'... die Tür, die ich nich' mit 'nem guten Hufbuck aufbekomm', muß erst noch gebaut wer'n." "Nein, nein, laß nur, keine Umstände... außerdem haben sie Glasscheiben, die würden deine Hufkräfte wohl nicht aushalten... wir gehen durch den Seiteneingang." Ich blinzelte Applejack zu, in der Hoffnung, daß sie meinen unausgesprochenen Hinweis verstand und Rainbow es nicht bemerkte. Offenbar begriff Applejack, was ich vor hatte. "Ach ja, stimmt ja... gut, dann ebn der Seit'neingang. Aber mir fällt ein... ich denk, ich hab mein Huftuch an der Ecke verlorn... geht schon immer mal rein, ich komm gleich nach." Damit ließ sie uns stehen und galoppierte zurück, um die nächste Häuserecke. Rainbow sah ihr fragend nach. "Was hat sie nur? Sie ist schon die ganze Zeit so komisch... so kenn ich sie gar nicht." "Ooooch, das gibt sich sicher wieder. Wir sollten wirklich derweilen gehen, sie kommt sicher gleich hinterher." Mit sanfter Gewalt schob ich das blaue Pony in Richtung Seitentür. Zwar blickte sie auch mich an, als ob sie an meinem Geisteszustand zweifeln würde, sah aber anscheinend ein, daß sie für den Moment nichts ausrichten konnte - also beschleunigte sie ihre Schritte von sich aus, verbunden mit einer Geste, die mir klarmachte, daß sie nicht wünschte, daß ich sie in der Öffentlichkeit berührte. Feixend hob ich die Hände, dann traten wir ein. Die Ponys im Inneren hatten mitgedacht: die Beleuchtung der eigentlich nur Betriebszwecken dienenden Räume war fast komplett ausgeschaltet, so daß wir gerade noch so sahen, wo wir entlang liefen, ohne über irgendwelches Gerümpel zu stolpern. Am Ende eines Ganges stand eine Tür einladend offen, hinter der helles Licht leuchtete. Rainbow sah mich an. "Sicher, daß wir hier lang müssen? Und kein Pony kontrolliert unsere Eintrittskarten - die haben wir ja nicht mal, die hat Applejack! Was wird das alles hier, wenn es fertig ist?!" Ich grinste nur und bedeutete ihr mit einer ausladenden Handbewegung, weiterzugehen. Unsicher sah sie mich an, brachte aber dann doch genug Vertrauen auf, um ihren Weg fortzusetzen und die Tür zu durchschreiten. Ich blieb im Türrahmen stehen. Natürlich hatte die Tür auf die Bühne geführt. Im selben Moment, in dem Rainbow hindurch- und in das gleißende Scheinwerferlicht hinein schritt, änderte sich die Geräuschkulisse: waren bisher nur einzelne Noten und Melodiefetzen zu vernehmen gewesen, brandete jetzt Jubel aus Hunderten, wenn nicht Tausenden Ponykehlen auf. Ich hörte Hoch- und Hurra-Rufe, und Octavias Orchester begann schlagartig, richtig zu spielen - zwar erkannte ich den Titel selbst nicht, aber es war ein fröhliches, fulminantes Stück, wie die Ouvertüre klassischer Opern, die ich aus meiner Welt kannte. Noch immer stand ich unter dem Türrahmen und sah von dort die Szene: Rainbow stand fassungslos im Scheinwerferlicht und wußte offenbar nicht, wie ihr geschah, während ihr die Ponys im Publikum weiterhin zujubelten und mit den Hufen Beifall trappelten. Schließlich, nachdem Octavia und ihr Orchester ihr Musikstück mit einem finale furioso beendet hatten, trat Mayor Mare auf die Bühne und ans Rednerpult. "Guten Abend, Ponys von Ponyville und Ponys aus ganz Equestria! Ich freue mich, daß ihr alle heute abend hierhergekommen seid, zu Ehren eines ganz besonderen Ponys... Rainbow Dash!" Erneut brandete Jubel auf, und Mayor Mare hatte Mühe, dagegen weitersprechen zu können. "Wie inzwischen wohl jedes Pony weiß, gab es gestern für Rainbow... vorsichtig gesagt... sehr unschöne Neuigkeiten, und das von einem Pony, von dem wir alle es nie gedacht hätten. Aber wir wollen uns heute abend nicht darüber beklagen, sondern unserer Rainbow Dash zeigen, daß wir uns freuen, sie hier bei uns zu haben, daß sie uns wichtig ist, daß wir sie schätzen, sie mögen und lieben. Zuerst mögen all die Ponys, die unserer Rainbow persönlich etwas zu sagen haben, hier auf die Bühne kommen - und dann wollen wir sie feiern! Miss Pinkie Pie war so freundlich, eine Party zu organisieren - ich wünsche allen einen schönen Abend!" Erneut kam Applaus aus dem Publikum. Rainbow drehte den Kopf und sah fragend zu mir - ich nickte ihr freundlich lächelnd zu und zeigte ihr die Daumen-hoch-Geste. Sie lächelte, noch etwas unsicher, zurück und nahm dann auf dem Stuhl neben dem Rednerpult Platz, während sich eine Warteschlange vor der Bühne bildete. Roseluck bildete den Anfang. "Seitdem du die für uns zuständige Wetterabteilung leitest, wachsen meine Blumen besonders schön - du gehst immer, wenn du kannst, auf meine Wetterwünsche ein und hältst unnötige Wolken fern, dadurch bekommen meine Blumen mehr Sonne als früher und wachsen schöner. Danke, Rainbow - ich bin glücklich, dich zu kennen und als Wetterleiterin zu haben." Carrot Top war die Nächste. "Im Grunde geht es mir mit meinem Gemüse genauso wie Roseluck mit den Blumen... einfach nur danke, meine Liebe, daß es dich gibt und daß du für uns so großartige Arbeit leistest." Weitere Ponys kamen, um ihre Wertschätzung für Rainbows Wetterdienste und ihre Zuneigung zu dem himmelblauen Pegasuspony auszudrücken, darunter auch einige der Pegasi, die ich vorhin hatte anfliegen sehen - es handelte sich um Bekannte von Rainbow aus Cloudsdale und aus der Wetterfabrik, sie waren eigens dafür bis Ponyville geflogen. Dann stürmten drei Fillys die Bühne: die Cutiemark Crusaders. Scootaloo sauste mit flatternden Flügeln ans Mikrofon. "Wir, die Cutiemark Crusaders, haben extra ein Lied für dich geschrieben, weil du das coolste Pony weit und breit hier bist! Octavia, hast du die Noten?" Die Angesprochene zwinkerte verschwörerisch - offenbar hatten die drei Fillys sie mit ins Boot geholt. Zu dritt trugen sie ihr Lied vor - zwar waren einige Töne etwas schief geraten und der Text recht holperig, aber es kam spürbar von Herzen und wurde mit dem entsprechenden Applaus bedacht. Scootaloo flatterte noch einmal ans Rednerpult. "Das war unser Song für dich - und ich... ich freue mich, daß es dich gibt und daß du bei uns bleibst... Wonderbolt hin oder her, du wirst immer mein Vorbild bleiben und irgendwie sowas wie meine große Schwester. Bleib bei uns, Rainbow, ich... ich möchte nicht, daß du gehst... bitte." Sie brach ab und stürmte auf das sichtlich gerührte Pegasuspony zu. Rainbow bedachte sie mit einer innigen Flügel-Umarmung, die Stirnen des jüngeren und des älteren Ponys berührten sich für einige Sekunden, Rainbow flüsterte dem jungen Pegasuspony noch etwas ins Ohr, was dieses über das ganze Gesicht strahlen ließ - dann verließen die drei Fillys unter dem Applaus der erwachsenen Ponys die Bühne. Twilight kam als nächste herauf, und ich konnte das Fragezeichen über Rainbows Kopf leuchten sehen. Das lilafarbene Unicorn trat ans Mikrofon. "Du wunderst dich vielleicht, warum ausgerechnet ich mich ebenfalls hier eingereiht habe, wo wir uns doch auch so häufiger sehen. Es ist ganz einfach, und ich will die Gelegenheit nutzen, es öffentlich zu sagen: als ich nach Ponyville kam, hatte ich keine Ahnung von Freundschaft, oder was es heißt, für Freunde da zu sein und für sie einzustehen. Du warst die erste, die ich hier getroffen habe, und obwohl du mich damals ganz schön geneckt hast, warst du doch vom ersten Tag an immer für mich da, wenn ich dich gebraucht habe - dafür möchte ich dir danken. Durch dich habe ich mindestens ebensoviel über Freundschaft gelernt wie durch die anderen - und auch, was es heißt, Mut zu haben und zu zeigen. Ich würde mich freuen, wenn du mir und uns noch recht lange als Freundin erhalten bleiben würdest." Rainbow bekam große Augen. Die nächste in der Reihe war Fluttershy. Unsicher sah sie sich um, blickte zu mir - ich nickte ihr nur zu - und tippelte vorsichtig zum Mikrofon. "Ich wollte nicht stören... ich wollte nur sagen... ich kenne Rainbow schon sehr lange, sie ist meine älteste Freundin... wir kannten uns schon, als wir beide noch Fillys in Cloudsdale waren, wir waren zusammen in der Flugschule... und immer, wenn die Colts gemein zu mir waren, weil ich so leise und keine Hochgeschwindigkeitsfliegerin bin, warst du für mich da und hast mich verteidigt... danke dafür, liebe Freundin. Und sei nicht traurig wegen diesem blöden Arado Flash, der kennt dich einfach nicht, sonst wäre er nicht so gemein zu dir gewesen... und du mußt auch kein Wonderbolt sein... ich bin auch ein Pegasus und glücklich, ohne denen anzugehören... ich weiß, du wolltest das immer... aber wir hier und besonders ich brauchen dich hier doch viel mehr. Danke, daß du bei uns bist." Froh, mit ihrem Beitrag fertig zu sein, sauste sie zurück ins Publikum. Als nächstes kam Rarity. Wie versprochen, levitierte sie ein Paket vor sich her. "Meine liebe Rainbow Dash... eigentlich wurde ja bereits alles gesagt. Ich muß sagen, du siehst famos aus heute abend, meine Komplimente - aber ich habe hier etwas für dich, was ein guter Freund für dich in Auftrag bei mir gegeben hat." Sie ließ ihr Paket, welches nichts weiter war als der zusammengelegte fertige Fluganzug, auf Rainbow zuschweben. Diese sah fragend zu mir, und ich nickte ihr lächelnd zu - um nach einem kurzen Nachdenken selbst die Bühne zu betreten. "Für dich, meine Liebe", raunte ich ihr im Vorbeigehen zu, als ich auf das Rednerpult zusteuerte, welches mir bereitwillig überlassen wurde. "Geschätzte Ponys, liebe Rainbow - auch ich möchte ein paar Worte sagen. Du warst das erste Pony, das mir bei meiner Ankunft hier in Equestria begegnet ist, und du hast mir gezeigt, zu welch erstaunlichen fliegerischen Leistungen ein Pegasus fähig sein kann. Gemeinsam haben wir herausgefunden, daß du etwas Einmaliges hast, etwas, was kein anderes derzeit lebendes Pony kann: den Sonic Rainboom. Nun hattest du gestern das Pech, an ein Pony zu geraten, welches deine Einmaligkeit nicht erkannt und welches dich auf eine Art behandelt hat, für die wir Menschen im Grunde nur zwei Begriffe kennen: unmenschlich und seelische Grausamkeit. Vielleicht hat er aber auch nur gesehen und gemerkt, daß du eben etwas Einmaliges und ganz Besonderes bist und mit diesen Fähigkeiten, die weit über die praktisch aller anderen Pegasi hinausstechen, tatsächlich nicht in eine Kunstfliegertruppe paßt - auch wenn das immer dein größter und herzlichster Wunsch war. Versteht mich bitte nicht falsch, auch ich hätte Rainbow gewünscht, daß sie in die Wonderbolts aufgenommen wird - aber inzwischen bin ich fast überzeugt, liebe Rainbow, daß du dich dort hättest zu sehr zurücknehmen und verbiegen müssen, daß deine einmalige Persönlichkeit und deine Fähigkeiten dort, eben weil es sich um eine Gruppe und keine Einzelflieger handelt, nicht richtig zum Tragen hätten kommen können. Aber wie auch immer die Sache mit den Wonderbolts verlaufen ist, du sollst eines wissen: für mich und wohl auch für die meisten Ponys, die heute hier versammelt sind, bist du schon längst ein Wonderbolt - ein Wonderbolt der Herzen, und das ist viel wichtiger, jedenfalls sehe ich es so, als einer bestimmten Truppe anzugehören. Aus diesem Grund habe ich Rarity gebeten, dir einen einmaligen Fliegeranzug zu fertigen, einen, den nur du und kein anderes Pony trägt, mit dem du trainieren und, wenn du willst, auch auftreten kannst - als die einmalige Wonderbolt-der-Herzen-Fliegerin, die du für uns bist. Danke." Erneut brandeten Jubel und Beifallsgetrappel auf. Ihre fünf engsten Freundinnen (Applejack war natürlich inzwischen längst durch den Haupteingang hereingekommen und die ganze Zeit im Piblikum gewesen) betraten erneut die Bühne und stellten sich demonstrativ in einem Halbkreis hinter ihr auf. Rainbow nahm den Anzug mit ihren Vorderhufen und faltete ihn auf - Rarity hatte ganze Arbeit geleistet: die Hauptfarbe war ein Orange, welches hervorragend mit ihrem himmelblauen Fell kontrastierte, unterbrochen mit dunkelblauen Absetzstreifen, in denen sich gelbe Blitzmuster wiederfanden, und auch die Partien, die nahe an Mähne und Schweif sein würden, waren dunkelblau gehalten. Rainbow strahlte. "Ich danke euch allen so sehr... ich dachte, ihr würdet mich verachten dafür, daß ich den Test der Wonderbolts nicht bestanden habe, aber jetzt sehe ich, daß ich doch nicht allein bin... vielen, vielen Dank. Ich würde den Anzug gern anprobieren, wenn es recht ist - ich komme gleich wieder." Aus dem Publikum kam beifälliges Getrappel. Rainbow verschwand mit ihrem neuen Fluganzug von der Bühne in die Seitenräume, aus denen wir gekommen waren. Kaum war sie weg, erhob sich im Publikum unwilliges Gemurmel. Zuerst konnte ich den Grund nicht erkennen, dann aber teilte sich die Masse der Ponys und machte dem Verursacher der Verstimmung Platz: ein weißer Pegasushengst mit hell- und dunkelrot gestreifter Mähne und ebensolchem Schweif erschien, auf der Nase eine Sonnenbrille. Diese schob er mit einer ruckartigen Hufbewegung nach oben in seine Haare, während er auf die Bühne zukam, und im Scheinwerferlicht wurden seine hellblauen Augen und sein Cutie mark sichtbar: ein hellblau umrissener, dreifach gezackter Blitz. Die Atmosphäre in der Stadthalle änderte sich schlagartig zu eisigem Schweigen, als er die Bühne betrat und auf das Rednerpult zusteuerte, und unverhohlen feindselige Blicke schossen Messern gleich durch den Raum. Kein Zweifel: ich hatte kein anderes Pony als Arado Flash, den aktuellen Captain der Wonderbolts, persönlich vor mir. Ohne sich von den abweisenden Blicken oder dem eisigen Schweigen auch nur im Geringsten stören zu lassen, trat er ans Mikrofon. "Wer ich bin, brauche ich ja wohl nicht noch einmal dazuzusagen", begann er, ohne sich mit etwas derart Überflüssigem wie einer Begrüßung aufzuhalten. "Es stimmt, ich habe dieses blaue Ego-Pony gestern rausgeworfen - weil sie es nicht anders verdient hat. Ihr Erdponys und Unicorns, die ihr von Natur aus nicht fliegen könnt, könnt so etwas gar nicht verstehen, das ist mir schon klar, von den anwesenden Pegasi hätte ich aber mehr Verständnis erwartet. Fliegen bei den Wonderbolts ist reine Teamarbeit, da ist in der Tat kein Platz für selbstverliebte Einzeldarsteller wie etwa eine Rainbow Dash, so etwas können wir nicht gebrauchen. Ich gebe aber zu, daß ich vielleicht ein wenig zu hart zu ihr war - immerhin ist sie eine Stute und kein harter Hengst, daran hatte ich nicht gedacht. Ich habe von eurer Veranstaltung hier gehört und dachte, ich sehe mir das mal in Tarnung an, und wäre es zu viel rührseliger Quatsch geworden, wäre ich wieder verschwunden, ohne mich zu erkennen zu geben. So aber wollte ich wenigstens persönlich zu euch sprechen, auch wenn es vermutlich nicht viel Sinn hat. Und damit ich nicht völlig mit leeren Hufen komme, will ich ausnahmsweise beide Augen zudrücken und Rainbow eine weitere Chance geben: sie hat ja einen Fluganzug bekommen, ich bin auch da und habe meinen Anzug dabei - ich biete hier an dieser Stelle an, daß sie jetzt und hier, vor der Halle, gegen mich direkt antreten darf. Schlägt sie sich akzeptabel, ist eine Anstellung bei den Wonderbolts vielleicht noch im Bereich des Möglichen." Erst herrschte Sprachlosigkeit, dann erhob sich ein vielstimmiges Gemurmel, dem die Uneinigkeit anzuhören war. Applejack schüttelte den Kopf, so heftig, daß ihre zum Zopf geflochtene Mähne hin- und herflog, und marschierte direkt zum Rednerpult. Bevor sie aber sprechen konnte, erschien Rainbow, jetzt in ihren neuen Anzug gekleidet, zurück auf der Bühne, und starrte Arado Flash mit brennendem Blick an. "Ein Wettfliegen soll es also sein? Kannst du haben, Sir!" Das letzte Wort spie sie aus wie eine Beleidigung. Applejack räusperte sich. "Ein' Moment noch. Zuerst möcht' ich noch was sagn, was ich schon viel zu lange mit mir rumtrag', aber damit is' jetz' Schluß. Die Gerüchte gibts ja schon länger, un' an der Stelle will ich sie endlich mal offiziell bestätigen: Rainbow Dash und ich, wir beide sin' zusamm'. Ich... ich liebe sie, und ich würd mir wünschn, daß wir beide zuamm' bleibn könn'. Natürlich gönn ich ihr auch ihr'n Erfolg, aber ich fänd's schade, wenn wir uns nur noch seltn sehn würdn, wenn du bei den Wonderbolts wärst... ich hätt dich gern weiter bei mir auf Sweet Apple Acres. Nich' nur als Wetterpony, das zwar auch, sondern auch als meine Freundin - un' als meine Geliebte. Weiterhin will ich mal klarstelln, wie unmöglich ich es find, daß jetz' hier auf einmal ein gewisser Arado Flash wie Big Boss persönlich erscheint un' gönnerhaft doch noch 'ne Wonderbolts-Karriere anbietet, nach dem Auftritt gestern, un' das auf eine Art, die an Kaltschnäuzigkeit nich' mehr zu überbietn is'... Rainbow, ich mach dir keine Vorschriftn, das weißt'e auch, aber ich würd mich freun, wenn'de dich für uns, für Ponyville un' für mich entscheidn würdest - weil ich dich liebe, un' das sag ich hier ganz offen. Rainbow Dash, überleg dir bitte, was dir wichtiger ist un' wo deine wahren Freunde sind - hier oder bei einer Fliegerstaffel. Aber egal wie du dich entscheidest, ich werds respektiern - un' auf Sweet Apple Acres wird immer dein Zimmer für dich frei sein." Alle Augen im Saal richteten sich auf Rainbow. Diese hatte während Applejacks Ansprache feuchte Augen bekommen - ein paar Tränen der Rührung liefen über ihre Wangen. Sie hob vom Boden ab, schwebte zum Rednerpult, zu ihrer Freundin, landete direkt vor ihr, und die Gesichter beider Ponys verschmolzen zu einem innigen Kuß - begleitet von den Oooooch's und Aaaawwwwww's aus dem Publikum. Arado stand kopfschüttelnd einige Meter entfernt und vergrub sein Gesicht in seinem rechten Vorderhuf. Rarity, Pinkie Pie, Twilight und Fluttershy nahmen hinter ihren beiden Freundinnen Aufstellung, wobei Pinkie sich erneut in einem Zustand ständiger Verwandlung befand: ihr Äußeres wechselte aller paar Augenblicke zu ihrer düsteren Pinkamena-Erscheinung mit glatter Mähne und glattem Schweif und wieder zurück. Da sie aber aus mir unbekannten Gründen niemand darauf ansprach, beschloß ich, diese Erscheinung zu ignorieren - es würde sicher Gründe dafür geben, von denen ich entweder nichts wissen sollte oder die ich im Zweifelsfall noch früh genug erfahren würde. Nach vielleicht einer halben Minute beendeten die beiden ihren Kuß, und Rainbow trat ans Mikrofon. "Liebe Freundinnen und Freunde! Ich möchte euch allen dafür danken, daß ihr hinter mir steht und mir gezeigt habt, worauf es im Leben wirklich ankommt - und dafür, daß ich durch euch verstanden habe, daß man nicht immer alles bekommen kann. Ich wollte ein Wonderbolt sein, solange ich denken kann, dafür habe ich immer trainiert - aber in der letzten Zeit habe ich gemerkt, daß es wichtiger ist, gute Freunde zu haben, die für einen da sind, wenn es einem mal schlecht geht, die einen unterstützen und die einen nicht nur wegen irgendwelcher Flugfiguren schätzen. Deshalb, und weil ich mein ganz spezielles Pony hier gefunden habe, werde ich, egal was jetzt gleich passiert, nicht den Wonderbolts beitreten - Applejack war stets für mich da in den letzten Monaten und Jahren, ich liebe sie, und diese Liebe will ich nicht aufs Spiel setzen." Sie wandte sich direkt an Arado Flash. "Ich bleibe hier, Sir", die Anrede klang erneut, als würde ein Stahlnagel über eine Stahlplatte gezogen werden, und so kalt, daß vermutlich selbst ein Eisbär angefangen hätte zu frieren, "aber es endet nicht, bevor wir den Flugwettkampf nicht ausgetragen haben. Ich nehme die Herausforderung an, auch wenn ich unabhängig vom Ausgang bei meiner Applejack bleibe - Sir. Und da ich ja deiner Ansicht nach nichts anderes als eine schwache, verweichlichte Stute bin, fange ich an. Auf gehts vor die Halle, und ich bitte Applejack, das Startzeichen zu geben, wenn alle Ponys, die zusehen wollen, bereit sind." Arado Flash, der ihre Worte mit grimmiger Entschlossenheit verfolgt hatte, und Rainbow hoben gleichzeitig ab, schwebten über die Köpfe der anderen Ponys zum Hauptausgang und verließen das Gebäude - gefolgt von hunderten Ponys aller drei Rassen. Etliche Ponys nutzten, genau wie ich und Rainbows engste Freundinnen, den Seitenausgang, und nach nur wenigen Minuten befand sich eine schier unübersehbare Menge von Ponys, die meisten stehend, einige Pegasi in niedriger Höhe vor den umliegenden Häusern schwebend, vor der Stadthalle im milden Licht der Abendsonne. Applejack stand in der Mitte des Platzes, und nachdem sie von einigen Ponys zustimmende Zeichen erhalten hatte, sah sie nach oben, dort, wo, Kontrahenten gleich, Rainbow und Arado auf der Stelle schwebten, vielleicht zehn Meter voneinander entfernt, und sich gegenseitig anstarrten. Auch der Captain der Wonderbolts hatte in der Zwischenzeit seinen Fluganzug angelegt, der dem typischen Design der Fliegertruppe entsprach - es wirkte fast, als wären die Fluganzüge beider Ponys Rüstungen mittelalterlicher Ritter, die sich im Turnier gegenüber standen. "Die Flugshow kann beginnen!" Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, als Rainbow startete und in ihrem neuen Anzug wie ein orangefarbener Blitz schräg in die Höhe schoß. In den nächsten fünf Minuten vollführte sie Loopings, Saltos, Nosedives, korkenzieherähnliche Figuren, flog einige Winkel, von denen ich geschworen hätte, daß sie rein physikalisch unmöglich gewesen wären, und schoß ein paarmal auf den Platz herab, um im allerletzten Moment in einem spitzen Winkel wieder nach oben zu steigen. Etliche Pegasi, die ja allesamt selbst Flieger waren, blickten erstaunt bis entsetzt, einige Pegasus-Stuten hielten sich mehrfach die Augen zu, weil sie bei Rainbows rasantem Zufliegen auf den Boden oder auf feste Hindernisse es offenbar für unmöglich hielten, daß sie einem vernichtenden Zusammenstoß noch würde ausweichen können, und auch einige Hengste hielten sich nicht nur einmal erschrocken die Hufe vors Maul. Elemente wie abruptes Anhalten aus hoher Geschwindigkeit und genauso abruptes Beschleunigen waren ebenfalls vertreten, bis sie zu ihrer finalen Nummer ansetzte: sie stieg in eine vom Boden schwer zu schätzende Höhe, bis sie fast nicht mehr am Himmel auszumachen war, um dann dem Boden entgegenzurasen. Ihre Position wurde deutlich durch ein regenbogenfarbiges Schimmern, und der entsprechende bunte Streifen, den sie am Himmel zurückließ, wurde intensiver, je schneller sie wurde. Schließlich, in vielleicht hundert Metern Höhe, war es soweit: mit einem gigantischen Knall, gefolgt von einem vielfarbigen, sich ausbreitenden Ring in der Luft, durchbrach sie die Schallmauer, fegte gleich darauf in einem eigentlich unmöglich zu fliegenden Winkel über die Köpfe ihrer Zuschauer, deren Mähnen im Fahrtwind flatterten und wehten, und zog einen prächtigen, intensiven Regenbogen über die Stadt, ehe sie wieder langsamer wurde und, begleitet von tosenden Jubelrufen und einem Beifallstrappeln, das so intensiv war, daß ich es durch meine Schuhsohlen hindurch spürte, sanft, aber dennoch elegant in der Mitte des Platzes landete. Arado Flash schwebte noch immer in der Luft, war aber immerhin fair genug gewesen, ihre Flugbahnen freizuhalten, und kam mit unbewegtem Gesicht näher. "Nicht übel, in der Tat. Ich gebe sogar zu, daß ich ehrlich beeindruckt bin, und vielleicht war ich gestern wirklich zu hart. Aber die Regeln stehen: ich werde diese Vorstellung jetzt wiederholen, schneller und besser." Von den Ponys, die nahe genug gestanden, um seine Worte, die hauptsächlich Rainbow gegolten hatten, kam unwilliges Gemurmel, während die Angesprochene ihn lediglich mit einer Art kalter Gleichgültigkeit musterte. "Also dann, Mister Flash!", rief Applejack - was, so weit kannte ich die gesellschaftlichen Gepflogenheiten immerhin schon, einer offenen Brüskierung gleichkam: sie verwendete nicht etwa den Captainstitel des Hengstes oder sprach ihn wenigstens mit Sir an, sondern benutzte einfach nur seinen Namen. Falls der Wonderbolt-Captain an diesem Verhalten Anstoß nahm, verbarg er es allerdings meisterlich: in seinem Gesicht war keine Regung zu entdecken. "Ihre Show kann starten!" Wie zuvor Rainbow, schoß Arado in die Höhe, um in der Tat sämtliche Flugfiguren und Flugelemente, die Rainbow vorgegeben hatte, getreulich zu wiederholen. Zwar legte er dabei tatsächlich ein deutlich höheres Tempo an den Tag, dafür wirkten in meinen Augen einige Bewegungen irgendwie eckiger, kantiger... weniger fließend und elegant als bei Rainbow. Die Übungen, bei denen abrupt die Höhe verringert wurde, schienen ihm Schwierigkeiten zu bereiten: einige Flugmanöver absolvierte er eindeutig in zu großer Höhe, bei anderen kam er derart weit herunter, daß die Ponys auf dem Platz mit erschrockenen Ausrufen die Köpfe einzogen oder sich auf den Boden warfen. Daß ich mit meinen Einschätzungen nicht allein war, bewiesen mir wieder die Gesichtsausdrücke der vor den Häusern schwebenden Pegasi: sie reichten von Kopfschütteln über entsetzte Ausrufe bis hin zu Grimassen, die nun eindeutig Mißfallen und Unmut ausdrückten. Schließlich setzte auch Arado zum Finale an: dem Durchbrechen der Schallmauer. Daß er keinen Sonic Rainboom würde erzeugen können, war sicherlich allen Ponys klar, aber immerhin konnte er die Schallgeschwindigkeit erreichen. Er stieg, wie Rainbow zuvor, in die Höhe, bis er vom Boden aus fast nicht mehr zu sehen war, und ging in einen steilen Sturzflug über. Schneller als Rainbow erreichte er die nötige Geschwindigkeit. Meiner Schätzung nach war er noch etwa vierhundert Meter über dem Boden, als sich ein sichtbarer, wenn auch farbloser Ring aus Luftwellen ausbreitete, und eine Sekunde später erreichte uns der Überschallknall. Damit endeten die Gemeinsamkeiten mit Rainbows Vorstellung allerdings endgültig. Arado schien Probleme zu haben, seinen Flug bei einer derart hohen Geschwindigkeit kontrollieren zu können. Er taumelte, kam von seiner Flugbahn ab, ging in einen flachen Gleitflug über und verschwand hinter den Häusern. Einige Sekunden später drangen aus der Ferne Geräusche an unsere Ohren, die eindeutig von einem heftigen Aufprall oder Zusammenstoß kamen. Verwundert sahen sich die meisten Ponys an, nur einige Pegasi stiegen alarmiert in die Höhe, um einen besseren Überblick zu erhalten. Gleich darauf beschleunigten sie auf ihre jeweilige Höchstgeschwindigkeit, in die Richtung, in der Arado verschwunden war. Die erdgebundenen Ponys schienen nicht recht zu wissen, wie sie die Situation zu bewerten hatten. Rainbow, die nach wie vor in der Mitte des Platzes stand, spitzte die Ohren und sah eindeutig besorgt aus, und auch ihre Freundinnen, die in ihrer Nähe standen, schienen ähnlichen Überlegungen nachzugehen. Rücksichtslos drängelte ich mich durch die Ponys bis zu Rainbow und kauerte mich neben sie, um mit ihr auf Gesichtshöhe zu kommen. "Was ist los? Ist Arado abgestürzt?" "Ich fürchte, ja... wir müssen nachsehen, aber ich will die anderen Ponys hier nicht beunruhigen oder in Panik versetzen... was sollen wir nur tun?" "Ich denke, ich weiß, wer sich um die Ponys hier kümmern kann. Pinkie Pie?!" "Zu Befehl, Botschafter!" Übertrieben zackig kam das rosafarbene Party-Pony mit einem einzigen, grotesk großen Hüpfer heran und stand vor mir stramm. "Keine Zeit zum Rumalbern. Irgendwas ist hier schief gelaufen, wir müssen nachsehen, was mit Arado Flash geschehen ist. Sei bitte so nett und kümmere dich um die Partygäste, während Rainbow und ich nachsehen." "Oki-doki-loki!", kam die scheinbar unbeschwerte Antwort, aber in ihren Augen las ich, daß Pinkie den Ernst der Lage offenbar verstanden hatte. Gleich darauf schlüpfte sie wieder perfekt in ihre Rolle der Alleinunterhalterin und widmete sich den Gästen, während Applejack zu uns drängte. "Ich komm' auch mit, ich laß euch nich' alleine da hin." "Schön, also los - ich hole mein Fahrrad." Ich wollte mich umwenden, als von hinten zwei himmelblaue Pony-Vorderbeine unter meine Achseln glitten und ich sah und fühlte, wie ich vom Boden hochgehoben wurde. "Keine Zeit, das dauert zu lange. Mit Fliegen sind wir schneller - sorry, AJ, aber wir fliegen schon immer mal vor", rief Rainbow ihrer Freundin zu, während sie bereits Geschwindigkeit aufnahm und mit mir in die Höhe stieg, über die Dächer der Stadt hinaus. Dann beschleunigte sie, so gut es mit mir als Last eben ging, in die Richtung, in der Arado Flash verschwunden war. Weit brauchten wir nicht zu fliegen. Bereits nach wenigen hundert Metern sahen wir die Spuren am Boden: Arado war offenbar knapp außerhalb der Stadt mit einer Bruchlandung zu Boden gegangen und hatte sich, bedingt durch seine viel zu hohe Geschwindigkeit, mehrfach überschlagen, bis ein Baum seine rasende Bewegung sehr abrupt und sehr unsanft gebremst hatte. Die Pegasi, die vor uns losgeflogen waren, standen und schwebten um die Unfallstelle herum, und wir landeten und gingen näher. Der Pegasushengst lag noch so da, wie er mit dem mächtigen Baumstamm kollidiert war. Beide Flügel mußten mehrfach gebrochen sein: sie hingen völlig wirr und unförmig um seinen Körper und den Baum herum, die Winkel seiner Beine stimmten ebenfalls nicht, und sein ehedem ordentlicher und akkurater Fluganzug war verdreckt und an einigen Stellen zerrissen. "Oh nein... er wird doch nicht...", hörte ich Rainbows entsetzte Stimme neben mir. Ich ging neben dem verunglückten Pony in die Knie und tastete seinen Hals ab. Immerhin hatte er noch einen Pulsschlag, auch wenn dieser schwach und unregelmäßig war - aber Arado Flash hatte zumindest bis jetzt seinen Absturz überlebt. Ich drehte mich zu den Pegasi. "Er muß sofort ins Krankenhaus, in die Notaufnahme. Er lebt noch, aber ihr seht selbst, wie seine Flügel und Beine aussehen, da muß ich euch nicht viel erzählen - und ich weiß nicht, wie lange er ohne ärztliche Hilfe durchhält." Sofort kamen gleich mehrere Pegasi heran. Ich ging einige Schritte zur Seite, und die flugfähigen Ponys begannen, ihren Artgenossen vom Baumstamm zu lösen, und schon nach kurzer Zeit hatten sie ihn so mit Zähnen und Hufen gepackt, daß sie ihn per Lufttransport ins Hospital fliegen konnten. Ich hörte noch ihre Stimmen. "Nach Cloudsdale in die Spezialklinik?" "Vergiß es. Zu weit, so lange hält er nicht durch, zur Erstversorgung muß das Krankenhaus hier vor Ort reichen." "Und wo ist das?" "Folgt mir, ich fliege voran. Da ich ja hier wohne, kenne ich mich aus." Gerade als die fliegenden Ponys den Platz des Geschehens verließen, kamen Applejack, Twilight und Fluttershy an - die beiden erdgebundenen Ponys in vollem Galopp, das hellgelbe Pegasuspony in eiligem Flug. "Was war los?", wollte Applejack, die uns als erste erreichte, wissen. "Arado Flash ist abgestürzt und schwer verletzt", antwortete Rainbow mit seltsam tonloser Stimme. "So, wie seine Flügel aussehen, würde es mich wundern, wenn er je wieder fliegen kann." "Entsetzlich... aber ist das nicht irgendwo auch gerecht?", fragte Twilight. Die Antwort war ein entsetztes Keuchen und Quietschen der beiden Pegasi. "Geht dir sein Unfall wirklich so nahe?", meldete ich mich zu Wort. Rainbow sah mich nur mit ausdruckslosem Gesicht an, und Fluttershy antwortete für beide. "Siehst du, Michael... wir sind beide Pegasi, fliegende Wesen also... und wenn wir die Fähigkeit zum Fliegen verlieren, ist das für uns fast das Schlimmste, was passieren kann. So etwas wünschen wir keinem... nicht mal unserem ärgsten Feind, auch nicht einem Pegasus, der uns mal schlecht behandelt hat. Eben weil wir selber wissen, was für ein Verlust das ist, gar nicht oder nicht mehr richtig fliegen zu können." Ich hatte ihren Ausführungen zwar zugehört, dabei aber in den Himmel gesehen - und etwas entdeckt, was mir absolut nicht gefiel, und ich versäumte es nicht, die Ponys darauf aufmerksam zu machen. An der Stelle, an der Arado Flash die Schallmauer durchbrochen hatte, hatte die Luft im Umkreis von vielleicht hundert Metern zu leuchten begonnen, und an den Rändern der Erscheinung zischelten kleine Blitze. Dahinter sah ich Wolken, Wolken allerdings, die es hier im Moment nicht gab und deren Sichtbarkeit an der Umgrenzung der Leuchterscheinung endete. Ein Tunnel zwischen den Welten hatte sich geöffnet... das erste Mal seit Monaten, aber wir alle erkannten die Erscheinung sofort wieder. "Wir kümmern uns darum", verkündete Rainbow grimmig. "Fluttershy - du kommst mit mir. Wir müssen ja nur irgendwelchen Kram von uns hier sammeln und da reinwerfen, um dieses Loch wieder zu schließen, das war doch richtig?" "Zumindest hat es im Winter bei dem Bahndamm funktioniert... sollte jetzt auch noch so sein. Am besten fliegt ihr hoch genug über die Dimensionsverbindung drüber und laßt, was auch immer ihr findet, einfach fallen, das sollte es wohl tun." Ohne weiteren Kommentar hoben die beiden Pegasi ab und verschwanden, um nur wenig später über den Häusern wieder aufzutauchen. In den Vorderhufen hielten sie Gegenstände, die ich auf die Entfernung nicht erkennen konnte und die sie vermutlich unterwegs gefunden hatten. Sie stiegen über die Erscheinung und ließen, was auch immer sie da festhielten, los - die Gegenstände fielen auch richtig nach unten. Allerdings nicht, wie ich und wohl auch die Ponys gehofft hatten, nur bis zu ihrer Grenze, wo sie sich dann irgendwie aufgelöst hätten und sich die Öffnung zwischen den Welten wieder verschlossen hätte, sondern sie fielen einfach hinein und verschwanden spurlos, als sie die untere Grenze erreichten - mit größter Wahrscheinlichkeit waren sie damit in die Welt der Menschen übergegangen und schlugen irgendwo dort auf dem Boden auf. Hatte ich bisher allenfalls eine Art Verwunderung und wissenschaftliche Neugier empfunden, änderte sich dieses Gefühl schlagartig zu etwas anderem, was ich nur als schieres Entsetzen definieren konnte, als etwas in der Öffnung zwischen den zwei Welten auftauchte. Ein kleines Flugzeug aus meiner Welt erschien, flog durch die Öffnung hindurch, drehte eine kleine Runde und flog zurück in Richtung Menschenwelt. Erst war nur eine Art gemütliches Schnurren des Motors zu hören, nachdem der Pilot allerdings erkannt hatte, was da um ihn herum geschah und was er da sah, röhrte der Motor auf, und das Flugzeug schoß mit voller Geschwindigkeit zurück auf die Öffnung zwischen den Welten am Himmel. Es erreichte sie, flog hinein und, für uns noch deutlich sichtbar, auf der anderen Seite einfach weiter, bis es zu weit entfernt und damit für uns unsichtbar wurde. Dafür, daß der Pilot beim Überqueren der Grenze irgendwelche gesundheitlichen Probleme bekam, war nicht das geringste Anzeichen zu entdecken, offenbar war für ihn der Transit in beiden Richtungen ohne weiteres möglich gewesen. Nachdem mir die volle Tragweite dessen, was wir soeben gesehen hatten, bewußt wurde, wirbelte ich herum zu Twilight, welche offenbar dieselben Gedanken hatte wie ich. "Benachrichtige die Prinzessinnen - ihre Anwesenheit hier ist dringend erforderlich. Sofort."