Kapitel 20: Besuch "Nein, nein und nochmal nein!" Ärgerlich stampfte Twilight bei jedem neuen Nein mit dem Vorderhuf auf den Boden ihrer Bibliothek und funkelte mich wütend an (sowohl im übertragenen Sinne mit den Augen als auch im wörtlichen Sinne mit ihrem Horn, aber immerhin brachte sie dankenswerterweise noch genug Selbstbeherrschung auf, um keinen Strahl aus konzentrierter Magie auf mich abzufeuern), aber ich spürte, daß ihr Zorn nicht wirklich mir galt, sondern allgemeiner Natur war. "Aber warum nur nicht? Du hast gehört, was Celestia und Luna gesagt haben: es soll alles getan werden, was nötig ist, um die Barrieren zwischen den Welten wieder zu stabilisieren, und du hast selber gesagt, daß die Magie eines Ponys nicht ausreicht. Daß nicht einmal drei Alicorns zusammen mächtig genug dafür sind, haben wir ja alle mit eigenen Augen gesehen, also ist es doch nur logisch, daß wir jetzt jedes einzelne auch nur halbwegs magisch begabte Unicorn von Equestria aufstöbern, alle zusammenbringen und ihr dann versucht, mit geballter Kraft eine Lösung zu finden. Du weißt, ich glaube tief in mir noch immer nicht wirklich an etwas Übersinnliches in eurer Magie, sondern bin überzeugt, daß ihr in Wahrheit meßbare vieldimensionale Felder erzeugt, und je mehr von denen zusammenkommen, desto besser, die sollten sich dann gegenseitig verstärken. Und auch wenn du inzwischen auch offiziell selber eine Prinzessin bist, dachte ich doch, daß Celestia nach wie vor die oberste Chefin hier ist, oder sehe ich das falsch?" Die Antwort bestand aus einem verärgerten Schnaufen. "Mag ja alles sein", kommentierte sie widerwillig und in einem Tonfall, der mir verriet, daß sie das, was ich soeben lang und breit ausgeführt hatte, sehr wohl selbst wußte und auf rationaler Ebene durchaus damit übereinstimmte. Allerdings gab es noch eine emotionale Ebene, und auf dieser existierte in dem fliederfarbenen magischen Pony offenbar ein Konflikt. "Warum Trixie? Warum ausgerechnet dieses Angeberpony? Du hast ja recht, wir brauchen jedes Unicorn, am besten noch jedes Alicorn, wenngleich ich auch verstehe, daß Cadence im Crystal Empire unabkömmlich ist, wenn dort im hohen Norden nicht sofort alles wieder im Polarwinter versinken soll, die Pegasi wären mit den natürlichen eisigen Gegebenheiten dort auf jeden Fall überfordert. Nur glaube ich nicht, daß es weitere unentdeckte Alicorns gibt, ich wußte ja bis gestern noch nicht mal selber, daß ich eines sein soll, und die Prinzessin hält garantiert seit Jahrhunderten nach weiteren Alicorns Ausschau. Ja, wir brauchen die Unicorns, die mehr können, als nur die Teetasse vom Tisch zu levitieren, aber wie bei Starswirls Bart kommst du ausgerechnet auf Trixie und bestehst auch noch darauf, sie ausfindig zu machen und in diese Sache, die sowieso schon unangenehm genug ist, mit einzubeziehen?" "Aha - darf ich daraus entnehmen, daß du mit Trixie ein persönliches Problem hast? Wußte ich bisher nicht... aber um die Frage zu beantworten: nach allem, was du und die anderen Ponys - vor allem die anderen Ponys - mir von ihr bisher erzählt haben, hat sie auch durchaus nicht völlig zu unterschätzende magische Kräfte. Gut, ihr mögt ihr, bevor ich hier erschienen bin, ihr Verstärker-Amulett abgenommen haben, aber auch so ist sie den Schilderungen nach durchaus mächtiger als, sagen wir mal, Rarity, bringt also stärkere Felder hervor - und genau das brauchen wir doch!" "Etwas Magie kann sie tatsächlich, muß sie sogar können", gab Twilight unwillig zu. "Dennoch - ich sage, wir wären besser ohne sie aufgehoben, immerhin kennst du sie nicht, jedenfalls nicht so wie ich. Auch wenn das arrogant klingt, aber ich hatte schon etwas mehr mit ihr zu tun als du." "Dann erklär mir doch wenigstens, warum sie dir so zuwider ist, daß du allein bei der Erwähnung ihres Namens anfängst, vor Ärger magisch zu glühen!" Die Reaktion bestand erneut aus einem aufgebrachten Schnaufen, bevor ich die Antwort bekam, die ich hören wollte. "Zuerst einmal ist Trixie nicht einmal ihr richtiger Name, erst recht nicht Die große und machtvolle Trixie, wie sie sich selber immer bezeichnet." Das Schimmern von Twilights Horn verstärkte sich. In einem der Regale hinter ihr begann eine magische Wolke zu leuchten und hüllte ein bestimmtes Buch ein, welches gleich darauf in meine Richtung schoß - es schwebte oder flog nicht einfach nur, wie es sonst bei Levitationszaubern üblich war, sondern kam herangesaust, verfehlte meinen Kopf nur äußerst knapp, blätterte sich im Flug auf und landete demonstrativ krachend in einer Staubwolke auf dem Tisch neben mir. "Kannst es selber lesen, wenn du willst, das hier ist das letzte Jahrbuch, in dem sie mit drin ist. Tríksolín Poníver Lulamoon, das ist ihr echter Name - für ein Pony sehr untypisch, das ist wohl richtig, die beiden Vornamen, die sie ja von ihren Eltern bekommen hat, sind sehr alte Namen, die stammen aus Starswirls Zeiten oder sogar noch davor - und in unserer Mythologie tauchen sie in Verbindung mit hochmagischen Ponys auf." Sie verdrehte die Augen. "Ihre Eltern wollten ihr wohl unbedingt eine magische Karriere vorausbestimmen mit diesen Namen, und anscheinend hat wenigstens das geklappt, wenngleich es auch von einem gewissen Größenwahn zeugt - naja, der Apfel fällt wohl nicht weit vom... ähm, ja, Baum." Sie schüttelte ihre Mähne, und sie hatte wohl bemerkt, daß mir ihr Zögern keineswegs entgangen war - offenbar hatte sie einen etwas anderen Vergleich anbringen wollen, sich aber im letzten Moment anders besonnen, und ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen - was mir einen weiteren giftigen Blick eintrug. "Nein, zu derlei Wortspielereien und Vergleichen lasse ich mich nicht herab", kommentierte sie kühl. "Aber weiter. Eine gewisse magische Begabung ist bei Tríksolín auf jeden Fall gegeben, denn auch Celestia wurde auf sie aufmerksam - sie ist etwa so alt wie ich, und wir waren beide im magischen Kindergarten der Prinzessin, nur in verschiedenen Gruppen. Schon damals fiel sie fast allen anderen außer einigen Speichelleckerponys durch ihre Arroganz und Einbildung auf - wohlgemerkt zu einer Zeit, als wir noch Fillys waren. Später, in der Schule für begabte Unicorns, drehte sie immer mehr ab und gab sich selber schließlich die Bezeichnung Die große und machtvolle Trixie. Gab überall furchtbar mit ihrer Magie an, obwohl ihre Noten nur Durchschnitt waren - was freilich immer noch besser ist als die Magie der meisten Unicorns, immerhin werden die wenigsten an diese Schule gerufen. Celestia schaut schon sehr früh oder läßt schauen und sich berichten, welche Unicorns durch außergewöhnlich starke Magie auffallen, die eben über die normalen eher schwachen Levitationszauber hinausgeht - das soll keine Abwertung sein, wenn ich mir zum Beispiel unsere Rarity ansehe, was sie mit ihren Kräften alles kann, bin ich immer wieder beeindruckt, aber das ist eben ein spezielles Talent und eher hufwerkliches Können, weniger reine Magie, deshalb wäre sie auch nie an diese Schule gekommen. Ponys, die dorthin gerufen werden, können schon mehr Magie, wie gesagt, was dort dann entsprechend entwickelt wird... so auch bei Tríksolín. Allerdings war das Lernen von Zaubern ihre Sache nicht, das eigenständige Entwickeln schon gleich recht nicht - sie lernte ein paar Showeffekte, kupferte hier und da ein paar Tricks ab und hat diese wohl auch zugegeben etwas verfeinert, aber von echter Magie, gar dem Entwickeln neuer Zauber, ist das noch recht weit entfernt. Das ist auch den Lehrern nicht verborgen geblieben, daß sie eben eher eine Blenderin ist... an sich wäre das ja noch nicht weiter schlimm, wenn sie es nicht permanent als echte Magie verkaufen würde und regelrecht darauf setzt, ahnungslose Ponys für dumm zu verkaufen." Twilight schnaufte erneut, offenbar hatte sie sich richtig in Rage geredet. "Um die Geschichte abzukürzen: nach nur zwei Jahren an Celestias Schule für begabte Unicorns ließen ihre tatsächlichen Leistungen immer mehr nach, sie brachte auch keinen besonderen Lerneifer auf, also ging sie von der Schule ab - und schlägt sich seither als Showpony durch. Den Rest kennst du ja, das haben sie in der Menschenwelt ganz gut dargestellt - nur mit dem kleinen Unterschied, daß ich sie bei ihrem ersten Besuch hier in Ponyville vor etwa drei Jahren sofort erkannt habe, aber ich wollte mich zurückhalten, so gut es nur ging. Es ging nicht, aber das weißt du ja selber - jedenfalls wußte ich, welches Pony ich vor mir hatte, und sie wußte es umgekehrt ebenfalls. Kunststück... Wettbewerbe an der Schule habe ich bereits damals immer gewonnen, deshalb kam auch kaum ein Schüler um mein Bild herum. Mir was das eher unangenehm, ich wollte nicht mit meinem Können angeben oder anderen zeigen, was ich kann und sie nicht, aber es war wohl unvermeidlich, daß ich an der Schule allgemein bekannt war - und das hat sie mir, soweit ich mitbekommen habe, schon damals herzlich übel genommen, daß ich im Rampenlicht stand, auch wenn ich das zehnmal nicht wollte, und sie eben nicht. Vielleicht kannst du dir ja jetzt vorstellen, daß wir nicht unbedingt die allerbesten Freundinnen sind... hier siehst du sie auch im Jahrbuch von Celestias Schule, im letzten, in dem sie noch mit dabei war, im Schuljahr darauf war sie bereits von der Schule verschwunden." Ich sah auf die aufgeschlagene Seite. Dort waren sämtliche Ponys einer bestimmten Klasse abgebildet, und unter ihren Fotos standen einige mehr oder minder statistische Daten wie Name, Geburtstag und ihr Herkunftsort. In Seitenmitte - ob das Zufall war oder von ihr beeinflußt, konnte ich nicht sagen - fand sich ein Bild eines strahlend blauen Ponys mit hellblauer Mähne und violetten Augen. In ihrem Blick konnte ich tatsächlich einen gewissen Hochmut erkennen, und sie schien den Betrachter ihres Fotos abschätzig und gleichzeitig belustigt zu mustern. Darunter fanden sich lediglich ihr voller und korrekter Name (nicht ihr selbstgewählter Künstername, unter dem sie offenbar bekannt sein wollte), ihr Geburtsdatum und der Vermerk, daß ihre Eltern in Maredon-upon-Equyne lebten - wenn ich mich dessen, was ich bisher über Equestria gelernt hatte, recht entstann, gehörte dieser Ort tatsächlich zu den ältesten Besiedlungen und war lange vor den heute bekannten großen Städten, vor Ponyville und selbst eine geraume Zeit vor Canterlot entstanden. "Aber hat sie sich nicht nach dem verlorenen Duell, nachdem ihr ihr das Alicorn-Amulett abgenommen hattet, entschuldigt und ihre Taten bedauert?" "Schon recht, das hat sie... aber wohl eher halbherzig. Oder übertrieben theatralisch, je nach dem, ob du meinst, was sie in Wahrheit gemeint oder was sie zur Schau gestellt hat... immerhin, das Feuerwerk, welches sie daraufhin ausgerichtet hat, war gut, das muß ich ihr lassen, Talent zum Showpony hat sie ja. Aber sie deshalb jetzt gleich mit zu dieser wichtigen Mission holen? Nein, ich bin dagegen." "Nun ja... ich beziehe mich nur darauf, was Celestia gesagt hat, und das war sinngemäß, daß alle Ressourcen und alle Ponys hierfür als verfügbar anzusehen sind, und ich bleibe dabei: je mehr Magie, desto besser, desto eher sollten wir die Barrieren stabilisieren können. Und ich bin sicher, daß persönliche Animositäten angesichts einer globalen Aufgabe keine Rolle spielen sollten - leicht gesagt, ich weiß, aber ich bin mir auch sicher, daß Ponys dazu in der Lage sein dürften. Und Celestia hat dir sicher nicht umsonst offenbart, was du in Wirklichkeit bist - und als Anführerin solltest du doch gerade in einer solchen Situation mit gutem Beispiel vorangehen, oder sehe ich das falsch?" Die neuerliche Erwähnung des Namens ihrer Mentorin ließ Twilight für einen Moment in einer Mischung aus Resignation und zusammenbrechendem Widerstand die Augen schließen. "Also gut - du hast gewonnen, Botschafter, auch wenn ich diese Entscheidung nach wie vor für falsch halte. Ich lasse Spike Tríksolín mit auf die Liste der Unicorns setzen, die wir zusammentrommeln wollen, und hoffe mal, daß wir sie ausfindig machen können - aber möglicherweise macht auch viel eher sie uns vorher ausfindig, wenn sie erfährt, daß die Kraft möglichst vieler Unicorns gebraucht wird. Zufrieden?" "Ja, ich bin zufrieden. Allerdings tust du den Gefallen nicht in erster Linie mir, sondern wohl eher Equestria." "Auch recht... und natürlich hast du recht, das Wohl unseres Landes sollte über persönlichen Befindlichkeiten stehen." "Sehr schön. Wenn dann hier alles erledigt ist, sollten wir aufbrechen zur Botschaft - sicher macht es nicht den schlechtesten Eindruck, wenn die örtliche Regentin zur Begrüßung selbst erscheint." "Geh ruhig schon immer mal vor. Ich muß Spike noch die Liste diktieren, ihm seine Instruktionen geben und mich dann noch entsprechend meiner neuen Funktion herrichten - warum, Celestia, warum... aber ich habe noch vor keiner Aufgabe gekniffen und werde auch jetzt nicht damit anfangen." Damit begab ich mich auf den Weg zur Botschaft - wir waren im Laufe des gestrigen Tages dazu übergegangen, meinen unter freiem Himmel stehenden Schreibtisch mit der Computerverbindung in die Welt der Menschen, der noch immer unverändert auf der Wiese im nicht mehr aktiv genutzten Teil von Applejacks Farm direkt beim Tor stand, so zu nennen. Zwar wäre mir nicht bekannt gewesen, ob es anderswo jemals noch eine Freiluft-Botschaft gegeben hätte, und ich konnte auch nicht mit offiziellen Stempeln, Pässen oder Ähnlichem aufwarten, dennoch erschien mir die Bezeichnung irgendwie passend. Eine Wetterverschlechterung, die mir meine Botschaft unter Wasser gesetzt hätte, war ohnehin nicht zu befürchten - das Thema hatte ich gestern mit Rainbow besprochen, weil ich sicher gehen wollte, nicht die mir zur Verfügung gestellte Technik durch einen plötzlichen Regenguß zu ruinieren. "Ist kein Problem, aktuell ist kein Regen in der Gegend um Ponyville geplant, und wenn, weiß ich ja, wo das Tor ist - und ich werde keine Pegasi zum Tor oder in seine Nähe schicken, nur um es dort regnen zu lassen, die Zone dort ist erstmal ausgeklammert aus allen Planungen, dort finden vorerst überhaupt keine Niederschlags-Witterungen statt", hatte sie mir erklärt. Ebenfalls im Laufe des gestrigen Tages waren wir Bewohner von Equestria (ich zählte mich selbstverständlich dazu) mit General Holzberg übereingekommen, daß dieser heute zu einem ersten persönlichen Besuch herüberkommen sollte, und hatten auch gleich einen Zeitpunkt vereinbart, der nun nur noch wenige Minuten entfernt war. Die Initiative dazu war von den Menschen ausgegangen: Holzberg und zwei Soldaten, die ihn begleiten würden, wollten sich persönlich ein Bild der Lage vor Ort machen und dann eventuell grünes Licht für Wissenschaftlerteams geben, die die Anomalie von beiden Seiten untersuchen sollten. Die Forschungen auf der Seite der Menschenwelt hatten bisher keine bahnbrechenden Erkenntnisse ergeben, und sowohl Ponys als auch Menschen hatten einsehen müssen, daß mit isolierten Forschungen nur auf jeweils einer Seite der Barrieren nicht das nötige Wissen zustande kommen würden, um die Stabilität der natürlichen Trennung beider Universen wiederherzustellen. Menschen konnten in Equestria ohne Schutzanzüge problemlos überleben, dafür war ich der beste Beweis - ich hatte eigens darauf hingewiesen, daß für einen Besuch auf dieser Seite des Tores keine besonderen Schutzkleidungen erforderlich waren und ich es gern sehen würde, wenn die Menschen sich hier nicht hinter -zig Lagen Kunststoff verbarrikadieren würden, und Holzberg hatte zugestimmt, auch mit der Begründung, daß ein Arbeiten in Zodiak-Schutzanzügen für die Wissenschaftler wenig praktikabel wäre. Die Ponys hatten dem Besuch des Generals zugestimmt, solange er gewaltfrei blieb, und zwar keinerlei Abschreckungs- oder Drohkulissen aufgebaut, aber ich hatte durchblicken lassen, daß es vernünftiger war, keine Invasionsarmee zu schicken - auch ohne Maschinengewehre oder lasergesteuerte Präzsionswaffen würden sich die Ponys im Ernstfall zu wehren wissen, und natürlich wurde das Tor auf equestrianischer Seite unverändert von Mitgliedern der royalen Garden unter dem Kommando von Shining Armor bewacht. Am Tor wurde ich bereits erwartet: Applejack und Rainbow Dash standen an meinem Schreibtisch vor dem Computer und beäugten ihn interessiert - allerdings war er in den Standby-Modus geschaltet, und ohne Finger wäre es für die beiden Ponys schwierig geworden, ihn wieder zu aktivieren. Aber selbst wenn sie es gekonnt hätten, glaubte ich nicht, daß sie es tatsächlich getan hätten - wenigenstens bei Applejack war ich mir da recht sicher. Stattdessen hatten sich beide Ponys die Haare zurechtgemacht, offenbar waren sie der (durchaus berechtigten) Ansicht, daß für einen offiziellen Besuch ein entsprechendes Äußeres angemessen war. Zwar trugen sie keine Kleider, ihre Mähnen und Schweife waren aber eindeutig frisiert - da Rainbow mich dieses Mal nicht darum gebeten hatte, ihr Äußeres zu stylen, nahm ich an, daß beide Ponys sich gegenseitig hergerichtet hatten. "Hallo, ihr beiden", begrüßte ich sie. "Wollt ihr offizielles Empfangskomitee spielen?" "Du denkst doch wohl nicht, daß ich mir die Gelegenheit entgehen lasse, einen leibhaftigen General aus deiner Welt als erstes Pony hier persönlich zu begrüßen?", strahlte mich Rainbow an. Ihre Freundin verdrehte die Augen, aber sie lächelte dabei. "Ich dacht eig'ntlich immer, du wärst fürs Wetter zuständig, aber scheinbar haste wieder 'n and'res Pony gefundn, das dir die Arbeit macht. Aber ich brauch ja nich' zu redn - ich hab mich ja auch freigestrampelt, aber ich kanns auch begründn: immerhin is' das Tor auf meinem Gelände, euer General kommt also automatisch auch mich besuchn, ob das nu' offizieller Programmbestandteil is' oder nich'." "Gibs doch zu, du willst nur ebenfalls gleich mal sehen, wie so ein General aussieht und wie er so ist", frotzelte Rainbow. "Außerdem gehört die Farm doch euch allen, also müßten zumindest Granny Smith, Mac und Applebloom auch anwesend sein, wenn es um eine offizielle Begrüßung wegen Geländeeigentum der Apple-Familie geht. Und was das Wetter angeht: viel ist heute nicht zu machen, das schaffen Cloud Kicker und Medley auch allein, da brauch ich nicht nebenher fliegen." "Naja, weißte... is' ja schön, daß die beidn deine Arbeit machn, un' hast ja recht, du machst ja sonst auch genug. Un' meine Familie: Granny is' schlicht der Weg hier raus zu weit un' beschwerlich, wird ja nich' besser mit ihrer Hüfte, außerdem kriegt'se schon noch früh genug mit, was'se wissn muß, hat'se gesagt. Mac hält nich' viel von offiziellen Anlässn aller Art, er geht lieber arbeitn, un' Applebloom is' in der Schule - wär auch unfair geg'nüber den andern' Ponys aus ihrer Klasse gewesn, wenn ich'se heute da rausgeholt hätt. Außerdem isses ja nur ein erster Besuch vom General, da braucht ja nich' gleich ganz Ponyville hier anzutrabn. Wär bloß schön, wenn Twilight käm, wo'se jetzt doch uns're lokale Prinzessin is'?" "Eigentlich sollte sie jeden -", begann ich, nur um wie aufs Stichwort von einem lilafarbigen Blitz unterbrochen zu werden, und das magische Pony in der zugehörigen Farbe erschien in unserer Mitte. Auch sie hatte sich noch etwas zurechtgemacht: ihre Haare glänzten und waren, wenn auch die Frisur dieselbe geblieben war, hergerichtet worden, und sie hatte auch nicht vergessen, ihre Krone aufzusetzen - die sie gestern, kaum daß Celestia uns verlassen hatte, wieder abgesetzt und in der Truhe, in der auch die restlichen Symbole der Elemente der Harmonie lagerten, hatte verschwinden lassen. "Ich hoffe, ich bin noch nicht zu spät, aber es ging einfach nicht schneller... wenn ich schon nicht nur die Unicorns organisieren, sondern auch noch hier repräsentieren soll." "Keine Sorge. Sieht so aus, als wärst du ganz genau pünktlich", kommentierte ich mit einer entsprechenden Geste in Richtung Menschenwelt. Dort begab sich die Delegation, die uns besuchen wollte, soeben auf den Weg. Angeführt wurde sie von einem schon etwas älteren Mann, in dem ich sofort den General vermutete, und bestand außer ihm nur aus den versprochenen beiden Soldaten. Alle drei Militärs trugen Dienstanzüge, die beiden Soldaten allerdings zusätzlich jeder ein Sturmgewehr - aber ich hatte die feste Absicht, mich davon zunächst nicht stören zu lassen, immerhin konnten sie noch nicht mit letzter Sicherheit sagen, was sie hier erwarten würde. Die drei Menschen marschierten zielstrebig auf das Tor zu. "Vielleicht sollten wir ihnen ein Stück entgegengehen, Prinzessin. Es sieht immer besser aus, wenn man seinen Besuch begrüßen geht, anstatt ihn antraben zu lassen wie einen Bittsteller", überlegte ich und machte eine einladende Handbewegung für Twilight. Wir taten das, was ich empfohlen hatte, und gingen einige Schritte auf das Tor zu - und ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, daß Rainbow und Applejack hinter uns dasselbe taten. Die Menschen erreichten das Tor, zögerten einen winzigen Augenblick - und schritten dann hinein. Offenbar geschah dabei nichts, was sie irgendwie hätten spüren können, denn sie liefen unbeirrt einfach weiter. Shining Armor hatte seinen magischen Schutzschild nach der Erstkontaktaufnahme auf meine ausdrückliche Bitte hin nicht wieder aktiviert (ich wollte damit Offenheit und Vertrauen signalisieren), so daß die drei Armeeangehörigen ohne Schwierigkeiten als erste Menschen nach mir Equestria betreten konnten. Wir trafen uns auf halber Strecke zwischen der Botschaft und dem Tor, und ich sah den General nun zum ersten Mal genauer: er mochte um die fünfzig sein, war mittelgroß und hatte bereits deutlich mehr Grau als Schwarz in seinen Haaren, wirkte aber dessen völlig unbeschadet entschlossen, durchtrainiert und fit, und in seinem Gesicht las ich einen wachen Geist - auch wenn all das, was er soeben erlebte, wohl noch immer gegen sein Weltbild gehen mochte, aber offenbar war er in der Lage, Tatsachen, die er mit eigenen Augen sah und mit eigenen Sinnen registrierte, als solche anzuerkennen. Auf den Schulterklappen seiner Uniformjacke prangten jeweils gleich vier goldene Sterne, und auch ohne selbst je bei einer Armee gewesen zu sein, wußte ich damit, daß ich einen Vertreter des höchsten Dienstgrades überhaupt vor mir hatte. Zu seinen Begleitern gab es nicht viel zu sagen: sie waren natürlich deutlich jünger als er, ich schätzte sie auf Anfang Zwanzig, und wiesen keine besonderen Augenfälligkeiten auf. Twilight trat einen Schritt vor. "General Holzberg - es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, Sie und Ihre Begleiter in Equestria willkommen zu heißen." Mit einer Mischung aus Verwirrung und ungläubigem Erstaunen - scheinbar hatte er es sich nicht wirklich vorstellen können, mit einem pastellbunten vierbeinigen Lebewesen zu sprechen - sah Holzberg zu Twilight herab, um dann mich anzusehen, aber ich deutete mit dem Kopf nur auf das noch flügellose Alicorn. "Nun - vielen Dank... Prinzessin Twilight Sparkle? Ich bin vielleicht im Moment etwas ungeschickt, aber einen Erstkontakt mit einer bisher unbekannten Spezies hatte ich noch nie. Also... guten Tag... oder wie begrüßt man sich hier?" Fragend sah er nun doch wieder zu mir. "'Guten Tag' ist schon richtig, General. Man gibt sich hier nur nicht die Hand, da die Ponys ja keine Hände haben - stattdessen berührt man sich mit den Hufen. Das sieht dann etwa so aus wie die Geste, die einer Ihrer Begleiter gerade andeutete... genau." Einer der beiden Soldaten hatte seine zu einer lockeren Faust geballte Hand, die nun einen Vorderhuf imitierte, vorgestreckt, und ich beantwortete die Geste in derselben Art. "Brohoof... Sie haben mir also keinen Mist erzählt, Stabsfeldwebel Erpensberger. Bemerkenswert... also nochmal von vorn: Guten Tag, Prinzessin Twilight Sparkle." Holzberg ging in die Knie, um in die richtige Höhe zu kommen, und hielt seine entsprechend zur Faust geballte Hand Twilight hin, die die Geste erwiderte. Dann stand er wieder auf und reichte mir die Hand auf herkömmliche Menschenweise. "Und guten Tag auch, Botschafter. Interessant, Sie persönlich kennenzulernen. Darf ich an dieser Stelle meine Begleiter vorstellen: Stabsfeldwebel Donnic Erpensberger und Oberstabsgefreiter Alexander Winter. Sie haben ja empfohlen, ich sollte nach sogenannten Military Bronies Ausschau halten... ich wußte bisher nicht einmal, daß es so etwas überhaupt gibt, aber diese beiden hier fallen wohl in diese Kategorie. Sie haben mir bereits eine kleine Einweisung gegeben und sind, was das Pony-Thema hier angeht, meine derzeitigen Berater. Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: sie sind nach wie vor auch ausgebildete und einsatzbereite Soldaten - nur damit niemand hier auf dumme oder falsche Gedanken kommt." "Kein Problem, General. Im Gegenteil freue ich mich, daß Sie in Ihrer Einheit Military Bronies gefunden haben - das dürfte unsere Beziehungen doch erheblich vereinfachen. - Und auch wenn ich nur der Botschafter bin und Twilight Sparkle hier eigentlich die lokale Herrscherin und damit ranghöher sein dürfte als ich, bin ich so frei, die Vorstellung zu übernehmen: Twilight Sparkle, von Prinzessin Celestia für Ponyville eingesetzte Regentin; Rainbow Dash, Fliegerin und Abteilungsleiterin des örtlichen Wetterdienstes, und Applejack, Eigentümerin der größten Apfel- und Landwirtschaftsfarm hier in der Gegend; auf ihrem Grund und Boden stehen wir gerade." "Sehr erfreut... ungewohnt, aber sehr erfreut. Wenn ich eine Bitte äußern darf: ich würde gern den tapferen kleinen Hengst besuchen, auf den unglücklicherweise mit Betäubungspfeilen geschossen wurde, und ihn um Entschuldigung für diesen Angriff bitten." "Sehr gern, General. Soweit ich weiß, befindet er sich noch im Hospital von Ponyville. Ich hatte ohnehin an einen Rundgang durch Ponyville gedacht, da bietet sich dieser Besuch gleich an." "Vielen Dank. Und noch eine Bitte: meine beiden Kameraden hier haben angefragt, ob sie auch mit den Ponys sprechen können... es liegt ihnen wohl recht viel daran. Und da wir hier ja nicht mehr im Camp sind, hätte ich auch nichts dagegen... wenn nicht die ponyanische Etikette dagegen spricht." Twilight lächelte. "Durchaus nicht. Fühlt euch frei, ganz normal mit uns zu reden - wir beißen und treten nicht. Und auch wir können ganz normal reden, stimmts, Mädels?" "Aber immer! Hallo, General! Ich freue mich wirklich, mal einen echten General persönlich treffen zu dürfen! Wir hatten ja schon am Telefon kurz miteinander gesprochen, aber da hatten Sie keine Zeit. Schön, Sie mal persönlich zu begrüßen!", sprudelte Rainbow aufgeregt hervor. Sie konnte sich nicht mehr länger auf dem Boden halten, hob ab und flatterte begeistert vor uns her. "Rainbow Dash... das legendäre Hochgeschwindigkeitspony", ließ sich Winter vernehmen. "Erreichst du wirklich Schallgeschwindigkeit?" "Klar! Locker sogar! Wollt ihr mal sehen?" Rainbow setzte dazu an, loszuzischen, aber sie hatte die Rechnung ohne Applejack gemacht: diese packte mit ihren Zähnen gedanken- und blitzesschnell Rainbows Schweif und hielt sie damit fest. Sie ließ erst los, als sie sicher sein konnte, daß Rainbow die Botschaft verstanden hatte. "Haaaalt, Rainbow, nich' so schnell. Du weißt ja, daß das Tor-Dingens hier irgendwie auch mit durch den Überschallknall entstanden is' - ich würd' erstma' empfehln, bis wir wissn, wie genau das alles zusamm'hängt, keine weiteren Rainbooms vorzuführn, auch wenn dir das noch so viel Spaß macht." "Oooch, schade... aber stimmt, hast ja recht. Aber zumindest halbe Schallgeschwindigkeit sollte doch kein Problem sein? Aufgepaßt!" Damit startete sie, dieses Mal ungehindert, in einem flachen Winkel nach oben, regenbogenfarbige Streifen hinter sich herziehend. Sie flog eine elegante Schleife von insgesamt vielleicht fünf Kilometern Länge und kam folgerichtig nach etwa einer halben Minute wieder bei uns an. "Naja, war zwar nur ein kleiner Flug, aber besser als nichts... hat es Ihnen gefallen, General? Und euch, Jungs?" Sie strahlte die Menschen an und erntete immerhin ein Lächeln des Generals und begeisterte Ausrufe der beiden jüngeren Soldaten. Unterdessen machten wir uns auf den Weg in Richtung Stadt. "Ich habe mich ein wenig mit dem aktuellen Problem beschäftigt. Twilight, du bist... ähm, ich meine, Sie sind... ich weiß nicht, wie ist eigentlich die korrekte Anrede?" "Laß dich von meiner Krone nicht stören - ich trage das Ding nur, weil Celestia es so wünscht und sie mich zur Prinzessin ernannt hat. Wir können ruhig beim Du bleiben, das wär mir angenehmer als irgendwelche Titelrunterbeterei." "Danke, Twilight... also... ich darf annehmen, daß du auch in Wahrheit eine Forscherin bist, so, wie du in der Serie immer dargestellt wirst?" "Völlig richtig." "Dann habe ich eine Frage: wieso benutzt ihr nicht einfach die Elemente der Harmonie, um das Tor hier wieder zu verschließen? Ich meine, wir haben gesehen, wie mächtig diese Dinger sind... ihr habt Nightmare Moon damit besiegt und Luna befreit, ihr habt Discord damit gebändigt... ich hätte nicht gedacht, mich jemals mit einem Lebewesen, welches das alles aus erster Hand mitgemacht hat, unterhalten zu können. Jedenfalls drängt sich zumindest mir da die Frage auf: warum nehmt ihr nicht die Elemente, um hier alles wieder in Ordnung zu bringen?" "Nach dem, was ich bisher gesehen und gehört habe, habe ich mir diese Frage auch bereits gestellt, ich hielt es allerdings für unpassend, mit der Tür ins Haus zu fallen. Aber was sagt Ihr zu der Idee, Prinzessin?", fügte Holzberg hinzu. Twilight seufzte. "Wenn das nur so einfach wäre... auch ich habe bereits darüber nachgedacht. Die Sache ist aber einfach die: die Elemente verkörpern ja bekanntlich bestimmte Tugenden. In beiden Fällen, in denen wir sie eingesetzt haben, hatten wir es mit Gegenspielern zu tun, die mindestens eine dieser Tugenden völlig ins Gegenteil verdreht hatten... nehmt als Beispiel mal die Großzügigkeit, die traf weder auf Discord und erst recht nicht auf Nightmare Moon zu. Oder die Ehrlichkeit... na gut, Nightmare Moon hat klar gesagt, was sie wollte, hat aber anschließend getrickst, geschummelt und gelogen, um uns zu behindern. Und Discord und Ehrlichkeit... da brauche ich wohl nicht weiterreden. Jedenfalls funktionieren die Elemente nur gegen Personen, Persönlichkeiten, die eben durch Mangel an Tugenden zur Bedrohung werden, und auch das nur, wenn sie überhaupt eingesetzt werden... aber sie funktionieren definitiv nicht gegen natürliche Ereignisse. Die Elemente zu nehmen war trotzdem meine allererste Idee, aber Prinzessin Celestia hat mir inzwischen bestätigt, daß die Elemente gegen ein Tor schlicht nicht funktionieren - wie überhaupt gegen keine Naturgewalt." "Damit wäre das geklärt... diese Elemente stellen also keine Option dar. Diese Information kann durchaus relevant sein, ich werde sie den Wissenschaftlern übermitteln. Aber da wir gerade von Prinzessin Celestia sprachen: wo ist sie überhaupt? Besteht die Möglichkeit, mit ihr ebenfalls zu sprechen? Immerhin ist sie ja sowas wie die Präsidentin, wenn ich das richtig verstanden habe." "Die Prinzessinnen sind beide unterwegs, überall in Equestria... sie versuchen, sporadisch auftretende instabile Tore zu finden und zu verschließen." Holzfeld blieb unvermittelt stehen. "Augenblick... soll das heißen, es gibt noch mehr solcher Übergänge zwischen unseren Welten?" "So sagten sie es uns gestern... diese Tore treten offenbar zufällig und unvorhersagbar auf, manche davon sollen winzig klein sein, andere groß genug für einen Durchgang, manche brechen sofort von alleine zusammen, andere müssen sie mit Magie verschließen. Darum wurde ich zur Prinzessin ernannt - weil die beiden Prinzessinnen eben nicht ständig hier sein können und ich sie gewissermaßen vertreten soll." "Verstehe... ja, da war eine entsprechende Passage in den Berichten über die Kommunikation zwischen unseren Welten, aber die hatte ich nicht richtig verstanden. Heißt das, daß solche... Tore, wie Sie sich ausdrücken... auch in unserer Welt existieren?" "Davon ist auszugehen. Und, wie ich bereits sagte: ihr Erscheinen und Verschwinden ist nicht vorhersagbar." "Gut, daß ich auch das erfahre", kommentierte Holzfeld grimmig. "Und ich gebe Ihnen allen recht: je eher wir das ganze Dings hier wieder verschließen und loswerden, desto besser für alle." Kurz darauf hatten wir das Hospital erreicht. Twilight erkundigte sich nach Beach Dreams Verbleib, bekam die nötigen Informationen, und wir fanden den gelben Erdhengst in einem Einzelzimmer, wo er bäuchlings auf dem Bett lag und in einem Buch las. Bei unserem Eintreten fuhr er herum - und war mit einem Satz aus dem Bett, als er die Invasion von sieben Lebewesen zweier unterschiedlicher Spezies in seinem Zimmer registrierte. Seine Augen huschten von einem zum anderen, aber er schien zu spüren, daß ihm keine Gefahr drohte - dennoch blieb er wachsam, aber das konnten auch antrainierte Reflexe sein, die er bei seinen Streifzügen durch den Everfree Forest brauchen würde. "Beach Dream... mein Name ist General Holzfeld", begann der General. "Ich bin der leitende Kommandant des Militärcamps in der Menschenwelt. Leider wurde mit Betäubungspfeilen auf dich geschossen. Das war nicht richtig, nicht mit mir abgestimmt und auch nicht von mir angeordnet - ich möchte dich hiermit im Namen des Militärs um Entschuldigung für diesen Vorfall bitten. Der für diese Aktion Verantwortliche, ein Major Schorgalla, wurde umgehend von mir abkommandiert und darf jetzt wieder seine Kaserne bewachen. Ich bedaure den Vorfall außerordentlich und hoffe, er hat... keine bleibenden Schäden bei dir hinterlassen." Holzfeld zögerte einen Moment, dann ging er in die Knie und streckte langsam seine zur Faust geballte Hand zum Gruß aus. Beach Dream lächelte - und erwiderte die Geste. "Ihr werdet also nicht wieder auf mich schießen?" "Solange ich hier etwas zu sagen habe: nein. Es gab auch keine Veranlassung für das Geballer... Schorgalla war da wohl leider sehr übereifrig. Wißt ihr, es gibt die Rules of Engagement, darin werden verschiedene Eskalationsstufen beschrieben - nach dem Anrufen mit der Aufforderung zum Stehenbleiben wären erstmal einige andere Stufen gekommen, inklusive Warnschüssen in die Luft, aber kein direktes Feuer. Schon das allein und die Tatsache, daß es bei einem Botengang völlig unnötig war, rechtfertigen die Abkommandierung des Majors." "Dann bin ich beruhigt... und mir geht es auch schon wieder viel besser, mir ist schon wieder richtig langweilig hier drin. Die wollen mich sicherheitshalber aber noch diese Nacht da behalten... zum Glück haben sie immer die neuesten Bände von Daring Do, da gibt es wenigstens was zum Schmökern. - Oh, und jetzt sehe ich ja erst, wer noch mit da ist: hallo, Alex! Schön, dich mal wiederzusehen!" "Was... DU bist das Pony aus dem Wald?!" "Na klar doch! Ich wohn ja hier! Aber daß du jetzt auch da bist... das ist schön, du bist nett, das weiß ich ja." "Entschuldigung, aber wovon redet ihr da gerade? Kennt ihr euch etwa?", schaltete sich Holzfeld wieder ein. "Aber sicher doch! Diese komischen Tore gibt es schon länger, ich habe bei meinen Streifzügen im Everfreee Forest immer wieder mal welche gefunden und bin auch hindurch gegangen, zum Glück bin ich immer noch rechtzeitig zurückgekommen, bevor sie wieder verschwunden sind - und bei einem dieser Ausflüge vor vielleicht zwei Jahren hab ich Alex und Daniel getroffen. Ist Daniel nicht mit hier?" "Nein, der wurde voriges Jahr abkommandiert." "Worum geht es hier eigentlich, Oberstabsgefreiter?", verlangte Holzfeld zu wissen. "Heißt das, was ich hier so höre, etwa, daß schon einmal ein Pony in unserer Welt war und Sie Kontakt hatten?" "General - Gefreiter Haferkorn und ich waren bei einer Übung auf Streife im Wald, als wir diesem Pony begegneten. Es stellte keine Gefahr dar, und wir konnten uns gut mit ihm unterhalten. Der Gefreite Haferkorn ist auch ein Military Brony, deshalb war das ein nettes zufälliges Treffen... bis Beach Dream hier wieder zurück mußte, bevor sein Portal zusammengebrochen wäre. Wir haben allerdings keinen Bericht darüber verfaßt und den Kontakt nicht gemeldet, General - weil uns doch sowieso niemand geglaubt hätte. Und, ganz ehrlich: wir wollten weder zum Psychiater noch in die Klapse und auch unsere Laufbahnen nicht abrupt beenden - wenn ich das so deutlich sagen darf, General." "Hmmmm, da haben Sie allerdings nicht ganz unrecht... so betrachtet, was hätten Sie auch Sinnvolles schreiben sollen. Trotzdem, den Bericht holen Sie bitte nach, wenn das noch möglich ist - angesichts der aktuellen Entwicklungen will ich den bitte haben, ich schicke Sie dafür auch zu keinem Psychofritzen und auch nicht in den Bau, Sie haben mein Wort." "Jawohl, General!" "Du hast dir sogar meinen Namen gemerkt?", fragte Beach Dream, der interessiert zugehört hatte. Winter lächelte. "Aber freilich doch. Wann trifft man als Brony schon mal ein echtes Pony? Und Daniel und ich waren so frei, dich in unserer Welt zu zeichnen und deinen Namen zu verwenden. Es dachten ja sowieso alle, die davon überhaupt wissen, also einige zivile Bronies, daß du ein Original Character von uns wärst, ein OC, also ein Pony, das wir nur erfunden haben... war uns ganz recht, wir kannten ja die Wahrheit, aber brauchten niemandem weiter erklären, wie wir auf dich gekommen sind. Du warst sogar Maskottchen für eine Reihe von Treffen", bei den letzten Worten konnte sich der Soldat das Kichern nicht mehr verkneifen. Holzfeld bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht, aber in seinen Augen konnte ich die Erheiterung sehen. "Wenigstens etwas Lustiges und Erfreuliches an diesen Toren." Beach Dream sah ihn freundlich an. "Ja, die sind ganz nett - wenn man hindurchgehen kann. Nicht wie durch das hinter euch, da würd ich lieber nicht reingehen." Wir fuhren in einer einzigen synchronen Bewegung wie von der Tarantel gestochen herum und starrten auf die Wand. Oder vielmehr dahin, wo bis vor wenigen Minuten noch eine Wand gewesen war. Das verputzte und weiß tapezierte Mauerwerk war verschwunden. Das dahinterliegende Zimmer übrigens auch. Dort, wo sich eine Zwischenwand im Hospital von Ponyville und dahinter ein weiterer Raum befinden sollten, erstreckte sich ein graues, waberndes Leuchten, in dem immer wieder gräulich-grüne, ungesund aussehende Schemen auftauchten und genauso unregelmäßig, wie sie erschienen, wieder verschwanden. Das Tor nahm fast die gesamte Ausdehnung der bis dahin vorhandenen Wand ein. "Was zum -", entfuhr es Holzfeld. Winter hatte es völlig die Sprache verschlagen, und auch mich überraschte der Anblick des so plötzlich und warnungslos aufgetauchten großen Tores - mehr, als er es nach allem, was ich in den letzten Tagen gesehen und erlebt hatte, sollte. "Wollen doch mal sehen, was es mit diesen Dingern auf sich hat", meldete sich Erpensberger zu Wort. "Sie gestatten, General?" Ohne auf eine Antwort zu warten, nahm er sein Sturmgewehr zur Hand und trat auf das Tor zu. "Erpensberger! Nein! Sie wollen doch nicht im Ernst da rein gehen?!" Der Angesprochene verzog keine Miene. "Natürlich nicht, General. Aber wir haben hier die Möglichkeit, ein Tor zu sehen und zu untersuchen, welches anders ist als das, was wir schon kennen, und diese Chance sollten wir nutzen. Da wir aber keinerlei Ausrüstung dabei haben, sollte ich vielleicht ein wenig... improvisieren." Damit nahm er das Gewehr, richtete den Lauf auf das Tor aus und schob es hinein. Offenbar glitt das Metall einfach in die Anomalie hinein - davon, daß er auf den soliden Widerstand einer Wand stieß, war nichts zu sehen. Er führte das Gewehr in das Tor, bis der Lauf fast vollständig in der trübgrauen Helligkeit verschwunden war, und zog es dann wieder zurück. Allerdings hatte das Gewehr keinen Lauf mehr. Der Anblick war so unfaßbar, daß ich erst einmal gar nichts empfand: der Lauf des Sturmgewehres, der aus massivem Metall bestanden hatte, war einfach nicht mehr da, genau wie ein guter Teil des Tragegriffes. Verblüfft sah Erpensberger auf die Reste seines Sturmgewehres, und auch ich erhaschte einen Blick darauf: es sah aus, als wäre das Metall einfach weggeschmolzen worden, obwohl nicht die geringste Hitze fühlbar war. "Aber... was hat das zu bedeuten?" "Ich sag ja, ich würd da nicht reingehen wollen", kommentierte Beach Dream ungerührt. "Und wo ist das Material jetzt hin?" "Zwischen verschiedenen Dimensionen... verschwunden, würde ich sagen", überlegte Twilight. "Wir dürften es hier mit einem Tor ins Nichts zu tun haben... das bedeutet: es hat zwar einen Eingang, führt aber nirgendwo hin. Alles, was hineingeht, geht einfach... verloren", sinnierte sie. "Ich arbeite mir ja derzeit mehrere Werke zu diesem Thema durch, und hier haben wir gleich so etwas... wenn es keinen Widerspruch gibt, würde ich gern versuchen, dieses Tor hier zu verschließen, ich denke, dazu brauchen wir die Prinzessinnen nicht erst zu bemühen." Abwehrend hoben Holzfeld und Winter die Hände und traten wie zuvor schon Erpensberger einige Schritte zurück. Twilight schloß die Augen, und ihr Horn begann zu glühen und intensiv violett zu leuchten. Sie öffnete die Augen wieder, und ich sah ein mir mittlerweile recht vertrautes Bild: da, wo ihre Augen sein sollten, strahlte nur noch ein intensives weißes Leuchten, als ob sich im Inneren ihres Kopfes ein starker Scheinwerfer befinden würde. Das Leuchten ihres Horns wurde noch stärker, dann schoß ein Strahl aus violetter Magie auf das Tor ins Nichts zu und direkt hinein. Als Ergebnis schien sich die Öffnung in der Wirklichkeit zusammenzuziehen und wurde kleiner, etwa so wie ein Fleck aus kondensierter Feuchtigkeit, wenn man auf eine kalte Glasfläche haucht. Im selben Maße, in dem das Tor kleiner wurde, erschien die Wand wieder, und nach vielleicht einer halben Minute war von der Anomalie nichts mehr zu sehen. Der Magiestrahl brach ab, Twilights Augen schlossen sich, und sie taumelte einige Schritte zurück, bevor sie ihr Gleichgewicht wiederfand und ihre Augen, die nun wieder nur noch Sehorgane und keine grellen Lichtquellen mehr waren, wieder öffnete. "Uff... das war... heftig. Nicht zu schwierig, aber heftig... ich glaube, ich kann verstehen, warum die Prinzessinnen im Moment keine Zeit und Energie für andere Aufgaben haben." Holzfeld hatte staunend zugesehen. "Dieser Besuch wird ja immer interessanter... Erpensberger, geben Sie mir ja gut acht auf das beschädigte Gewehr, die Untersuchung dürfte interessant werden. Und was ich hier alles direkt zu sehen bekomme... interessanter und lehrreicher, als ich je gedacht hätte." Wir verabschiedeten uns kurz darauf von Beach Dream und setzten den versprochenen Rundgang durch Ponyville fort. Nach insgesamt vielleicht drei Stunden kehrten Holzfeld und seine beiden Begleiter in die Menschenwelt zurück, und wir Bewohner von Equestria begaben uns zur Auswertung des Tages zu Twilights Bibliothek. Dort angekommen, erwartete uns eine Überraschung: direkt vor der Tür parkte etwas, das wohl ein Wohnwagen sein sollte und offenbar einem reisenden Pony als Unterkunft diente. Noch bevor wir das Fahrzeug erreichten, öffnete sich dessen Tür in einer hellblauen magischen Wolke, und ein himmelblaues Unicorn mit einem einigermaßen hochmütigen Gesichtsausdruck trat in die Türöffnung und blieb darin stehen. "Sieh an, sieh an... wen sieht die große und machtvolle Trixie denn da, wer bettelt denn da um Hilfe. So also sehen wir uns wieder, Twilight Sparkle... und so lernen wir uns kennen, Botschafter der magie- und machtlosen Zweibeiner."