Kapitel 16: Reise nach Cloudsdale "Soarin'? Der Soarin'?", fragte Twilight mit großen Augen. Rainbow nickte. Wir - das heißt die Ponys, die die Elemente der Harmonie verkörperten, und ich - standen im Hauptraum von Twilights Bibliothek in Ponyville. Celestia hatte offiziell grünes Licht für das Vorhaben gegeben, das Tor in die Menschenwelt zumindest erst einmal zu verlagern - nur war dafür Twilights Berechnungen zufolge eine identische Energiemenge wie zu seiner Erschaffung notwendig, was bedeutete: sowohl Rainbow Dash als auch ein Pegasushengst mußten an möglichst derselben Stelle die Schallmauer durchbrechen. Sicher gab es nicht viele Pegasushengste, die dazu in der Lage waren. "Ich habe ihn ja schon das eine oder andere Mal persönlich getroffen. Wenn ich es einem Pegasushengst zutraue, das hinzubekommen, dann ihm. Er ist seit vielen Jahren bei den Wonderbolts, immerhin so etwas wie der Stellvertreter des Captains schon seit Spitfires Zeiten, stets einer der besten bei den Flugaufführungen - und auch der einzige, von dem ich mit Sicherheit weiß, daß er überhaupt diese Geschwindigkeit erreichen kann. Twily, könntest du bitte Michael mit dem Zauber belegen, der Nicht-Pegasi das Gehen auf Wolken ermöglicht? Ich hätte ihn gern dabei, wenn wir gleich nach Cloudsdale aufbrechen - es sieht sicher offizieller aus, wenn der Botschafter mitkommt, als wenn ich nur allein da aufkreuze." Das lilafarbene Unicorn nickte. "Wunderbar. Erledigt ihr am besten den Zauber, ich gehe und hole einige Pegasi, damit wir Michael - den Botschafter - nach Cloudsdale bringen können. Wäre zwar vielleicht einfacher, wenn er auch Zauberflügel bekäme, aber fliegen lernen dauert im Moment sicher zu lange, da ist es einfacher, ihn so hinzutransportieren." "Ich komm mit, Dashie", meldete sich Applejack zu Wort. "Ihr werd't doch sicher was brauchn, womit ihr ihn da 'nauf befördern könnt, un' sowas zusamm'zuzimmern is' sicher 'ne Aufgabe für'n paar tüchtige Erdponys." Damit verschwanden die beiden Ponys, und Twilight wandte sich mir zu. "Bereit, Botschafter? Der Zauber wird maximal drei Tage vorhalten. Vergiß das bitte nicht - sobald er nachläßt, würdest du durch die Wolken durchrutschen, wie es normal auch der Fall wäre. Denke bitte daran, rechtzeitig zum Boden zurückzukehren." "Ich hoffe, bis dahin haben wir das Problem geklärt", antwortete ich. "Bevor wir anfangen: mir ist gestern abend noch etwas eingefallen, das uns helfen könnte. Ich rede nicht lange drumherum: könnte Discord uns irgendwie von Nutzen sein? Nach allem, was ich weiß, hat Fluttershy ihn ja soweit gebracht, daß er vielleicht so eine Art Verbündeter werden könnte, und vielleicht kann er die Anomalie wieder verschließen." "Nun ja... ", kommentierte Twilight mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. "Es stimmt schon, er ist nicht mehr versteinert, und die liebe Fluttershy hat sich wirklich alle Mühe gegeben mit ihm. Allerdings ist er, kurz nachdem die Prinzessin ihn offiziell freigesprochen hat, spurlos verschwunden... niemand weiß, wo er sich aufhält oder wie man ihn herbeiruft. Um ehrlich zu sein, hatte ich auch nicht den Eindruck, als würde er unbedingt zu einem Verbündeten werden wollen - er schien mir nur frei sein zu wollen und hat sich wohl irgendwohin verzogen, wo er in Ruhe so sein kann, wie er will, ohne Ponys, die ihn dabei stören." "Aber Twilight!", meldete sich eine zwar leise, aber dennoch entrüstete Stimme zu Wort - Fluttershy. "Warum hältst du, halten alle Ponys Discord immer noch für schlecht? Nur weil er anders aussieht und eben gerne im Chaos lebt? Du solltest es besser wissen!" Twilight seufzte ergeben. "Das habe ich doch gar nicht gesagt. Aber weißt du, wo er steckt? Michael hat nämlich recht: vielleicht könnte er uns helfen und das Tor verschließen. Also bitte - zeige uns, daß wir uns irren, und hol ihn her, er wird hier gebraucht." Das hellgelbe Pegasuspony errötete leicht und wandte den Blick ab, scheinbar war sie es noch immer nicht gewohnt, so direkt angesprochen und mit einer eindeutigen Forderung konfrontiert zu werden. "Ich... will sehen, ob ich ihn finden kann... vielleicht hat er... in meinem Cottage irgendeine Nachricht hinterlassen, wie ich Kontakt zu ihm aufnehmen kann... ich kann es nur leider nicht versprechen... er macht eben eigentlich wohl nur das, was er will... aber ich glaube daran, daß auch in ihm ein guter Kern steckt." Entschlossen sah sie uns an, um nach nicht einmal drei Sekunden den Blick abzuwenden und vorsichtig in Richtung Tür zu traben. "Es wäre schön, wenn du ihn finden und überzeugen könntest, mit uns zusammenzuarbeiten - danke im Voraus." Sie sah mich noch einmal kurz an und huschte dann endgültig zur Tür hinaus. Twilight seufzte noch einmal. "Manchmal denke ich, Fluttershy ist eher ein unschuldiges, naives Schaf als ein Pony... arme Kleine, hatte es schon in der Vergangenheit nicht leicht mit ihrer Art. Ich kann dir nicht versprechen, daß sie Discord tatsächlich findet, und selbst wenn, daß er uns helfen wird, aber ein Versuch schadet sicher nicht. - Nun zum Wolkenzauber..." Ihr Horn begann, violett zu schimmern, und Bücher sausten, eingehüllt in Magiewolken, von den Regalen, blätterten sich von selbst auf, schwebten an ihren Augen vorbei und landeten schließlich auf einem stetig wachsenden Haufen, der aussah, als hätte ihn Discord persönlich als Ablage angelegt. Nach vielleicht einer Minute und einem mittlerweile etwa halbmeterhohen Berg aus achtlos hingeworfenen Büchern erlosch der Strom aus neuen Büchern aus den Regalen, Twilight schloß ihre Augen, strengte sich sichtbar an - und ein lilafarbiger Blitz schoß aus ihrem Horn auf mich zu. Eine farbige Aura umgab mich für einen Moment, und ich fühlte ein Kribbeln in meinen Füßen, fast so, als wären sie mir eingeschlafen. Dann war es vorbei: das magische Leuchten erlosch, das Kribbeln in meinen Füßen verebbte, und Twilight öffnete ihre Augen und sah mich an. "Das sollte es tun - ich hoffe, ich habe alles richtig berechnet, immerhin habe ich diesen Zauber bisher nur auf Ponys angewendet, noch nie auf Menschen oder zweibeinige Wesen allgemein. Ich gebe dir zur Sicherheit noch ein wenig Verstärkungspulver mit", damit erschien in der leeren Luft vor mir ein kleines zugebundenes Säckchen, nach dem ich automatisch griff, "sollte mein Zauber zu schwach sein, bestreue deine Füße damit, spätestens dann müßte es reichen. Und sei vorsichtig, wenn du das erste Mal die Wolken betrittst - nicht daß doch etwas danebengegangen ist und du direkt durchfällst." "Danke... ich werde daran denken. - Aber was ist mit den ganzen Büchern? Soll ich dir helfen, sie wieder zu sortieren?", fragte ich mit einer Geste auf den Haufen aus Papier. Das Unicorn kicherte. "Die Bibliothek sah schon manches Mal deutlich schlimmer aus, das kriegen wir schon wieder hin. Spike?!", rief sie die Treppe hinauf. Richtig dauerte es gar nicht lange, bis der kleine Drache aus der oberen Türöffnung hervorblickte. Twilight sah demonstrativ auf den Bücherhaufen und grinste. Seufzend kam Spike die Treppe hinuntergetrappelt. "Einmal sortieren, wie üblich?" "Ich wüßte nicht, was ich ohne dich tun sollte", erwiderte die junge Magierin mit der liebenswürdigsten Stimme, die ich mir vorstellen konnte. "Vielleicht mal selber aufräumen?", grummelte der Drache vor sich hin, tat damit Twilights demonstrativ guter Laune allerdings keinen Abbruch. "Dann will ich mal sehen, ob meine Flugbereitschaft soweit ist." Ich begab mich zur Tür - nur um von Rainbow, die herangestürmt kam, fast über den Haufen geflogen zu werden. "Ah! Wunderbar! Seid ihr fertig? Applejacks Freunde basteln gerade noch einen Sitz zusammen, dann kanns losgehen! Ihr Menschen haltet doch Geschwindigkeiten aus? Wir werden etwa ein Drittel Schallgeschwindigkeit fliegen, sonst kommen wir ja nie an", sprudelte sie hervor. Entgeistert blickte ich sie an. "Hast du gerade ein Drittel Schallgeschwindigkeit gesagt?!" Leicht verwirrt sah sie zu mir. "Ich denke, ihr Menschen vertragt Geschwindigkeiten? Formel 1 oder so, du hast mir doch erzählt, da werden ähnliche Geschwindigkeiten gefahren? Oder eure Jagdflugzeuge?" "Schon - aber da sitzen wir auch nicht völlig ungeschützt drin. Bei solchen Geschwindigkeiten könnten wir von Natur aus nicht einmal mehr atmen." Grummelnd schüttelte sie den Kopf. "Wie unsere Erdponys... einfach nicht wirklich für Geschwindigkeiten geeignet. Aber wir müssen heute noch in Cloudsdale ankommen, das liegt nun mal nicht gleich um die Ecke!" "Ich denke, ich kann helfen", schaltete sich Twilight ein. "Ist Michaels Transportmittel schon fertig?" "Die Erdponys bauen noch daran, kann aber nicht mehr lange dauern. Direkt an der Baustelle neben dem Marktplatz, dort war gleich genug Material vorhanden, und AJ hat Bekannte getroffen." "Ich sehe dich dort, Rainbow! Wir begeben uns gleich direkt dahin, Michael." Zum zweiten Male am heutigen Tag wurde es für einen Sekundenbruchteil um mich herum sehr hell, und ich fand mich zusammen mit dem magischen Unicorn auf der Baustelle wieder, von der Rainbow gesprochen hatte. In einigen Schritten Entfernung arbeiteten einige Erdponys unter Applejacks unüberhörbarer Anleitung. "... denkt dran, er is' kein Pony, Menschn sin' nich' so robust wie wir, auch wennse genauso schwer sin'. Körperlich is' mit 'nem Mensch nich' viel los, deshalb muß der Sessel so gebaut wer'n, ihr macht das gut so - oh, hallo, Michael." Das orangefarbene Erdpony lief rot an und grinste verlegen, als ich näher trat - offenbar waren ihre Kommentare zur Belastbarkeit meiner Spezies nicht für meine Ohren gedacht gewesen. "Ist schon in Ordnung, im Grunde hast du ja recht. Wir halten, wie wir soeben zusammen herausgefunden haben, nicht einmal hohe Geschwindigkeiten ohne Schutz aus - läßt sich da was machen?" "Daran hab'ch nu' nich' gedacht..." "Deshalb bin ich hier. Wollen doch mal sehen..." Interessiert betrachtete sich Twilight mein Transportmittel, und ich tat es ihr gleich. Am ehesten erinnerte es mich an eine offene Sänfte, in der früher Herrscher oder heute der Papst herumgetragen wurden: es handelte sich um ein hölzernes Grundgestell mit vier Tragegriffen, die die Träger-Pegasi offenbar ins Maul nehmen sollten, einer Art Einspannhalterung am vorderen Ende und, auf das Gestell aufgesetzt, einen mit rotem Samt ausgeschlagenen Sitz. Beeindruckt sah ich die Ponys an. "Sehr, sehr hübsch... ich traue mich fast gar nicht, mich damit fliegen zu lassen, ich komme mir damit so... abgehoben vor." "Für unseren Botschafter nur das Beste!" Rainbow war derweilen herangeflogen gekommen und strahlte mich an. "Gefällt es dir?" "Sehr sogar! Sich damit tansportieren zu lassen ist in meiner Welt ein absolutes Privileg - habt ihr wirklich sehr schön gemacht." Mit einer Art erfreutem Stolz, daß ich ihre Leistungen zu würdigen wußte, sahen mich die Erdpony-Hengste, die die Tragesänfte gebaut hatten, an. Ich blickte ihnen fest in die Augen. "Ich danke euch für eure Mühe und Arbeit und freue mich, daß ihr diese Arbeit so kurzfristig auf euch genommen habt. Wenn ich im Gegenzug etwas für euch tun kann, laßt es mich bitte wissen." Mit einem wortlosen, aber dennoch freundlichen Nicken verabschiedeten sie sich von uns und gingen wieder an ihre eigentlichen Tätigkeiten. "Bleibt nur das Problem der Geschwindigkeit; die Sänften, die ich kenne, werden nur mit menschlicher Schrittgeschwindigkeit befördert." Twilight schloß die Augen, konzentrierte sich, und ein Strahl farbiger Magie schoß aus ihrem Horn und legte sich um den Sitz. Wieder dauerte es nur Sekunden, bis die Erscheinung verging. "Fertig, damit ist das Problem erledigt. Ich habe einen magischen Windschutzschild um deinen Sessel gelegt und gleichzeitig einen Gewichtsreduktionszauber." "Famos... ich staune immer wieder, wozu du so alles in der Lage bist. Danke." "Stimmt, da hat er recht!", kommentierte Rainbow. "Du kannst langsam Celestia Konkurrenz machen!" "Oder sie vertretn! Wenn sie nich' da is', solltest du Prinzessin sein!" Twilight wandte verlegen den Blick ab. "Bitte, Ponys. Das ist doch fast gar nichts... ich komme nicht einmal annähernd an Celestias Fähigkeiten heran, und sie als Prinzessin vertreten... ich weiß nicht, ob das wirklich gut wäre. Außerdem ist sie ja da, da sind solche Überlegungen müßig - sie ist meine Mentorin, ich würde nicht einmal daran denken, mir ihre Position anzumaßen. Ich studiere lieber weiter, ich habe noch viel zu lernen - ich sollte Daten sammeln über das Tor, die Entstehung, die Handhabung - alles das. Damit mache ich am besten gleich weiter. Halt, eines noch: was sollen Pinkie und Rarity tun? Hast du irgendwelche besonderen Anweisungen?" "Ganz einfach: sie sollen die Bevölkerung von Ponyville bei Laune halten. Klingt doof, ist aber enorm wichtig - gerade jetzt, wo alles unter ungeplanten Wolken liegt. Wir brauchen vor allem Ruhe und Besonnenheit, und bis das Tor verlagert ist, muß die Wolkendecke geschlossen bleiben; außerdem sollen die Ponys nur so viel über das Tor wissen, wie unbedingt sein muß. Die beiden dürften am ehesten geeignet sein, das den Ponys zu vermitteln - auch wenn zum Beispiel die Blumenponys nicht gerade glücklich darüber sein werden." Das Unicorn nickte. Ein kurzer lilafarbiger Blitz erschien, und Twilight war verschwunden. Applejack sah kopfschüttelnd zu der Stelle, wo sie eben noch gestanden hatte. "Arme Kleine. Verkauft sich völlig unter Wert... aber das muß'se wohl selber wissn." "Außerdem sollten wir langsam aufbrechen", meldete sich Rainbow. Sie sah sich kurz um, dann hob sie ihren rechten Vorderhuf an ihr Maul und stieß einen kurzen, aber gellenden Pfiff aus - auf eine mir selber nicht völlig klare Weise waren die Ponys also offenbar in der Lage, auf ihren Hufen zu pfeifen. Kurz darauf, ich hatte mich inzwischen auf den Sitz meiner Tragesänfte gesetzt, kamen vier kräftige Pegasushengste angeflogen. Rainbow schwebte einen Meter über dem Boden in der Luft und sah ihre Transportgruppe, denn um nichts anderes handelte es sich, im Stile einer Kommandantin an. "Bereit, Jungs? Dann wollen wir endlich aufbrechen!" Die vier Hengste nickten, landeten, und jeder packte mit seinen Zähnen einen der Tragegriffe. Rainbow selbst zwängte sich in die Halterung, die genau vor mir lag, und drehte ihren Kopf zu mir. "Dann wollen wir dich endlich auch mal in unsere Regionen bringen... wäre nur schön gewesen, wäre es unter anderen Vorzeichen geschehen." Sie warf Applejack noch einen tiefen Abschiedsblick zu, dann breitete sie ihre Schwingen aus, die Hengste folgten ihrem Beispiel, und wir hoben ab. Nach kurzer Zeit hatten wir die Wolkendecke durchbrochen. Nur vielleicht hundert Meter entfernt begann die Verbindung zwischen beiden Welten, und dieses Mal war sie unübersehbar: über der von den Pegasi über Ponyville erschaffenen tiefliegenden Wolkenschicht flogen wir im strahlendsten Sonnenschein, während in der Welt der Menschen offenbar bedeckter Himmel herrschte: die Sphäre war ausgefüllt mit trübgrauer Helligkeit, aus der einige vereinzelte Nebelschwaden herausdrifteten. Rund um das Tor schwebten in Abständen Pegasi, die die Erscheinung nicht aus den Augen ließen. Auch die Ponys, die mich trugen, hatten verständlicherweise ihre Blicke auf das Tor gerichtet. Und so sahen wir es alle: aus dem Nebel tauchte etwas auf... etwas, das eindeutig in Richtung Equestria steuerte. "Zurück!!!", schrie ich mit vollem Stimmaufwand, als ich erkannte, was da auf uns zukam. "Hinter die Anomalie, sofort!!!" Es hätte meiner Warnung nicht einmal bedurft. Sämtliche Pegasi veränderten ihren Standpunkt in der Luft so, daß sie hinter das Fluggerät kamen, und auch wir flogen hinter die Erscheinung. Aus dem Tor kam etwas, das wie ein zu klein geratenes, fensterloses, grau lackiertes Propellerflugzeug aussah, an dem ich aber zweifellos mehrere Kameras ausmachen konnte: die erste Spähdrohne der Menschen. Die Drohne passierte das Tor und flog geradeaus - aber irgend etwas schien nicht zu stimmen. Nach wenigen Metern geriet das Fluggerät ins Taumeln, zitterte mit den Flügeln und fing sich schließlich doch. Die Maschine hatte einige Meter an Höhe verloren, bevor sie weiterflog. Sie steuerte geradeaus, flog dann eine Schleife und richtete ihren Kurs nach vielleicht einer Minute wieder auf das Tor aus. Die Ponys hatten ihre Anweisungen indes verstanden: sie wichen, so gut sie es konnten, den Blickwinkeln der Kameras aus, und mit etwas Glück sollten die Beobachter in der Menschenwelt tatsächlich nichts weiter sehen als eine sich über etliche Quadratkilometer erstreckende tiefliegende Wolkendecke. Die Drohne flog zurück in Richtung Tor, aber sie hatte die am Anfang ihres Besuches verlorenen Höhenmeter nicht korrigiert. Atemlos sah ich zu, wie sie zu tief auf die Dimensionsbegrenzung zusteuerte - und so niedrig in die Öffnung hinein flog, daß ihr kompletter Unterboden außerhalb, der Rest des Gerätes innerhalb der durch noch immer zischelnde kleine Blitze markierten Begrenzung der Anomalie lagen. Das Ergebnis überraschte mich doch ein wenig: mit der Präzision eines chirurgischen Skalpells wurde alles, was innerhalb des Tores ankam, vom Rest abgetrennt. Metallene Deckplatten, einige angebrachte Kameras und Elektronikschrott (denn um mehr handelte es sich nicht mehr) allgemein waren und blieben außerhalb, in Equestria - und regneten herab, durch die Wolkendecke hindurch, nach Ponyville hinein, was von unten mit einem vielstimmigen Aufschrei quittiert wurde. Rainbow hatte die Sänfte derweilen in die Höhe gezogen, und so sah ich wenigstens aus der Ferne, was auf der anderen Seite geschah: die Sonde, deren Unterboden mit Kameras und Elektronik durch die Begrenzung sauber abgetrennt worden war, verlor nun endgültig jede Steuermöglichkeit, geriet ins Trudeln und verschwand in einer Rauchfahne aus unserem Blickfeld. Gleichzeitig sah ich einen kleinen Ausschnitt aus der Menschenwelt - zu wenig, um Details zu erkennen, aber immerhin reichte es, um mir die Gewißheit zu verschaffen, daß unter dem Tor in der Menschenwelt kein leeres Feld mehr lag, sondern offenbar wirklich das Militär alles abgesperrt und sich mehr oder weniger häuslich eingerichtet hatte. "Sollen wir näher ranfliegen, um mehr zu sehen? Ich habe keine Angst vor irgendwelchen Flugdingern!", kam es trotzig von Rainbow. Obwohl sie mich nicht sehen konnte, schüttelte ich den Kopf. "Nein - auf keinen Fall. Im Moment werden sämtliche Sensoren, Ferngläser und alles, womit man beobachten kann, auf das Tor ausgerichtet sein, und so, wie wir hindurchgucken können, können die Menschen das genauso. Wir wollen ja nicht, daß sie auf einmal fliegende Ponys auf der für sie anderen Seite sehen - deshalb halten wir uns fern." Die anderen Pegasi, die die Öffnung bewachten (alles Mitglieder der Palastgarde, wie ich jetzt erst feststellte), kamen heran, und ich wiederholte meine Anweisungen. "Zieht euch im Zweifelsfall, wenn zum Beispiel auf der anderen Seite ein Hubschrauber oder etwas anderes aufsteigt, aus dem heraus man euch sehen könnte, lieber zurück - aber riskiert nicht, entdeckt zu werden", fügte ich noch hinzu. Dann, da wir im Moment ohnehin nichts weiter tun konnten und ich den in Ponyville gebliebenen Ponys durchaus zutraute, allein mit der Situation zurechtzukommen, begaben wir uns endgültig auf den Weg nach Cloudsdale. Twilight hatte nicht zuviel versprochen: die Pegasi nahmen rasch Geschwindigkeit auf, schon sehr bald waren wir so schnell, daß mir der Fahrtwind unter normalen Umständen die Luft zum Atmen genommen hätte. Auf meinem Sitz bemerkte ich davon jedoch nichts - die "magische Windschutzscheibe" funktionierte perfekt. Nach etwa einer Stunde Flug kam Cloudsdale in Sicht, und zum ersten Mal, seit ich in Equestria angekommen war, sah ich die Stadt der Pegasi mit eigenen Augen: sie verteilte sich über ein Gebiet, welches bequem mit einer kleineren Großstadt der Menschen mithalten konnte, auf unzählbar viele einzelne Wolken. Auf vielen davon standen oder liefen Pegasi oder gingen ihren Tätigkeiten nach, auf einigen befanden sich Gebäude, die aus Wolkenmasse bestanden, ein kleines Stück entfernt sah ich etwas, was wie eine riesige Fabrik aussah und ununterbrochen einzelne Haufenwolken ausstieß, die von Pegasi gesammelt, verdichtet und verschoben wurden - offenbar die Wetterfabrik. Über allem herrschte ewiger Sonnenschein, während am Boden, der an der Stelle eher unbewohnt aussah, vermutlich recht wechselhaftes Wetter herrschen mußte. Rainbow steuerte uns zielsicher auf eine Art schwebenden Felsen zu, auf dem etwas angelegt war, was mich stark an einen Flugplatz auf meiner Welt erinnerte: es gab eine Landebahn mit entsprechender Befeuerung, ein Vorfeld sowie einige Gebäude, ansonsten war die Oberfläche des Felsens von Rasen und einigen Sträuchern bedeckt. Wir flogen direkt vor eines der Gebäude und landeten. "Endstation, hier sollten wir Soarin' treffen." "Kann ich hier aussteigen? Sind das farbige Wolken unter uns?" Rainbow lachte kurz. "Man merkt, daß du wirklich noch nie hier warst. Cloudsdale besteht doch nicht nur aus Wolken... es gibt auch einige dieser schwebenden Felsen, das waren sogar die ersten in der Luft gelegenen Punkte von Cloudsdale, die von uns Pegasi vor Jahrhunderten besiedelt wurden, die Wolken kamen erst viel später. Warum diese Felsen schweben, weiß kein Pony, aber ist ja auch egal - sie tun es jedenfalls. Also, du kannst gerne aussteigen und mitkommen, ich denke, Soarin' wird hier sein - du bist übrigens fast im Allerheiligsten, nämlich auf dem Flugfeld der Wonderbolts. Hier war ich vorgestern auch... naja." Abrupt sah sie weg und schälte sich stattdessen aus der Halterung meines Flug-Sitzes, offenbar wollte sie nicht mehr an jenen Tag und seine Ereignisse erinnert werden, als unvermeidbar war. Ich stand auf - und fand tatsächlich festen Boden unter meinen Füßen. Wir betraten das Gebäude, das von innen wie eine Mischung aus Kaserne und Sportheim wirkte. Entlang eines Flures zweigten Türen zu verschiedenen Räumen ab, und Rainbow steuerte zielstrebig auf eine davon zu. Mit dem Huf klopfte sie (für meine Begriffe reichlich forsch) an (andere hätten wohl schon die Kraft, die sie dafür aufwendete, als den Versuch, die Tür einzutreten, gewertet) und trat ein. Hinter einem Schreibtisch saß ein hellaquamarinfarbener Hengst mit dunkelblauer Mähne und ebensolchem Schweif. Er sah, über die Störung offenbar eher überrascht als verärgert, auf, dann erkannte er, wer da bei ihm hereingeplauzt kam, und ein Strahlen erschien auf seinem Gesicht. "Rainbow Dash...! So eine nette Überraschung...! Ich freue mich, dich doch noch einmal hier zu sehen, ich habe von der Sache vorgestern gehört... ja... dumme Sache, das. Ich selber hätte zwar nicht so entschieden wie Arado Flash, aber er ist nun einmal unser Captain und hat damit das Sagen... jedenfalls freue ich mich, dich zu sehen! Und du bist nicht allein... Botschafter der zwei Welten... ich fühle mich geehrt, Euch endlich in Cloudsdale begrüßen zu dürfen." Er deutete eine förmliche Begrüßung in meine Richtung an. "Es hat sich leider nicht anders ergeben - und die Umstände sind auch nicht die besten. Vielleicht ist es am besten, Rainbow erklärt alles." "Sicher, sicher doch - am besten auf dem Weg zum Hospital. Eben hörte ich, daß unser Captain wach und ansprechbar wäre, und als sein Stellvertreter würde ich ihn doch wenigstens besuchen wollen." "Celestia sei Dank, er hat überlebt...", sagte Rainbow leise. Lauter fügte sie hinzu: "Selbstverständlich kommen wir mit, das versteht sich von selbst! Und du hast recht, unterwegs kann ich dir berichten, was genau vorgefallen ist und wofür wir dich brauchen - in offiziellem Auftrag, wie dir Michaels - ich meine, des Botschafters - Anwesenheit vielleicht schon verraten hat." Damit begaben wir uns nach draußen. Ich nahm auf meinem Flugsitz Platz, Rainbow verzichtete dieses Mal darauf, sich ins Führungsgeschirr zu zwängen, sondern instruierte die Träger lediglich, mit ihnen zusammen zum Hospital zu fliegen. Unterwegs tat sie genau das, was sie versprochen hatte, und brachte Soarin' auf den neuesten Stand der Dinge. "Hmmm, das ist wirklich anspruchsvoll, was wir da machen sollen - also erst du einen Sonic Rainboom und dann ich nochmal mit Schallknall hinterher, und das möglichst direkt über Grund?" "Genau. Wenn es einen gibt, dem ich das zutraue, dann dir... noch gestern um die Zeit hätte ich es rein von der Sache her auch Arado zugetraut, aber ob er es gemacht hätte... nun ja. Wie geht es ihm denn?" "Das werden wir hoffentlich gleich sehen - wir sind da, wie du siehst." Tatsächlich schwebten wir soeben zu einer großen Haufenwolke, auf der ein massives Wolkengebäude thronte. Vorsichtig eingedenk Twilights Warnung stieg ich von meinem Sitz - und versank bis über die Knöchel in der Wolke, mehr geschah jedoch nicht. Ich fühlte eine gewisse Kühle an meinen Füßen, die von der hohen Luftfeuchtigkeit der Wolke herrühren mochte, fand aber, daß ich ansonsten normal gehen konnte - bei jedem Schritt stoben zwar kleine Mini-Wölkchen hoch, davon abgesehen verhielt sich für mich allerdings alles wie fester Boden. Wir betraten das Gebäude. Soarin' wandte sich an die Rezeption, während Rainbow sich an mich schmiegte - offenbar war ihr die Situation nicht wirklich angenehm. Während Soarin' darauf wartete, daß das Pony hinter der Theke ihm verriet, wo wir Arado finden würden, ging ich neben Rainbow auf ihre Gesichtshöhe herunter. "Sicher, daß du Arado besuchen willst? Du mußt das nicht tun - nötigenfalls kann ich meine Autorität als Celestias Botschafter heraushängen lassen und einen eiligen Aufbruch befehlen, wenn du willst." Entsetzt sah sie mich an. "Nein! So etwas würde ich nicht machen! Wie kommst du nur auf solche Ideen?" Unsicher blickte ich zurück. "Naja... die Situation scheint dir unangenehm zu sein, wenn ich das so sagen darf." "Klar, ist sie auch - wer ist schon gerne in einem Krankenhaus? Aber ich möchte sehen, wie es Arado geht, will mit eigenen Augen sehen, daß er lebt... und hoffentlich hören, daß er wieder ganz gesund wird." Mein Erstaunen mußte ich nicht einmal spielen. "Nichts für ungut... aber noch vorgestern um diese Zeit hättest du ihn doch am liebsten auf den Mond geschossen. Darf ich fragen, warum dir sein Zustand auf einmal etwas bedeutet?" Sie blickte mich an, als wäre ich nicht recht bei Verstand, dann seufzte sie tief und ergeben. "Du lebst zwar jetzt schon ein halbes Jahr bei uns, aber wirklich kennen tust du uns Ponys wohl immer noch nicht... naja, das kannst du nicht wissen. Also: solange er der überhebliche Möchtegern-Captain war, hätte ich ihn wirklich am liebsten von Celestia zum Mond schießen lassen, das ist wahr. Aber dann kam diese Flugsache dazwischen, und er ist immer noch ein Pegasus, genau wie ich - und wenn einem von uns beim Fliegen etwas zustößt, und das war ja eindeutig der Fall, treten solche persönlichen Animositäten in den Hintergrund, das tragen wir dann nicht nach. Als Flieger von Natur aus, die wir ja nun einmal sind, halten wir in so einer Situation zusammen - und Ponys untereinander sagen zwar manchmal, was sie dem jeweils anderen wünschen, aber wir meinen es nie wirklich böse und wünschen auch nie wirklich einem Pony das Schlimmste. Passiert dann doch etwas, versuchen wir, uns untereinander zu helfen... das heißt nicht, daß wir danach die dicksten Freunde werden, aber wir wollen eben auch nicht, daß einem anderen Pony echter und womöglich dauerhafter Schaden entsteht. Arado ist nun mal ein Pegasus, genau wie ich und wie wir alle hier, und ist beim Fliegen verunglückt - da wollen wir alle einfach hören und sehen, daß er sich möglichst vollständig erholen wird und wieder fliegen kann, so wie wir alle, denn wirklich durch einen Unfall nicht mehr fliegen zu können, ist so ziemlich das Übelste, was einem von uns passieren kann. Kannst du das verstehen?" "Ich... denke schon", antwortete ich stockend. Zu mehr kam ich nicht - zum einen mußte ich diese neuen Informationen erst einmal verarbeiten, zum anderen hatte Soarin' herausgefunden, wo wir Arado treffen würden, und bedeutete uns, ihm zu folgen. Von innen unterschied sich das Krankenhaus nicht wirklich von den mir bekannten Hospitälern der Menschen. Irgendwie hatten es die Ponys fertiggebracht, die Wolkenmaterie dauerhaft zu verfestigen und die Innenräume sogar mit einer Art Fußbodenbelag auszukleiden - ich sank hier drinnen nicht mehr ein, sondern konnte so laufen, als ob ich mich am Boden befinden würde. Wir durchmaßen einige Korridore (die Pegasi natürlich schwebend, ich war der einzige weit und breit, den ich sah, der nicht flog) und erreichten die Unfallchirurgie-Station. Vor einem der Zimmer trabte nervös ein weibliches Pegasusfilly auf und ab, das etwa im selben Alter wie die Cutiemark Crusaders sein mochte. Sie sah auf, als sie uns erblickte. "Ihr wollt sicher zu meinem Vater... mich lassen sie nicht alleine rein... ich hoffe, er wird wieder gesund..." Schniefend zog sie die Luft ein. Rainbow legte einen Flügel über das junge Pony. "Na, na. Wird schon wieder, Kleines... aber erzähl uns doch erstmal, wer du bist. Oder vielleicht sollte ich zuerst uns vorstellen: Soarin' von den Wonderbolts, Botschafter Michael von den Menschen und ich, Rainbow Dash. Und du bist... Arado Flashs Tochter, vermute ich?" Das Filly, das, wie mir erst jetzt auffiel, tatsächlich aussah wie eine jüngere weibliche Version von Arado Flash, schniefte erneut. "Stimmt... ich bin Lightning Flash, Arados Tochter. Ohje, und gleich so hoher Besuch... der stellvertretende Captain der Wonderbolts persönlich... und der Botschafter", sie sah mich mit großen Augen, in denen sich Respekt mit einer Spur Furcht mischte, an, "und das einzige Pony, was einen Sonic Rainboom kann... bitte... ich will einfach sehen, wie es meinem Papa geht... wenn ihr es mir gestattet." Verwundert sah ich die Ponys vor mir an, aber sie beachteten mich im Moment gar nicht. "Natürlich erlauben wir es dir. Aber ich wußte gar nicht, daß unser Captain eine Tochter hat?", ließ sich Soarin' vernehmen. "Nein, das weiß scheinbar wirklich keiner... doof ist das", kam die leicht trotzige Antwort. "Ich weiß, mein Papa ist manchmal ein hartes Pony, aber ihr kennt ja seine Geschichte... mein Opa, den ich nie kennengelernt habe, ist bei einem außer Kontrolle geratenen Tornado, der aus dem Everfree Forest kam, abgestürzt und umgekommen, weil eben nicht alle Ponys aus dem entsprechenden Wetterkontrollteam das gemacht haben, was sie sollten, seine Mutter war nur einfaches Arbeiterpony in der Wetterfabrik... trotzdem wurde er Spitzenflieger, sollte auch in die Wetterfabrik, hat es aber im Sommer-Flugcamp bis zur Junior-Auswahl der Wonderbolts geschafft... dann meine Mutter kennengelernt, die ist abgehauen mit so einem Poser-Angeber-Flugshow-Hengst aus einer anderen Truppe, als ich noch ein kleines Filly war, seitdem hab ich sie nicht mehr gesehen... und dann, nach Spitfires Rücktritt, wurde er, dem es kein Pony zugetraut hätte, zum Captain der Wonderbolts ernannt, das hat ihm alles bedeutet, seitdem hat er noch härter gearbeitet, um allen zu zeigen, daß er der Richtige auf dieser Position ist. Aber das wißt ihr sicher alles... daß von mir kein Pony was weiß, wär nur zu meinem eigenen Besten, sagt er immer, trotzdem ist es doof, wenn ich nie erkannt werde. Bitte... ich will sehen, wie es ihm geht." Den Gesichtsausdrücken der beiden erwachsenen Ponys nach zu urteilen, wußten sie ganz und gar nichts von der Lebensgeschichte Arados, die uns seine Tochter soeben im Schnelldurchlauf erzählt hatte. Allerdings war dies wohl kaum der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort, um dieses Thema weiter zu vertiefen oder auszudiskutieren, also klopfte Soarin' vorsichtig an, und wir traten ein. Im ersten Moment hatte ich Mühe, in der bandagierten Erscheinung, die auf dem Bett lag und an mehrere Maschinen und Überwachungsapparate angeschlossen war, tatsächlich ein Pony zu erkennen. Ich konnte mir zwar denken, daß es sich um eine vierbeinige Kreatur handeln mußte, die Flügel sah ich vorerst allerdings nicht - was daran liegen mochte, wie ich später entdeckte, daß sie in offener Stellung ebenfalls vollständig in Verbände eingewickelt waren und sich somit optisch kaum noch vom Rest des Bettes abhoben. Auch der Rest des Ponys war fast vollständig von Verbänden verdeckt, die Stellen, die nicht verbunden waren, hoben sich durch ihre weiße Fellfarbe nicht mehr vom Hintergrund ab, der Schweif steckte unter der Bettdecke, und die Mähne war in einen Kopfverband mit einbezogen. Immerhin war Arado aber tatsächlich wach - seine Augen waren offen und verfolgten uns. "Papa!", rief das junge Filly, kaum daß wir im Raum waren, und hob vom Boden ab, um über seinen Vater zu schweben. "Papa! Du lebst! SoeinGlück,sagdochwas,Papapapa,bitte!", sprudelte sich in einem Atemzug hervor, ohne abzusetzen oder Luft zu holen. Der Blick aus Arados stahlblauen Augen, den ich bisher nur als hart und entschlossen gesehen hatte, wurde weicher, und er brachte sogar etwas zustande, was wohl ein Lächeln hatte werden sollen. "Lightning... Kleines... schön, dich zu sehen... ich hab wohl... mir etwas zu viel vorgenommen gehabt. Passiert, wenn man mehr will, als man kann... und weil das von dir auch alle verlangen würden, wenn sie wüßten, daß du meine Tochter bist, würde so etwas mit dir über kurz oder lang wohl auch passieren. Aber besser, ich liege mit kaputten Knochen hier, als du, meine Kleine. Kommst du irgendwo unter? Hat sich jemand um dich gekümmert?" "Ach Papa, ich war die ganze Nacht hier draußen, ich wollte sehen, wie es dir geht, aber die haben mich nicht reingelassen... dürfen nur erwachsene Ponys rein, das ist hier kein Kindergarten,", äffte sie den Tonfall des Krankenhauspersonals nach. "Naja... wenigstens kurz hätten sie sich die Zeit nehmen können, aber was erwart ich denn auch. Aber ich werde wohl noch einige Zeit hier drin bleiben müssen... was ist mit dir? Du mußt doch irgendwo wohnen, und allein will ich dich nicht in unserem Heim lassen." Lightning blickte verlegen zur Seite, und Soarin' räusperte sich. "Sir? Wenn Sie gestatten, Sir, würde ich Ihre Tochter bei mir aufnehmen, bis Sie wieder hier raus sind... Sir." Arado sah uns an. "Sieh da, welch Glanz in meiner Hütte... nein, das meine ich ehrlich. Mein Stellvertreter, der Botschafter der Menschen und der Prinzessin und sogar... Sie, Miss Dash?" In den letzten Worten klang unüberhörbare Verwunderung mit. Rainbow blickte ihm fest in die Augen. "Ich bin mit dem Botschafter in offiziellem Auftrag nach Cloudsdale gekommen, und Soarin' war praktisch gerade auf dem Weg zu Ihnen. Es war für mich eine Selbstverständlichkeit, mitzukommen... ich hoffe, Sie werden bald wieder den Himmel durchqueren... Sir", sie rang sich das letzte Wort hörbar ab, brachte es aber dennoch hervor. "Tja, ich schätze, ich war wohl wirklich etwas zu voreingenommen und unfair zu Ihnen, Miss Dash... immerhin haben Sie mich gestern in Grund und Boden geflogen... im wahrsten Sinne des Wortes." Er lachte gequält, ein Geräusch, unter dem seine Tochter erschreckt zusammenfuhr. "Oh, nichts für ungut, ich habe diesen Flugwettbewerb ja selber gewollt. Sie waren besser als ich, Miss Dash, das muß ich anerkennen, ich schätze, ich habe nur das bekommen, was ich verdient habe. Und ich stehe zu meinem Wort: Sie haben mich ausgeflogen, damit haben Sie bewiesen, daß Sie das Zeug für unsere Truppe haben... wenn Sie es sich überlegen, würde ich Ihren Eintritt jederzeit befürworten, auch wenn ich Ihre Selbstbezogenheit und Ihr Fliegen nach eigenem Gutdünken nach wie vor nicht gutheißen kann. Aber ich bin sicher, an diesen Differenzen könnte gearbeitet werden." "Sir... ich möchte...", das sonst so selbstsichere himmelblaue Pony rang sichtlich nach Worten, "ich möchte Sie um Entschuldigung bitten." Arado zog überrascht die Augenbrauen hoch - soweit er es unter seinem Kopfverband konnte, heißt das. "Sie bitten mich um Verzeihung? Warum das? Ich war derjenige, der voreingenommen und... ja, ich gebe es zu, wenn auch ungern... derjenige war, der Sie unfair behandelt hat, der zu hart zu Ihnen war." "Trotzdem - hätte ich mich nicht auf Ihre Herausforderung gestern abend eingelassen, lägen Sie jetzt nicht hier - und das bedaure ich wirklich." "Tja, wie gesagt: das war es wohl, was ich verdient hatte... um ehrlich zu sein: nach Ihrer Vorlage wußte ich, daß Sie verflucht gut sind, daß ich vor allem mit Ihrer Wendigkeit und mit der Überschallgeschwindigkeit Probleme haben würde. Aber ich alter Dickschädel konnte mich ja nicht unterkriegen lassen, ich mußte ja unbedingt nachziehen... ich hätte ja noch zurückziehen können, aber dazu war ich zu stolz. Tja... nun bin ich hier. Pech gehabt - dieses Mal war leider ich derjenige, der Pech gehabt hat. Aber wenn es Sie beruhigt: ich mache nicht Sie verantwortlich für meine Lage, auch nicht den Botschafter, dieser kann ja nicht einmal selber fliegen, und ich verstehe wohl, daß zwischen Ihnen eine Art Freundschaft herrscht, die Sie, Botschafter, zu dieser Feier bewogen hat. Tja, Sie hatten keine geschlossene Gästeliste gemacht, Exzellenz, daher konnte ich ja auch ohne weiteres teilnehmen... also, wie gesagt: wenn ein Pony schuld an meiner aktuellen Lage ist, dann nur ich allein. Da muß ich nun durch." "Sir - darf ich fragen, wie... wie die Prognosen aussehen?", ließ sich Soarin' vernehmen, in einer Körperhaltung mit geschlossenen Flügeln und leicht eingezogenem Kopf, als wäre er schon mehrmals sehr unsanft mit seinem Vorgesetzten aneinandergeraten und würde versuchen, einem möglichen Donnerwetter bereits von vornherein wenig Angriffsfläche zu bieten. Arado sah in seine Richtung - den Kopf drehen konnte er nicht, der war durch Verbände fixiert. "Mister Soarin'... ja, die Prognosen. Daß ich bei der für nächstes Wochenende geplanten Vorstellung in Manehattan nicht mitfliegen kann, ist wohl offensichtlich... Sie sind auf sich allein gestellt, der Stellvertreter wird diese Vorstellung also allein leiten müssen. Und damit Sie gleich wissen, was auf Sie zukommt, und damit Ihr aller Interesse an meinem Zustand befriedigt wird: die Prognose der Ärzte sieht so aus, daß ich in einigen Wochen wohl wieder fliegen kann. Nein, kein Grund zu übertriebener Freude", fügte er eilig hinzu, als er die erleicherten Seufzer der beiden erwachsenen Pegasi hörte, "ich werde nicht zu den Wonderbolts zurück können - Sie können mein Büro gern ab sofort übernehmen, Mister Soarin'. Ich werde wohl wieder fliegen können, aber kein Hochgeschwindigkeitsflug mehr, erst recht kein Stuntflug - so viel Geschwindigkeit und Beweglichkeit wird wohl nicht mehr zurückkommen, anders gesagt: was die Wonderbolts angeht, habe ich ausgespielt, ich bin raus. Und nach meiner eigenen blamablen Vorstellung gestern wäre ich als Captain wohl sowieso nicht mehr glaubwürdig - also richten Sie sich schon darauf ein, selber Captain zu werden, ein anderes Pony kommt im Moment sowieso nicht in Frage. Wenn ich von offizieller Seite gefragt werde, werde ich Ihre entsprechende Beförderung vorschlagen." "Aber Papa... du wirst... nicht mehr... bei den Wonderbolts... fliegen können?" Lightning hielt offenbar nur mit Mühe ihre Tränen zurück. "Tja, Kleines, es sieht ganz danach aus. Mein Pech, deshalb brauchst du aber nicht zu weinen... wenigstens werde ich überhaupt noch fliegen können. Läuft wohl auf Wetterfabrik oder sowas in der Art hinaus, vielleicht kann ich wenigstens da noch nützlich sein. Aber zumindestens wirst du mich noch nicht los - urkuffa!" Seine letzten Worte gingen in einem erstickten Laut unter, als das Filly sich endgültig nicht mehr zurückhalten konnte und in dem Versuch, ihren Vater zu umarmen, auf ihm landete. So liebevoll diese Geste auch gemeint sein mochte, so sehr schien sie dem verletzten Hengst Schmerzen zu bereiten - deshalb trat ich rasch neben das Bett, schob meine Hände unter das Filly und hob sie hoch, wobei ich einem heftigen, unkontrollierten Flügelflattern nur mit Mühe ausweichen konnte. "Loslassen! Ich will zu meinem Papa!" "Aber Kleines. Ich bin doch hier... keine Angst, die nächsten Wochen fliege ich nirgendwo mehr hin. Ich kann dich im Moment nur leider nicht in die Hufe oder in die Flügel nehmen... siehst ja: die sind eingewickelt. Multiple Knochenbrüche, fehlende Federn, zerfetzte Haut, gerissene Muskeln... die Ärzte haben gesagt, ich hatte Glück, daß mein Körper hohe Geschwindigkeiten und hohe Beschleunigungskräfte gewöhnt ist, deshalb habe ich zumindestens keine wirklichen inneren Verletzungen, das ist schon erst einmal eine gute Nachricht." "Oh Papa... bitte werd wieder gesund... bitte." Arados Blick strahlte nun tatsächlich Wärme und väterliche Liebe für seine Tochter aus. "Das werde ich, Kleines, das werde ich... ich habe nicht vor, mich so leicht unterkriegen zu lassen. Bleibt aber die Frage, was wir mit dir bis dahin machen." "Sir?", meldete sich Soarin' wieder zu Wort. "Wie ich eingangs bereits sagte, Sir - es wäre mir eine Ehre, Ihre Tochter einstweilen bei mir aufzunehmen, wenn Sie gestatten - und wenn du, Lightning, mit meiner Wolkenbude vorlieb nehmen würdest." Das Pegasusfilly nickte schnüffelnd und erhob sich mit eigener Flügelkraft von meinen Armen, um zum Boden zu schweben. "Nun ja, Mister Soarin'... oder eigentlich müßte ich Sie ja ab sofort Captain nennen... wenn Sie darauf bestehen... dann nehme ich Ihr großzügiges Angebot an und danke im Voraus." "Langsam müssen wir wieder aufbrechen", meldete sich Rainbow wieder zu Wort. "Wie schon gesagt, es gibt... eine offizielle Aufgabe, sozusagen. Ich freue mich, zu sehen, daß Sie uns wieder am Himmel begleiten werden. - Soarin' - der Botschafter und ich werden jetzt aufbrechen nach Ponyville, wir werden nur etwa ein Drittel Schallgeschwindigkeit fliegen. Kommst du direkt mit?" "Wie langsam seid ihr? Nur ein Drittel Schall? Ach so... ist wohl wegen dem Botschafter... Erdbewohner eben, ähm, nichts für ungut, Botschafter. Wenn es nicht geheim ist, würde ich gern noch Captain Flash über die aktuellen Entwicklungen informieren. Allein kann ich dann ja deutlich schneller fliegen, bis Ponyville hab ich euch eingeholt. Denn die Flugveranstaltung in Manehattan wird wohl... nicht stattfinden." Arado versuchte erneut, die Augenbrauen hochzuziehen, mit so wenig Erfolg wie beim ersten Mal. "Ja, dann verabschieden wir uns... alles Gute, Arado Flash." Rainbow nickte unbeholfen und wandte sich zur Tür. "Wie wir bei den Menschen sagen: gute Besserung, Captain." "Danke, Exzellenz - und danke, Miss Dash, daß Sie hier waren. Sir - es war mir eine Ehre." Er sah mir in die Augen, und ich wertete das als Zeichen für mich, daß unser Besuch offiziell beendet war. Zusammen mit Rainbow verließ ich das Zimmer, und wir begaben uns nach draußen, zu meinem Flugsitz. "Und, Rainbow? Was denkst du?" Sie sah mich mit undeutbarem Gesichtsausdruck an. "Das weiß ich, ehrlich gesagt, selber noch nicht... ich muß das alles erst einmal verarbeiten. Wenigstens kann ich jetzt nachvollziehen, warum er so ein harter Hund geworden ist... hat seine Tochter ja erzählt, das macht einiges klarer und verständlicher. Ich wußte nicht mal, daß er eine Tochter hat... Und er hat zugegeben, daß ich besser bin... trotzdem, wirklich freuen kann ich mich darüber nicht, der Preis dafür ist mir zu hoch. Und ich könnte sogar zu den Wonderbolts... das ist... überraschend. Aber Ponyville, Applejack... naja, vielleicht als Gastauftritt hin und wieder... aber ich müßte auch jedes Mal daran denken, um welch hohen Preis das Ganze zustande gekommen ist, und auch, wenn er was anderes sagt, fühle ich mich doch irgendwie schuldig an seiner Lage, an dem Unfall... wie gesagt, ich muß selber erst einmal über alles nachdenken." Draußen angelangt, informierte sie die wartenden Hengste knapp, daß wir nach Ponyville zurückkehren würden, zwängte sich in ihr Führungsgeschirr, und wir starteten. Rasch nahmen die Pegasi wieder, wie beim Herflug, Geschwindigkeit auf, wir flogen durch Wolkenviertel, an Wolken mit Gebäuden und einigen schwebenden Felsen vorbei, zurück in Richtung Ponyville. Nach kurzer Zeit näherte sich von der Seite her eine hell leuchtende Flugerscheinung. Falls es sich um eine neue Drohne der Menschen handeln sollte, so sah sie entschieden anders aus als die erste. Ich ließ die Pegasi in der Luft anhalten, um der Erscheinung nicht in die Quere zu kommen, diese aber paßte ihren Kurs und ihre Geschwindigkeit an und kam direkt auf uns zu - um uns auch schon zu erreichen. Das Leuchten wurde schwächer, und bereits auf einige Entfernung konnte ich erkennen, was da auf uns zukam: niemand anderes als Prinzessin Celestia persönlich. "Gut, daß ich euch gleich hier erreiche. Ihr seid noch allein, wie ich sehe? Wo ist der versprochene Pegasushengst?" "Rainbows Wahl fiel auf Soarin' von den Wonderbolts, Majestät", antwortete ich - hoch oben in der Luft, umgeben von Pegasi, die meinen Sitz trugen, sprach ich mit einem weißen Alicorn, das genau wie die Pegasi fliegen und auf der Stelle schweben konnte. Ich war mir sicher, daß nicht viele Menschen je etwas Ähnliches erlebt hatten. "Er spricht noch mit Captain Flash im Hospital und wollte nachkommen, weil er allein schneller fliegen kann als wir hier mit mir als Flugballast. Was steht zu Diensten?" "Ich habe mir die Freiheit genommen, einen hervorragenden Sicherheitsoffizier zu mir kommen zu lassen - zufällig ist es Twilights Bruder, Shining Armor, ich habe ihn eigens aus dem Crystal Empire nach Canterlot kommandiert. Wir haben die Umgebung von Ponyville nach einem geeigneten neuen Standort für das Tor untersucht und sind zu dem Schluß gekommen, es auf einer Wiese auf dem aufgegebenen Westteil von Sweet Apple Acres zu positionieren. Rainbow - du weißt, wo das ist?" "Hm? Wie? - Äh, Verzeihung, Prinzessin - ja, ich weiß, wo das liegt. Applejack und ich waren schon öfters dort." Das weiße Alicorn lächelte. "Sehr gut. Wir wollen das Tor auf diese Wiese bringen - bitte begebt euch dorthin. Ich werde Soarin' entgegenfliegen und ihn instruieren, euch dort zu treffen. Shining Armor kommt mit dem nächsten Zug aus Canterlot, er ist bereits unterwegs und wird in Kürze in Ponyville eintreffen. Seine Aufgabe wird es sein, einen magischen Schutzschild über dem Tor zu erschaffen - das verschließt es zwar nicht, verhindert aber eine Invasion der Menschen. Rainbow Dash, sobald der Botschafter an Ort und Stelle ist, informiere bitte die Pegasi vor Ort, die das momentane Tor am Himmel bewachen." "Jawohl, Majestät." Damit nickte uns das Alicorn freundlich, aber bestimmt zu - ein Zeichen, daß die Unterredung beendet waren und wir unseren Weg fortsetzen sollten, was wir auch taten. Nach kurzer Zeit landeten wir auf der von Celestia bezeichneten Wiese. Twilight und Applejack erwarteten uns bereits. "Wie ich sehe, hat die Prinzessin euch bereits informiert", begrüßte uns das lilafarbene Unicorn. "Allerdings, sie hat uns praktisch in der Luft abgefangen - eine doch recht neue Erfahrung", kommentierte ich. "Aber woher wißt ihr beide schon davon? War sie schon hier?" "Nicht doch - sie hat durch Spike eine Nachricht geschickt. Applejack war noch bei mir, und wir sind sofort hergekommen. Wo habt ihr Soarin' gelassen?" Wie aufs Stichwort hörten wir vom Himmel ein bekannt klingendes machtvolles Rauschen, und der hellaquamarinfarbene Hengst kam herangeschwebt und landete neben uns. "Sehr schön. Fehlt nur noch mein Bruder - ich begebe mich zum Bahnhof, um ihn in Empfang zu nehmen und direkt hierherzuteleportieren, damit wir ohne weitere Verzögerung anfangen können." "Und ich werde die Wachen am Himmels-Tor informieren." Rainbow wollte starten, aber ich hielt sie noch einmal zurück. "Einen kleinen Moment - eine Frage: gäbe es von hier aus ohne Wolken eine direkte Sichtverbindung zum Tor am Himmel?" "Würde es geben, ja. Warum?" "Dann sei so nett und stelle diese her - oder lasse sie herstellen. Ja, ich bin mir des Risikos bewußt, daß gerade im falschen Moment die nächste Spähdrohne kommt, aber ich denke, wir sollten sehen, was tatsächlich geschieht - nicht daß wir am Ende denken, wir hätten das Tor erfolgreich verlagert und haben stattdessen zwei von den Dingern, ohne es zu wissen." "Kein Problem!" Damit hob das himmelblaue Pegasuspony vom Boden ab und schoß davon, und Twilight galoppierte ebenfalls los, um wie versprochen ihren Bruder in Empfang zu nehmen. "Wer hätt gedacht, daß meine Farm mal so wichtig wer'n würd'", kommentierte Applejack kopfschüttelnd. "Zum Glück is' der Teil hier wirklich schon lange aufgegebn, hat keine Erträge mehr gebracht... aber irgendwie schon 'n komisches Gefühl, daß sich neuerdings so viel Wichtiges bei mir hier abspielt."