Kapitel 19: Verkündigung einer Prinzessin Seit dem ersten Kontakt mit den Menschen und dem Telefonat mit General Holzberg waren zwei komplette Tage vergangen. Bereits am Tag nach der offiziellen Kontaktaufnahme zwischen beiden Welten war mein altmodischer Telefonanschluß, den mir Discord ja mehr oder weniger unbeabsichtigt überhaupt erst ermöglicht und der die Kontaktaufnahme doch um einiges erleichtert hatte, ersetzt worden durch zeitgemäßere Kommunikationstechnologien: zwar befand sich mein improvisiertes Botschaftsbüro noch immer unter freiem Himmel auf der Wiese beim Tor, aber der Rover war, nachdem ich ihn hatte zurückfahren lassen zu den Menschen (die Fernbedienung für das Gefährt hatte ich in Absprache mit Holzberg behalten, damit ich trotz fehlender Radiowellenverbindung das Fahrzeug bei weiteren Botenfahrten selbst steuern konnte), am nächsten Morgen neu beladen und wieder zu mir geschickt worden. Seine Fracht bestand aus einem Notebook der neuesten Generation, welches direkt an einem Netzwerkkabel und einem Stromanschluß hing und solcherart über eine Breitband-Internetverbindung verfügte. Natürlich fehlten auch weder eine Webcam noch das Headset, und nachdem ich die entsprechenden Programme gestartet hatte, hatten wir einen direkten Videokontakt herstellen können. Ich konnte sogar auf das Internet zugreifen (selbst Inhalte einstellen konnte ich selbstverständlich nicht, aber das konnte ich dem Militär auch nicht verübeln - es war sicher nicht im Interesse der allgemeinen Sicherheit und Ordnung, wenn ich in die Menschenwelt hinausposaunte, daß es einen Übergang in eine andere Welt gab und womöglich noch weitere folgen würden) und fand darüber immerhin heraus, daß das jetzige Tor offenbar tatsächlich vom Militär geheimgehalten wurde - das Gebiet, in dem die Anomalie lag, war schlichtweg für die Öffentlichkeit wegen dringender Angelegenheiten gesperrt worden. Natürlich schossen in Internet und Medien die Spekulationen um den wahren Grund wild ins Kraut, aber nichts von dem, was ich beim stichprobenartigen Surfen las, kam der Wahrheit auch nur entfernt nahe, und die offiziellen Stellen mühten sich nach Kräften, mit Beschwichtigungen und nichtssagenden, dafür aber endlos langen und langatmigen Statements die Menschen hin- und ruhig zu halten. Ansonsten nutzten wir die neue Kommunikationstechnik sowohl für Videokonferenzen über das Leben und die Gepflogenheiten in Equestria allgemein als auch für Spezialthemen - besonders Twilight machte davon regen Gebrauch. Zwar war sie mit ihren Forschungen zu den Energiebarrieren nicht wirklich vorangekommen, aber immerhin hatte sie jetzt Gleichgesinnte auf der anderen Seite gefunden - die Menschen taten nämlich genau das, was ich ihnen empfohlen hatte, und forschten nach Kräften an der Barriere und dem Verbindungstunnel zwischen den parallelen Universen, und jede Information, die das lilafarbige Unicorn und die menschlichen Forscher austauschten, mochte wichtig sein. Celestia und Luna hatte ich seit diesem Tag nicht wieder gesehen, was mich einigermaßen gewundert hatte. Allerdings sollte ich den Grund hierfür sehr bald erfahren. Der dritte Tag nach der Kontaktaufnahme war nach meinem Gefühl soeben erst angebrochen, als ich wieder einmal von ausdauerndem Hämmern gegen meine Tür recht unsanft geweckt wurde. Eingedenk meiner Erfahrung von vor wenigen Tagen quälte ich mich aus dem Bett und ans Fenster und war nicht überrascht, zwei Hengste der royalen Garde zu erblicken. "Die Prinzessinnen verlangen Euch, Botschafter, sowie die Elemente der Harmonie in längstens einer Stunde ab jetzt in der Bibliothek von Twilight Sparkle zu sehen." Wie sich die Ereignisse doch wiederholten, dachte ich, während ich mich fertigmachte, und konnte nicht umhin, zu rätseln, was es mit dieser plötzlichen Vorladung, denn um etwas anderes handelte es sich nicht, auf sich haben mochte. Die Möglichkeit, daß in der Nacht Menschen oder Technik das Tor passiert haben könnten, schloß ich aus - dann wäre ich sofort geweckt worden, entweder von den Menschen oder von den Ponys, aber man hätte nicht wenigstens bis zum Morgen damit gewartet. Applejack und Rainbow, mit denen ich anschließend zusammen wie gewohnt frühstückte, wußten die Antwort auch nicht, und so begaben wir uns nach dem Frühstück wie verlangt zur Bibliothek. Dort angekommen, trafen wir auf Twilight, Pinkie Pie, Rarity, Fluttershy und Spike. Zwar hatten alle "Einladungen" zum Erscheinen bekommen, jedoch wußte kein Pony, was es damit auf sich hatte - und von den Prinzessinnen war einstweilen noch nichts zu sehen. Einige Minuten später begannen sich zwei leuchtende Kugeln im Raum zu bilden, eine war königsblau, die andere hellgelb. Die anfangs instabilen und faserigen Leuchterscheinungen verdichteten sich rasch, gewannen an Substanz und Form - und entließen, gleichsam wie aus einer Wand leuchtenden Nebels tretend, die beiden Alicorns. Offenbar hatte ich soeben eine Sonderform des Teleportationszaubers miterlebt. Die Ponys und ich wollten beim Escheinen der beiden Herrscherinnen die traditionelle Grußerweisung zeigen, aber Celestia winkte ab - nicht ärgerlich, auch nicht kurz angebunden, sondern, so seltsam mir der Gedanke auch erschien, in einer Geste, die einfach nur mit dem Wort müde zu beschreiben war. "Danke, daß ihr gekommen seid. Ich bedaure, eure Ruhe vorzeitig beendet zu haben, aber die Zeiten sind zu wichtig, um auf persönliche Belange große Rücksicht zu nehmen - eine Tatsache, die voll und ganz auch auf mich selbst zutrifft. Seit mehr als einem vollen Tag und durch die ganze Nacht bin ich aktiv, habe mehrere Zeitdilatationen ausführen müssen, um das herrschaftliche Tagesgeschäft weiterhin zu erledigen, so daß nach meiner persönlichen Zeitrechnung schon fast zwei volle Tage vergangen sind; und auch wir Alicorns verfügen nicht über unendliche Energiereserven... aber im Moment ist an Ruhe und Erholung nicht zu denken. Luna?" "Wie recht du leider nur hast, geliebte Schwester. Ich möchte alle auf den neuesten Stand bringen: die Barrieren zwischen den Welten werden zusehends schwächer und durchlässiger. Erscheinungen wie Doppelbilder oder diffundierende Gegenstände werden seit gestern morgen aus ganz Equestria gemeldet - manche der in diesem Fall instabilen Tore sind winzig klein, kaum zu sehen, andere immer noch halb so groß wie das, welches wir selbst hier haben. Durch einige dieser Erscheinungen hindurch ist von der anderen Welt nichts wahrzunehmen, andere wiederum sind wie Fenster in die Menschenwelt, und auch Gegenstände gelangten in beiden Richtungen dauerhaft hindurch - bisher zum Glück nur Gegenstände, keine Lebewesen. In den letzten 24 Stunden gab es genau 28 Sichtungen, von denen wir wissen, und wir waren an jeder einzelnen Stelle, um uns jeweils selbst ein Bild der Lage machen zu können. Die Tore, die jetzt entstehen, sind allesamt instabil, einige waren bereits wieder verschwunden, als wir ankamen, andere brachen vor unseren Augen zusammen, und genau elf Tore haben wir mittels Magie geschlossen. Seht daher meiner Schwester bitte ihren Zustand nach, zumal sie, wie sie ja bereits sagte, nebenher noch ihren normalen royalen Verpflichtungen nachgekommen ist. Ohnedies ist es ein Wunder, daß nach allem, was wir wissen, keine Menschen die Tore gesehen haben oder dauerhafte Schäden entstanden sind - dennoch, die natürlichen Barrieren zwischen den beiden Welten müssen stabilisiert werden, so schnell wie möglich, und alle Kräfte und Reserven werden von uns hierzu als gerechtfertigter Aufwand angesehen. Zuvorderst sollte wohl der Versuch stehen, die Barrieren mit Magie zu stärken - bis das gelungen ist, bleibt es Aufgabe von mir und meiner Schwester, neu entstehende instabile Tore zu verschließen. Da wir dazu ständig in Bewegung sein müssen, ist der Zeitpunkt gekommen: als Anführerinnen hier vor Ort können wir nicht länger zur Verfügung stehen. Hierfür benötigen wir ein Pony, welches die erforderlichen Fähigkeiten in sich trägt, welches sowohl Qualitäten als Anführerin hat wie auch die Fähigkeit, sich in andere Ponys einfühlen zu können, und welches genügend Wissen, magische und geistige Macht und die erforderliche Ausbildung hat, die Prinzessinnen von Equestria zu vertreten. Ich denke, alle wissen, auf welches Pony dies zutrifft." Die Augen der beiden Prinzessinnen wandten sich, von den ungläubigen Blicken der anderen Ponys, Spike und mir gefolgt, zu Twilight, die, plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, sichtlich zusammenzuckte. "Ihr... Ihr meint doch nicht... mich? Aber... ich bin die Schülerin von Prinzessin Celestia, nicht selbst Prinzessin!" "Deine Bescheidenheit ehrt dich, Twilight Sparkle, und auch Bescheidenheit sollte zu den Qualitäten eines wahren Anführerponys gehören. Ich bedaure, daß es unter diesen Umständen, ohne weitere Vorbereitung und so nebenbei geschehen muß, aber diese Wahl haben wir nicht. Hiermit, Twilight Sparkle, seiest du erhoben in den Stand einer Prinzessin - wir hoffen, nein, wir sind uns sicher, daß du deine Kräfte und Fertigkeiten weise, zum Wohle aller Ponys und Equestrias einsetzen wirst. Unsere Glückwünsche und Ehre dir - Prinzessin Twilight Sparkle." Die Alicorns vollführten die traditionelle Geste der Respektsbezeugung gegenüber der Angesprochenen, und nach kurzem Zögern taten wir Übrigen es ihnen gleich. Twilight sah eher entsetzt als geschmeichelt von einem zum anderen. "Aber... bei allem Respekt, Prinzessinnen... Ihr seid die Herrscherinnen von Equestria, nicht ich! Ihr habt die nötige Erfahrung darin, Equestria zu führen, die habt ihr seit Jahrhunderten - ich bin dagegen noch nicht einmal ein Vierteljahrhundert alt, geschweige daß ich wüßte, was ich als Prinzessin zu tun habe!" Celestia lächelte, aber es lag keine Fröhlichkeit darin, sondern eher ein Ausdruck unbestimmter Trauer und - Resignation, auch wenn ich einige Sekunden brauchte, bis ich diese Empfindung, die ich in ihren Augen las, als das anerkannte, was sie war. "Meine liebe Twilight Sparkle... fast fünfzehn Jahre lang bist du nun meine treueste Schülerin, und die beste, die ich je hatte... in all den vielen Jahrhunderten. Statistisch gesehen wird nur einmal in zehntausend Jahren, vielleicht noch seltener, ein Pony geboren, welches alle erforderlichen Fähigkeiten in sich vereint... es ist schwer, dieses Pony zu finden, und ich war mir auch bei dir lange Zeit nicht sicher, ob du es sein würdest. Oh, sicher, deine Magie ist beeindruckend, das wußte ich vom Tag deiner Aufnahmeprüfung an meiner Schule an, aber Magie ist nicht alles... es gehört mehr dazu, aber in dir sind zum ersten Mal seit vielen hundert Jahren, abgesehen von Miamore Cadenza, alle Fähigkeiten vereint. Ich wüßte kein anderes Pony, welches besser geeignet wäre, uns zu vertreten, als dich... meine liebe treue Schülerin." Abrupt sah das weiße Alicorn zur Seite, aber ich hörte deutlich das Schniefen und Schlucken, mit dem sie ein Schluchzen unterdrückte - und ihre Kopfbewegung war nicht schnell genug, um den feuchten Schimmer in ihren Augen zu unterdrücken. Twilights Entsetzen schien sich eher noch zu verstärken. "Prinzessin! Was habt Ihr? Ihr müßt mich nicht... befördern! Ich will Euch Euren Platz oder Equestria nicht wegnehmen! Bitte... sagt, daß das... nur ein Scherz war?" Die Unsicherheit in ihrer Stimme war nicht zu überhören. "Nein, Prinzessin Twilight, das war es nicht", antwortete Luna an ihrer Stelle, um dann neben das violette Unicorn zu treten und in einer freundschaftlichen Geste einen Flügel über ihren Rücken zu legen. "Wenn ein Pony uns vertreten kann, dann du", wiederholte sie. "Du kennst die Geschichtsschreibung: als meine Schwester und ich unser Land Equestria übertragen bekamen, waren wir nicht älter als du jetzt, wir waren in der Tat sogar noch jünger, zumindestens ich. Es waren unruhige Zeiten, ein wilder Discord tyrannisierte das Land, welches noch nicht so gefestigt und stabil wie heute war... so gesehen hast du es direkt einfach, denn auch wir hatten damals keine Erfahrung darin, Prinzessinnen zu sein, mußten aber die Verantwortung für tausende von Ponys und ein gesamtes Reich übernehmen, ob wir wollten oder nicht. Hätten wir damals anders gekonnt... nun ja... aber auch wir hatten keine andere Wahl. Wir -" "Aber Ihr beide seid Alicorns! Ich bin nur ein gewöhnliches Unicorn! Alicorns haben ganz andere Macht als wir normalen Ponys!", unterbrach Twilight den Vortrag der Prinzessin der Nacht. "Alicorn... oh, mach dir darüber keine Gedanken. Die Flügel kommen erst später, wenn deine Entwicklung weiter vorangeschritten ist, das kann nächste Woche der Fall sein oder auch erst in zehn Jahren. Es gibt Alicorns wie Cadence oder Celestia, die haben sie seit ihrer Geburt, und es gibt Alicorns, die bekommen sie erst später - so wie du oder übrigens auch ich, auch ich hatte sie nicht von Anfang an." Twilight zögerte einen Moment, bis die Erkenntnis bei ihr einsetzte, und blickte ungläubig, als hätte sie soeben den Weihnachtsmann und den Osterhasen in Person gesehen - in menschlichen Metaphern gesprochen. "Augenblick... heißt das... ich bin... ein Alicorn?!" Das letzte Wort hatte sie mit dermaßener Fassungslosigkeit gesprochen, als wäre es etwas Unvorstellbares. "Ganz recht, Twilight Sparkle... Alicorns werden nicht gemacht, sie werden geboren, manchmal allerdings in Form eines Unicorns, welches sich erst später auch körperlich zum Alicorn entwickelt. Was uns ausmacht, sind unsere Fähigkeiten... unsere Magie, die Empathie für andere Ponys, das Verantwortungsbewußtsein, die Fähigkeit, schnell Entscheidungen zu treffen und nötigenfalls andere Ponys anzuführen, jedoch gleichzeitig nicht als Diktatorin aufzutreten, sondern stets Freundlichkeit, Güte und Großmut zu wahren... all das. Herauszufinden, bei welchem Unicorn das der Fall sein könnte, kann schwierig sein, aber ich gehe davon aus, daß meine Schwester in mehr als tausenddreihundert Jahren dafür ein Gespür entwickelt hat... richtig, große Schwester?" Celestia nickte, aber der unbestimmte Ausdruck der Trauer in ihren Augen blieb. "Meine liebe Twilight... meine treue Studentin und Gefährtin. Irgendwann mußtest du es erfahren, daß du eben nicht nur, wie du selbst offenbar immer dachtest, ein Unicorn, sondern ein Alicorn bist... es tut mir unendlich leid, daß ich das nicht anders gestalten konnte... ich hoffe, du kannst es verstehen." Das weiße Alicorn sank auf die Knie, um etwas zu tun, was ich nie von ihm erwartet hatte: sie schmiegte ihr Gesicht in einer Geste, die Suche nach Schutz, Zuneigung, Bestärkung und Hoffnung, alles in einem, ausdrückte, an das von Twilight, und nach kurzem Zögern erwiderte diese die Zuneigungsbekundung. Ich sah kurz zu den anderen Ponys: ihren Gesichtern nach hatten auch sie noch nie eine derart persönliche Geste ihrer Prinzessin gesehen, und ich vermutete, daß sie damit nicht allein waren - vielmehr waren wir offenbar die ersten seit werweißwievielen Jahrhunderten, die eine so offene und persönliche Celestia, die die Maske der zwar freundlichen, aber dennoch recht unnahbaren Herrscherin für den Moment gesenkt hatte, auch nur zu Gesicht bekamen. "Ich... ein Alicorn... aber... sagt mal... Alicorns... leben doch... Jahrhunderte?!", überlegte Twilight, und man brauchte nicht viel Phantasie, um das neuerliche Entsetzen in ihrer Stimme, als sie den Gedanken zu Ende dachte, zu erkennen. Celestia, die sich inzwischen wieder erhoben hatte, wandte den Blick ab, und auch Luna schaffte es nicht, Twilights Blick standzuhalten, bevor sie betreten zu Boden sah - für das Zurechtkommen mit der plötzlichen Erkenntnis, daß Twilight ihre Freundinnen um Jahrhunderte, wenn nicht gar Jahrtausende überleben würde, hatten offenbar selbst diese uralten Wesen noch kein Patentrezept gefunden. "Ich will aber nichts Besseres sein als meine Freundinnen! Ich will nicht ewig leben, nein, nicht ewig leben müssen, erst recht nicht, nachdem ich durch euch, meine Freundinnen, gelernt habe, was Freundschaft ist und wie wichtig sie mir ist... wie wichtig ihr mir geworden seid... warum soll ich dann jetzt auf einmal ewig alt werden müssen? Das ist... unfair! Bitte, Hoheiten, tut mir das nicht an..." Ihre Stimme verlor sich. "Twilight... es hat keinen Sinn, sich gegen die Natur stemmen zu wollen, die Naturgesetze wirken unabhängig vom Willen von uns Ponys. Magie hin oder her, damit nutzen wir die Naturgesetze nur aus, aber wir können sie nicht verändern. Und auch Alicorns sind nicht wirklich unsterblich - irgendwann, in ferner Zukunft, in vielleicht fünfzig- oder achtzigtausend Jahren, gehen selbst wir den Weg allen Irdischens. Und du mußt nichts Besseres sein als deine Freundinnen... wie du mit den Ponys in deiner Umgebung umgehst, bleibt nach wie vor dir überlassen." Hilfesuchend sah das violette Unicorn - das Alicorn, verbesserte ich mich in Gedanken selbst - zu den anderen Ponys, die offenbar sehr wohl spürten, welch gewaltiger Sturm einander widerstrebender Gefühle in Twilight toben mußte. Applejack, die die Szene aus großen grünen Augen verfolgt hatte, fand als erstes die Fassung wieder und trottete zu ihrer Freundin hinüber, um einen Vorderhuf um ihren Hals zu legen und ihr Gesicht an das von Twilight zu schmiegen. "Also, wenns nach mir geht, kannste gerne uns're Twily bleibn... ich bin gerne bereit, dich genauso weiterhin zu sehn wie bisher auch. Für mich mußte keine Prinzessin sein oder so, un' ich wär gerne weiterhin deine Freundin." "Ich auch! - Und auch wenn du dann irgendwann deine Flügel bekommst, macht das doch nichts - dann können wir zusammen eine Runde fliegen! Oder ich kann dir zeigen, wie man mit den Dingern richtig umgeht!" Die Worte kamen von Rainbow, die neben Twilight geflogen war und sie mit dem Flügel umarmte. "Nun - ich bin zwar mit Sicherheit kein Alicorn, aber auch wenn du eines bist und sogar Prinzessin bist, muß sich zwischen uns nichts ändern, wir können weiterhin gerne zusammen unsere Spa-Nachmittage haben, wenn du willst - und ich wollte schon immer mal neue Schnittmuster für Alicorns entwerfen, wenn es mir gestattet ist", kommentierte Rarity die Entwicklung. "Naja, auch für mich kannst du Twilight bleiben... wenn es dir nichts ausmacht. Auch ich muß kein anderes Pony in dir sehen als bisher", meldete sich Fluttershy zu Wort. "Meine liebe Twilight - ich wußte schon immer, daß du etwas Besonderes bist, zu mehr berufen als nur der Bibliothekarin. Meinen aufrichtigen Glückwunsch!" Spike salutierte vor dem Pony, dessen Magie ihn einst hatte aus seinem Ei schlüpfen lassen. "Außerdem, das muß ich ehrlich sagen: ich hatte immer Bedenken, daß ich dich irgendwann überleben würde, deshalb freut es mich sogar, jetzt zu wissen, daß das nicht so bald passiert. Nichts für ungut, Mädels - aber wir Drachen leben ebenfalls Tausende von Jahren, und ich bin nun mal mit Twily auf eine besondere Art verbunden." Er sah verständnisheischend zu den Ponys, hatte aber zumindest von Pinkie nichts zu befürchten. "Das ruft nach einer Twilight-wird-Prinzessin-Party! Yuuiiii! Das wird sicher ein Spaß! Wollen wir dazu auch die Menschen einladen? Also deine Prinzessinnen-Party als erste gemeinsame Party mit den Menschen?" Sie registrierte die verständnislosen Blicke und Gesichtsausdrücke (wenngleich sich bei Celestia eine leise Spur Erheiterung in die trübe Ernsthaftigkeit mischte, wie ich sehr wohl bemerkte) und hielt inne. "Oh. Naja... eine Party läuft ja nicht weg... die kann man immer noch feiern, mit oder ohne Menschen... aber gefeiert wird, Twilight, das ist ein großes Pinkie-Ehrenwort-Versprechen!" "Das bringt uns aber wieder zu unserer aktuellen Lage zurück, Pinkie... vielleicht sollten wir uns erst einmal wieder darum kümmern." Twilight fand offenbar langsam ihre Fassung wieder - zumindest oberflächlich. "Ich gebe offen zu, daß ich nicht darauf vorbereitet bin, eine Prinzessin zu sein. Bitte, Hoheiten, sagt mir: was muß ich tun? Muß ich nach Canterlot zurückgehen? Bin ich jetzt etwa...", sie schluckte, "für ganz Equestria verantwortlich?" Celestia lächelte, aber ihr Blick blieb ernst. "Nein, Prinzessin. Eure Aufgabe, weswegen ich Euch Euren Status offenbart und Eure Ernennung zur Prinzessin verkündet habe, ist vorerst nur die Unterstützung von mir und meiner Schwester, um die entsprechenden offiziellen Bekanntmachungen werde ich mich nachher gleich noch kümmern. Wir - Equestria - braucht Euch genau da, wo Ihr seid: hier in Ponyville. Hier werdet Ihr uns ab sofort auch offiziell vertreten, Ihr entscheidet, was hier geschieht, Ihr führt hier die Ponys, Ihr habt hier völlig freie Hufe. Um die normalen Alltagsgeschäfte in Canterlot braucht Ihr Euch nicht bemühen, diese lassen wir, sofern sie nicht wirklich dringlich und unabdingbar sind, ruhen, und übertragen sie anderenfalls unseren Verwaltungsponys vor Ort. Ihr werdet uns unterstützen, indem Ihr uns die Pflicht abnehmt, hier in Ponyville am Ort des Tores präsent sein zu müssen, damit wir uns um die immer wieder auftretenden instabilen anderen Tore kümmern können. Abgesehen davon, daß Ihr unseren Segen und unsere Bestätigungen nicht länger braucht, ändert sich für Euch also vorerst nichts, Prinzessin - und über eine Ausweitung und Erweiterung Eures Aufgabengebietes wird zu reden sein, wenn die Barrieren zwischen den Welten erfolgreich stabilisiert sind und keine Gefahr einer unerwünschten Weltenzusammenführung oder ungewollter Weltenübergänge mehr besteht." "Dann sollten wir vielleicht nicht nur den Ponys, sondern auch den Menschen verkünden, daß ich als Botschafter gewissermaßen eine neue lokale Dienstherrin habe", meldete ich mich zu Wort. "Glückwunsch übrigens - aber es stimmt: Feiern können wir später. Für den Moment schlage ich vor, daß Ihr, Celestia, und Ihr, Twilight, mit mir zur Botschaft kommt, um die aktuelle Entwicklung - natürlich nicht in allen Einzelheiten, sondern nur die Beförderung von Twilight zur lokalen Prinzessin und Entscheidungsträgerin - den Menschen zu verkünden." "Bitte... sag weiterhin Du zu mir", bat Twilight, die, als ich sie mit der förmlichen Anrede angesprochen hatte, schmerzhaft zusammengezuckt war. Ich lächelte freundlich. "An mir soll es nicht liegen - aber du bist jetzt hier die Chefin, wenigstens habe ich es so verstanden. Also sollten wir dich den Menschen auch noch einmal so vorstellen." "Michael hat recht. Natürlich sollst du, Twilight, auch weiterhin an den Barrieren forschen, wie gesagt, im Grunde bleibt erst einmal alles so, wie es ist - nur daß du eben hier in Ponyville ab jetzt auch unsere Befugnisse hast. Bevor wir aber die Menschen informieren, noch zwei Dinge: zum einen überlassen wir es dir, ob und welchen Ponys du offenbarst, daß du ein Alicorn bist, zumindestens so lange, bis es durch das Hervortreten deiner Flügel offensichtlich wird. Zum anderen betonen wir nochmals: das Stabilisieren der Barrieren hat oberste Priorität, du kannst und sollst hierfür alles tun, was dir erforderlich erscheint, und hast mit deiner neuen Position hierfür auch alle Freiheiten, auch die, über andere Ponys zu bestimmen. Die entsprechende Information an die Ponygesellschaft gebe ich nachher direkt noch aus, wie schon gesagt. Luna und ich werden dir bei Bedarf weiterhin beratend zur Seite stehen, aber da wir möglicherweise nicht nur equestria-, sondern weltweit entstehende instabile Mini-Tore schließen und zumindest im Auge behalten müssen, können wir das nicht mehr selbst übernehmen. Ich hoffe, du verstehst das." Twilight nickte nur wortlos, innerlich offenbar noch immer zerrissen. Celestia, die sich emotional längst wieder gefangen hatte, setzte einen herrschaftlichen Gesichtsausdruck auf. "Gut. Als Zeichen deines Status ist es wohl angemessen, wenigstens bei offiziellen Anlässen wie deiner Vorstellung gegenüber der Menschenwelt, deine Krone des Elements der Magie zu tragen - es ist dieselbe wie bisher, es ist also keine Umgewöhnung erforderlich." Twilight gehorchte automatisch. Ihr Horn begann, lila zu schimmern, und aus einer sich selbst öffnenden Truhe, in der sie offenbar die Symbole der Elemente der Harmonie aufbewahrte, kam ihr Kopfputz herangeschwebt und landete paßgenau auf ihrer Stirn. "Dann sollten wir nun die Menschen informieren, wie Michael es empfohlen hat. Luna, wirst du - was... Oh nein. Nicht schon wieder." Weiter kam Celestia nicht, denn Luna hatte die Augen geschlossen, und ihr Horn schimmerte magisch - allerdings nicht in Königsblau, wie ich es kannte, sondern in einem ungesund wirkenden, mit Grau vermischten Grün. Die Erscheinung verging nach wenigen Sekunden, und Luna öffnete die Augen. " Es tut mir leid, aber ich habe -" " - eine Transmission, eine Meldung empfangen, ich habe es gesehen", unterbrach sie Celestia, nun hörbar entnervt. "Machen wir es kurz - wo, wie groß, stabil, noch da oder wieder weg?" "Pondorf bei Marelin, etwa Ponygröße, instabil, diffundabel in wechselndem Ausmaß, pulsierende Stärke, ungleichmäßig, noch da. In der Menschenwelt liegt dort wohl seltsamerweise ein See mitten in einem Wald, also keine Gefahr durch Menschen selbst. Wenn du willst, gehe ich voran und sehe mir die Sache schon einmal an, ich warte dann vor Ort auf dich." Da kein Widerspruch kam, schloß Luna die Augen, und nur Sekunden später schien ihr Körper sich von den Rändern her aufzulösen, zu faserigem, leuchtenden Nebel zu werden, um sich dann zu einer Kugel zu formen, die schwächer wurde und wiederum nur Sekunden später verschwunden war, als hätte es sie nie gegeben. Celestia vergrub in einer Geste, die sie sich wahrscheinlich nie in Gegenwart eines anderen Ponys außer vielleicht ihrer Schwester gestattet hatte, das Gesicht in ihrem linken Vorderhuf und schnaufte resigniert - trotz der Trostlosigkeit der Geste stellte sie offenbar einen enormen Vertrauensbeweis an uns dar, allein durch die Tatsache, daß sie sich die Herrscherin Equestrias überhaupt in unserer Gegenwart leistete. Offenbar sah sie Twilight und auch uns nun wirklich als zur Familie gehörig an - oder sie hatte einfach für den Moment jedes herrschaftliche Benehmen abgelegt und gestattete sich den Luxus, sich so zu benehmen wie ein normales Pony, das sie Lunas Darstellung nach vor Jahrhunderten gewesen war, bevor sie zur Prinzessin gemacht wurde. Ich erinnerte mich, schon einmal gedacht zu haben, daß es an der Spitze, in ihrer Region, meist sehr einsam sein mochte, und konnte mich nicht länger zurückhalten: mit einem Schritt war ich bei ihr, legte meine Arme um ihren Hals und zog sie an mich, während ich durch ihre Mähne strich - eine Mähne übrigens, die zwar immer noch in einem nicht vorhandenen Wind wehte, aber einiges von ihrer Strahlkraft und ihrem Funkeln verloren hatte und sichtlich stumpfer wirkte als gewöhnlich. "Prinzessin hin oder her... ich dachte schon nicht nur einmal, daß du dir manchmal wünschen würdest, ein Pony wie jedes andere zu sein... danke, daß du es bei uns bist, und laß mich dir versichern: wir alle hier, die wir hier im Raume sind, sind für dich da. Nicht nur für die Prinzessin, sondern auch für das Pony Celestia, genau wie für das Pony Luna, Alicorn hin oder her. Und danke... im Namen aller Ponys, ich denke, soviel kann ich sagen, dafür, daß ihr dieses Land so lange zum Wohle aller regiert und beschützt habt." "Danke, Mensch... ich wünschte, es gäbe mehr Momente, in denen ich einfach nur ich sein könnte... aber das ist nun einmal mein Los, genau wie das von wohl fast jedem Alicorn. Ein schwacher Trost ist es für mich, daß es Herrscherinnen in der Menschenwelt wohl manches Mal ähnlich ergeht, nach dem, was ich bisher gesehen habe... nun ja... ich bedaure nur, daß ich Twilight dieses Joch nicht ersparen kann, wenigstens noch nicht jetzt, aber gegen die Naturgesetze bin auch ich machtlos. Gehen wir... Twilight, wärst du so nett und kümmerst dich um den Transfer des Botschafters? Mich kostet es im Moment einfach zuviel Energie." Ich ließ das große Pony los, und es verschwand gleich darauf in einem Lichtblitz. Twilight sah mich mit undefinierbarem Gesichtsausdruck an, dann schloß auch sie die Augen, und einen violetten Lichtblitz später fand ich mich mit ihr und Celestia zusammen auf der Wiese vor dem Tor, vor meinem Schreibtisch. Ich trat heran und aktivierte das Notebook, um die Menschen über die aktuellen Entwicklungen zu informieren.