Kapitel 18: Der erste Kontakt Ich erwachte von einem beständigen Klopfen an meiner Haustür, was ich nach einigem Überlegen als das Ergebnis von Ponyhufen erkannte, deren Besitzer sich mit erstaunlicher Ausdauer daran gemacht hatte, die Tür einzubeulen - wenigstens kam es mir so vor. Ich blinzelte in Richtung Fenster und Himmel - es war noch recht früh am Morgen, es mochte zwischen halb und sechs Uhr sein. Schlaftrunken wankte ich zum Fenster und sah hinunter, um zu sehen, wer mich unbedingt mitten in der Nacht (wenigstens war es das für meine Begriffe) aus dem Bett holen mußte, und erkannte zwei Hengste der royalen Palastgarde. "Die Prinzessinnen wünschen Euch, Botschafter, sowie die Elemente der Harmonie in spätestens einer Stunde von jetzt an in beim Tor zwischen den Welten zu sehen." Sie verbeugten sich, wobei offensichtlich war, daß die Geste nur aus Förmlichkeit geschah, nicht aus echtem Respekt - scheinbar waren sie froh, ihren Auftrag überbracht zu haben. Ich schlurfte zurück zum Bett und suchte resignierend meine Sachen zusammen - immerhin hatte ich soeben eine Order von höchster Stelle bekommen, und niemand hatte behauptet, daß der Job eines Botschafters immer einfach sein würde. Ich machte mich zurecht und ging, noch immer nicht wirklich munter, hinüber ins Haupthaus, wo ich Applejack und Rainbow beim Frühstück antraf. Während erstere durchaus ausgeschlafen zu sein schien, hingen bei zweiterer die Augenlider ähnlich wie bei mir noch auf halber Höhe. "Haben sie dich auch rausgeschmissen? Manchmal ist es echt anstrengend, Elementsträgerin zu sein", begrüßte mich das himmelblaue Pegasuspony und gähnte herzhaft. Applejack lachte leise. "Alte Schlafmütze... ich bin schon seit Stundn wach! Und du, Michael? Jetzt sag nich', du bist auch noch müde?" "Störungen vor 10 Uhr vormittags betrachte ich normalerweise als vorsätzliche Körperverletzung", grummelte ich, aber ich lächelte dabei - dem orangefarbenen Farmpony, das mich lieb aus großen grünen Augen ansah, konnte ich nicht ernsthaft böse sein, zumal es ja auch nicht sie gewesen war, die meine Nachtruhe vorzeitig beendet hatte. "Man merkt ebn, daß ihr keine Farm zu versorgn habt... da geht der Tag nu' ma' früh los un' nich' erst mittags." Sie bereitete ihrer Freundin und dann auch mir das Frühstück zu, was Rainbow mit einer innigen Flügelumarmung und ich mit einem dankbaren Nicken quittierten. "Was haste noch über das Flugdings rausgefundn?" Ich überlegte. Applejack meinte natürlich die Spähdrohne aus der Menschenwelt, die gestern nach Equestria gekommen und hiergeblieben war - was daran liegen mochte, daß sie genau in dem Moment hierher geschickt worden war, in dem wir das Tor in die Menschenwelt vom Himmel auf den Boden und gleichzeitig einige Kilometer von seinem bisherigen Standort weg verlagert hatten. Dadurch war natürlich der Funkkontakt, der die Drohne gesteuert hatte, abgerissen, sie hatte ihre einprogrammierte Route abgeflogen und war dann stur geradeaus weitergeflogen - direkt gegen einen Berg in etwa 50 Kilometern Entfernung, der ihrem Flug ein recht unsanftes Ende bereitet hatte. Discord hatte das Gerät dank seiner übernatürlichen Kräfte geborgen und mir auf den Hof von Sweet Apple Acres teleportiert, wo ich den gesamten gestrigen Abend und noch einige Stunden der Nacht damit verbracht hatte, es, so gut ich konnte, zu zerlegen und zu untersuchen. Nach dem Einbruch der Dunkelheit hatten mir dabei abwechselnd die Mitglieder der Apple-Familie und Rainbow Dash, die inzwischen von ihrem Botenflug zurückgekehrt war, geleuchtet - die Lichtbedingungen waren zwar nicht optimal gewesen, aber immerhin hatte ich herausgefunden, daß die Drohne mit mehreren digitalen Kameras bestückt gewesen war, die in alle Richtungen beobachtet hatten und von denen nicht eine mehr funktionierte, sie alle waren bei dem Absturz zerstört worden. Im Inneren des Fluggerätes hatte ich mehrere Festplattenspeicher der allerneuesten Generation gefunden, groß genug, um die offenbar ultrahochaufgelösten Kamerabilder in allen Einzelheiten zu speichern. Die weiteren Bestandteile des Innenlebens, wie Kreiselkompaß, Navigationscomputer, GPS-Empfänger und Steuerung allgemein, hatte ich nur flüchtig angesehen, da unter den hiesigen Bedingungen ohnehin nichts mehr davon funktionieren würde, und auch den Antrieb der Drohne hatte ich nicht weiter beachtet. Stattdessen hatte ich versucht, die Festplatten an einen meiner Computer anzuschließen, um herauszufinden, was die Kameras gesehen hatten - allerdings schien entweder das Militär der Menschen ein anderes Dateiensystem zu benutzen, das ich nicht lesen und entschlüsseln konnte, oder die Geräte selbst waren beschädigt worden, jedenfalls kam ich an den Inhalt der Festplatten nicht heran. Nur eines würden wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen können: was auch immer die Drohne aufgezeichnet hatte, war bisher noch nicht in die Menschenwelt gelangt, da sich die Funkverbindung spätestens im selben Moment erledigt hatte, in dem das Tor verlagert worden war. Ich beantwortete Applejack ihre Frage. "Is' vielleicht nich' die schlecht'ste Idee, die Dinger mitzunehm'. Schein' ja nich' groß und schwer zu sein, un' vielleicht isses besser, wenn'de die Sachn dabei hast." Damit hatte sie sicher recht - es mochte nicht schaden, die Festplatten griffbereit zu haben. Kurze Zeit später brachen wir auf, um uns, wie bestellt, am Tor einzufinden. Wir Farmbewohner waren die letzten, die eintrafen. In einiger Entfernung zu der Anomalie hatten sich bereits Twilight, Shining Armor (dessen Horn leicht magisch schimmerte, offenbar erhielt er noch immer den Schutzschild aufrecht), Pinkie Pie, Fluttershy, Rarity, Spike sowie die beiden Prinzessinnen versammelt - und auch Discord war gekommen. Er saß, einen altenglischen Lord imitierend, mit Pfeife (aus der allerdings nur Seifenblasen aufstiegen), Monokel, einer Tweed-Weste und einem hochherrschaftlich-überheblichen Blick in einem absolut nicht in die Landschaft passenden dunkelgrünen plüschigen Ohrensessel, und musterte seine Umgebung durch das Monokel hindurch, als wöllte er sagen Geht mich alles nichts an. Selbst die obligatorische Tasse Tee, die für das Klischeebild noch gefehlt hätte, hielt er in den Händen, nahm gelegentlich einen Schluck und beäugte trotz seiner Sitzposition die Prinzessinnen mit betont gelangweiltem Gesichtsausdruck von oben herab. Während Luna ihn dafür ärgerlich anfunkelte, ignorierte Celestia ihn für den Moment kurzerhand - und offenbar hatte sie ihre Schwester bereits instruiert, nicht auf die mehr oder minder spaßig-scherzhaften Provokationen des Chaoswesens einzugehen, auch wenn es in dieser sichtlich brodelte ob der schieren Respektlosigkeit, mit der sie hier behandelt wurde, aber sie wahrte immerhin - mühsam - ihre Fassung. "Da wir nun vollzählig sind", begann Celestia, ohne sich weiter mit einer Begrüßung aufzuhalten (was vermutlich ein dezenter Hinweis darauf war, daß sie es nicht sonderlich schätzte, daß wir sie wenn auch unbeabsichtigt hatten warten lassen), "bitte ich den Kommandanten der Sicherheit, von der vorangegangenen Nacht zu berichten." "Sehr wohl, Majestät. Wie uns der Botschafter gestern abend bereits mehr oder weniger ankündigte, wurde der neue Standort des Tores von den Menschen sehr bald entdeckt. Die gesamte Nacht über wurde die Erscheinung daraufhin hell ausgeleuchtet, wir sahen Menschen in bisher unbekannter Kleidung auf der anderen Seite, und es ist davon auszugehen, daß auch wir nicht länger unbemerkt geblieben sind, wenngleich auch keine weiteren oder gar invasiven Aktionen zu verzeichnen waren." "Danke. - Botschafter? Was habt Ihr über das Fluggerät und seine Beobachtungseinrichtungen herausgefunden?" Bevor ich antworten konnte, wurde ich von einem Kichern unterbrochen, welches eindeutig von Discord kam. Verwirrt sah ich ihn an, er wiederum beachtete mich nicht weiter, sondern blickte eindeutig amüsiert zu Celestia. "Hihihi... zu ulkig... wie du den Menschen ach-so-förmlich anredest, meine Liebe... dabei ist das doch gar kein offizieller Anlaß, es sind keine anderen Ponys in der Nähe... also wirklich, das finde ich witzig. An dir ist wirklich eine Schauspielerin verlorengegangen - wir beide sollten zusammen auftreten! Die Massen würden uns zujubeln! Bei den Menschen würdest du mit deiner Neigung zur commedia della arte Erfolge feiern!" Das weiße Alicorn schüttelte lediglich den Kopf, ohne weiter auf Discords Ausführungen einzugehen. Ihre Schwester jedoch konnte anscheinend endgültig nicht mehr weiter ruhig zusehen. "Was fällt Euch ein, dergestalt despektierlich Unsere Schwester anzusprechen! Ihr, werter Drachenequus, scheinet nicht recht bei Sinnen und nicht zu wissen, an wen Ihr Eure Worte richtet! Ich erwarte, sofern Ihr nichts Nützliches zur jetztgestalten Situation beizutragen vermöget, doch, daß Ihr Euch mit Euren Tollheiten zurückhaltet!" Die Worte hatte sie mit vollem Stimmaufwand in Royal Canterlot Voice gesprochen, und ich mußte mit Mühe den Impuls, mir die Ohren zuzuhalten, unterdrücken - offenbar ging es den Ponys um mich herum nicht anders, wie ich in ihren Gesichtern ablesen konnte. "Oooch-hihi-haha-hohoho, zu drollig! Ist die kleine Luna-Woona etwa angesäuert? Zu komisch! Aber anscheinend hast du weniger einen Hang zur italienischen commedia, sondern mehr zum englischen Drama, will mir scheinen... würde auch besser zu dir passen, obwohl ich eine unfreiwillige Komik -" Weiter kam er nicht. Offenbar hatte er Lunas Geduldsfaden endgültig überstrapaziert, denn die Augen der Prinzessin der Nacht begannen grell zu leuchten, ihr Horn lud sich sichtbar auf, und ein Strahl aus dunkelblauer Magie schoß auf die Kreatur des Chaos zu. Allerdings nur, um an diesem wirkungslos abzuprallen - Discord machte sich sogar die Mühe, eine Hand auszustrecken und den Strahl demonstrativ von sich fernzuhalten. Die Magie flog von seiner Hand sternförmig davon und löste sich nach wenigen Zentimetern in Nichts auf. "Tsk-tsk-tsk. Nicht doch, liebste aller nächtlichen Geschöpfe, allerhübscheste Prinzessin der Nacht... Ihr seid nun wirklich nur noch die Dramaqueen. Nun übertreibt Ihr wirklich... so wird Euch das Publikum sicher nicht schätzen." "Welches Publikum eigentlich?", mischte ich mich schnell ein, bevor der Streit der beiden machtvollen Wesen noch weiter eskalieren konnte. "Na, die Menschen natürlich! Sehen sie uns nicht sowieso schon zu? Vielleicht sollten wir hinübergehen und einen spontanen Auftritt liefern!" Ich schüttelte nur den Kopf, während Luna mit sichtlichem Widerwillen ihren sinnlosen Magieangriff einstellte. Rasch stellte sich Twilight zwischen die beiden. "Verzeih mir, Luna - ich bleibe für den Moment in der persönlichen Form, denn Discord hat aus meiner Sicht recht: wir sind hier unter uns. Und ich kann auch nicht bestätigen, daß er nichts Nützliches beizutragen hätte: er war es, der gestern die Beobachtungsdrohne der Menschen teleportiert hat, ohne ihn hätte Michael sie sicherlich nicht in dieser Nacht untersuchen können. Ich nehme an, das hast du doch getan?" Sie sah mich mit einem unterstützungsheischenden Blick an, und ich nickte. "Die Fürsprache ehrt dich und spricht für deine Güte, Twilight Sparkle", erwiderte Luna kühl, und allein die Tatsache, daß sie Twilights vollen Namen verwendete, machte deutlich, daß sie mit der Situation nach wie vor nicht einverstanden oder gar zufrieden war. "So respektiere ich also Discords Wirken... dennoch sei es von meiner Seite aus gesagt, daß ich derartiges Verhalten als unangemessen und unangebracht ansehe." "Vielleicht sollten wir einstweilen wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren", schlug Twilight vor - wenigstens klang es wie ein Vorschlag, in Wahrheit war es wohl eher ein unausgesprochener Befehl, und für einen Moment bewunderte ich ihre Courage, so zu einem Alicorn zu sprechen - vermutlich konnte sie es sich allerdings herausnehmen, da sie Luna seit deren Rückverwandlung aus Nightmare Moon persönlich kannte. "Michael - was hast du über das Fluggerät herausgefunden?" Diese Worte waren nun eindeutig der Befehl einer Anführerin - und an mich gerichtet. Ich wiederholte noch einmal das, was ich früher am Tag bereits Applejack und Rainbow erzählt hatte. "Vielleicht gibt es ein Pony, das sich mit den Eigenheiten der Menschen bereits ein wenig auskennt und bei einer erfolgreichen Kontaktvermittlung hilfreich sein kann", meldete sich Shining Armor zu Wort, nachdem ich geendet hatte. "Es hat sich in der Nacht bei mir gemeldet, und ich denke, wir sollten ihm zuhören. Beach Dream?", rief er in Richtung der Bäume, hinter denen das Tor lag. Ein leuchtend gelber, offenbar noch recht junger Erdpony-Hengst mit königsblauer Mähne und Schweif und einem Cutie Mark, das - zu seinem Namen völlig unpassenderweise - aus zwei Pilzen bestand, tauchte auf und kam herbeigetrabt, um sich respektvoll vor den Prinzessinnen zu verneigen und in dieser Stellung zu verharren. "Bitte fühle dich völlig frei, zu sprechen. Für den Moment sind irgendwelche Ränge, Titel und Formalitäten in der Tat unwichtig, da muß ich Discord recht geben. Wir hören dir zu." Die Worte kamen in einem warmen Ton von Celestia, während Luna den Hengst nur ausdruckslos ansah. Beach Dream erhob sich zögerlich. "Nun... es ist so... ich weiß nicht, ob das nicht verboten ist, bitte, ich möchte nicht verbannt werden...", begann er unsicher. Celestia neigte in einer aufmunternden Geste den Kopf, und selbst auf Lunas Gesicht erschien ein Lächeln - offenbar gefiel ihr diese Art der Konversation gleich deutlich besser. "Also dann. Ich wollte sagen: ich war bereits mehrfach in der Welt der Menschen... durch kleine Portale, die sich hin und wieder auftun. Mein Spezialtalent ist das Aufspüren von genießbaren Pilzen, die ich dann verkaufe, dafür steht ja auch mein Cutie Mark, und die besten Pilze findet man im Everfree Forest... wenn man sich damit auskennt, heißt das. Dort sind jedenfalls in der Vergangenheit auch immer wieder solche Portale wie jetzt das entstanden, nur bei weitem nicht so groß, und... nun ja, ich bin einige Male hindurchgegangen und damit in die Welt der Menschen gelangt. Ich schätze, ich hatte wohl Glück, immer noch rechtzeitig zurückgekommen zu sein, bevor die Übergänge instabil wurden und sich aufgelöst haben... ich weiß auch nicht, ob diese Erscheinungen überall auftreten, außerhalb des Everfree Forest habe ich nie welche gesehen. Jedenfalls bin ich bei einem meiner Ausflüge prompt zwei Menschen begegnet... sie waren sehr offen und freundlich, nachdem sie gemerkt hatten, daß ich keine Bedrohung war, und richtig begeistert, ein leibhaftiges Pony vor sich zu sehen. Ich habe damals nicht alles verstanden, was sie mir erzählt hatten, aber jetzt ergibt alles mehr Sinn... die beiden Menschen gehörten zu den dortigen Garden, Milliteer oder so ähnlich nennen sie es. Sie haben mir erzählt, daß sie von uns Ponys wissen, allerdings nur in gezeichneter Form - also so, wie der Botschafter in seinen Vorträgen schon erzählt hat. Wir haben jedenfalls einige Freunde bei den Menschen, gerade bei den Garden muß man sie aber suchen, da sie von außen nicht direkt erkennbar sind, es ist für sie wohl auch nicht gerade vorteilhaft, sofort von allen erkannt zu werden... denn so, wie wir Freunde haben, haben sie dort auch ihre Feinde. Die beiden jedenfalls waren uns freundlich gesonnen und haben mir erzählt, daß es noch mehr von ihnen gibt... 'Military Bronies', das war der Ausdruck, den sie verwendeten." Neugierig sah mich das Pony aus großen Augen an. "Bist du... ich meine, seid Ihr... auch ein Military Brony?" Ich lächelte. "Laß das 'Military' weg, dann stimmt es. Und die Beobachtungen sind richtig: wie ich bereits in meinen Vorträgen erwähnt hatte, gibt es tatsächlich einige Freunde der Ponys, die Bronies allgemein, bei den Menschen, die Military Bronies zeichnen sich eben nur dadurch aus, daß sie, wie der Name schon sagt, beim Militär sind." "Ja, also... wie gesagt, ich hatte bereits mit Menschen Kontakt... allerdings nur mit diesen beiden. Aber ich dachte, vielleicht kann ich helfen und sozusagen als Pony-Vertreter mit den Menschen reden?" Hoffnungsvoll sah er die Prinzessinnen an. Luna schien vom Mut und der Courage des Hengstes ehrlich beeindruckt zu sein, und Celestia lächelte freundlich. "Wir danken dir für deine Offenheit und dein Angebot. Wenn es dir möglich ist, solltest du wohl für den Moment am besten bei uns bleiben - und womöglich ist es wirklich eine gute Idee, neben dem menschlichen Botschafter auch ein Pony zu haben. Wir sollten uns nun zum Tor begeben und sehen, wie die aktuelle Entwicklung der Situation ist." Celestia hatte diese Anweisung keine Minute zu früh gegeben. Wir erreichten den Ring aus Bäumen, der die Lichtung mit dem Tor umgab, und kamen genau rechtzeitig, um durch die farbige Schutzschild-Magie Shining Armors und die zischelnden kleinen Blitze, die die Anomalie begrenzten, in die Welt der Menschen zu sehen: Wie Shining Armor gesagt hatte, hatte das Militär den neuen Standort des Tores inzwischen natürlich längst entdeckt. So weit ich sehen konnte, erstreckten sich Beobachtungsposten, Sensorenphalanxen, Scheinwerfer, Kameras und natürlich Wachposten, die auf der Menschenseite offenbar genauso ringförmig um das Tor herum angeordnet worden waren wie Shining Armors Wachen in Equestria - gut möglich, daß menschliche und Ponywachen derzeit den exakt selben Raum einnahmen, nur in verschiedenen Welten. Wir sahen auch die von Shining beschriebene seltsame Kleidung einiger Menschen: es handelte sich um Soldaten, die besonders nahe am Tor operierten und in wuchtig anmutenden Zodiak-Ganzkörper-Schutzanzügen steckten. Verständlich - wußten die Menschen doch wohl noch immer nicht mit Sicherheit, was sie da vor sich hatten und ob nicht doch irgendwelche gefährliche Strahlung oder Krankheitserreger hindurch kommen mochten. Soeben bereiteten die Soldaten offenbar einen ferngesteuerten, fahrbaren Bodenroboter, einen Rover, vor - ich sah, wie einige von ihnen an dem Fahrzeug herumhantierten. Ein weiterer, der einige Schritte entfernt stand, sollte das Gerät offenbar mit einer Fernsteuerung bedienen - er prüfte soeben die Funktionen des Rovers in Abstimmung mit seiner Fernsteuerung durch. Das alles sahen wir durch den Vorhang aus gewissermaßen zwei Energiebarrieren - ob wir von den Menschen optisch oder mit Wärmebildkameras ebenfalls registriert wurden, konnte ich nicht sagen, denn falls dem so war, löste unser Erscheinen keine weiteren Aktivitäten aus. Nach vielleicht einer Minute waren die Vorbereitungen an der fahrbaren Bodendrohne abgeschlossen. Die Soldaten traten zur Seite, und der Fahrer betätigte die entsprechenden Hebelchen auf seiner Fernbedienung - und der Rover fuhr los, auf das Tor zu. "Sieht so aus, als ob wir wieder technischen Besuch bekommen", informierte ich die Ponys, um ihnen dann in Kurzform zu erklären, was es mit dem Fahrzeug auf sich hatte - im Grunde war es nichts anderes als die bodengebundene Version der Flugdrohnen, die wir bereits kannten. Der Rover hatte das Tor erreicht und fuhr hindurch, ohne daß etwas Spektakuläres geschah - das kleine elektrisch angetriebene Fahrzeug, das vielleicht nur etwa ein Viertel so groß war wie ein normaler Kleinwagen, erreichte die energetischen Begrenzungen und rollte unbeirrt weiter, nun bereits über die Wiese in einem nicht mehr aktiv genutzten Teil von Applejacks Farm. Er stoppte seine Fahrt auch nicht, als er geradeaus auf einen Baum zusteuerte. Um genau zu sein, wurde seine Fortbewegung von dem Baum recht abrupt gestoppt, was von dem Gerät aber allem Anschein nach nicht registriert wurde: seine Räder drehten sich weiter und versuchten, das Fahrzeug weiter voranzubringen. Verständnislos sah ich dem Rover bei seinem sinnlosen Auf-der-Stelle-Fahren zu, dann sah ich in Richtung Menschenwelt - und erblickte etwas Interessantes: der Soldat, der das Fahrzeug mit der Fernbedienung steuerte, schaltete eifrig auf dieser herum, zog und drückte an den Hebelchen und sah ebenso verständnislos wie ich zu seinem Erkundungsgerät. Aus der Masse der Zuschauer löste sich ein vermutlich recht ranghoher Offizier (ich kannte mich mit militärischen Diensträngen nicht besonders aus, außerdem war er zu weit entfernt, als daß ich hätte Einzelheiten erkennen können), trat auf den Soldaten zu und begann, mit diesem zu diskutieren. Der Soldat gestikulierte auf seine Fernbedienung, dann auf den Rover, und zuckte wiederholt mit den Schultern - offenbar begriff auch er nicht wirklich, was soeben geschah. Aus dem Hintergrund meldete sich eine weitere Stimme, die die Aufmerksamkeit auf sich zog, und nachdem diese ihre Meldung offenbar vollständig abgegeben hatte (ich konnte es mir nur anhand dessen, was ich sah, zusammenreimen, denn wir hörten von alledem absolut nichts), sahen wieder alle auf den Rover. "Fragt sich, wer jetzt den ersten Schritt tut", kommentierte Twilight, offenbar ebenso unsicher ob der aktuellen Lage wie die Menschen auf der anderen Seite. Ich straffte mich. "Wir machen ihn. Ewig können wir uns sowieso nicht verstecken, also können wir uns auch genausogut gleich zeigen. Irgendein freiwilliges Pony zu mir, wir gehen zum Rover." Ich zog in einer demonstrativen Geste meinen Anzug, den ich einer Art Vorahnung angelegt hatte, glatt, und trat dann zusammen mit Beach Dream, der sich an meine Seite begeben hatte, auf die Wiese hinaus. Rainbow schmiegte sich noch einmal an Applejack, hob dann vom Boden ab und schwebte zu uns, und nach kurzem Überlegen folgte uns Applejack am Boden. "Wir gehen jetzt zu dem Rover hinüber. Bewegt euch nicht hastig, sondern normal, und so, daß euch die Menschen sehen können. Macht keine Showvorstellung daraus, sondern verhaltet euch so wie immer, und laßt euch von ihnen nicht stören." Damit ging ich los, gefolgt von zwei Ponys am Boden und einem fliegenden Pony in der Luft, direkt auf den noch immer mit sinnlos drehenden Rädern vor dem Baum stehenden Rover zu. Aus den Augenwinkeln sah ich in Richtung Menschenwelt - und wie ich es erwartet hatte, wurden wir genauso gesehen, wie wir unsererseits die Menschen sahen. Ich sah fassungslose und erstaunte Gesten, Menschen, die in ihren aktuellen Bewegungen wie eingefroren wirkten, einige schienen mit Rufen und Diskussionen ihrer Verwunderung Luft zu machen - wir hatten eine perfekte Bühne und, wie Discord sich wohl ausdrücken würde, ein sehr aufmerksames Publikum. Unser Weg war nicht sonderlich weit - vielleicht fünfzig Meter, und wir brauchten nur Sekunden dafür. Trotzdem kam es mir vor, als würde ich mehrere Kilometer in gleißendem Scheinwerferlicht und unter den Augen -zigtausender Beobachter laufen - was nicht sein konnte, denn ich konnte mir nicht vorstellen, daß auf der anderen Seite zivile Fernsehkameras aufgebaut waren. Irgendwann erreichten wir den Rover und blieben stehen, und ich besah mir die Situation genauer. An dem Fahrzeug waren neben Sensoren und einem Greifarm auch Kameras, Mikrofone, Lautsprecher und sogar ein Bildschirm angebracht. Ich ging näher heran und hörte es: aus den Lautsprechern kam ein statisches Rauschen, immer wieder unterbrochen von elektrisch klingendem Kracksen, Krachen und anderen Störgeräuschen, und ich bildete mir ein, Stimmfetzen unter den Störungen zu vernehmen. Ich sah auf das eingebaute Display: es zeigte fast nur ein graues Schneegestöber an, aber ab und zu waren die Umrisse eines Menschen zu erkennen. Die Räder des Fahrzeuges drehten sinnlos weiter und hatten sich schon fast auf halbe Höhe in den Boden eingegraben. Ich trat direkt an eines der Mikrofone und sprach direkt hinein. "Hallo? Können Sie mich verstehen? Hören Sie mich? Hier spricht der Botschafter der zwei Welten im Auftrag der Herrscherin Equestrias! Hören Sie mich?" Ich kam mir selber einigermaßen komisch vor bei diesen Worten, zumal das das erste Mal seit meiner Ernennung durch Celestia vor rund einem halben Jahr war, daß ich sie an andere Menschen richtete. Als Antwort verstärkten sich die Störgeräusche aus den Lautsprechern, und endlich verstand ich, was hier vor sich ging. Der Rover hatte schlicht und einfach die Funkverbindung fast vollständig verloren - offenbar wirkte mindestens eine der Barrieren auch im Radiowellenbereich und verhinderte eine erfolgreiche Kommunikation über elektromagnetische Wellen, was sowohl das gesprochene Wort, aber natürlich auch die Steuerung des Rovers betraf. Aus irgendeinem mir nicht klaren Grund hatte die Steuerung des Fahrzeuges das letzte empfangene Kommando, nämlich geradeaus zu fahren, beibehalten, nachdem die Verbindung mit dem Passieren des Tores abgerissen war, und führte diese Anweisung ungeachtet ihrer Sinnlosigkeit weiter aus. Ich schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht, ob Sie mich hören können, aber Ihre Steuersignale kommen nicht zum Rover durch. Wir werden versuchen, ihn umzudrehen und zu Ihnen zurückzuschicken", rief ich in die Mikrofone, in der Hoffnung, daß vielleicht wenigstens einzelne Wortfetzen ihren Weg durch die Barriere finden mochten. Ich schickte mich an, den Rover anzuheben, mußte aber sehr schnell erkennen, daß dieses Vorhaben meine Kräfte eindeutig überstieg. Applejack trat neben mich. "Laß' ma' sehn. So wird das nischt, hier brauchts mehr Kraft - wie etwa 'nen gutn Hufbuck!" Sie schickte sich an, ihre Worte in die Tat umzusetzen, aber ich hielt sie zurück. "Halt, nicht - keine Gewalt, das würde als Aggression gewertet werden, und genau das können wir absolut nicht gebrauchen. Vielleicht sollten die Menschen gleich selbst sehen, daß es in dieser Welt andere Möglichkeiten gibt. - Ich brauche bitte Levitationsmagie!", rief ich in Richtung der wartenden Ponys. Celestia, Luna und Twilight sahen sich kurz an, dann spreizte das weiße Alicorn seine Schwingen und schwebte heran, um in imposanter Erscheinung mit ausgebreiteten Schwingen stehenzubleiben. "Was hast du vor, Botschafter?" "Dieses Gerät hier wird über Radiowellen gesteuert, du dürftest diese Erfindung ja von deinen Besuchen in der Menschenwelt kennen. Mindestens eine der beiden übereinanderliegenden Barrieren blockiert allerdings auch die Radiowellen, deshalb drehen die Räder hier sinnlos weiter, weil keine Steuerbefehle mehr ankommen - ich hätte den Rover gern hier aus seiner selbstgegrabenen Mulde herausgehoben und zurück in Richtung Menschenwelt ausgerichtet, dann sollte er von selber dahin zurückfahren, und sie können das Ding wiederhaben." Celestia nickte, und ihr Horn begann zu glühen. Ich registrierte, wie auf der anderen Seite ungläubige Blicke ausgetauscht wurden und noch mehr Ferngläser auf uns oder hauptsächlich auf das Alicorn ausgerichtet wurden - sofern das überhaupt noch möglich war. Der Rover wurde von einer schimmernden hellgelben Wolke aus Magie eingehüllt und begann zu schweben - aus seiner Kuhle im Boden, die die Räder inzwischen hineingewühlt hatten, heraus, und, wohl offensichtlich zu Demonstrationszwecken, ein gutes Stück in die Höhe, während sich seine Räder unverändert weiter drehten. Das Fahrzeug vollführte in der Luft eine Drehung um neunzig Grad und zeigte nun in Richtung der wartenden Ponys, um ein wenig an Höhe zu verlieren, aber Celestia setzte es noch nicht wieder ab. "Manchmal muß man als Herrscherin einfach Risiken eingehen, wenn man wissen will, woran man ist... und du hast recht: wir sollten den ersten Schritt tun, um unsere Friedfertigkeit zu demonstrieren", murmelte sie in meine Richtung, um sich dann deutlich lauter an den Chef der hiesigen royalen Garden zu wenden. "Shining Armor? Deaktiviere den magischen Schutzschild, wir wollen sehen, ob dies der Verständigung zugute kommt." "Verzeihung, Prinzessin?", rief der Angesprochene ungläubig vom Rand der Wiese hervor. "Seid Ihr sicher, Hoheit?" "Meine Schwester weiß, was sie tut - meistens jedenfalls. Tut, was sie sagt", bestärkte Luna die Order ihrer Schwester, laut genug, daß wir es ebenfalls hören konnten. Der weiße Hengst schloß die Augen, und das leichte farbige Schimmern um sein Horn herum erlosch. Mit ihm erlosch auch die violette Schutzschild-Kuppel um die Anomalie. Hatten wir bisher die andere Welt nur durch eine Art farbige Brille hindurch gesehen (wenigstens war das der treffendste Vergleich, der mir einfiel), sahen wir nun, abgesehen von den zischelnden Blitzen, die die Anomalie begrenzten, immerhin alles in seinen wirklichen Farben. Auch den Menschen blieb dieser Umstand nicht verborgen - und sorgte, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, für einige Unruhe. Celestia setzte den Rover ab - und richtig fuhr dieser sofort los, in die Richtung der Ponys, in die seine Spitze zeigte. Davon, daß die Maschine ihren Kurs ändern würde, war nichts zu bemerken, und ich lief eilig nebenher. "Hallo? Ist die Verbindung jetzt besser? Hören Sie mich? Können Sie das Gerät jetzt wieder steuern?" Wie schon vorher bekam ich als einzige Antwort ein Rauschen und Kracksen, allerdings waren dieses Mal eindeutig einige menschliche Stimmenmuster darunter zu hören. Zwar reichte die Verbindungsqualität noch immer nicht, um auch nur ansatzweise verständliche Nachrichten zu übermitteln, aber die Signalqualität hatte sich wenigstens etwas verbessert - offenbar kam der Hauptteil der Radiowellenabschirmung vom Tor selbst, nicht von Shining Armors magischem Schutzschild. Die Vorderräder vollführten einige kaum merkbare schwache Zuckungen, die vermutlich von dem Versuch herrührten, mit der Fernbedienung den Kurs des Rovers zu verändern - allerdings waren die Steuersignale, die die Elektronik des Gerätes erreichten, zu schwach, um das Fahrzeug tatsächlich zu lenken. Bevor es in die Gruppe der Ponys hin- oder erneut gegen einen Baum fahren konnte, wurde es in eine Wolke aus diesmal königsblauer Magie eingehüllt, verlor abermals den Grund unter den Rädern, drehte sich in der Luft und wurde wieder auf den Boden gesetzt - dieses Mal hatte Luna die Initiative ergriffen. Der Rover fuhr nun wieder auf das Tor zu, und ich machte keine Anstalten, neben ihm herzulaufen - eine Kommunikation über Funk war offenbar nicht möglich, aber ich verspürte auch wenig Lust, persönlich in die Menschenwelt hinüberzugehen und mich dort den Fragen und zu erwartenden endlosen Verhören des Militärs zu stellen. Stattdessen sah ich zu, wie der Rover die Barriere genauso unspektakulär wie beim ersten Mal durchquerte, auf der Menschenweltseite durch die wieder vorhandene Funkwellenversorgung wieder lenkbar wurde und zu seinem Bediener zurückdelegiert wurde, um danach direkt hinter einigen Soldaten, die vermutlich mit der umgehenden Auswertung der gesammelten Daten beauftragt waren, zu verschwinden. Ich wandte mich den Ponys zu. "Ich bräuchte bitte etwas Teleportationszauber. Über Funk mit den Menschen sprechen können wir nicht, aber wir können mit Sicherheit einen Brief auf die andere Seite schicken - wie, das sehen wir, wenn es soweit ist. Ich hätte gern Spikes Schreibmaschine, einen Schreibtisch und ein paar Blätter Papier, und das am besten mitten auf die Lichtung, damit die Menschen sehen, was ich tue." "Menschenkrimskrams-Bring-und-Hol-Service, Sie sprechen mit Discordia", erklang eine mir inzwischen vertraute Falsetto-Stimme. "Wünschen Sie den Hackklotz, Verzeihung, ich meine, die Schreibmaschine, die sich derzeit in der Bibliothek des fliederfarbigen Unicorns befindet?" "Exakt. Und ich war gestern mit Ihrer prompten Auftragsausführung sehr zufrieden, muß ich sagen; ich könnte mir vorstellen, daß das eine gute Basis für eine längerfristige Zusammenarbeit mit Ihrem Unternehmen ist", redete ich in die leere Luft. Zwar verdrehten - sehr zu Discordias offensichtlichem Amüsement, denn Discord hatte sein Englischer-Lord-Outfit gegen das mir schon vertraute völlig übertrieben büro-kitschige Discordia-Aussehen eingetauscht - die Ponys um mich herum die Augen, und Luna schnaufte so heftig, daß zwei kleine Dampfwölkchen aus ihren Nasenlöchern schossen, aber ich hatte, ebenfalls wie gestern, Discords Sinn für Humor getroffen. "Ich freue mich, einen zufriedenen Kunden gewonnen zu haben. Bitte empfehlen Sie uns weiter, wenn Sie mit uns zufrieden waren. Ihr Auftrag wird impromptu ausgeführt, und einen schönen Tag noch!" Die letzten Worte waren mehr gesungen als gesprochen - es klang zwar einigermaßen schauderhaft, paßte aber zu der Figur, mit der wir es zu tun hatten. In einem Lichtblitz verwandelte sich Discordia zurück in "Lord Discord", und mitten auf der Wiese, in bester Sichtbarkeit für die Menschen, erschien, wie von mir bestellt, ein Schreibtisch mit der mechanischen Underwood-Schreibmaschine, die ich vor Monaten im magischen Raum der menschlichen Artefakte entdeckt hatte, sowie ein Stapel Blätter. Ich ging demonstrativ auf das improvisierte Freiluftbüro zu - Discord hatte dankenswerterweise sogar an einen Stuhl gedacht, aber natürlich bei der Ausstattung des Schreibtisches übertrieben und neben einer völlig überflüssigen Lampe auch ein altes Wählscheibentelefon, dessen Kabel leider nach einigen Zentimetern mit einem Standardstecker, der in der leeren Luft hing, endete, darauf plaziert. "Wenn du willst, würde ich das Tippen übernehmen, und du brauchst nur diktieren", hörte ich eine Stimme vom Rand der Wiese. Ich drehte mich um und sah Spike, der mich erwartungsvoll ansah. Ich überlegte kurz. "Warum eigentlich nicht... so sehen die Menschen wenigstens gleich fast alles, was Equestria zu bieten hat, da kann keiner sagen, wir würden nicht mit offenen Karten spielen. Also: bitte, gerne, nimm Platz." Spike kam herangesaust, positionierte sich hinter der Schreibmaschine und spannte mit geübten Bewegungen einen Bogen Papier ein. Ich sah derweilen zur Menschenwelt - und fand meine Vermutung bestätigt: jede unserer Bewegungen wurde genauestens durch zahllose Ferngläser beobachtet, und das Erscheinen des kleinen Drachen hatte für einige Unruhe gesorgt. Ich konzentrierte mich wieder auf den Brief, den ich verfassen wollte, dann kam mir eine Idee. "Prinzessin Celestia? Ich dachte gerade, es wäre gut, wenn Ihr", ich bemerkte erst, nachdem ich die Worte ausgesprochen hatte, daß ich die förmliche Anrede verwendete, offenbar war ich völlig in meiner Rolle als Botschafter aufgegangen; "den Brief, den ich den Menschen zu schreiben gedenke, direkt bei der Entstehung mitlesen würdet - so seht Ihr, was ich den Menschen mitteile, und die Nachricht ist gewissermaßen von Euch abgesegnet." Das weiße Alicorn, welches inzwischen wieder bei den anderen Ponys stand, neigte den Kopf. "Ich sehe, ich habe den richtigen Menschen als Botschafter ausgewählt. Aber ich brauche nicht mit euch auf der Wiese auf dem Präsentierteller stehen, auch wenn ich Eure Gründe, Botschafter, nachvollziehen kann. Wir Alicorns haben ein überaus ausgeprägtes Hörvermögen, ich höre also Euer Diktat und bin somit über den Inhalt des Briefes im Bilde." "Wie Ihr wünscht. Dann schreiben wir mal...", begann ich zu sinnieren, um dann mein Diktat zu beginnen. Spike tippte mit erstaunlicher Geschicklichkeit, wie ich am Rande bemerkte... ich konnte mich noch gut an seine ersten Versuche auf dieser Maschine und die nicht wirklich brauchbaren Ergebnisse daraus erinnern und konnte nicht umhin, den Lerneifer und die Willenskraft, die hinter der schnellen und deutlichen Verbesserung steckten, zumindest in Gedanken anzuerkennen. Nach vielleicht dreißig Minuten hatten wir den Brief fertig. Spike spannte das letzte Blatt aus, und ich nahm es, um den gesamten Brief noch einmal kontrollzulesen: Sehr geehrte Menschen! Sie erhalten diesen Brief von einem anderen Menschen, welcher von der hiesigen Regentin hierher geholt und zum Botschafter bestellt wurde, dies stellt also ein offizielles Dokument dar. Ich weiß nicht, wie weit Ihre Forschungen zur aktuellen Situation gediehen sind. Unsere hiesigen Erkenntnisse sind, kurz zusammengefaßt, wie folgt: Das Land, welches Sie durch die Anomalie vor Ihnen sehen, und die Erde, wie Sie sie kennen, nehmen denselben Raum ein, allerdings in alternativen, parallelen Universen, zwischen denen es normalerweise keine Berührungspunkte gibt. Durch uns leider nicht klare Faktoren werden die natürlichen Barrieren zwischen den Universen oder besser zwischen den Welten, wie wir uns hier ausdrücken, jedoch schwächer, und durch einen unbeabsichtigten Vorfall entstand vorgestern abend ein stabiler Übergang, ein sogenanntes Tor am Himmel. Versuche, dieses zu schließen, blieben erfolglos. Gestern verlagerten wir von uns aus dieses Tor an seinen jetzigen Standpunkt am Boden, um bessere Kontrolle über Passagen und die Anomalie selbst zu erhalten. Während der Verlagerung sandten Sie eine Spähdrohne, die den Kontakt zu Ihnen verlor und deren Rückweg durch die nicht mehr zu stoppende Verlagerung abgeschnitten war. Wir bedauern den Totalverlust dieser Drohne: sie flog auf hiesigem Gebiet weiter geradeaus und genau gegen das Gebirge ca. 50 km südlich von hier, welches auch in Ihrer Welt existiert; wie überhaupt alle natürlichen topographischen Gegebenheiten in beiden Welten exakt übereinstimmen. Die Sonde, die durch den Aufschlag irreparabel beschädigt wurde, wurde von mir untersucht. Ich war so frei, die Festplattenspeicher zu entnehmen, und schicke Ihnen diese anbei zurück. Den Rest der Drohne kann ich für den Moment leider nicht liefern, sie ist zu groß und schwer. Nachfolgend darf ich Ihnen nun einige Informationen über dieses Land geben. Generell befinden wir uns, wie bereits angedeutet, genau wie Sie auf der Erde, und alle natürlichen topographischen Erscheinungen wie Gebirge, Flüsse, Seen, Kontinente und Meere sind mit den Ihnen bekannten identisch. In diesem Universum haben sich jedoch nie Menschen entwickelt. Die Bewohner sind intelligente Wesen, die den Menschen als Ponys bekannt sind, Sie haben einige von ihnen bereits durch Ihre Ferngläser gesehen. Es gibt neben den Ponys noch weitere intelligente Spezies wie etwa die Drachen, einen sehr jungen Vertreter dieser Art haben Sie beim Tippen dieses Briefes nach meinem Diktat beobachtet. Das Land, in dem wir uns befinden, heißt Equestria. Es handelt sich um eine Doppelmonarchie, die angeführt wird von zwei Schwestern, Celestia und Luna. Die ranghöhere und ältere der beiden herrschenden Prinzessinnen, Celestia, haben Sie bereits gesehen: es handelt sich um das große weiße geflügelte Pony, in ihrem Auftrag bin ich hier als Botschafter zwischen beiden Welten tätig. In dieser Welt hier geschieht, wie Sie vielleicht bemerkten, viel über etwas, was hier allgemein einfach als "Magie" bezeichnet wird. Meinen Forschungen nach dürfte es sich um auf natürliche Weise von den Ponys erzeugte vieldimensionale Felder handeln, jedoch bin ich kein ausgebildeter Physiker und verfüge nur über begrenzte Forschungsmöglichkeiten. Die Ponys selbst haben kein Interesse an der Erforschung ihrer "magischen" Fähigkeiten, für sie gehört diese Magie zu ihrem normalen Lebensalltag dazu, wobei festzustellen wäre, daß die Fähigkeiten individuell verschieden stark ausgeprägt sind. Auch gibt es, wie Sie ebenfalls bereits sahen, flugfähige Ponys. Unabhängig von magischer Begabung oder Flugfähigkeiten handelt es sich durchgehend um denkende, fühlende Wesen mit menschenähnlicher Intelligenz, ich ersuche also von vornherein darum, keines der Lebewesen, welches Sie bis jetzt sahen oder weiterhin sehen werden, als rechtloses Tier abzutun. Ich darf Sie nun um einen offenen Geist bitten. Was Sie bisher gelesen haben, mag befremdlich klingen, phantastisch, oder so, als wäre es von einem Romanautor ausgedacht, der in seiner eigenen Welt lebt. Lassen Sie mich Ihnen versichern: dem ist nicht so. Sie können weitere Informationen jederzeit auch in Ihrer Welt erhalten. Die Cartoonserie "My Little Pony: Friendship is Magic" wurde durch die hiesige Herrscherin, Prinzessin Celestia, welche die Abschwächung der natürlichen Barrieren zwischen unseren Welten seit Jahrhunderten als Forscherin registrierte und bisher eines der wenigen Ponys war, welches ungehindert zwischen den Welten reisen konnte, bei den Erschaffern der Serie auf telepathischem Wege inspiriert. Die Serie stellt die Realität in Equestria zwar nicht 1:1 dar, wie ich in den inzwischen rund sieben Monaten meines Aufenthaltes hier selbst feststellen konnte, liefert aber dennoch einen recht brauchbaren ersten Eindruck des Lebens und der Wesen, welche hier existieren. Die Erschaffer der Serie selbst sind sich meines Wissens nach der Tatsache, daß sie telepathisch beeinflußt wurden, nicht bewußt, es dürfte also nichts bringen, sie ausfindig zu machen und irgendwelchen Befragungen zu unterziehen. Dafür möchte ich darauf hinweisen, daß die eigentlich für kleine Mädchen gedachte Serie weltweit etliche tausend, wenn nicht Millionen erwachsene Fans anspricht: die sogenannten Bronies. Diese befassen sich mehr oder minder stark als Hobby mit dem vermeintlich fiktiven Equestria, seinen Lebensformen und den Lebensgewohnheiten. Auch im Militär gibt es solche Menschen, die sogenannten Military Bronies, vielleicht sollten Sie versuchen, in Ihrer Einheit welche zu finden - diese verstehen die Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit und können auch auf auftretende Fragen in aller Regel befriedigende Antworten geben. Lassen Sie mich Ihnen weiterhin versichern: wir, die Bewohner Equestrias, haben keinerlei aggressiven Absichten; im Gegenteil ist es unser Bestreben, dieses Tor zwischen beiden Welten dauerhaft wieder zu verschließen, d.h. verschwinden zu lassen, und die Energiebarrieren zwischen den parallelen Universen wieder dergestalt zu stärken, daß das unbeeinflußte Nebeneinander, welches offenbar Jahrmillionen der Fall war, wieder hergestellt wird. Dies wurde von hiesiger Seite bereits mit Magie versucht (ich betone nochmals, daß das equestrianische Verständnis von Magie nicht mit Zauberkunststückchen oder Taschenspieler- und Jahrmarkttricks gleichzusetzen, sondern hier elementarer Bestandteil des alltäglichen Lebens und mit den entsprechenden Nachweisinstrumenten mit Sicherheit auch für uns Menschen nachvollziehbar erklärbar ist), führte jedoch, wie bekannt, leider nicht zum Erfolg. Ich kann auch nicht ausschließen, daß weitere, unsere Welten verbindende Tore auftreten, wenn die bisherige Entwicklung, welche wie ausgeführt ein natürliches Phänomen darstellt, anhält, wäre die schlußendliche Konsequenz ein Übergang beider Welten: diese Welt und die Erde würden eins, Ponys, Menschen und ihre jeweilige Infrastruktur wären dann gleichzeitig vorhanden bzw. würden ineinander verschmelzen. Um diesen wenig wünschenswerten Zustand zu vermeiden, wäre auch den Menschen anzuraten, entsprechende Forschungen anzustellen, um den bisherigen stabilen Status wiederherzustellen. Trotz der Friedfertigkeit der Bewohner Equestrias sehen wir uns zu unserem eigenen Schutz veranlaßt, die Anomalie von unserer Seite aus mit einem Schutzschild zu umgeben. Diesen haben Sie bereits in Form des schwachen violetten Leuchtens gesehen, er verhindert das unautorisierte Passieren von Lebewesen. Technik und Licht sind nicht betroffen, wie wir ja inzwischen wissen, und Radiowellen werden von der Begrenzung des Tores selbst blockiert, wie wir gemeinsam ja ebenfalls bereits herausgefunden haben. Wir dürfen also darum bitten, keine Invasionstruppen oder andere unangemeldeten Besucher auf unser Gebiet zu entsenden, und halten dies selbstverständlich unsererseits ebenso. Für weitere Fragen und Auskünfte stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Michael Stockmann, Botschafter der Zwei Welten. Nachdem ich mit Lesen fertig war, griff ich in meine Anzugsjackentaschen und zog die Festplatten, die ich aus der Flugdrohne ausgebaut hatte, heraus, um sie zusammen mit dem Brief demonstrativ in die Höhe und in Richtung Tor zu halten. Nachdem ich mir nach vielleicht einer Minute sicher war, daß meine Geste durch die Ferngläser hindurch erkannt worden war und die Menschen wohl auch gesehen hatten, daß es sich bei den technischen Geräten in meiner Hand um Festplatten handeln mußte, ließ ich die Arme sinken. "Wäre die Frage: wie bekommen wir den Krams jetzt da rüber? Abwarten, bis sie uns wieder einen Rover schicken?" Tatsächlich schienen im Militärstützpunkt ähnliche Überlegungen stattzufinden. "Das können wir schneller erledigen... allerdings nur auf freiwilliger Basis", meldete sich Twilight zu Wort, um vielsagend zu Beach Dream zu sehen. Dieser schien, solcherart ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, ein Stück zu wachsen. "Es wäre mir eine Ehre, Equestria auf diese Weise dienen zu dürfen!" Ich zögerte. "Begib dich bitte nicht in unnötige Gefahr... es ist eine Sache, durch irgendwelche zufällig im Wald erscheinenden Tore zu gehen und auch da zufällig auf zwei Military Bronies zu treffen - was an sich schon ein riesiger Glückstreffer war, so hoch dürfte der Prozentsatz nämlich gar nicht einmal sein, offenbar hast du dein Cutie Mark zu Recht - oder jetzt hier direkt in ein Camp hineinzumarschieren, welches vor Menschen unbekannter Gesinnung und auch Waffentechnik nur so strotzt." Der gelbe Hengst sah mich freundlich an. "Ich möchte den Menschen vertrauen... ich gehe das Risiko ein." "Nun denn, Beach Dream, wenn es dein eigener freier Wille ist, so sei es", beschied uns Celestia mit warmer Stimme. Ich übergab, für die Menschen gut sichtbar, Brief und Festplatten an das Pony, und er trabte los, auf das Tor zu. Ohne zu zögern lief er hindurch, und wir konnten sehen, wie er die Menschenwelt erreichte. Natürlich war er dort nicht unbemerkt geblieben. Nachdem die Menschen erkannt hatten, daß ein Pony auf dem direkten Weg zu ihnen war, hatte das im Camp hektische Betriebsamkeit ausgelöst. Ferngläser, Sensoren, aber zu meinem Leidwesen auch Dinge, die eindeutig Waffen waren, wurden auf das Tor und das herannahende Wesen ausgerichtet... und obwohl ich vor Beklemmung und Sorge um den tapferen Erdponyhengst kaum atmen konnte, konnte ich den Blick nicht vom Geschehen abwenden. Kaum hatte er die Barriere zur Menschenwelt durchschritten, blieb er wie angewurzelt stehen, als er von etlichen Stimmen offenbar sehr lautstark und barsch angerufen wurde. Wir sahen wieder nur, was geschah, ohne den entsprechenden Ton zu haben, aber auch als Stummfilm war das Geschehen nicht schwer zu begreifen: Soldaten in Schutzanzügen und hinter Gewehren brüllten etwas, und Beach Dream blieb erschrocken stehen. Er sah sich unsicher und sichtlich verängstigt um, ließ seine Fracht fallen, drehte sich um und rannte in vollem Galopp zurück ins Tor, in Richtung des vermeintlich sicheren Equestrias. Das hinderte einige Soldaten jedoch nicht daran, ihre Waffen abzufeuern. Sie schienen nicht mit Projektilen geladen zu sein, sondern mit irgendwelchen anderen Dingen, die ich nicht erkennen konnte, aber irgendwelche Dinge flogen eindeutig auf das davonrennende Pony zu - und trafen den Hengst in vollem Galopp. Er strauchelte, begann zu taumeln - und rettete sich durch die Barriere hindurch auf equestrianisches Gelände, wo er wie vom Blitz getroffen zusammenbrach. "Diese verdammten...", murmelte ich, bevor ich wie von der Tarantel gestochen losrannte - allerdings hatte ich noch immer Mühe, zu glauben, was ich gerade gesehen hatte. Hatten da tatsächlich Artgenossen von mir soeben auf ein wehrloses Pony gefeuert? Ich mußte dem Wesen helfen - egal wie. Ich erreichte den jungen Hengst nie. Nach wenigen Metern hatte ich auf einmal das Gefühl, nicht länger durch Luft, sondern durch zähen, klebrigen Sirup zu rennen. Allerdings vergaß ich dieses Gefühl sofort, als ich sah, was am Tor geschah. Dort lief die Zeit offenbar seit Neuestem rückwärts. Beach Dreams Bewegungen liefen umgekehrt ab. Er befand sich wieder auf den Beinen, taumelte rückwärts zurück ins Tor, anschließend flogen die Gegenstände, die ihn getroffen hatten, zurück in Richtung Menschenwelt - und explodierten an der Barriere zu dieser in kleinen Funkenschauern. Beach Dream, der rückwärts rennend jetzt etwa im ersten Viertel des Tores angekommen war, erstarrte mitten in der Bewegung, dafür erlosch der Widerstand, durch den ich rannte, so plötzlich, wie er gekommen war. Ich taumelte einige Schritte vorwärts. Der gelbe Hengst kehrte seine Bewegungsrichtung erneut um und rannte nun wieder vorwärts in Richtung Equestria - und dieses Mal erreichte er das sichere Gebiet unversehrt. Wir trafen uns auf halbem Weg, und ich ging in die Hocke, um ihn aufzunehmen. Zitternd schmiegte sich das Pony an mich. "Wa- was- was ist passiert? Die- die- die haben... auf mich geschossen! Warum nur? Warum? Aber... sie haben... nicht getroffen, oder?" Ich zog den Hengst an mich, so fest ich konnte. "Alles gut... alles gut... du bist nicht getroffen. Du warst zwar getroffen, aber auch wieder nicht... ich weiß nicht, was hier soeben passiert ist... aber jetzt ist es vorbei... alles gut, Beach Dream, alles gut." Das gelbe Pony gab ein ersticktes Wimmern von sich. Was auch immer die Treffer rückgängig gemacht hatte - den schweren Schock, den der Hengst soeben erlitten hatte, hatte es nicht verhindern können. "Komm, Beach Dream, wir gehen zu den anderen... ich muß nur kurz etwas klarstellen, dauert nur einen ganz kurzen Moment." Ich erhob mich und wandte mich dem Tor zu. Dort hatte inzwischen hektische Aktivität eingesetzt: Soldaten in Ganzkörper-Schutzanzügen waren herangekommen, um die Dinge, die Beach Dream in die Menschenwelt getragen hatte, aufzusammeln, andere waren damit beschäftigt, nach Überresten ihrer Geschosse zu suchen, und wieder andere fingen offenbar hitzige Diskussionen an, bei denen es nicht schwer war, zu erraten, worum es ging. Ich setzte einen betont unfreundlichen Gesichtsausdruck auf und strecke in einer demonstrativen abrupten Geste meinen Arm mit nach unten zeigendem Daumen aus. Dann wandte ich mich ebenso abrupt um und widmete mich wieder dem zitternden Pony neben mir. "Komm... wir gehen zu den anderen. Hier tut dir keiner was, hier bist du in Sicherheit", redete ich auf ihn ein, während wir das taten, was ich ihm versprochen hatte. Alle Ponys inklusive der beiden Alicorns hatten mit schockierten Gesichtern das Geschehen verfolgt. Einzig Discord lehnte an einem Baum und polierte soeben mit einer selbstzufriedenen Geste und einem dazu passenden Gesichtsausdruck seine Fingernägel. "Ich nehme an, ich weiß jetzt, wer Beach Dream wirklich geholfen hat... meinen ehrlichen Dank, Discord", wandte ich mich an ihn. Luna sah mich fragend an, ehe sie verstand, was ich meinte, und, wenn auch mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck, sich vor dem Chaos-Wesen verbeugte. "Ehre, wem Ehre gebührt. Ich erkenne an, daß Ihr, werter Drachenequus, soeben eine höchst löbliche und ehrenwerte Tat begangen habt, und bedaure meine Worte von heute morgen. Bitte sehet mir mein Verhalten nach." "Eeeeyup", kam die kurze, aber durchaus nicht unfreundliche Antwort. Applejack sah verständnislos von einem zum anderen. "Könnt' mir mal 'n Pony erklärn, was hier grad abging?" "Kausalität, liebe Applejack! Oder besser: Revertierung der Kausalität! Zeitumkehr, aber nicht generell, sondern lokal begrenzt! Herrlich! Das hat richtig Spaß gemacht! Multiple Zeitrahmen übereinander legen, so gefällt mir das! Yep, yep, yep - da sage noch einer, mit ein wenig wohlgepflegtem Chaos wäre hier kein Blumentopf zu gewinnen." Gemäß seinem selbstgegebenen Stichwort erschien ein Topf mit einer üppig blühenden Hortensie in der leeren Luft vor ihm. Er griff danach und verneigte sich spöttisch. "Danke, danke, danke - der Künstler dankt für den Applaus und die Anerkennung. Tut mir ja leid, daß ich Beach Dream den Schrecken nicht ganz ersparen konnte, aber die liebe Tia hat schon recht, als sie euch was von unterschiedlichen Zeitrahmen und Zeitabläufen erzählt hat - da konnte ich leider nichts machen. Aber war auch so schon gut! Und ich denke, der Kleine hier wirds überleben... ooooch, nicht weinen, mein kleines Pony, nicht weinen. Onkel Discord ist doch bei dir." Beach Dream begann, eher stärker als weniger zu zittern, und brachte nur ein Wimmern heraus. Ich wandte mich an die Ponys. "Pinkie und Rarity - ich brauche euch. Beach Dream hier hat einen schweren Schock erlitten, er sollte in ärztliche oder wenigstens medizinische Aufsicht. Bringt ihn ins Hospital", ordnete ich an. Die beiden Ponys nahmen den Hengst in ihre Mitte und führten ihn weg. Ich wandte mich an Discord. "Nimms mir nicht übel... ich weiß, du hättest ihn auch mit einem Fingerschnippen ins Hospital bringen können, aber er braucht jetzt wohl eher Pony-Gesellschaft als weitere chaotische Tricks." "Hm - ist schon in Ordnung, geehrter Botschafter. Ich bin schon zufrieden mit dem produktiven Chaos, was ich stiften durfte. - Wenn ihr mich für den Moment nicht mehr braucht... ich bin dann mal kurz weg." Damit verschwand die Kreatur in einem ihrer typischen Lichtblitze und ließ einige ratlose Ponys zurück. "Un' was genau war das jetz' für'ne Aktion? Ich versteh's immer noch nich'", meldete sich Applejack wieder zu Wort. "Ja, wirklich! Ich hab, ganz ehrlich, auch kein Wort verstanden, und dabei bin ich sonst nicht gerade doof!", kam ihr Rainbow zu Hilfe. "Ich erkläre es euch später", erbot sich Twilight. "Jetzt sollten wir erst einmal sehen, was hier am Tor weitergeht. Michael? Ich glaube, es gibt neue Entwicklungen." Ich wandte mich, über den Angriff auf das wehrlose Pony noch immer verärgert, wieder dem Tor zu. Tatsächlich hatte sich die Lage erneut verändert: die Soldaten in den Schutzanzügen waren verschwunden, die Diskussionen hatten sich beruhigt (oder ihr Abbruch war befohlen worden), dafür wurde offensichtlich erneut ein Rover fahrbereit gemacht. Ich sah, daß etwas auf dem Fahrzeug verladen wurde und daß die Menschen offensichtlich so arbeiteten, daß ich es sehen sollte, aber ich erkannte keine Einzelheiten. "Ich denke, ich sollte mich in meiner Botschaft einfinden", konstatierte ich, um zu meinem noch immer mitten auf der Wiese stehenden Schreibtisch zu gehen. Meine Geduld wurde auf keine sehr harte Probe gestellt. Nach wenigen Minuten wurde der Rover in Gang gesetzt und fuhr los, direkt auf meinen Schreibtisch zu. Wie schon zuvor, passierte er das Tor ohne Besonderheiten, und ich ging ihm entgegen. Als ich ihn auf halbem Weg traf, sah ich, was darauf verladen worden war: es handelte sich um eine Fernbedienung für das Fahrzeug, die frappierend an die einer Spielekonsole erinnerte, und eine Telefonsteckdose, die an einem Kabel hing, welches direkt ins Camp führte. Ich nahm mir die Fernbedienung und versuchte, mich an einige ähnliche Spiele aus meinem früheren Leben zu erinnern - und richtig hatte ich recht schnell heraus, wie ich das Fahrzeug steuern konnte. Ich lenkte den Rover zum Schreibtisch und hielt ihn paßgenau an. Dann stöpselte ich den Stecker des Telefons, welches mir Discord zusammen mit den anderen Gegenständen hingestellt hatte, ein. Offenbar war ich beobachtet worden. Nachdem ich das Telefon angesteckt hatte, vergingen keine dreißig Sekunden, bis es klingelte. Ich legte die Fernbedienung für den Rover beiseite, setzte mich und nahm den Hörer des altertümlichen Apparates ab. "Hier ist der Botschafter der zwei Welten." Am anderen Ende der Leitung erklang ein Schnauben. "Pah... Sie glauben den Mumpitz wirklich, oder?" "Mit wem spreche ich überhaupt, bitte?" "General Holzberg hier! Vielleicht erklären Sie mir endlich mal, was der Unfug soll, den wir uns hier schon die ganze Zeit angucken dürfen?!" "Nun, General... vielleicht sollten Sie zuerst einmal meinen Brief lesen, darin steht im Grunde schon das Wichtigste. Und weil wir einmal beim Thema Erklären sind: ich hätte gern eine Erklärung von Ihnen, wie Sie darauf kommen, auf ein wehrloses Lebewesen feuern zu lassen, welches für Sie und Ihre Männer sichtlich nicht mal ansatzweise eine Bedrohung darstellte!" Mein Tonfall war bei den letzten Worten zunehmend schärfer und härter geworden, was mir als Antwort einige Sekunden Schweigen eintrug - offenbar war General Holzberg es nicht gewöhnt, daß man in diesem Ton mit ihm sprach. "Wir haben das Wesen angerufen und zum Stehenbleiben aufgefordert, wie es die Standardprozedur vorsieht. Es sollte mit Betäubungspfeilen sediert werden, was ebenfalls Standardprozedur bei unbekannten Kreaturen ist, aber dann geschah... was auch immer Sie da drüben gemacht haben. Vielleicht ist es mal an Ihnen, hier was zu erklären, meinen Sie nicht?!" "Aha... unbekannte Lebewesen werden erstmal vorsorglich über den Haufen geschossen, wenn auch mit Betäubungsmitteln, von denen Sie nicht mal wissen, wie sie auf den jeweiligen Organismus wirken. Toller Start, das... ich hatte mir die Beziehungsaufnahme zwischen beiden Welten ein wenig freundlicher, geschmeidiger vorgestellt." "Beide Welten...", wiederholte Holzberg nachdenklich. "Ich glaube zwar nicht an Fantasy und Science Fiction und ähnlichen Mumpitz, aber ich weiß, was ich gesehen habe. Ich verstehe es nicht, und ich mag es nicht, Dinge nicht zu verstehen, können Sie sich das vorstellen, Herr Botschafter?" "Das kann ich sogar sehr gut. Dennoch würde ich Ihnen empfehlen, zuerst meinen Brief zu lesen - ich konnte nicht wissen, daß wir so schnell eine Telefonverbindung haben würden, deshalb der Brief. Ich bitte Sie nur um eines, General: lesen Sie den Brief, und dann sprechen wir weiter." "Wenn Sie meinen und es unbedingt sein muß... Ich rufe Sie wieder an. Keine Ahnung, wo Sie das Telefon her haben, aber Hauptsache, es funktioniert. Bis gleich." Ein Klicken verriet mir, daß die Leitung unterbrochen war. Ich legte den Hörer auf und drehte mich um - und sah mich von Ponys und den beiden Alicorns umgeben. "Du hast mit einem Menschen gesprochen?" "Ganz recht. Es dürfte sogar einer der ranghöchsten da drüben gewesen sein, er hat sich als ein General Holzberg vorgestellt... immerhin habe ich ihn dazu gebracht, meinen Brief zu lesen. Jetzt heißt es abwarten." Rainbow pfiff anerkennend. "Ein General? Wow... cool... ich würd auch gerne mal mit einem sprechen, die sind bestimmt interessant." Ich grinste. "Vielleicht klappt das schneller, als du denkst... er will mich ja wieder anrufen, und vielleicht läßt er sich eher überzeugen, daß ich ihm keinen Quatsch erzählt habe, wenn er zumindest über das Telefon auch mit euch sprechen kann." Nach vielleicht einer Viertelstunde, es war derweilen Mittag und ich hatte den Ponys erklärt, was es mit den Schüssen auf Beach Dream auf sich gehabt hatte, war es soweit: das Telefon klingelte erneut. Ich nahm den Hörer ab. "Botschafter der zwei Welten hier, hallo?" "Hier General Holzberg... wie versprochen. Also... ich habe gelesen, was Sie geschrieben haben. Wie schon mal erwähnt, glaube ich zwar nicht jeden Mumpitz sofort, aber ich weiß auch, daß ich hier ein unbekanntes Phänomen vor mir sehe, und eine bessere Erklärung als Ihre habe ich zur Zeit nicht, also muß ich wohl vorerst damit arbeiten. Sie schreiben also, diese Parallelwelt, dieses... Equestria... ist bevölkert von sprechenden bunten Ponys. Interessant... Sie sind sicher, daß das keine Tiere sind? Dann haben Sie doch sicher nichts dagegen, wenn ich selbst mit ihnen sprechen kann." "Nicht im Geringsten... im Gegenteil, eines der Ponys hier, das himmelblaue mit der regenbogenfarbigen Mähne und dem ebenso bunten Schweif, hat sich schon darauf gefreut, mit einem leibhaftigen General zu sprechen. Bitte beachten Sie, daß Sie es nicht mit einem Bauchredner-Künstler zu tun haben - ich werde mich einige Schritte entfernen. Beachten Sie bitte weiterhin, daß der Hörer, da die Ponys keine Hände wie wir zum Halten haben, durch Magie in der Luft gehalten werden wird. Ich übergebe." Damit wurde mir der Hörer aus der Hand genommen und schwebte zu Rainbow. Ich stand, wie ich es versprochen hatte, auf und trat einige Schritte beiseite, weit genug, daß ich jeden Verdacht, ich würde auf die Entfernung mit irgendwelchen Tricks selbst in den Hörer sprechen, ausräumen sollte. "Hallo, General? Hier ist Rainbow Dash! Schnellste Fliegerin von Equestria - und... naja... bis vor ein paar Tagen Anwärterin für die Wonderbolts, weiß nicht, ob Sie von denen schon was gehört haben. Sind Sie wirklich General? Michael hat schon viel von euch Menschen erzählt... aha... soso... naja... aber... schade... na gut. War trotzdem nett, mal mit einem echten General zu reden. Gut, dann kriegen Sie jetzt eben Twilight." Der Hörer schwebte zu dem lilafarbenen Unicorn. "General Holzberg? Mein Name ist Twilight Sparkle. Ich bin persönliche Studentin von Prinzessin Celestia und neben ihr zuständig für die Wissenschaft, darunter auch die Barrieren zwischen den Welten. ... Aha... verstehe... danke für Ihr Verständnis... ja, das wäre interessant. - Die Herrscherin? Jawohl. Auf Wiedersehen." Erneut begann der Hörer zu schweben und kam solcherart folgerichtig zu Celestia. "Guten Tag, General. Hier ist Celestia, Regentin Equestrias zusammen mit meiner Schwester im 1338. Jahre. Ich möchte zuerst einmal meinen Unmut über Ihre sogenannte Standardprozedur bei der Kontaktaufnahme zu Ihnen bisher unbekannten Lebensformen zum Ausdruck bringen... ich verstehe, das rechtfertigt jedoch keine Gewaltanwendung, zumal von unserer Seite aus keine Aggression ausgehen wird, hierfür verbürge ich mich. ... Aha... Ja... in Ordnung, ich akzeptiere diese Entschuldigung und werde sie Beach Dream, so heißt das betroffene Pony, ausrichten. - Sie möchten wieder den Botschafter sprechen? Sehr wohl, General." Offenbar war Holzbergs Plauderstündchen mit den Ponys damit beendet. Ich trat wieder an den Schreibtisch heran und nahm den Hörer aus der funkelnden Magiewolke, die daraufhin erlosch. "General? Hier ist wieder der Botschafter." "Nun, Botschafter... ich habe mit diesen... Kreaturen gesprochen, und ich habe die Szene mit einem Videoteleskop beobachten lassen und also tatsächlich gesehen... ich werde wohl glauben müssen, was hier geschieht. Ich habe bei Celia oder wie ihr Name nun gleich wieder war um Entschuldigung für den Angriff auf ihren Bürger gebeten, sie hat akzeptiert. Können wir vielleicht den holprigen Start unseres ersten Kontaktes vergessen und noch einmal anfangen? Vielleicht ist ja doch noch ein sinnvoller Kontakt möglich." "An mir soll es nicht liegen, General - gute Beziehungen sind von Seiten Equestrias immer möglich." "Danke... ach ja, und danke auch für die Festplatten, die Sie geborgen haben. Wir haben es also mit einem natürlichen Phänomen zu tun, welches Radiowellen blockiert... das erklärt natürlich, wieso wir die Steuerung schon über die erste Drohne verloren haben, wie Sie vielleicht bemerkt hatten. Und die zweite Drohne... nun ja, schlechtes Timing, würde ich sagen, aber da können wir nichts mehr machen. Mit den Festplatten war der Flug wenigstens nicht umsonst, sie werden soeben ausgewertet. Vielleicht bekommen wir so sogar schon erste Erkenntnisse zur aktuellen Lage." "Es würde mich freuen, damit geholfen zu haben." "Durchaus, Botschafter... und nun hätte ich, wenn Sie gestatten, einige Fragen." Wir sprachen an diesem Tag sehr lange miteinander... während er Essen und Trinken von seinen Soldaten gereicht bekam, bekam ich dasselbe von den Ponys. Zwischenzeitlich kamen Rarity und Pinkie Pie aus dem Hopsital zurück und überbrachten sowohl mir, den Prinzessinnen als auch über das Telefon dem General die Botschaft, daß sich Nurse Redheart um Beach Dream kümmerte, er sich bereits auf dem Weg der Erholung von seinem Schrecken befand und wohl in Bälde wieder wohlauf sein würde. Unser Gespräch, während dem ich ihm unter anderem Fragen zu der bei den Ponys üblichen Magie beantwortete als auch von Discord und seinem Wirken erzählte (immerhin war er ja selbst Zeuge dessen geworden), beendeten wir erst nach mehreren Wechseln des Armes, mit dem ich den Hörer hielt, nach mehreren Stunden.