Kapitel 13: Das Tor in eine andere Welt Applejack stand neben mir und starrte mit fassungslosem Gesichtsausdruck zum Himmel, während Twilight herumwirbelte und davongaloppierte, als ob sämtliche Übel der Ponyhölle gleichzeitig hinter ihr her wären. Vermutlich würde auch genau dieses alsbald der Fall sein - ich glaubte nicht, daß die Menschen viel Zeit verschwenden würden, bis sie die stabile Verbindung zwischen ihrer Welt und Equestria genauer untersuchen würden, und was den Ponys dann blühen mochte, darüber wollte ich im Moment lieber nicht nachdenken. Ich versuchte, mich zu erinnern, was eigentlich geschehen war. Es war alles so unfaßbar schnell gegangen: Rainbow Dash und Arado Flash hatten sich eine Art Flugshow-Duell geliefert, bei dem beide die Schallmauer durchbrochen hatten. Während Rainbow dabei ihren allseits bekannten und beliebten Sonic Rainboom erzeugt hatte, hatte der Überschallknall von Arado Flash offenbar auf eine mir völlig unklare Weise einen Dimensionstunnel zwischen unseren Welten erschaffen. Arado selbst war danach abgestürzt, hatte üble Verletzungen davongetragen und befand sich auf dem Weg in die Notaufnahme des Krankenhauses von Ponyville, während Rainbow und Fluttershy versucht hatten, auf altbekannte Art, durch das Einbringen equestrianischer Materie in die Dimensionsverbindung, diese zum Zusammenbrechen zu bringen und sie damit wieder zu verschließen. Das hatte allerdings nicht geklappt: was auch immer sie in das Loch hatten fallen lassen, war einfach nur hindurchgefallen und in der Menschenwelt gelandet. Schlimmer noch: nur kurz darauf war ein Flugzeug der Menschen durch die Verbindung geflogen, der Pilot hatte offenbar bemerkt, daß zumindest irgend etwas entschieden anders war als bisher und seine Maschine zurückgesteuert - ohne daß es auf ihn irgendwelche Auswirkungen gehabt hätte, wie das bisher der Fall gewesen war, zumindest nach dem, was Celestia mir bisher über derartige Dimensionsverbindungen erzählt hatte. Ich und offenbar auch Twilight hielten es für geraten, die beiden Herrscherinnen Equestrias schnellstmöglich zu alarmieren, damit sie sich auf alle nun denkbaren Fälle vorbereiten konnten - was auch immer das nun genau sein würde. Rainbow Dash und Fluttershy kamen herangeflogen und landeten neben uns. Beide Ponys sahen mich eindeutig besorgt an. "Wir haben gemacht, was du gesagt hast - aber es hat... nicht funktioniert?", kommentierte Fluttershy mit leiser Stimme, um sofort ihren Blick abzuwenden und nervös mit dem rechten Vorderhuf zu scharren. Ich ging neben ihr in die Hocke und legte meinen Arm um sie. Erst versteifte sie sich kurz unter der Berührung, ließ sie dann aber doch zu und sah mir mit unsicherem Gesichtsausdruck in die Augen. "Ihr beide habt getan, was ihr konntet und solltet. Mach dir keine Gedanken, Fluttershy - du hast alles richtig gemacht, dir wird niemand einen Vorwurf machen. Wenn hier einer Ponymist gebaut hat, dann wohl noch am ehesten ich... ich weiß nicht, ob dieses Dimensionenloch hätte entstehen müssen. Hätte ich diese Überraschungsparty für Rainbow nicht oragnisiert, wäre Arado nicht hier aufgetaucht, es hätte kein Flugduell gegeben, kein zweimaliges Durchbrechen der Schallmauer... oder wenigstens hätte ich dazwischengehen und diesen Wettkampf verhindern sollen, vielleicht wäre das alles dann nicht passiert... jedenfalls kannst du zuallerletzt etwas dafür, Fluttershy." Die Worte hatten eher mir selbst gegolten als dem hellgelben Pegasuspony neben mir, und so sah sie mich auch weiterhin nur aus großen runden Augen an. Eine blaue Flügelspitze stupste mich von der Seite an. Ich drehte den Kopf und blickte in Rainbows Gesicht, das einen eindeutig entschlossenen Ausdruck zeigte. "Mach dir da mal keine Gedanken. Uns diesen Wettkampf auszureden hätten nur zwei Ponys geschafft - die Prinzessinnen persönlich. Wenn wir Pegasi uns etwas in den Kopf setzen, ziehen wir das auch durch, und nur eine hoheitliche Anweisung kann uns davon abhalten. Nichts gegen dich, aber im allgemeinen hören wir Pegasi mit Sicherheit nicht auf Menschen - schon, weil es bei uns normalerweise keine gibt... wie gesagt, nichts gegen dich. Aber dich als nicht flugfähiges Lebewesen hätte Arado sowieso nicht ernst genommen, soviel kann ich mit Sicherheit sagen... weil ich...", sie blickte verlegen zur Seite, "... bis vor wenigen Monaten noch genauso gedacht habe." Mit einem Ruck drehte sie ihren Kopf zurück und sah mir wieder in die Augen. "Ja, es stimmt: ich hätte bis vor ein paar Monaten noch nie und nimmer getan, was mir ein erdgebundenes Wesen gesagt hätte, wenn ich es nicht selber gewollt hätte. Aber dann kamst du mit deiner Logik, den guten Begründungen für alles, und auch Applejack kam dazu... Applejack wurde meine Freundin, meine Geliebte sogar, und mit ihr und auch mit dir zusammen habe ich erkannt, daß ihr Erdgebundenen für das, was ihr sagt und tut, auch eure Gründe habt." Sie spreizte eine ihrer Schwingen und breitete sie über Applejacks Rücken aus, und beide Ponys rückten so nahe zusammen, daß sie fast wie ein einziges Lebewesen aussahen. "Jedenfalls hättest du Arado vom Wettkampf mit Sicherheit nicht abhalten können... ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen, und dazu werde ich auch vor den Prinzessinnen stehen." Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich zu einer Art trotziger Tapferkeit. "Lieb von dir... aber die Frage, wer nun schuld an diesem Loch zwischen den Welten ist, hilft uns im Moment nicht weiter. Ich weiß, ich bin zum Fliegen schwerer Ballast, aber... könntest du mich vielleicht da hinauf fliegen? Ich würde mir die Sache gern persönlich ansehen, bevor Celestia und Luna hier sind, damit ich weiß, was ich den beiden überhaupt zu berichten habe." Entschlossen löste sich die blaue Hochgeschwindigkeits-Pegasusstute aus ihrer Flügelumarmung mit ihrer Freundin. "Selbstverständlich! Das ist das Mindeste, was ich tun kann! Allerdings würde ich gern ohne Anzug fliegen - durch dein Gewicht brauche ich viel mehr Energie, als wenn ich alleine fliege, und das erzeugt zuviel Abwärme, die abziehen können muß. Ich mag diesen Anzug wirklich, aber so eine Aktion kann ich damit nicht fliegen... nimm es mir bitte nicht übel." "Nicht doch! Du kennst deinen Körper besser als ich, und wenn du ohne Anzug besser fliegen kannst, werde ich der Letzte sein, der widerspricht." Sie begann, sich mit erstaunlicher Behendigkeit aus dem Stoff zu winden. Ich hielt ihr in einer fragenden Geste meine Hände hin, und nach kurzem Überlegen nickte sie zustimmend. Ich griff zu und zog an den richtigen Stellen, und nach wenigen Sekunden hatten wir ihr den Anzug gemeinsam ausgezogen. Ich legte ihn sorgsam zusammen. "Soll ich... soll ich vielleicht mitkommen?", meldete sich eine schüchterne Stimme. Fluttershy sah uns, wenn auch teilweise durch ihre Mähne hindurch, direkt in die Augen. Rainbow setzte zu einer ablehnenden Antwort an, aber ich hielt sie zurück. "Warte mal. Das ist vielleicht gar keine so schlechte Idee... Fluttershy, sei bitte so lieb und nimm irgendwelches Zeugs von hier mit, ich würde gerne das Experiment selber sehen, daß Materie von hier in die Öffnung fällt, ich will einfach mit eigenen Augen sehen, was passiert." "Ich hole etwas!" Mit einem Zischen und einem Luftzug verschwand Rainbow vor meinen Augen, um nur Sekunden später mit einem offenbar frisch aus dem Boden gerissenen Strauch wieder aufzutauchen. Fluttershy nahm das Gestrüpp in ihre Vorderhufe, dann konnten wir starten. Genau wie vorhin, als wir zu Arados Absturzstelle geflogen waren, schob Rainbow ihre Vorderhufe unter meine Achseln und hob mich solcherart vom Boden hoch. Dann stiegen wir in die Höhe. Auf dem Weg zur Öffnung zwischen den Welten bekam ich einen Blick über Ponyville: Pinkie hatte offenbar in ihrer Berufung als Party-Organisatorin tatsächlich ihre Lebensaufgabe gefunden. Auf eine mir völlig unklare Weise schaffte sie es, eine anscheinend recht schwung- und stimmungsvolle Feier am Laufen zu halten, die sich sowohl über Ponyvilles zentralen Platz erstreckte als auch in der Stadthalle stattzufinden schien - ungeachtet der Tatsache, daß der eigentliche Ehrengast, für den diese Veranstaltung gedacht war, selbst überhaupt nicht mehr anwesend war, sondern soeben mit einer annähernd siebzig Kilo schweren Last über der Feier an Höhe gewann. Erstaunlicherweise schaute auch kein einziges Pony zu uns hinauf - was mir nur recht war, auf diese Art würden sie zumindest vorerst nichts von dem unheimlichen Geschehen über ihren Köpfen mitbekommen, und es würde keine Massenpanik geben. Dann waren wir neben dem Dimensionstunnel angekommen und stiegen daneben weiter in die Höhe. Ich konnte nun erstmals auf seiner eigentlichen Höhe hindurchsehen und sah ein Bild, was man einfach nur als fremdartig bezeichnen konnte: links und rechts der Verbindungsöffnung, die, wie ich von hier oben aus erkannte, annähernd kugelförmig war und tatsächlich an die hundert Meter im Durchmesser maß - die Begrenzung war unverändert durch kleine zischelnde Blitze klar markiert - , sah ich einfach nur Equestria von oben. Durch die Öffnung hindurch sah ich hingegen die Welt der Menschen... erst nach einigen Sekunden fiel mir selbst auf, daß ich nicht etwa "meine Heimatwelt" oder "meine Heimat" dachte, sondern mich fühlte, als würde ich in ein völlig fremdes Land blicken. Dabei sah ich nur Dinge, die ich mein Leben lang mit Ausnahme des letzten halben Jahres gesehen hatte: die Autobahn, auf der sich auf den jeweils rechten Spuren Lastwagen an Lastwagen reihte, um diese Tageszeit aber ansonsten nicht mehr allzu viel Verkehr herrschte, ein kleines Stück entfernt davon die viergleisige Eisenbahnlinie, auf der soeben ein ICE und eine S-Bahn in dieselbe Richtung brausten, wobei der ICE nur unwesentlich schneller als die S-Bahn war; Felder, Wege, das Paketzentrum des weltweit tätigen Logistik-Zustelldienstes und ein kleines Stück entfernt sogar die ersten Ausläufer der Stadt, in der ich die letzten Jahre meines alten Lebens verbracht hatte. Seltsam - all das sah ich wie durch ein Fenster und mit praktisch unüberbrückbarem emotionalen Abstand. Ich hatte nicht wirklich das Gefühl, in meine Heimat hinabzublicken - ich verstand zwar alles, was ich dort sah, hatte allerdings nicht das geringste Bedürfnis, persönlich dorthin gelangen zu wollen. Nach zwei oder drei weiteren Minuten waren wir über der Verbindung zwischen den Welten angelangt, und durch das Flackern der kleinen die Öffnung begrenzenden Blitze hindurch sahen wir nun direkt nach unten - auf den Boden der Menschenwelt. An dieser Stelle befand sich nur offenes Feld mit einem Feldweg. Ich sah zu Fluttershy und nickte ihr aufmunternd zu, und sie ließ ihre Last fallen. Das Gesträuch fiel nach unten, erreichte die obere Grenze zwischen den Welten, verursachte beim Durchdringen ein kurzzeitiges Aufleuchten und fiel dann einfach weiter, bis es treffsicher auf dem Feldweg aufschlug - genau dort, wo sich in Equestria Häuser von Ponyville befanden. Dafür, daß das equestrianische Grünzeug von der Begrenzung irgendwie beeinflußt worden wäre, gab es keinerlei Anzeichen: weder zog es Rauchspuren hinter sich her noch wurde es schwarz oder veränderte sich sonstwie, sondern blieb, wie es war - ein herausgerissener Strauch, der aus einer Gesamthöhe von rund zweihundert Metern fallen gelassen worden und auf einem Feldweg gelandet war. Die blauen Ponyhufe, die mein Gewicht hielten, begannen zu zittern. Wahrscheinlich verließen Rainbow langsam die Kräfte, aber ich widerstand dem Impuls, nach ihren Beinen zu greifen - wenn es ein Pony gab, zu dem ich vollstes Vertrauen hatte und das mich nicht fallen lassen würde, dann war sie es. In der equestrianischen Ferne, dort, wo sich in der hereinbrechenden Nacht Canterlot befinden mußte, erschien ein helles, kugelförmiges Leuchten, welches sich offenkundig mit enormer Geschwindigkeit bewegte - und offensichtlich Ponyville als Ziel hatte. Die beiden Pegasi hatten die Erscheinung ebenfalls bemerkt, und genau wie ich wußten sie, was da auf uns zukam: die Prinzessinnen hatten allem Anschein nach Twilights Eilnachricht erhalten und befanden sich auf dem Weg zu uns. "Wo werden sie genau hinkommen?", fragte ich in die Luft. "An die Absturzstelle?" "Quatsch, Michael!", kam die unwirsche, aber auch hörbar kurzatmige Antwort von Rainbow - offenbar bedeutete ich als Ballast für ihr Flugvermögen wirklich eine enorme Herausforderung, vermutlich fiel ihre Sprechweise deshalb so kurz angebunden aus. "Wo wäre denn der logischste Ort, wo wir Ruhe haben und das nötige Wissen für euch Wissenschafts-Experten?" "Twilights Bibliothek?" Als Antwort erhielt ich nur ein bestätigendes Schnaufen. Gleichzeitig änderte Rainbow unsere Flugrichtung und ging in den direkten Sinkflug in Richtung auf Twilights Bibliothek über, gefolgt von Fluttershy. "Wäre praktisch, wenn Pinkie und Rarity ebenfalls anwesend wären. Schaffen wir das noch, die beiden zu benachrichtigen?" "Oh, ich glaube, Pinkie wird dafür sorgen, daß die beiden rechtzeitig eintreffen - wir müssen sie nur rufen. Ähm, hallo, Pinkie? Die Prinzessinnen kommen, komme bitte mit Rarity zur Bibliothek, es gibt bestimmt etwas Wichtiges zu besprechen", redete Fluttershy in die leere Luft. Zu meiner absoluten Fassungslosigkeit kam sogar eine Antwort... zumindest war mir so, als ob ich Pinkies Stimme hören würde, selbst hier, hoch oben in der Luft. Ich verscheuchte den Gedanken. Kurz darauf hatten wir wieder den Boden erreicht, und Rainbow setzte mich ab, um schwer atmend neben mir zu landen. Allerdings trugen sie ihre Vorderbeine nicht, und sie knickte ein - offenbar war sie tatsächlich am Ende ihrer Kräfte angelangt, zumal es zwei verschiedene Dinge waren, mit purer Hochgeschwindigkeit, aber nur dem eigenen Gewicht zu fliegen oder beim Fliegen eine Last mit sich zu tragen, die mindestens so schwer sein mochte wie sie selbst. In einer komisch aussehenden Bewegung flatterte sie mit den Flügeln und versuchte, sich damit auf ihren Hinterbeinen zu halten, aber selbst ihre Flügelstärke schien für den Moment praktisch erschöpft zu sein. Ich schüttelte den Kopf und griff zu - und legte mir ihre Vorderbeine über die Schultern, so daß es aussah, als würden wir beide einen grotesken Tanz aufführen. Zwar wollte sie mich wegstoßen, aber ich hielt sie entschlossen fest. "Hiergeblieben, Miss Dash. Ich weiß, es sieht dämlich aus, aber ich weiß auch, daß du im Moment einfach keine Kraft mehr in deinen Vorderhufen haben kannst, so lange, wie du mich gehalten hast. Es wäre sicher ideal, wenn du dich hinlegen könntest, aber das ist im Moment nicht möglich, also muß es so gehen." Der Blick, mit dem sie mich ansah, sprach zuerst von purem Protest, bis sie einsah, daß ich recht hatte. Ihr Widerstand brach von einer Sekunde auf die andere zusammen, und sie ließ sich gegen mich sinken. Ich streichelte ihr durch ihre Mähne, dann umfaßte ich ihren Körper, so gut ich konnte, und gab ihr damit ein wenig zusätzliche Stabilität. "Das würde ich bei keinem anderen Pony machen, außer vielleicht bei AJ. Ich hoffe, du weißt das zu schätzen." "Das tue ich... das tue ich. Vor allem weiß ich zu schätzen, daß du durchgehalten und mich wieder sicher zurück zum Boden gebracht hast, ich habe gemerkt, was für eine Belastung ich für dich gewesen sein muß." "Mal ehrlich... hast du daran gezweifelt, daß ich dich sicher zurück zum Boden bringe?" Ich sah ihr in die Augen. "Nein. Ich wußte, daß es schwer für dich werden würde, aber ich vertraue dir - und ich weiß, daß du nichts auf dich nimmst, was du dann nicht auch erfüllen kannst. Wenn ich wieder mit einem Pony fliegen sollte, dann jederzeit mit dir - sofern du mich wieder mitnimmst in den Himmel." Sie nahm einen ihrer Vorderhufe von meiner Schulter und hielt ihn auffordernd vor mich. Ich verstand: zwar hatte ich selbst keine Hufe, aber ich ballte die entsprechende Hand zur Faust, und in der hier üblichen Geste der tiefen gegenseitigen Verbundenheit drückten wir beide unsere Gliedmaßen gegeneinander. Dann legte sie ihr Bein wieder auf meine Schulter - und ihren Kopf dazu. Ein Räuspern war zu hören. Ich sah in die Richtung, aus der es kam, und erblickte Applejack, die uns sichtlich belustigt ansah. "Ehm - keine Angst, ich will dir Rainbow nicht wegnehmen", stammelte ich verlegen. Das orangene Farmpony grinste. "Ich weiß. Sieht trotzdem lustig aus, wie ihr beide so dasteht, 'n Pony könnt' denkn, ihr übt schon immer mal für die diesjährige Gala von Celestia", feixte sie. "Warte nur, bis ich wieder bei Kräften und wir wieder zu Hause sind - dann kannst du was erleben von wegen Übung für die Gala", grummelte Rainbow gespielt grimmig. "Ich freu mich drauf", kommentierte Applejack weiterhin unüberhörbar erheitert, um gleich darauf wieder ernst zu werden. "Wir solltn aber vielleicht reingehn - die Prinzessinn'n wer'n jedn Moment da sein." Damit hatte sie sicherlich recht. Die Tür ins Baumhaus hinein stand bereits offen, und wir traten ein - und nur Sekunden später kamen zwei weitere Ponys dazu: ein roasfarbenes hopsendes und springendes Wesen und ein erhobenen Hauptes einherschreitendes und tadellos frisiertes weißes Pony näherten sich der Bibliothek. Nur Sekunden später fand ich mich mitsamt den sechs Elementen der Harmonie sowie Spike, den ich bisher am heutigen Tage noch gar nicht gesehen hatte, im Hauptraum der Bibliothek wieder, und ich sah Pinkie erstaunt an. "Du wußtest, daß du herkommen solltest? Darf man fragen, woher?" "Pinkie-Sinn! Außerdem hat mich Fluttershy doch gerufen!" "Aber das war mindestens noch hundert Meter über dem Boden!" "Wen stört das schon?" "Du hörst Dinge, die weit außerhalb der normalen Hörweite eines Ponys oder auch eines Menschen gesprochen werden?!" "Lallallallaalaa..." Statt einer Antwort hopste sie nur scheinbar unbeschwert und schwerelos durch den Raum, und ich sah ihr fassungslos zu. Rainbow, die inzwischen wieder halbwegs zu Kräften gekommen war, nahm ihren rechten Vorderhuf von meiner Schulter und stupste mich damit leicht an. "Sie ist einfach... Pinkie. Solltest du eigentlich inzwischen wissen, bei Pinkie gelten keine Gesetze der Physik", erklärte sie grinsend. Diese war derweilen zum Fenster gehüpft und hatte es geöffnet. Nur Sekunden darauf tauchte draußen ein grelles Leuchten auf, und eine kugelförmige, in hellen Pastelltönen strahlende Leuchterscheinung von höchstens einem halben Meter Durchmesser erschien und schwebte herein. Das Gebilde, das entfernt aussah wie die Beschreibung eines Kugelblitzes, glitt in die Mitte des Raumes, strahlte dann kurz grell auf - und verschwand, um durch Prinzessin Celestia und Prinzessin Luna ersetzt zu werden. Die Ponys, die aus eigener Kraft standen, verbeugten sich in der üblichen respektsbezeugenden Begrüßungsgeste, während Rainbow ein Äquivalent dazu mit den Flügeln anzudeuten versuchte und ich nur mit dem Kopf nickte. "Tut mir leid, daß ich so unhöflich bin, aber die Umstände hindern mich derzeit ein wenig an der förmlichen Begrüßung", kommentierte ich. Celestia sah mich kurz an, als würde sie erst jetzt wahrnehmen, daß ich überhaupt im Raum war, und zog mißbilligend leicht die Augenbrauen hoch - die Bedeutung dieser Geste war klar: Hör auf, solche sinnlosen Bemerkungen zu machen, wir haben Wichtigeres zu tun. Dann wandte sie sich an Twilight. "Wir sind gekommen, so schnell wir nur konnten. Was genau ist vorgefallen?" Celestias Studentin schilderte den beiden Herrscherinnen die Ereignisse des Abends, knapp, aber dennoch vollständig, und derart fokussiert, wie ich es von den Ponys bisher nicht erlebt hatte. Celestias Gesichtsausdruck wandelte sich von milder Neugier hin zu echter Besorgnis. Nachdem Twilight geendet hatte, wandte sie sich an mich. "Nun, Botschafter? Was habt Ihr dazu zu sagen?" Bevor ich antworten konnte, begann Rainbow, mit den Flügeln zu flattern, und nahm ihre Beine von meinen Schultern. Wieder halbwegs zu Kräften gekommen, trat sie vor die Prinzessin und sah sie mit festem Blick an. "Eure Hoheiten - ich übernehme die volle Verantwortung. Ich hätte mich nicht in meiner Eitelkeit auf Arado Flashs Herausforderung einlassen dürfen, dann hätte es keinen Wettkampf gegeben, kein Durchbrechen der Schallmauer, und wir hätten die ganze Situation womöglich erst gar nicht. Ich bin bereit, mich meiner Verantwortung zu stellen." "Das ehrt dich, Rainbow Dash", antwortete Luna an Celestias Stelle, "aber ich glaube, Unsere Schwester hat nicht dich gefragt, sondern den Botschafter der Menschen". Ihre Stimme klang dermaßen kalt, daß ich instinktiv anfing zu frieren. Ich unterdrückte den Impuls, die Arme um meinen Körper zu schlingen, und sah die beiden Alicorns an. "Wir haben, wie Twilight bereits sagte, eine offenbar stabile Verbindung zwischen beiden Welten, die, wie ich gesehen habe, von Menschen gefahrlos in beiden Richtungen passiert werden kann. Der Pilot wird, so hastig, wie er zurückgeflogen ist in die Menschenwelt, wohl direkt den zuständigen Stellen Bescheid geben, es ist also nur eine Frage der Zeit, bis weitere Menschen kommen, um diese Verbindung und natürlich die dahinterliegende Welt, also Equestria, zu untersuchen." "Was empfehlt Ihr, Botschafter? Warum habt Ihr Uns rufen lassen?" "Ich habe die Hoffnung, Eure Hoheiten, daß Ihr diese Verbindung zwischen den Welten wieder verschließen könnt. Die Methode, die ich schon einmal gesehen und ausprobiert habe, nämlich equestrianische Materie in die Öffnung bringen und sie dadurch kollabieren lassen, funktioniert offensichtlich nicht, deshalb hoffe ich, daß Ihr mit der Euch gegebenen Magie helfen könnt." "Habt Ihr eine Erklärung, warum es zuerst einmal überhaupt zum Auftreten dieser Öffnung kam?", fragte Celestia mit ausdrucksloser Stimme. "Ich vermute, daß die Energie, die durch das zweimalige Durchbrechen der Schallmauer freigeworden ist, die Raum-Zeit-Verbindung dermaßen geschwächt hat, daß das Raum-Zeit-Gefüge an dieser Stelle... aufgerissen ist, ich kann es mir nicht anders erklären. Rainbow hat zwar bereits gesagt, daß sie die Verantwortung für diesen unerfreulichen Vorfall übernehmen will, aber auch ich habe sicher einen Anteil daran - ohne die Überraschungsparty für Rainbow hätte das Flugduell an dieser Stelle nie stattgefunden. Auch ich werde mich dieser Verantwortung stellen, wie Ihr es für richtig befindet." "Für den Moment haben wir wohl wichtigere Dinge zu klären als die Schuldfrage", bestimmte Celestia. "Wir wollen sehen, ob wir, wie von Euch vorgeschlagen, das entstandene Tor - so nennen wir derartige Verbindungen seit der Zeit, seit wir sie kennen - mittels Magie verschließen können. Allerdings brauchen wir dafür alle Unterstützung, die wir erhalten können - momentan bist du das, Twilight Sparkle. Begleite uns nach draußen." Die Angesprochene neigte leicht den Kopf, bevor die Tür nach draußen scheinbar von selbst aufschwang und die beiden Alicorns sowie ihre Schülerin hinaus traten. Wir anderen nur schwach oder auch gar nicht magischen Wesen folgten ihnen. Die drei Magierinnen, denn als solche konnte man die drei Ponys wohl mit gutem Gewissen bezeichnen, stellten sich auf und begannen, sich zu konzentrieren. Ihre Hörner begannen erst in einem unheimlichen, düsteren Licht zu glühen, dann wurde das Leuchten heller, bis sie von grellweißem Licht eingehüllt waren, welches sich in einer simultanen Eruption aus purer Energie entlud, die in einem direkten Strahl in Richtung des Tores davonschoß. Die Wesen erhielten den Effekt für vielleicht eine halbe Minute aufrecht, bevor das Leuchten rasch schwächer wurde und schließlich erlosch. Aus den Hörnern aller drei Ponys sprühten noch einige Funken, und die Hörner selbst waren in ein schwaches Nachglühen gehüllt. Celestia öffnete als erste die Augen und sah zum Himmel. Wir folgten ihren Blicken - und ich konnte ein enttäuschtes Aufstöhnen nicht unterdrücken. Die Erscheinung am nun in abendlichem Samtblau liegendem Himmel hatte sich nicht im Geringsten verändert. Noch immer schwebte eine von kleinen, schwach leuchtenden Blitzen umgrenzte Kugel über der Stadt, durch die der Blick frei war in eine andere Welt... erkennbar daran, daß das Wetter dort anders war als hier. Ich hoffte nur, daß möglichst nicht zu viele andere Ponys zum Himmel schauten und sich fragten, was zum Hafer sie da eigentlich sahen - oder, noch schlimmer, daß nicht einige Pegasi versuchen würden, die Erscheinung auf eigenen Huf zu untersuchen. Celestia schien ähnlichen Überlegungen nachzugehen. Wortlos sah sie zu ihrer Schwester, und man mußte selbst kein Magier sein, um die Kommunikation zwischen den beiden Alicorns nachzuvollziehen. Luna senkte nach einigen Sekunden, in denen sie Celestias Blick standgehalten hatte, ihren eigenen Blick in einer stummen Geste widerwilliger Zustimmung um eine Winzigkeit, und das weiße Alicorn wandte sich an Twilight. "Meine treue Studentin. Du hast fast alles über die Magie Equestrias gelernt, was es zu lernen gibt, auch wenn du selbst noch nicht alles anwenden kannst. Du hast auch die Seiten und Dinge gesehen, von denen fast kein anderes Pony weiß. Nun ist es an der Zeit, diese Energien zu benutzen." Twilight sah ihre Mentorin einen Moment lang verständnislos an, bevor ihr dämmerte, was diese gemeint hatte. "Ihr - Ihr meint doch nicht etwa... ich... weiß nicht, ob ich schon so weit bin, diese Mächte zu kanalisieren, ohne daß sie mich übernehmen... Ihr meint doch..." Ihre Stimme brach ab und verlor sich. "Unsere Schwester meint das Buch derer, Deren-Namen-kein-Pony-aussprechen-darf", antwortete Luna mit gleichmütiger Stimme. Twilight schnappte nach Luft, während die anderen Ponys sich nur verständnislos ansahen. "Aber - dieses Buch -" "Hat seit Generationen kein Pony außer uns mehr zu Gesicht bekommen, ganz recht", fiel ihr Celestia ins Wort. "Aber du, Twilight Sparkle, bist stark genug, das entsprechende Wissen zu benutzen, auch wenn dich die Wege dieser Magie verängstigen und erschrecken mögen. Aber dafür haben wir keine Zeit - ich hätte es dir gern erspart", ihre Stimme bekam einen anderen Tonfall, einen Tonfall unbestimmter Traurigkeit, "aber nur die besten und magisch stärksten Unicorns können und dürfen diese Kräfte bündeln und anwenden. Verschließe dein Herz für den Moment, Twilight Sparkle, damit es keinen Schaden nimmt - wir haben keine andere Wahl. Luna und ich mußten die Mächte dieses Buches bereits einige Male anwenden, und auch wir haben es überstanden - ", ihre Stimme und ihr Gesichtsausdruck änderten sich schlagartig abermals und wurden hart und kalt, "und wenn es ein derzeit lebendes Unicorn in Equestria gibt, welches das ebenfalls kann, dann bist du es." Tatsächlich strahlten die beiden Unicorns von einem Moment zum anderen eine derartige Kälte aus, daß, zu meinem Entsetzen, der Atem vor ihren Gesichtern zu kleinen Wölkchen kondensierte und sich Rauhreif auf dem Boden um sie herum absetzte. Twilight, die bis eben noch mit sich selbst gekämpft hatte, schien sich entschieden zu haben - ihre Augen verdrehten sich und verschwanden, um durch ein grellweißes Leuchten ersetzt zu werden, und auch um sie herum begannen sich glitzernde Eiskristalle aus gefrorener Luftfeuchtigkeit abzusetzen. Die Ponys um mich herum und auch ich keuchten entsetzt auf, und ich fühlte, wie sich alle um mich herum schutzsuchend zu einer Art Herde zusammendrängten. Von Spike war, wie ich aus den Augenwinkeln heraus feststellte, keine Spur mehr zu sehen - vermutlich hatte er sich aus dem Staub gemacht, und ich war der festen Überzeugung, daß das für ihn das Beste war. Das grellweiße Leuchten in Twilights Augenöffnungen wurde dunkler und dunkler, um nach wenigen Augenblicken in Schwarz überzugehen. Allerdings war dieses Schwarz nicht einfach nur eine Farbe oder die bloße Abwesenheit von Licht - das Schwarz, was nun aus Twilights Augenhöhlen drang, war so intensiv, daß es sämtliches Licht aufzusaugen schien wie ein Schwamm, und es war mir unmöglich, länger als zwei, drei Sekunden überhaupt in diese Schwärze zu blicken, bevor ich instinktiv den Blick abwenden mußte. Langsam, aber sicher schienen alle sichtbaren Farben fahler zu werden, als ob sie von dem unheimlichen Schwarz in Twilights Augen aufgesogen werden würden, und die Luft um uns herum wurde noch kälter. Inzwischen überzog eine feine Eisschicht das Fell und die Mähnen aller drei Ponys. Die Magierinnen konzentrierten abermals ihre Kräfte. Ihre Hörner begannen, in einem kalten, düsteren, drohenden dunkelgrünen Licht zu glühen, dann schoß eine Welle aus purer gestaltgewordener Schwärze aus jedem einzelnen Horn, vereinigte sich zu einem einzigen Strahl und flog auf das Tor zu. Für einen Moment schien diese Methode sogar zum Erfolg zu führen. Das Leuchten der Blitze wurde kurz heller, um dann abzuflauen und fast zu verschwinden. Das Bild des Himmels der Menschenwelt wurde unscharf, und die letzten Blitze schienen zu verschwinden. Kurz bevor die Erscheinung am Himmel sich jedoch vollends verflüchtigen konnte, ging ein fühlbarer Ruck durch die Wirklichkeit - und das sphärenförmige Tor am Himmel war wieder da, wo es seit seinem Erscheinen vor vielleicht einer halben Stunde gewesen war. Allerdings mit einem Unterschied. Sein Durchmesser hatte sich verdoppelt. Zwar schwebte der untere Rand der Erscheinung noch immer gute einhundert Meter über der Stadt, erstreckte sich jetzt allerdings nicht mehr nur hundert Meter in die Höhe und etwa ebensoviel an der breitesten Stelle, sondern maß nun gut das Doppelte. Ein schwaches Wimmern war zu hören. Ich drehte den Kopf, weg von der unheimlichen Erscheinung am Himmel, in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Twilight kauerte auf dem eiskalten Boden. Ihre Mähne war zerzaust und wirr wie nach einem schlimmen Sturm, aus ihrem Horn zuckten einige unregelmäßige schwache lilafarbige Lichtblitze, ihre Augen waren wieder ihre Augen und keine unheimlichen Öffnungen voller gestaltloser Schwärze mehr, und sie zitterte am ganzen Körper. Ihr Atem ging schnell, hart und stoßweise, aber er kondensierte nicht mehr vor ihrem Gesicht. Auch Celestia und Luna verwandelten sich zurück. Es war keine wirklich sichtbare Verwandlung, nichts, worauf man mit dem Finger hätte deuten können - aber dennoch war das Ergebnis beeindruckend. Die eisige Kälte, die die beiden Alicorns ausgestrahlt hatten, verschwand, und sie begannen, zu tropfen - nichts anderes als die auf ihren Körpern gefrorene Luftfeuchtigkeit, die nun, da die normale Temperatur zurückkehrte, einfach nur abtaute. Celestias harter Gesichtsausdruck wich ihren normalen Gesichtszügen. Mit einem Ruck öffnete sie ihre Augen und sah zu der noch immer zitternden und wimmernden Twilight herab. Behutsam ging sie neben ihr in die Knie, um mit ihrem Horn Twilights Horn zu berühren und eine ihrer Schwingen wie eine schützende Decke um das lilafarbene Unicorn zu legen. Auch Luna öffnete ihre Augen, die ebenfalls wieder nur Augen und keine unheimlichen Erscheinungen mehr waren, und sah uns an. "Es wäre gut und von großem Vorteile, würdet ihr vergessen, was ihr soeben sahet. Wir möchten Uns nicht gezwungen sehen, eure Erinnerungen manipulieren zu müssen." Ich hob abwehrend die Hände. "Ich für meinen Teil versuche lieber erst gar nicht zu verstehen, was ich da eben gesehen habe... Ihr wißt, Prinzessin, in der Welt der Menschen gibt es keine Magie mehr, wenigstens nicht im Allgemeinbewußtsein, entsprechend wenig verstehe ich davon auch. Ich will es auch gar nicht wissen... und ich bin sicher, die Ponys hier ebenfalls nicht." Ich ging in die Hocke und breitete meine Arme über sie aus, und erntete von ihnen zustimmende Laute und ein Nicken. "Gut! Wir sind erfreut, solches zu hören und zu sehen! - Bitte, liebe Ponys", fuhr sie mit völlig veränderter, um Größenklassen freundlicherer Stimme fort, "seht das nicht als unser normales Verhalten an. Ihr wißt, ich und meine Schwester sind üblicherweise nicht böse... ich nicht mehr, ich möchte wirklich nichts mehr mit Nightmare Moon zu tun haben, das bin ich nicht mehr. Als Herrscherinnen von Equestria müssen wir aber leider auch das Wissen besitzen, das besser kein Pony haben sollte, und auch wenn wir es nicht anwenden wollen, manchmal geht es nicht anders... bitte fürchtet uns nicht." Wortlos und mit unsicheren Gesichtsausdrücken sahen die Ponys Luna an, was diese scheinbar ebenfalls unsicher werden ließ. Ich beschloß, einzuschreiten, und stand auf. "Ich denke, werte Prinzessin Luna, ich kann für uns alle sprechen", begann ich mit erheblich mehr Selbstsicherheit in meiner Stimme, als ich tatsächlich verspürte, "daß wir Euch und Celestia auch weiterhin nicht anders sehen als bisher - als die beiden Herrscherinnen, die zum Wohl ihrer Ponys regieren und für die das Wohl ihres Volkes an erster Stelle steht." Als Bekräftigung streckte ich ihr meine zusammengerollte Hand entgegen. Sie sah mich für einen Moment erstaunt und mit hochgezogenen Augenbrauen an, dann lächelte sie und drückte einen ihrer Vorderhufe gegen meine Faust - genau so, wie ich es vorhin bei Rainbow getan hatte. Ich registrierte, daß ihr Huf warm war - die unheimliche Eiseskälte von vor wenigen Minuten war verschwunden. Twilight schien sich inzwischen allmählich von ihrem vermutlich ersten Einsatz dieser starken und offenbar den allerwenigsten Ponys zugänglichen Magie erholt zu haben. Ihr Zittern hatte aufgehört, und auch ihr Atem beruhigte sich zusehends. Nach einer kleinen Weile fand sie genug Kraft, um aufzustehen und wieder stabil auf ihren vier Hufen stehen zu können. "Ich hoffe, ich muß diese furchtbare Magie nie wieder einsetzen", murmelte sie. Celestia lachte, aber es war kein fröhliches Lachen. "Das hoffen Luna und ich jedes Mal... und doch gibt es für uns immer ein nächstes Mal." "Nur die stärksten Unicorns kommen damit zurecht - und nur die stärksten Unicorns werden persönliche Studentin meiner Schwester. Dieser Teil der Ausbildung ist wahrscheinlich der härteste, aber er muß sein... und wer ihn durchhält, zeigt, daß er tatsächlich die Fähigkeiten zu höheren Aufgaben in sich trägt. Wir haben uns doch hoffentlich nicht in dir getäuscht, Twilight Sparkle?", ließ sich Luna vernehmen - mit einer nicht unfreundlichen, aber dennoch bestimmt klingenden Stimme. Twilight schluckte zwei-, dreimal kurz und hart, bevor sie die Kraft fand, den beiden machtvollen Alicorns in die Augen zu sehen. "Ihr habt euch nicht in mir getäuscht, Eure Hoheiten, und ich bin dankbar, daß Ihr an mich und meine Fähigkeiten geglaubt habt, als ich selbst gezweifelt habe." Die Antwort bestand aus einem zufriedenen Blick, der nun mit Warmherzigkeit und Güte angereichert war. "Haben wir es wenigstens... geschafft? Ist das Tor verschlossen?" Wortlos sahen die beiden Alicorns zum Himmel, und Twilight folgte ihrem Blick. Sie gab ein enttäuschtes Seufzen von sich und sah zu Boden. "Habe... ich es... vermasselt?" "Fürchte dich nicht, Twilight Sparkle. Du warst stärker, als wir beide erwartet hatten - der Mißerfolg lag mit Sicherheit nicht bei dir." "Aber was tun wir jetzt?", ließ sich Rainbow Dash ungeduldig vernehmen. Celestia sah erst sie, dann uns alle an. "Die Frage ist berechtigt. Botschafter - was empfehlt Ihr?" "Ich habe mir die letzten Minuten über meine Gedanken gemacht. Falls der Pilot des Kleinflugzeuges sofort Bericht erstattet hat und dieser Bericht weitergeleitet ist an die richtigen Stellen, wissen Militär und Geheimdienste inzwischen Bescheid - ihr alle kennt meine Vorträge, was das bedeutet. Die Erscheinung ist den Menschen unbekannt, wahrscheinlich werden sie also erst einmal unbemannte Aufklärungsflugzeuge losschicken. Ich weiß nicht, wann genau das der Fall sein wird und ob sie sich mit Magie aufhalten lassen, aber ein Aufhalten oder gar Zerstören würde ich sowieso nicht empfehlen - das würde auf aggressive Absichten hindeuten und nur Gegenaggressionen der Menschen nach sich ziehen. Ich empfehle, zumindest die Stadt Ponyville und sämtliche Pony-Ansiedlungen in der näheren Umgebung, also mindestens Sweet Apple Acres, vorerst mit einer tiefliegenden Wolkenschicht zu verdecken. Zwar bringen Wolken gegen hochtechnisierte Aufklärungsinstrumente wie Wärmebildkameras, Infrarotscanner, Ultraschall und dergleichen wohl recht wenig, aber zumindest die Sicht zum Boden ist erstmal dicht, und die Landschaft sieht nicht unbedingt besiedelt aus - damit ist sie hoffentlich erst einmal uninteressant genug, um nicht sofort Forschungsroboter oder Forscher zu schicken, die sich direkt Ponys greifen und sie sezieren wollen. Deshalb: tiefliegende Wolkendecke, so schnell wie möglich. Alles weitere werden wir abwarten müssen, kommt drauf an, was als erstes durch das Tor kommt... kann ich noch nicht viel dazu sagen. Keinesfalls sollten aber Ponys dauerhaft in die Menschenwelt gelangen; allenfalls könntet Ihr durch einen Freiwilligen austesten, ob die Verbindung tatsächlich in beiden Richtungen stabil ist. Weiterhin sollten wir - also Ihr, die Prinzessinnen, da Ihr euch beide am besten und längsten mit derlei Erscheinungen auskennt, Twilight als beste und fähigste Studentin und Wissenschaftlerin und ich als einer, der die Naturgesetze der Menschenwelt kennt - weiterhin Erkenntnisse über dieses Tor sammeln, wie es zustande gekommen ist, ob es stabil bleibt, wie es die Raumzeit beeinflußt oder mit dieser zusammenhängt... das, denke ich, sollte als nächstes passieren." Die Prinzessinnen hatten aufmerksam zugehört und sahen sich kurz an. "Ich denke, wir beide stimmen zu", erklärte Celestia. "Zuerst wollen wir uns um das optische Verstecken von Ponyville und Umgebung kümmern - das ist zweifellos eine Aufgabe des Wetterdienstes, und praktischerweise ist die Leiterin vor Ort. Rainbow Dash? Du hast alles mit angehört und weißt, was zu tun ist - zur Unterstützung und als Autorität, um genügend Pegasi für diese Aufgabe zu erhalten, wird dich Luna begleiten." "Jawohl, Majestät!" Rainbow salutierte zackig und wollte losfliegen, aber ich hielt sie zurück. "Augenblick - tut mir leid, mich einzumischen. Rainbow, bist du nicht zu ausgelaugt dafür für den Moment? Flugwettkampf mit Arado Flash und Transport von mir nach oben und wieder hier runter? Schaffst du das?" Ärgerlich funkelte sie mich an. "Im Gegensatz zu Arado kann ich wenigstens noch fliegen - und bei dem, was auf dem Spiel stehen kann, erwartest du doch nicht ernsthaft, daß ich mich jetzt ins Bette lege?! Bevor ich nicht vom Himmel falle oder die Aufgabe erledigt ist, gebe ich nicht auf!" Sie funkelte mich an, mit einem Blick, der mir klar machte, daß jeder Widerstand und jede Diskussion zwecklos sein würden. Abwehrend hob ich die Hände und trat einen Schritt zurück. Mit einem Schnauben ruckte ihr Kopf herum, ihre Schwingen entfalteten sich, und zusammen mit der Prinzessin hob sie ab und flog in die hereinbrechende Nacht, in Richtung von Ponyvilles Stadthalle, wo sich derzeit mehr als genug Pegasi, die die beiden zum sofortigen Sonderfall-Wetterdienst rekrutieren konnten, befanden. "Bliebe noch die Forschung. Dazu brauchen wir aber eine ausgeruhte Twilight, und im Moment braucht sie einfach noch Erholung, nach dem, was wir ihr bisher abverlangt haben. Deshalb werden wir die wissenschaftliche Forschung auf morgen früh vertagen - nein, Twilight, versuche jetzt bitte nicht, die Heldin zu spielen, für heute abend hast du genug geleistet, und es ist keinem Pony geholfen, wenn du keinen klaren Gedanken mehr fassen kannst und über den Büchern zusammenbrichst. Wir beginnen morgen früh, dabei bleibt es - du solltest jetzt besser zu Bett gehen, Twilight Sparkle." Ein leichtes hellbeiges Schimmern erschien um das Horn der Prinzessin, und Twilight, die bereits zum Protest angesetzt hatte, verstummte und nickte nur. "Gute Nacht, Prinzessin, gute Nacht, everypony." Damit trottete sie in ihre Bibliothek, und die Tür schloß sich hinter ihr mit einem magischen violetten Schimmer. Verwundert sahen sich die Ponys an. "Magisches Beruhigungs- oder Schlafmittel, stimmts?", fragte ich geradeheraus. Celestia nickte schmunzelnd. "Ganz recht. Manchmal muß man ein Pony zu seinem Wohlergehen zwingen, und so aufgewühlt und trotzdem ausgebrannt, wie sie im Moment ist, nützt sie uns nichts bei der Forschung." "Weil wir gerade dabei sin'... wollt Ihr jetz' wirklich zurück nach Canterlot? Ich mein', ich kann Euch nichts vorschreibn, aber wärs nich' besser, Ihr bleibt die Nacht über bei uns? Auf Sweet Apple Acres is' genug Platz für Euch... wenn ich das so sagn darf", ließ sich Applejack vernehmen. "Diese Einladung nehme ich gerne an - ich wäre ohnedies gern nahe am Ort des Geschehens, falls es unvorhergesehene Entwicklungen gibt. Bleiben noch Rarity und Pinkie Pie." "Ja, Prinzessin?" "Nun, Rarity, ich möchte nicht unhöflich erscheinen, was die Magie angeht..." "Oh bitte, verehrte Prinzessin. Ich weiß, daß ich keine Magierin bin, ich habe in dieser Hinsicht nicht mehr Begabung als jedes andere Unicorn auch. Ob ich in dieser Angelegenheit von Nutzen sein kann, weiß ich nicht." "Du und Pinkie, ihr seid in Ponyville am meisten von Nutzen... falls ihr es unauffällig schafft, die Ponys soweit ruhig zu halten, daß wegen des Tores keine Panik ausbricht." "Yuppi-duppi-wuppi, Prinzessin! Absolut kein Problem, Eure Hoheit!", kam eine hochtönende Antwort - auch ohne hinzusehen, wußte wohl jeder, daß diese nur von Pinkie kommen konnte. "Komm, Rarity, wir müssen uns um Ponys kümmern! Tschüü-hüüß, Prinzessin Celestia!" Das weiße und das rosafarbene Pony trabten davon, auf den zentralen Platz der Stadt zu, über der sich bereits eine Wolkendecke zu bilden begann - offenbar verloren Rainbow Dash und Luna keine Zeit, und wenn man genau hinhörte, konnte man das Rauschen unzähliger Schwingen hören. "Dann werd ich mal mein Fahrrad holen", kommentierte ich und wollte mich ebenfalls auf den Weg machen, aber Celestia hielt mich zurück. "Fahrrad? Ein Gegenstand aus der Menschenwelt also? Moment - ich hole es dir her." Ihre Augen schlossen sich, ihr Horn begann kurz zu leuchten - und in einem kurzen Blitz erschien mein Fahrrad genau vor mir. Sie öffnete die Augen und sah mich mit einem belustigen Schmunzeln an. "Gegenstände aus einer anderen Welt aufspüren und teleportieren ist eine nette kleine Übung für zwischendurch", kommentierte sie, und ich bildete mir ein, zu hören, daß sie ein Kichern noch eben so unterdrückte. "Dann solltn wir uns mal Richtung Farm begebn, damit wir morgn früh fit sin'", meldete sich Applejack wieder zu Wort. "Geht bitte schon ohne mich vor. Ich muß mich noch um den Freiwilligen-Test kümmern - wir wollten ja sehen, ob das Tor stabil in beiden Richtungen ist, und ich nehme an, das wird auch in der Menschenwelt besser nachts geschehen. Ich treffe euch bei Sweet Apple Acres." Damit breitete das weiße Alicorn seine Schwingen aus und war gleich darauf im Dunkel verschwunden. Applejack und ich sahen uns einen Moment lang verwundert an, dann begaben wir uns auf den Weg. Wir benötigten für die Strecke zu Applejacks Farm vielleicht zwanzig Minuten - eine übliche Zeit. Als wir am Haupthaus ankamen und ich gerade mein Fahrrad abstellte, trat eine Gestalt aus den Schatten - nachdem sie in das schwache Nachtlicht getreten war, erkannten wir Celestia. Aber wie hatte sie sich verändert: das ehedem strahlende Alicorn wirkte müde und abgekämpft. Erschrocken sahen wir sie an. "Was ist geschehen, Prinzessin?", fragte Applejack entsetzt und völlig ohne ihren sonst üblichen Dialekt. "Für mich sind etwas mehr als fünf Stunden vergangen, ich habe wieder die Zeit für alle außer mich angehalten... und für die Palastgarde. Einen Freiwilligen zu finden, war nicht schwer, es sind alles tapfere Hengste... wir waren am Tor und in der anderen Welt. Eigentlich wollte ich dafür eine, höchstens zwei Stunden verwenden... ich hatte keine Ahnung, daß daraus fünf werden, ich war selber völlig überrascht. Die Raumzeit funktioniert in der Menschenwelt tatsächlich anders als hier... das wußte ich bisher nicht, aber die Erkenntnis ist wertvoll. Wenn ihr es mir gestattet, werde ich euch morgen davon berichten... für den Moment wollen wir es dabei belassen."