Kapitel 21: Gute Beziehungen Das himmelblaue Unicorn musterte mich abschätzig und kam, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, zu dem Schluß, daß ich es nicht wert war, daß sie sich noch länger mit mir befaßte. Dasselbe galt übrigens auch für Applejack und Rainbow Dash, die sie ebenfalls keines Blickes würdigte, sondern so tat, als würde sie deren Anwesenheit nicht einmal wahrnehmen. "Ich muß gestehen, Twilight Sparkle, daß ich verwundert bin über deinen Umgang - daß du dich mit diesen seltsamen zweibeinigen Kreaturen abgibst, die nicht einmal über Magie verfügen. Außerdem scheint es mit deiner Magie stetig bergab zu gehen - es gab Zeiten, da hättest du mich sicherlich nicht um Hilfe gebeten, sondern deine Probleme selbst geklärt, vielleicht wärst du auch zu deiner ach-so-tollen Lehrerin gerannt. Ich nehme an, du bist nun endlich bereit, die wahre Größe und Macht der großen und machtvollen Trixie anzuerkennen?" Neben mir erklang ein ärgerliches Schnaufen, und mit einem kurzen Blick zur Seite erkannte ich, daß Rainbow den Kopf angriffslustig gesenkt hatte und in ihrem Gesicht eine deutliche Röte erschienen war, aber sie hielt sich - wenn auch mühsam - zurück. Auch Applejack sah ihre Freundin an, allerdings mit deutlich besorgtem Gesichtausdruck - offenbar befürchtete sie, daß die Arroganz des blauen Unicorns, die selbst mir bereits jetzt, nachdem ich sie seit nicht einmal einer Minute persönlich kannte, gehörig auf die Nerven ging, ihre Freundin zu unbedachten Aktionen hinreißen könnte - Aktionen, deren Folgen allein dank der Tatsache, daß Trixie zu Magie fähig war und Rainbow nicht, für das Pegasuspony fatal enden mochten. "Nur damit du es weißt - es war nicht meine Idee, um deine Mithilfe zu bitten, große und machtvolle Trixie", erwiderte das flügellose Alicorn kühl, wobei sie den selbstgewählten Titel des Showponys so abfällig betonte, wie ich es bei dieser sonst so freundlichen Persönlichkeit nie für möglich gehalten hätte. "Ach? Dann war es wohl dein Babydrache?" Trixies Stimme troff vor Süffisanz. "Nur damit du es weißt - es war der Botschafter, der mich förmlich bedrängt hat, dich zu suchen, weil er der Ansicht ist, daß wir alle auch nur halbwegs magisch begabten Unicorns brauchen werden, um das Tor zwischen den zwei Welten, von dem selbst du ja mittlerweile gehört haben solltest, zu verschließen. Ich war von Anfang an dagegen, dich zu beteiligen, aber ich wollte wenigstens guten Willen zeigen. Vielleicht bemerkt der Botschafter ja jetzt, daß es keine gute Idee war, deine Unterstützung in Anspruch nehmen zu wollen." Twilights Stimme wurde bei ihren letzten Worten noch kälter, und ich begann unwillkürlich zu frösteln. Trixie machte sich nun doch die Mühe, in meine Richtung zu sehen, und setzte dabei einen gespielt erstaunten Gesichtsausdruck auf, als würde sie mich eben zum ersten Mal bewußt wahrnehmen. "Botschafter? Der Botschafter einer Spezies, die noch nicht mal ansatzweise über Magie verfügt und aller Wahrscheinlichkeit nach rein gar nichts davon versteht? Oh, ich bin geschmeichelt." Der Sarkasmus, der ihre Worte begleitete, war selbst mit unendlich viel gutem Willen nicht zu überhören. "Tja, wenn das so ist... sollte ich mich wirklich dazu herablassen, euch zu helfen? Ich weiß nicht, ich weiß nicht... warum sollte ich das tun? Nun, Botschafter?" Sie blies sich mit demonstrativ gelangweiltem Gesichtsausdruck eine Strähne ihrer Mähne aus dem Gesicht. "Vielleicht, weil du genauso betroffen bist wie wir?", schlug ich vor. Bevor ich weitersprechen konnte, fiel sie mir jedoch ins Wort. "Ich? Betroffen von euren komischen Portalen? Pfüh - als ob ich daran im Mindesten interessiert wäre. Wer weiß, vielleicht gehe ich sogar selber hindurch - eine ganze Welt ohne echte Magie, vielleicht gibt es dort ja ein Publikum, das meine Fähigkeiten zu schätzen weiß?" Ihr Horn begann bläulich zu schimmern, und von einer Sekunde auf die nächste war sie eingehüllt in bunte, sprühende Funken, während hinter ihr eine demonstrativ theatralische Flammenwand samt zugegeben sehr dekorativer Rauchwolke in die Höhe schoß. Ich verzog keine Miene, während Twilight entnervt den Kopf schüttelte. "Sagte ich nicht, daß es keinen Sinn hat?" "Ach, Twily-Schätzchen... daß du immer alles so negativ und vor allem langweilig sehen mußt. In anderen Orten wußten die Ponys meine Vorstellungen immerhin zu schätzen - nun gut, dort gab es auch keine gewissen Ponys, die mir ja unbedingt mit ihren besonderen Fähigkeiten in die Parade fahren mußten. Da könnte die Menschenwelt durchaus interessant sein... also, warum sollte ich euch helfen, das Tor zu verschließen? Ich habe darauf immer noch keine überzeugende Antwort erhalten." "Ich nehme an, du kennst elektrischen Strom? Du weißt doch sicherlich, was eine 100-kV-Freilandleitung ist und was sie bewirkt, wenn sie plötzlich in Equestria auftaucht und am besten noch direkt durch deinen Wohnwagen geht, weil der dummerweise gerade an derselben Stelle steht, wo die Leitung in der Menschenwelt entlang läuft? - Na gut, ich sehe es ein: sowas ist für die große und machtvolle Trixie natürlich keine Herausforderung. Warte, was haben wir noch... Atomreaktoren? Sind die für dich auch noch beherrschbar? Oder stell dir vor, du bist mitten in der Vorstellung, vor deiner Bühne erscheint ein Tor, weil die Barrieren zusammenbrechen, dummerweise liegt dort aber gerade eine Autobahn, und ein paar nette Vierzigtonner kommen mit voller Geschwindigkeit heraus und machen deine Bühne zu Kleinholz, und den Ort, in dem du bist, gleich noch mit? Das sind natürlich alles nur Beispiele, es gibt sicherlich noch deutlich mehr Möglichkeiten." Für einen Moment wurde ihr Blick unsicher, dann begannen ihre violetten Augen zu funkeln und zu glühen. Ich spürte, wie sich eine unsichtbare Riesenfaust um meinen Körper legte und mich in die Luft hob. "Du wagst es, mir zu drohen? Du, ein Wesen, das von Magie nichts versteht? Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest: ich könnte dich mit Leichtigkeit zerquetschen, und du kannst nichts dagegen tun! Und da soll ich Angst vor deinem Menschen-Krimskrams haben?!", donnerte sie wütend. "Tríksolín Poníver Lulamoon!", schrie Twilight. "Es reicht! Auch wenn dieser Mensch hier nicht der Botschafter wäre, lasse ich nicht zu, daß du hier ein derartiges Benehmen an den Tag legst! Laß ihn auf der Stelle wieder runter!!" "Aber wozu? Menschen können ja auch nicht einmal selbst fliegen, soweit ich inzwischen weiß, vielleicht kann er ja nach einer kleinen selbsterlebten Flugvorstellung die wahre Größe von Trixie erst richtig einschätzen?" Ich fühlte, wie ich mich ohne mein Zutun in Bewegung setzte. Twilight schnaubte und schloß die Augen, und ich wußte, was als nächstes geschehen würde - fast hatte ich Mitleid mit Trixie. "Sugarcube, biste dir sicher, daß es 'ne gute Idee is', sich mit 'nem Alicorn anzulegn?", meldete sich Applejack zu Wort, die die ganze Szene bis jetzt sprachlos und mit sichtlichem Unverständnis verfolgt hatte. Trixies Kopf ruckte herum. "Was sagst du da? Ali- Ali-... Twilight... ein Ali-corn?", krächzte sie fassungslos. "Aber... ihr fehlt doch..." Bevor sie ausreden konnte, öffnete die Angesprochene die Augen - nur daß an der Stelle, wo sich die Augen befinden sollten, nur noch zwei grellweiß leuchtende, etwa augengroße Öffnungen erschienen. Anders als bisher wogten und waberten darin dieses Mal allerdings gestaltlose, vom hellen Hintergrund fast nicht zu unterscheidende, aber dennoch eindeutig vorhandene gestaltlose Schatten und Schemen, die sich jedem Versuch, ihre wahre Form zu erkennen, sofort zu entziehen und außerdem zu verschwinden schienen, wenn man nur lange genug hinsah - nur um sofort darauf in neuer, ebensowenig zu beschreibender Form wieder zu erscheinen. "Du hast mich gehört, Tríksolín. Laß den Menschen runter - aber ohne ihm auch nur ein Haar zu krümmen." Das himmelblaue Unicorn zuckte mehrmals wie unter unsichtbaren Peitschenhieben zusammen, was sich als Zittern auf die unsichtbare Kraft, die mich in gut fünf Metern Höhe unverändert festhielt, übertrug. Jeglicher Hochmut verschwand aus ihrem Gesicht und machte etwas Platz, was nun eindeutig Angst war. Ich schwebte zu Boden, und die magische Riesenfaust um meinen Körper verschwand, als ich noch einen halben Meter über dem Grund war. Ich federte mich mit den Beinen ab und sah zu den beiden magischen Ponys - eines davon mit ausdruckslosem Gesicht, aber einem unheimlichen leuchtenden Blick, das andere mit einem Gesicht, das verriet, daß sie eindeutig auf eine verzweifelte Panik zusteuerte, nachdem sie erkannt hatte, was ihre Gegenspielerin wirklich war - und daß sie den Kräften eines Alicorns, selbst wenn dieses wegen der noch fehlenden Flügel noch nicht offensichtlich und noch deutlich jünger war als die bisher bekannten Alicorns, nichts entgegenzusetzen hatte. Ich hob die Hand in der Hoffnung, Twilights Aufmerksamkeit auf mich zu richten. "Danke, Prinzessin, aber ich denke, es reicht. Mir ist nichts passiert, mir geht es gut, und die tatsächlichen Verhältnisse sollten jetzt jedem Pony klar sein." Das flügellose Alicorn schloß erneut die Augen und öffnete sie wieder - wie ich es kannte, war das unheimliche Leuchten verschwunden und hatte wieder den normalen Sehorganen Platz gemacht, aber ihr Blick war immer noch so kalt, daß wohl selbst ein Eisbär angefangen hätte zu frieren. "Wie Ihr meint, Botschafter. Vielleicht seht Ihr jetzt ein, daß uns Tríksolín wohl kaum weiterhelfen wird." "Da bin ich anderer Meinung." Trixies Kopf ruckte herum, und ich konnte die Fragezeichen in ihren Augen fast schon wirklich sehen. Gleich darauf flackerte allerdings erneut Panik in ihrem Blick auf. "Twilight... bitte... ich hätte diesem Menschen schon nichts getan... ich wußte nicht, daß du ein Alicorn bist... aber wieso nennt der Mensch dich Prinzessin? Heißt das... als Alicorn... nein! ICH WILL NICHT AUF DEN MOND!!!" Die letzten Worte hatte sie mit vollem Stimmaufwand geschrien. In Panik wandte sie sich um und galoppierte davon - oder besser, sie versuchte es. Tatsächlich kam sie nicht einmal zwanzig Schritte weit, den Twilight gab ein gleichermaßen ergeben wie entnervt klingendes Seufzen von sich, ihr Horn begann zu schimmern, eine fliederfarbene Wolke hüllte das davonrennende Unicorn ein, hob es vom Boden hoch und trug es zu uns zurück, um es dann zwischen mir und Twilight abzusetzen. "Warum nur schließt du immer von dir auf andere, Tríksolín. Prinzessin Celestia hat mich zwar ebenfalls zur Prinzessin ernannt - übrigens eine Tatsache, die ich absolut nicht wollte, ich wollte nie Prinzessin sein, frag die hier Anwesenden, wie ich reagiert habe, sie waren dabei - aber weder kann noch will ich irgendein Pony auf den Mond schicken. Allerdings hätte ich dich auch nicht um deine Mithilfe hier gebeten, aber der Botschafter hat mich überredet, dir eine Chance zu geben - und in gewisser Weise vertritt er Celestia, deshalb habe ich mich überreden lassen. Ich halte mich raus - mach mit dem Botschafter aus, was nun geschieht." Trixie sah mich unsicher an. "Du bist... tatsächlich der Vertreter Celestias? Und du hast verlangt, daß ich um Mithilfe ersucht werde?" Ich überlegte einen Moment - Twilights Interpretation meines Status erschien mir einigermaßen gewagt, denn in Wahrheit war wohl viel eher sie es, die die örtliche Stellvertreterin von Equestrias oberster Herrscherin darstellte. Ich verscheuchte den Gedanken und wendete meine Aufmerksamkeit wieder dem himmelblauen Magiepony zu. "Richtig - ich habe Twilight gebeten", ich betonte das letzte Wort absichtlich übertrieben, "dich zu beteiligen, da du in der Tat über nicht zu unterschätzende magische Kräfte verfügst - Kräfte, die denen eines normalen Unicorns immerhin haushoch überlegen sind, und ich denke, wir werden jede Unterstützung brauchen, die wir bekommen können. Twilight hat mich über deine bisherige Lebensgeschichte informiert, und ich hielt es für richtig, dich mit ins Boot zu holen - es sei denn, ich habe mich geirrt und du traust dir selbst eine solche Aufgabe nicht zu. In diesem Falle bist du selbstverständlich von meiner Seite her frei, zu gehen, wohin du willst, auch wenn Celestia mich oder besser Prinzessin Twilight ermächtigt hat, alle verfügbaren Ponys, die wir benötigen und für erforderlich halten, gewissermaßen zu dieser Operation abzukommandieren." Die Furcht verschwand langsam aus ihrem Blick, und ein Teil der gewohnten Hochmut kehrte zurück - vorerst zwar nur ein Schatten ihrer selbstdarstellerischen Persönlichkeit, die sie sich über die Jahre hinweg zugelegt hatte, aber offenbar begann sie, ihren Schock darüber, daß ihre ehemalige Schulkameradin offenbar noch deutlich stärker war, als sie erwartet hatte, und sie auf der Karriereleiter gewissermaßen weit überholt hatte, langsam zu überwinden. "Die große und machtvolle Trixie ist bereit, sich jeder Aufgabe zu stellen, und wird sich nicht vor ihrer Verantwortung für Equestria drücken! Hätte man mich vorher richtig informiert, hätte ich eine adäquate Demonstration meiner einmaligen Fähigkeiten für dich zusammengestellt, um dir zu zeigen, wozu die große und machtvolle Trixie in der Lage ist!" Selbst in ihren eigenen Ohren mußten die Worte hohl und gekünstelt klingen, und das Schnaufen von gleich drei Ponys um mich herum verriet mir, daß ihre Rede nicht nur auf mich so wirkte. Ich ignorierte die Elementsträgerinnen für den Moment und sah der Bühnenmagierin in die Augen. "Sehr schön. Ich glaube dir auch ohne Vorführung, daß du nicht zu unterschätzende Fähigkeiten hast, und ich freue mich, daß es - und das meine ich ehrlich - wohl doch noch mit einer Zusammenarbeit klappt. Das Ziel ist, wie ich schon mehrfach versucht habe zu erklären, die Barrieren zwischen den beiden Welten wieder zu stabilisieren und das Tor sicher zu verschließen - etwas, was übrigens nicht einmal Discord geschafft hat, du hast also die Möglichkeit, an etwas mitzuwirken, was wahre Größe und Macht erfordert. Allerdings sehe ich es als erforderlich an, daß du, genau wie alle anderen Unicorns auch, dich Twilight oder auch Celestia und Luna unterordnest und mit ihnen zusammen- und nicht gegen sie arbeitest. Glaubst du, du kannst das schaffen und diese Bedingungen akzeptieren?" "Die große und machtvolle Trixie kann alles schaffen, was sie nur will! Ich verlange allerdings, daß meine Größe und mein Beitrag für Equestria hienach von allen Ponys entsprechend gewürdigt werden!" "Von meiner Seite aus: gewährt, solange kein anderes Pony dabei zu Schaden kommt oder als reine Witzfigur dargestellt und lächerlich gemacht wird." "Nun denn, es sei! Prinzessin Twilight, die großmütige Trixie ist bereit, unsere Differenzen für den Moment zu vergessen und dir ihre Unterstützung zu gewähren!" Die Angesprochene verdrehte die Augen, war aber klug genug, nicht weiter auf den Hochmut der Bühnenmagierin einzugehen. "Danke, Tríkso... ich meine, Trixie. Allerdings werden wir noch einige Tage brauchen, bis wir einen Versuch zum Verschluß des Tores unternehmen können - du warst immerhin die erste, die meinem Aufruf gefolgt ist, diese Ehre muß ich dir lassen. Wir brauchen aber sicher noch mehr Unicorns, ich hoffe, sie treffen in der nächsten Zeit hier ein. Dann müssen die entsprechenden Zauber entwickelt, verteilt und trainiert werden... ich nehme an, du kennst all das selber. Außerdem haben die Menschen angekündigt, ihre Wissenschaftler zu schicken, um die Barriere und vielleicht auch unsere Magie mit ihren Methoden zu untersuchen - sie wollen von ihrer Seite aus ebenfalls mithelfen." Die Erwähnung meiner Spezies brachte mich auf eine Idee. "Twilight - brauchst du Trixie in der Zwischenzeit, bis alle da sind? Falls nicht, hätte ich vielleicht ein Angebot für sie." "Nur immer zu. Vor heute abend werden kaum alle Ponys, die ich benachrichtigt habe, eingetroffen sein, so daß wir erst morgen mit der eigentlichen Arbeit beginnen können. Ich werde zwar jetzt gleich anfangen, maßgeschneiderte Zauber zu entwickeln, und hoffe, daß bis dahin keine für mich noch nicht beherrschbaren Tore hier auftauchen, aber dabei wirst du, Trixie, mir leider keine Hilfe sein können - das meine ich nicht beleidigend, sondern einfach als Tatsache." "Und was soll ich stattdessen tun? Eine besondere Vorstellung für den Botschafter hier geben?" Ich lächelte sie freundlich an. "Nicht nur für mich... ich bin sicher, es gibt noch mehr Menschen und bestimmt auch etliche Ponys, die sich eine Vorführung der großen und machtvollen Trixie gern ansehen würden - falls du bereit bist, vor solchen langweiligen und magielosen Wesen wie mir und meinesgleichen aufzutreten und falls ich vom General die Erlaubnis bekomme, daß seine Soldaten uns hier und damit deine Vorstellung besuchen dürfen. Würde dir heute abend, sagen wir, acht Uhr, passen?" Das dankbare und glückliche Strahlen, welches in ihrem Gesicht erschien, vergaß ich nie. "Zurück zur Sache... Applejack, dürfen wir wohl deine Wiese für diese Vorstellung benutzen?" "Nur, wenn'ch selber mit da sein und'n Verkaufsstand mit Saft und Cider aufbaun darf!", erwiderte sie augenzwinkernd - ich kannte sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, daß sie uns ihr Gelände auch so zur Verfügung gestellt hätte, kam aber nicht zum Antworten. "Ooouuh, Trixie ist geschmeichelt, daß die Trägerin eines Elements der Harmonie ihrer Vorstellung beiwohnen möchte", säuselte das Showpony. "Du vergißt aber anscheinend eines, Liebes: ich glaube nicht, daß die Menschen hier unsere Bits besitzen und verwenden. Sicher, es wäre für mich kein Problem", ihr Tonfall wurde demonstrativ gelangweilt, "ihre Muscheln oder Steinchen oder was auch immer sie verwenden, in unsere Bits zu verwandeln, aber das habe ich früher schon bereits bei einer gänzlich anderen Gelegenheit vorgeschlagen - und bekam zu hören, daß so etwas ja Fälschung und das nun wieder ganz schlimm wäre, also kann ich damit leider nicht aushelfen." "Wenn es nur das ist... ich bin sicher, da findet sich eine Lösung, nötigenfalls habe ich selber genug Bits beisammen", überlegte ich. "Yee-haw! Ich fang direkt mit'n Vorbereitungen an, un' heut abend zur Vorstellung gibts alles Gute von der Apple-Familie für Ponys un' Menschen!" Damit galoppierte sie freudestrahlend davon. "Ich sollte mich dann wohl wieder zur Botschaft begeben, um den General zu informieren und ihn um Besuchserlaubnis für die Soldaten zu bitten", sinnierte ich, als Rainbow mit einem aufgeregten Hopser, der eher zu Pinkie gepaßt hätte, in die Luft sprang. "Wie wäre es, wenn die große und machtvolle Trixie unseren Botschafter direkt dahin teleportiert?" Der Ausdruck in den Augen des Unicorns wurde unsicher. "Ich... brauche genaue Koordinaten! Gerade du als Fliegerin solltest wissen, daß genaue Koordinaten immer nötig sind!" "Schon gut." Ich winkte ab. "Etwas Bewegung wird mir ganz sicher nicht schaden - ich lasse die Magieponys jetzt besser allein für ihre Fachgespräche und nehme mein Fahrrad. Wenn es recht ist, komme ich heute nachmittag noch einmal her, um euch auf den neuesten Stand zu bringen." "Bis dann!", riefen die beiden magischen Wesen gleichzeitig - das eine mit Erleichterung in der Stimme, die man nur hörte, wenn man wußte, daß sie da war, oder danach suchte; das andere in für sie gewohnt freundlicher Manier. Rainbow flatterte feixend neben mir her. "Hätte zu gern gesehen, wie sie sich abgemüht hätte, dich zu teleportieren - denn, das weiß sogar ich, das kann sie ganz einfach nicht", kicherte sie, nachdem wir außer Hörweite waren. "Unnötig bloßstellen müssen wir sie ja nun auch nicht - und falls sie es doch versucht hätte, hätte ich keinen besonderen Wert darauf gelegt, in verschiedene Einzelteile zerlegt in der Botschaft oder sonstwo anzukommen. Das muß einfach nicht sein - klar, ihre Prahlerei ist alles andere als schön, aber wir müssen es unsererseits auch nicht gerade übertreiben." Das Hochgeschwindigkeitspony zog daraufhin einen Schmollmund und flog ein paar rasante Schleifen und Kreise, um sich dann wieder an meine Seite zu gesellen. "Hast ja eigentlich recht, im Grunde ist sie wirklich kein so übles Pony, auch wenn sie sogar für meinen Geschmack zu reißerisch und aufschneiderisch ist. Dafür frag ich mich was anderes... sag mal... ob ich wohl auch mit auftreten könnte heute abend? Ich weiß, ich weiß, keine Rainbooms, bis diese doofen Übergänge endlich verschwunden sind, und hoffentlich passiert das bald, sonst bekomme ich noch Krämpfe in den Flügeln. Aber auch so könnte ich doch ein paar nette Flugvorführungen zum Besten geben, meinst du nicht?" Erwartungsvoll sah sie mich aus großen Augen an, und ich konnte nicht anders, als zurückzulächeln, kurz eine Hand von meinem Fahrradlenker zu nehmen und ihr damit durch die regenbogenbunte Mähne zu wuscheln. "Ich meine, das sollte gehen, aber was ich meine, hat in dem Fall nicht viel zu sagen. Es ist ihre Show - das mußt du schon selber mit ihr ausmachen. Ein gutes Argument wäre, daß die menschlichen Besucher dann gleich zwei Sachen zu sehen bekommen, zu denen sie selber nicht fähig sind: fliegen und tatsächlich zaubern." "Ich werd mit Trixie reden! Aber jetzt würd ich gern mitkommen und sehen, wie es weitergeht - vielleicht bekommst du ja auch nochmal diese beiden Bronies an die Strippe, mit denen würd ich auch gerne nochmal ein wenig quasseln." *** Nur eine halbe Stunde darauf saß ich wieder in meiner Botschaft und wartete darauf, General Holzberg ans andere Ende der Videokonferenzenleitung zu bekommen, um ihm die neuesten Entwicklungen berichten und den Besuch interessierter Soldaten vorschlagen zu können. Neben mir schwebte Rainbow in einer einigermaßen sonderbaren Haltung - sie sah aus, als würde sie gemütlich auf einem unsichtbaren Sofa liegen, schlug dabei aber träge mit den Flügeln, um sich in der Luft zu halten. Auf dem Notebook aktivierte sich die Videoverbindung, und das Gesicht von Donnic Erpensberger, der inzwischen wieder seinen Dienstanzug gegen den normalen Feldanzug getauscht hatte, erschien. "Hallo, Botschafter. Gibt es so schnell schon Neuigkeiten?" "Könnte man so sagen. Ist der General zu sprechen? Vielleicht hat er ja Interesse an Unterhaltung für seine Soldaten im Felde, sozusagen - es geht um eine Vorstellung, die ihr garantiert nirgendwo anders zu sehen bekommen könnt." "Klingt interessant, aber der General ist in einer anderen Videokonferenz... muß was ziemlich Hochrangiges und Wichtiges sein. Alex ist ja bei unseren Fernmeldern, ich habe noch mitbekommen, wie der Stellvertreter des Generals hier, Oberst Klank, direkt, nachdem wir wieder hier waren, angerauscht kam und ihn angewiesen hat, eine abhörsichere Verbindung zum Bündnishauptquartier, zum Verteidigungsminister und überhaupt zu allen wichtigen Stellen herzustellen." Er verdrehte die Augen. "Sieht so aus, als ob wir nicht die einzigen sind, die von dem Tor hier wissen... klar, dauernde Satellitenüberwachung und Bildaufklärung aus dem Weltall hat ja heutzutage jeder, und es hat wohl schon einige Leute in verschiedenen ausländischen Stäben stutzig gemacht, was sie da auf ihren Satellitenfotos gesehen haben. Wir sind von oben ja auch nicht zu übersehen mit allem, was wir hier aufgefahren haben... und das weit abseits aller Truppenübungsplätze. Auch das Tor selber dürfte kaum unbemerkt geblieben sein." Sein Tonfall wurde besorgt. "Ein paar von den Mull- äh, ich meine, von paar ziemlich radikalen Leutchen haben schon wilde Videobotschaften losgelassen, was von der Ankunft und Offenbarung ihres Gottes gegenüber uns bösen Ungläubigen gefaselt und wie die Verrückten mit ihren Kalaschnikows in die Luft geballert; im Osten rätselt man, welche neue Wunderwaffe wir hier haben und ob wir möglicherweise irgendwelche elektromagnetischen Waffen oder Tarnschilde basteln, auch unsere lieben Verbündeten wollen mehr wissen... tja. Was eben so alles zu erwarten war in so einem Fall. - Deshalb hat General Holzberg wohl gerade einiges zu erklären... Klank hat sich gerade eben für euren Videoanruf gleich mal für überhaupt nicht zuständig erklärt, deshalb müßt ihr einstweilen mit mir vorlieb nehmen. Worum gehts denn eigentlich?" Ich informierte ihn über Trixies Ankunft und meine Idee, ihr eine Abendshow samt Publikum zweier Spezies zu ermöglichen. "Trixie... für sie hatte ich schon immer eine besondere Schwäche, ich fand sie... interessant und einfach falsch dargestellt in der Serie. Ich würde sie nur zu gerne mal live auftreten sehen - und ich bin sicher, etliche andere auch." Er grinste. "Seit wir hier vor diesem Tor liegen und klar ist, wohin es wirklich führt und welche Wesen auf der anderen Seite wirklich und leibhaftig existieren, hat die Serie hier im Camp einen enormen Zuspruch erfahren - fast jeder, der gerade frei hat, hat sich schon ein paar Folgen reingezogen, um zu sehen, worum es hier überhaupt geht, und einige waren von sich selber wohl recht überrascht, als sie merken mußten, daß ihnen das, was sie da gesehen haben, gefällt." Donnic konnte sich das Kichern nicht länger verkneifen. "Ein paar, von denen man es nie gedacht hätte, haben sich inzwischen sogar schon als Bronies zu erkennen gegeben, und zwar als welche, die es schon lange sind, es aber bisher einfach für sich behalten haben - schon erstaunlich, was so ein Einsatz alles bewirken kann. Natürlich werden die jetzt mit Fragen gelöchert. Also, ja, ich denke, es dürfte genug Interessenten geben - ich werde das Anliegen dem General vortragen und sehe da auch keine Probleme. Dafür was anderes: dein Schreibtisch - ich denke mal, ich darf Du sagen, jedenfalls war ich bisher bei keinem Brony-Treffen, wo wir uns gesiezt hätten - steht ja mitten im Freien. Für die nächsten Stunden ist ein heftiges Starkregengebiet angekündigt - sollen wir rüberkommen und dir einen Unterstand bauen oder besser gleich einen Container mitbringen? Solche Sachen haben wir immer da, und du bekämst einen wettersicheren Platz für die... Botschaft." Bevor ich antworten konnte, schob sich Rainbow ins Aufnahmefeld der Kamera - und verschränkte demonstrativ die Hufe unter ihrer Brust, um grimmig in die Kamera zu starren. Donnic lachte. "Ach ja, stimmt ja - Wetterkontrolle. Ich bitte um Entschuldigung, Kameradin Rainbow Dash, daß ich das vergessen konnte." Er salutierte übertrieben zackig, aber das amüsierte Funkeln in seinen Augen strafte das militärische Gebaren Lügen. Auch ich grinste und schob die blaue Wetterabteilungsleiterin, die sichtlich Mühe hatte, so zu tun, als würde sie ernst bleiben, ein Stück beiseite. "Danke für das Angebot - aber auch ohne Wetterkontrolle würde sich der Aufwand wohl nicht mehr lohnen. Wir haben hier auch schon überlegt, ein festes Haus zu bauen - aber das rentiert sich wahrscheinlich nicht mehr, denn wenn alles wie geplant verläuft, ist in ein paar Tagen ohnehin der Übergang zwischen den Welten verschwunden, hier befindet sich dann wieder nur noch eine normale Wiese in einem aufgegebenen Teil von Applejacks Farm, und die Botschaft hier hat sich dann ja auch erledigt. Was mich zu der Frage bringt, was mit eurer Technik passieren soll - die müßte ich euch natürlich vorher zurückgeben." Donnic winkte ab. "Nicht erforderlich. Wenn wir alles so viel hätten wie Computer... außerdem ist der Schinken in spätestens zwei Monaten ja sowieso wieder veraltet, ich denke, du kannst ihn behalten. Außerdem kommt mir da gerade eine Idee - ich bin zwar kein Wissenschaftler, aber wäre es nicht denkbar, daß die Datenübertragung zwischen Menschenwelt und Equestria nicht auch noch nach dem Portalverschluß bestehen bleibt? Ich würde das glatt auf einen Versuch ankommen lassen, und so ein regelmäßiger Austausch wäre sicher auch eine interessante und nützliche Sache - werde mal mit den Wissenschaftlern und dem General reden, wie die das sehen. - Aber was ist eigentlich mit dir? Bleibst du... für immer in Equestria?" Ich konnte das Stocken in seiner Stimme deutlich hören, und ich spürte, wie jegliche Fröhlichkeit von mir abfiel. Ernst sah ich in die Kamera. "Strenggenommen hat mir Celestia diese Entscheidung ja schon abgenommen, als sie mich hierher gebracht hat... du kennst die Geschichte noch nicht, ich sollte daran denken, dir meine Aufzeichnungen noch rechtzeitig zuzuschicken. Aber die Option, in die Menschenwelt zurückzukehren, stand anfangs nie im Raum, laut Celestia wäre sie, bis dieses stabile Tor hier erschienen ist, sogar völlig unmöglich gewesen - sie hat damals gesagt, Menschen können die Barriere nur in einer Richtung durchqueren, stabile und problemlos in beide Richtungen passierbare Übergänge gab es schlicht nicht. Ponys dagegen konnten wohl schon immer in beide Richtungen reisen, so war sie selber schon seit Jahrhunderten immer wieder mal in der Menschenwelt, wie sie sagte... und von Beach Dream haben wir es ja heute selber gehört." Ich brach ab und sah für einen Moment nach unten, während ich nachdachte. Tatsächlich hatte ich mir die Frage, ob ich weiterhin in Equestria bleiben oder in die Menschenwelt zurückkehren würde, bisher nicht gestellt - oder, wenn ich ehrlich war, die Entscheidung darüber bisher erfolgreich verdrängt, aber eigentlich kannte ich die Antwort schon lange. Ich atmete tief ein und aus und blickte dann wieder mein Gegenüber an. "Im Grunde gab es nicht viel, was mich in meiner Welt gehalten hätte - eigentlich fast gar nichts, lebende Verwandte habe ich keine mehr, und auch sonst war ich nicht gerade die Person mit der höchstmöglichen Sozialkompetenz, wenn du verstehst, was ich meine. Ich nehme an, das war mit der Hauptgrund, aus dem Celestia mich wohl schon längere Zeit beobachtet und schließlich als Botschafter Equestrias ausgewählt hat. Daß die Möglichkeit, in die Menschenwelt zurückzukehren, überhaupt je bestehen würde, war bis vor ein paar Tagen nicht einmal zu erahnen... und ich lebe nun schon seit Monaten hier, habe sehr gute Freunde gefunden", ich schenkte dem blauen Pegasuspony, das inzwischen gelandet war und mich mit einem Ausdruck undefinierbarer Trauer, den ich erst sehr viel später als Verlustangst begriff, ansah, einen langen Blick, "und ich habe eine Aufgabe, die offenbar wirklich sinnvoll ist. Deshalb ist die Entscheidung im Grunde klar: mein Platz ist hier, an der Seite der Ponys." "Ich verstehe... glaube ich wenigstens, immerhin bist du der erste Mensch, der überhaupt in einer derartigen Lage steckt. Aber ich muß doch nochmal nachfragen: vermißt du denn nicht die Dinge und Gegenstände aus unserer Welt, die die Ponys eben nicht haben und gar nicht haben können? Medikamente etwa, falls es dir da drüben mal schlecht geht und eben kein Unicorn greifbar ist, denn ich glaube nicht, daß die Pony-Ärzte in menschlicher Anatomie bewandert sind, unsere Technik, oder menschenspezifische Sachen wie Getränke, die es dort nicht gibt, Essen, welches nur wir Menschen haben, oder anderen Kram?" "Einige Dinge wären schon ganz brauchbar... zwar diffundieren offenbar schon seit Jahrzehnten immer wieder einmal Gegenstände von der Menschen- in die Ponywelt und werden hier in einem speziellen Raum, zu dem ich jederzeit Zugang habe, gesammelt, aber das ist doch sehr zufällig, was hier ankommt und was nicht. Cola kam zum Beispiel noch nie hier an... doch, das wäre sicherlich hilfreich. Und die Alicorns beherrschen diverse zeitmanipulierende Zauber, damit wäre auch die Haltbarkeit kein Problem." "Wie war das - die können sogar die Zeit beeinflussen?! - Oh - der General kommt." Donnic trat einen Schritt zur Seite, und tatsächlich erschien Holzberg im Bild. "Keine Umstände, Erpensberger, ich habe leider gar keine Zeit. Tatsächlich sind die Geheimdienste in aller Welt wie aufgescheuchte Hornissen unterwegs und wollen wissen, was hier abgeht, und erst recht unsere eigene Regierung... die Abgeordneten schieben Terror, weil sie angeblich wiedermal keiner angemessen informiert hat, da muß ich jetzt was tun. Befehl von ganz oben." Er verzog das Gesicht, als hätte er unversehens in eine Zitrone gebissen. "Ich nehme an, Sie haben miteinander gesprochen? Dann kann Erpensberger mich auf den aktuellen Stand bringen, ich selber nutze die Gelegenheit nur noch, um Ihnen anzukündigen, daß wie abgesprochen die Wissenschaftler zu Ihnen kommen werden - sie sollten sich jeden Moment auf den Weg machen, es wäre vielleicht ganz nett, wenn Sie sie begrüßen und einweisen könnten. Ich schicke Ihnen nachher den Stabsfeldwebel zur Unterstützung hinterher. Für den Moment wäre das dann alles." Damit wurde die Verbindung beendet. Rainbow drehte ihren Kopf und sah mich verdattert an. "Was war das denn? Gerade habt ihr noch so nett geplaudert, und jetzt wirft er dich einfach raus?" "Nimms nicht persönlich - du hast ja gehört, der General hat viel zu tun bekommen und keine Zeit, da geht es beim Militär dann eben etwas knapper zu. Ich denke, wir sollten den Forschern entgegengehen und tun, worum er uns gebeten hat - nämlich sie hier ein wenig einweisen." Damit begaben wir uns ein gutes Stück zum Tor, und richtig machte sich gleich darauf auf der anderen Seite eine kleine Armada von Menschen in Zivil, die alle mögliche Ausrüstung mit sich schleppten oder auf Militärjeeps verladen hatten, auf den Weg zu uns. Einer von ihnen, ein vielleicht sechzigjähriger Mann durchschnittlicher Statur mit einer leuchtenden Glatze und einer Brille, die vor vielleicht vierzig Jahren einmal in Mode gewesen sein mochte und der dem Troß vorauseilte, kam direkt auf mich zu, um sich als der wissenschaftliche Leiter vorzustellen. Er beäugte Rainbow, die mich nach wie vor begleitete, mit einem eindeutig abschätzigen Gesichtsausdruck. "Ist das hier eines dieser Zauberponys, die nach Ihrer Ansicht multidimensionale Felder erzeugen sollen? Sieht mir eher nicht danach aus, wenn die Bemerkung gestattet ist." Rainbow schüttelte unwillig den Kopf, und ich übernahm es, für sie zu antworten. "Es wäre nett, wenn Sie die Ponys direkt ansprechen - es handelt sich durchaus nicht nur um Tiere, sondern um intelligente Wesen, deren geistige Fähigkeiten den unseren in nichts nachstehen. Und nein, das hier ist Rainbow Dash, ein Pegasus - sie kann fliegen, aber nicht zaubern, das können nur die Unicorns und Alicorns." "Aha... Pegasus also... und ich dachte, das sind Erfindungen aus der antiken Mythologie, so kann man sich irren. Also dann... wo finden wir diese... Kornponys?" "Wenn Sie wollen, bringe ich Sie direkt hin", erbot sich das blaue Pony an meiner Seite - mit dem Ergebnis, daß der Wissenschaftler vor uns erschreckt zurückzuckte, als wäre Rainbow nichts weiter als ein Luftballon gewesen, den irgendwer unerwartet vor seinem Gesicht zum Platzen gebracht hätte. Die Fliegerin schenkte ihm einen skeptischen Blick. "Was ist? Ich beiße nicht, ich trete auch nicht aus, wenn es nicht sein muß - was ist los, hat es Ihnen die Sprache verschlagen?" "Ein sprechendes Wesen, spricht sogar unsere Sprache... daß ich so etwas noch erleben darf... ich glaube, ich muß mich erst an diese Situation gewöhnen. Aber wir haben auch unsere Aufträge zu erfüllen... ich... denke, ich werde damit zurechtkommen. Tja, also dann... Herr Botschafter, Sie kümmern sich um die Kollegen, die die polydimensionale Everettsche Barriere hier untersuchen sollen, wurde mir gesagt? Dann... hole ich diejenigen Kollegen, die diese sogenannte Magie untersuchen sollen, und dann kanns auch schon losgehen." Fast fluchtartig entfernte sich der Mann in Richtung seiner in Jeeps wartenden Mitarbeiter, um dort hektisch auf einige von ihnen einzureden und immer wieder in Richtung des inzwischen wieder in der Luft schwebenden Ponys neben mir zu gestikulieren. Rainbow schüttelte verständnislos den Kopf und sah mich zweifelnd an. "Und das soll ein Wissenschaftler sein? Seltsame Leute habt ihr Menschen da unter euch, das muß ich schon sagen." Ich konnte mir ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. "Darf ich dich daran erinnern, liebe Dashy, wie du reagiert hast, als wir uns das erste Mal getroffen haben? Immerhin wollte er dich aber nicht über den Haufen rennen." Schuldbewußt sah sie zu Boden, und ich wuschelte kurz durch ihre Mähne. "Nimms mir nicht übel, das sollte kein Vorwurf sein. Aber so, wie du bis dahin keinen Vertreter meiner Spezies gesehen hattest und nicht wußtest, mit wem du es zu tun hast, hat er bisher keinen Vertreter deiner Art gesehen - du weißt, ihr ähnelt nur vage entfernt den Lebewesen, die wir Menschen in unserer Welt als Ponys bezeichnen. Sei also bitte nachsichtig mit ihm." "Na schön... ich werds versuchen. Hauptsache, er will mich nicht mit Meßinstrumenten zupflastern oder an irgendwelche Geräte anschließen... dieses zweifelhafte Vergnügen hatte ich bei Twilight schon gehabt, das passiert mir nicht nochmal." Sie zog eine Grimasse. Der Forschungsleiter kam wie versprochen mit einigen seiner Kollegen zurückgeeilt - dieses Mal nicht skeptisch, sondern eher euphorisch, anscheinend hatte er inzwischen realisiert, daß er einer der ersten Menschen war, die persönlichen Kontakt zu einer anderen intelligenten Spezies bekamen und noch dazu nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar den Auftrag hatte, Wissen über diese Wesen zu sammeln. Im Gegensatz zu vorhin würdigte er mich nun kaum eines Blickes, sondern kam direkt auf Rainbow zu. "Ich entschuldige mich für mein Auftreten von vorhin und möchte... Sie bitten, uns zu den Magieponys zu bringen, wenn es recht ist." "Dann kommen Sie mal mit! Michael, wir sehen uns ja nachher noch. - Mir nach!" Damit flatterte das Pegasuspony los, gefolgt von vier oder fünf mit weiteren Forschern besetzten und mit Ausrüstung beladenen Jeeps. Ich wandte mich den anderen Wissenschaftlern zu und unternahm mit ihnen einen Rundgang rund um das Tor, wobei ich es nicht versäumte, sie den nach wie vor anwesenden royalen Wachen vorzustellen. Nachdem wir wieder am Ausgangspunkt angelangt waren und die Forscher beginnen konnten, ihre Meßgeräte aufzubauen und aufzustellen (eine Tätigkeit, an der ich mich nicht beteiligte - zwar war auch ich allgemein an Naturwissenschaft interessiert, aber hier sollten die wahren Experten dafür am Werk sein, und ich hatte weder vor, ihnen ins Handwerk zu pfuschen, noch mich als Handlanger anstellen zu lassen), sah ich, daß ein weiterer Besucher auf mich wartete: Donnic. "Ah, da bist du ja, Botschafter, wie ich sehe, sind die ersten Elfenbeinturmbewohner schon fleißig bei der Arbeit. Ich habe mit dem General gesprochen: er hat nichts dagegen, daß es heute abend zwanzig Uhr eine Veranstaltung gibt, und hat die Freigabe erteilt, daß unsere Leute kommen können. Bänke und Tische bringen wir mit, wir haben alles da - wird der Krempel wenigstens mal nicht nur von einer Übung zur nächsten oder von einem Lager in ein anderes verfrachtet, sondern auch mal eingesetzt." Er grinste schief. "Die Information an die Truppe ist schon raus, ich denke mal, hundert bis hundertfünfzig Leute sollten zusammenkommen. Heißt allerdings auch: unsere Feldjäger sind mit dabei und gucken sich die ganze Veranstaltung mit an. Falls wider Erwarten jemand von Applejacks Cider zuviel in sich reinschüttet und dann ausrastet... ich sags besser gleich, die Feldjäger sind natürlich bewaffnet, aber selbstverständlich auch nur die. Wenn alles locker zugeht, sind das nette und umgängliche Leute, aber im Ernstfall können sie eingreifen - als letztes Mittel auch mit Waffen. Ich selber denke zwar, daß menschliche Knarren in Equestria nichts zu suchen haben, aber da ist Vorschrift nun mal Vorschrift... und letztlich ist es ja eine Frage der Sicherheit, damit eben erst gar nicht was passiert. Meinst du, das gibt seitens der Prinzessinnen Probleme? Wäre schade, dann müßten wir die Sache nämlich abblasen." Ich überlegte kurz - ich hatte die erwähnten Feldjäger in meinem früheren Leben öfters auf Streife gesehen, allerdings war mir dabei nie aufgefallen, daß sie bewaffnet gewesen wären. Genaugenommen waren sie mir außer durch ihre Kennzeichnung überhaupt nicht aufgefallen, offenbar stimmte es, daß Gewaltanwendung nur zu ihrem Auftreten gehörte, wenn es unvermeidlich war. "Ich denke, das geht in Ordnung. Wir werden natürlich sowohl Twilight als auch Trixie entsprechend informieren, aber auch ich gehe ja erstmal davon aus, daß alles ruhig und entspannt bleibt." Die Erleichterung darüber, daß der Besuch seiner Kameraden nicht an militärischen Sicherheitsvorschriften scheitern würde, war dem Unteroffizier deutlich anzusehen. Vielleicht war das ein geeigneter Zeitpunkt, ihm zu offenbaren, daß es auch von Seiten Equestrias Sicherheitsvorkehrungen geben würde. "Auch die Ponys haben ihre Wachen, du hast sie ja bereits gesehen - sie sind auch immer noch da." Ich deutete auf die Angehörigen der royalen Garden, die genau wie schon seit Tagen das Tor nicht aus den Augen ließen und genau hinsahen (und, so vermutete ich wenigstens, wohl dabei nicht nur auf das, was mit normalen Augen zu sehen war, beschränkt waren, immerhin waren die meisten von ihnen Unicorns), wer und was da nach Equestria hereinkam. "So, wie ich Shining Armor einschätze, wird er dann für heute abend auch für die Vorstellung Wachen abstellen, die die Ponys, aber auch die Menschen im Blick behalten werden - nichts für ungut, aber er ist da sehr vorsichtig, seinen Job als Sicherheitschef nimmt er überaus ernst." "Das soll mir recht sein - im Gegenteil wird es den General wohl sogar freuen, wenn es eine Zusammenarbeit von Menschen und Ponys auf einem weiteren Gebiet gibt. Ich werde das natürlich weitermelden - leider gibt es auch bei uns Idioten, die so eine Gelegenheit wohl nur zu gerne für eine überraschende Invasion nutzen würden, Holzberg hat zwar jegliche Überlegungen in diese Richtung strikt untersagt, aber man kennt ja seine Pappenheimer und weiß, wie sehr die das interessiert. Glücklicherweise haben die im Moment herzlich wenig zu melden." Schnell wechselte er das Thema. "Dann die Komm-Verbindung zwischen beiden Welten: kannst das Notebook behalten, genau wie erwartet, vielleicht bleibt ja die Verbindung rüber zu uns erhalten. Und dann deine Aufzeichnungen und menschentypische Güter für dich: geht alles klar, er hat nichts dagegen, ihm ist sehr an einem guten Verhältnis zwischen Erde und Equestria gelegen." Er unterbrach sich einen Moment. "Ich habe eine Bitte: könnte ich wohl Applejack persönlich treffen? Ich habe mir immer vorgestellt, mit ihr mal von Mensch zu Pony meine Kräfte zu messen - einfach aus Interesse heraus, wie stark sie wirklich ist. Meinst du, du kannst da was arrangieren?" "Ich denke, am besten fragst du sie selber. Ich sollte sowieso sowohl sie als auch Trixie informieren, daß die Vorstellung heute abend wirklich stattfindet, also drehen wir am besten eine Runde und fangen hier auf der Farm an." Ich sah mich suchend um, konnte aber kein freies Fahrzeug entdecken. "Ich selber bin mit meinem Fahrrad hier - übrigens ist das einer der Gegenstände, die irgendwie schon aus der Menschenwelt hierhergelangt sind, ich erzähle dir unterwegs gerne genaueres - aber zum normalen Gehen sind die Strecken hier doch schon recht weit. Holst du dir noch einen Jeep?" Donnic schüttelte amüsiert den Kopf. "Scheint, als würdest du uns Soldaten schlecht kennen - kann das sein, daß du nie beim Wehrdienst warst? Ein kleiner Geländelauf gehört sozusagen zum normalen Training - das hier dürfte eine gute Gelegenheit sein. Und ich glaube ehrlich gesagt nicht, daß du mir mit dem Fahrrad davonfährst." Er kicherte. "Nichts für ungut, aber unsereins ist doch etwas trainierter als der zivile Durchschnittsmensch." Damit begaben wir uns auf den Weg - wie ich es versprochen hatte, zuerst zum Haupthaus der Apple-Familie, und richtig trafen wir Applejack in einem der Wirtschaftsgebäude an, wo sie zusammen mit ihrem Bruder gerade eifrig dabei war, Waren für den heutigen Abend zusammenzustellen und auf Wagen zu verladen. Donnic sprach sie auf seinen Wunsch nach einem Wettbewerb Mensch gegen Pony an. "Würd'ch wirklich gerne machn, mei' Bester, aber die Arbeit hier erledigt sich nich' von selber, un' bis heute abnd soll ja auch alles fertich un' bereit sein, erst recht, wenn so viele Gäste komm', wie'de gesagt hast. Dazu komm' wahrscheinlich auch noch mindestens fuffzich Ponys, eher mehr... so'ne Herde will verkösticht sein, also nimm's mir nich' übel, wenn ich mich jetz' nich' auf'n Wettkampf einlassn kann. Morgn, wenn alles vorbei un' wieder Ruhe vorm Torschluß is', gerne." "Das Angebot nehme ich an!" Die Begeisterung war dem Soldaten sowohl anzusehen als auch anzuhören. "Ich wollte Michael ja noch einige Dinge aus der Menschenwelt zukommen lassen... wenn ich darf, würd ich mit einem unserer... ähm... Spezialwagen kommen und vielleicht einige interessierte Kameraden mitbringen, und dann könnten wir sehen, wie wir im Vergleich zu euch abschneiden - rein sportlich natürlich." "Gloob' nich' dran, dasser was habt, was stärker als Farm-Erdponys is' ", brummelte Big Macintosh anstelle seiner Schwester beiläufig, ohne sich die Mühe zu machen, von seiner Arbeit aufzusehen. "Als Menschen sind wir das sicher nicht, aber es ist eine Sache, das zu wissen, und eine andere, selber zu spüren, wie stark ihr wirklich seid. Aber an Technik? Nichts für ungut, aber ich denke, da sind wir euch überlegen." Der weinrote Hengst sah Donnic nun doch direkt an. "Technik? Da würd ich nu' gerne mal dagegn antretn - das kann ich mir nu' wieder nich' vorstelln, wie was stärker sein soll als, sag mal, ich. Wie wärs - du trittst gegen meine Schwester an, un' ich gegn deine Technik?" "Soll an mir nicht liegen! Aber ich sags deutlich an: die Kiste, mit der ich zu kommen gedenke, hat ordentlich Wums unter der Haube, also sei gewarnt - nicht, daß da noch was passiert, ich will nicht, daß jemand zu Schaden kommt." "Eeeyup", kam die gewohnt wortkarge Antwort - begleitet allerdings von einem entschlossenen Funkeln in Big Macs Augen. Damit verabschiedeten wir uns für den Moment und machten uns, nachdem ich Donnic wie versprochen Kopien meiner bisherigen Aufzeichnungen übergeben hatte (ich hatte stets mehrere Sicherungskopien auf diversen Speichermedien parat, eine Angewohnheit, die ich mir schon in meinem früheren Leben in der Menschenwelt angeeignet und bisher nicht wieder abgelegt hatte), auf den Weg nach Ponyville zu Twilights Bibliothek - und, wie er es prophezeit hatte, schaffte ich es nicht, dem trainierten Soldaten auf dem Fahrrad davonzufahren (was ich allerdings auch erst gar nicht versuchte). Stattdessen erzählte ich ihm einiges aus meinem Leben in Equestria und versäumte auch nicht, ihm bei einem Zwischenstop mein "magisches Inventar", den Raum der menschlichen Artefakte, zu zeigen. Ein wenig wunderte ich mich über mich selbst - früher war ich fremden Menschen gegenüber nie derart schnell derart offen gewesen, aber entweder hatte mich meine Zeit bei den Ponys verändert, oder ich spürte einfach, daß ich Donnic vertrauen konnte. Nach einer kleinen Weile erreichten wir die Bibliothek, ohne daß er auch nur wesentlich außer Atem gekommen wäre. Rund um das große Baumgebäude hatte sich das Bild inzwischen gründlich gewandelt: überall standen kleinere Grüppchen von Unicorns, die miteinander diskutierten. Einige waren offenbar ähnlich wie Trixie mit Wohnwagen angereist, andere entweder auf herkömmliche oder auch auf magische Weise angekommen - während wir uns der Bibliothek näherten, sah ich zwei- oder dreimal blitzähnliche Erscheinungen aufleuchten, die das Herbeiteleportieren von Ponys anzeigten, und am Ende der Straße gewahrte ich etwas, was wohl auch eindeutig durch Magie bewerkstelligt wurde: ein weiteres Unicorn kam mit seinem Wagen heran, allerdings waren sowohl Pony als auch Wagen nur als eine Art flirrender Schatten zu erkennen, so, als würde man sie durch einen Vorhang aus schnell fließendem Wasser betrachten. Außerdem war das Gespann entschieden zu schnell für die normalerweise körperlich nicht übermäßig kräftigen Unicorns: es legte die sicher einen halben Kilometer lange Strecke, die ich überblicken konnte, in wenigen Sekunden zurück, bis es nur noch wenige Meter von seinen Artgenossen entfernt war und eigentlich unvermeidlich hätte in diese hineinrasen müssen. Allerdings geschah das nicht, dafür verschwand der optische Effekt, die Geschwindigkeit verringerte sich übergangslos auf niedrige Trott-Geschwindigkeit, und das offensichtlich recht alte Unicorn legte die verbleibenden paar Meter auf herkömmliche Weise zurück und kam neben einigen anderen Magieponys, die den Neuankömmling offenbar kannten und äußerst respektvoll begrüßten, zurück. Ansonsten erregte die Erscheinung nicht das mindeste Aufsehen - wenigstens bei den magischen Ponys, die sich hier versammelt hatten. Bei den Einwohnern Ponyvilles, die die Szene gesehen hatte, sorgte sie hingegen durchaus, wiewohl die Ponys allgemein an das Vorhandensein von Magie gewöhnt waren, für verblüffte Gesichter und Getuschel untereinander - was die Unicorns nun nicht im Mindesten zu berühren schien. Anders die menschlichen Forscher, die in all dem Gewusel auch ihren Platz gefunden hatten und bereits eifrig am Messen und Datensammeln waren, wobei sie freilich noch kein Pony direkt an irgendwelche Geräte angeschlossen hatten, sondern anscheinend vorerst nur allgemein Felder registrierten: einige von ihnen deuteten ungläubig auf ihre Anzeigen und Skalen, riefen durcheinander und gestikulierten in die Richtung, aus der das seltsame Gespann erschienen war, woraufhin andere mit tragbaren Sonden losrannten und die optisch wieder leere Luft in der Straße mit Sensorstäben gründlich umzurühren begannen. "Was bitte war denn das?", fragte Donnic ungläubig. Ich wandte mich in seine Richtung - das Erstaunen in seinem Gesicht war filmreif. "Och, nichts weiter Außergewöhnliches... irgendeine Form von Zeitdilatation, vermute ich. Kommt nicht gerade häufig vor, ab und zu aber doch - genaugenommen habe ich sowas bisher erst bei Celestia und Luna gesehen, der Zauber oder zumindest ein ähnlicher kann aber offensichtlich auch von anderen Unicorns ausgeführt werden. Dürfte das Spezialtalent dieses Magiers hier sein, nehme ich an, und Aufmachung und Gebaren dieses Ponys und die Art, wie es von den anderen empfangen wurde, lassen mich weiterhin darauf schließen, daß es einer der Professoren von Celestias Schule für besonders begabte Unicorns ist. Interessant ist sein Cutie Mark: eine liegende Sanduhr, das dürfte auf ein Spezialtalent im Bereich Zeitbeeinflussung hindeuten." "Unfaßbar... wenn hier solche Mächte vorhanden sind und dann gebündelt werden, ist mir nicht bange, daß unser Problem im Handumdrehen gelöst wird." Wir begaben uns bis zur Eingangstür - allerdings kamen wir nicht in die Bibliothek hinein, sondern nur bis zum Portier, dessen Position niemand anderes als Spike übernommen hatte. "Wenn ihr zu Twilight wollt, habt ihr leider Pech", begrüßte er uns. "Sie mußte los, knapp außerhalb der Stadt, in Richtung Schule, hat sich ein neues instabiles Tor gebildet. Hat gleich einige Fillys von Celestias Schule, die auch hier waren, mitgenommen - gewissermaßen zum Anschauungsunterricht vor Ort. Soll ich was ausrichten?" Ich erklärte ihm die Bedingungen der heutigen Abendvorstellung, verbunden mit der Bitte, Twilight bei ihrer Rückkehr zu informieren. Dann steuerten wir auf Trixies Wagen zu - und fanden davor zwei recht junge Unicorn-Hengste, der eine mit vorspringenden Zähnen und einem einfältigen Gesichtsausdruck, der andere von untersetzter Struktur und mit einer gewissen Verschlagenheit im Blick. "Snips und Snails", stellte Donnic fest, wobei für mich nicht sicher erkennbar war, wie er die Begegnung mit diesen beiden Ponys bewertete. Die beiden vertraten uns den Weg, als ich an die Tür klopfen wollte. "Die große und machtvolle Trixie wünscht keine Störungen! Sie hat heute abend ihren großen Auftritt und muß sich in Ruhe darauf vorbereiten! Wenn ihr unmagischen Wesen ein Autogramm wollt, müßt ihr euch schon bis dahin gedulden." "Ich wollte sie nur -", setzte ich an, wurde aber sofort wieder unterbrochen. "Nein, sie will sich auch nicht erforschen lassen! Trixies Magie ist tief und unergründlich!" "Ich habe nicht vor, ihre Magie zu erforschen. Ich wollte -" "Wie wir schon sagten: die große und machtvolle Trixie hat uns befohlen, sie vor jeder Störung zu beschützen!" Donnic neben mir begann zu prusten. "Zu drollig... genau wie in der Serie... glaubt ihr beiden den Hafer, den ihr hier erzählt, wirklich?" "Wir verbitten uns diese Respektlosigkeit gegenüber der großen und machtvollen Trixie und uns, ihren persönlichen Beschützern! Wir -" Auch ich konnte mir das Lachen nicht länger verkneifen, als nun zur Abwechslung nicht ich, sondern die beiden selbsternannten Wachen der Bühnenmagierin unterbrochen wurden - und zwar von ihrem Idol höchstselbst. Die Tür flog in einer hellblauen Wolke auf, und Trixie erschien - mit einem Gesichtsausdruck, den ich eher als ungnädig bezeichnet hätte. "Kann man euch denn keinen Moment alleine lassen?! Ihr solltet der großen und machtvollen Trixie Ruhe verschaffen, statt sie mit eurem ununterbrochenen Gequassel direkt vor ihrer Tür zu nerven! Außerdem solltet ihr euch vorher ansehen, wer da vor euch steht - das ist nicht irgendein Eierkopf oder Wichtigtuer der Menschen, das ist ihr höchster Vertreter, der Botschafter selbst! Ihr solltet wissen, daß der Botschafter ein Freund der großen und machtvollen Trixie ist - und für Freunde ist sie immer da." Ihre Stimme wurde bei den letzten Worten schmeichelnd. "Ja, große und machtvolle Trixie, du hast recht, wir bitten dich vielmals um Entschuldigung, wir werden von dir lernen", dienerten die zwei, bereits einige Schritte rückwärts gehend. "Hmpf!" Mit einer Geste und einem entsprechenden Gesichtsausdruck, der an Hochmut nicht zu überbieten war, entließ sie ihre Aushilfs-Bediensteten, um dann ihre ganze Aufmerksamkeit, verbunden mit einem schon wieder übertrieben freundlichen Lächeln, uns zu widmen. "Was kann die große und machtvolle Trixie für Euch und Euren hochehrenwerten Begleiter tun, Botschafter?" "Wir wollten dich wie versprochen informieren, daß deine Vorstellung heute abend auf der Wiese beim Tor stattfindet. Es werden nach Donnics Schätzungen hundert bis hundertfünfzig Menschen und nach Applejacks Einschätzung noch mindestens fünfzig Ponys anwesend sein, allerdings auch bewaffnete Bewacher der Menschen - nicht wegen dir oder eines anderen Ponys, sondern weil sie die anderen Menschen im Blick behalten werden, daß keiner irgendwelchen Ponymist baut. Sitzgelegenheiten für die Menschen bringen sie selbst mit, Applejack sorgt auch selbst für ihren Stand - bleibt eigentlich nur noch die Frage nach deiner Bühne. Soll diese auch durch die Menschen aufgebaut werden? Ich bin sicher, das ließe sich einrichten." Trixie begann zu strahlen, als sie die voraussichtliche Zahl der Besucher ihrer Vorstellung hörte, und die aufgesetzte Freundlichkeit in ihrem Gesicht wich wenigstens für kurze Zeit echter Wärme. "Trixie fühlt sich geehrt, ein so großes Publikum unterhalten zu dürfen. Für ihre Bühne sorgt sie selbstverständlich selbst - was wäre denn die große und machtvolle Trixie, wenn sie nicht einmal das könnte!" "Ehre und Freude sind ganz meinerseits - darüber, dich einmal persönlich kennenlernen zu dürfen. Es gibt genug Menschen, die deswegen mit Sicherheit grün vor Neid werden würden, wenn sie das wüßten." Donnic konnte seine Freude nicht mehr länger verbergen. "Trixie ist wahrhaft geschmeichelt - und hocherfreut, daß es wohl offenkundig Wesen gibt, die sie und ihre Fähigkeiten zu schätzen wissen, anders, als das bei gewissen Ponys der Fall ist. Ich habe mich unterdessen ein klein wenig mit eurer Rasse befaßt, dank des Botschafters und Twilight Sparkles Bibliothek gibt es ja genug Informationen über euch. Stimmt es, daß es bei euch Menschen einige gibt, die mit Tricks vorgeben, Magie zu beherrschen? Und werden von denen heute abend welche anwesend sein?" Donnic überlegte einen Moment. "Ich gehe davon aus... keine Ahnung, wer in seiner Freizeit Zaubertricks einstudiert oder vorführt, aber ich denke, die Chance ist schon einigermaßen hoch, daß ein oder zwei davon mit im Publikum sitzen. Aber natürlich können die keine echte Magie, das weiß bei uns auch jeder - manche bezeichnen sich auch nur als Illusionisten, die werden aber kaum mit unter uns sein, die brauchen meistens recht aufwendige Bühnentechnik für ihre Tricks." "Oh, Trixie weiß natürlich, daß ihr nicht wirklich zaubern könnt - wirklich bedauerlich, dadurch entgehen euch wirklich ungeahnte Möglichkeiten." Ein theatralisches Bedauern durchzog ihre Stimme. "Tja, nicht jede Rasse beherrscht die Kunst der Magie... aber es ist nett zu wissen, daß ihr wenigstens so tut, als ob ihr es könntet, zumindest einige von euch. Eine letzte Frage gestattet sich Trixie: Ihr sprachet von Waffen, die einige Eurer Begleiter bei sich tragen werdet. Was hat es damit auf sich?" "Das sind natürlich echte und geladene Schußwaffen." Donnic sah mich unsicher an. "Sind die Dinger hier eigentlich bekannt, hast du die Ponys auch darüber aufgeklärt?" "Natürlich - immerhin gehört es zu unserer Art dazu. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die entsprechende Publikation frei verfügbar ist... das könnte uns Twilight beantworten. - Trixie...", ich wandte mich direkt an das himmelblaue Unicorn, das uns interessiert zuhörte, "nur um es deutlich anzusagen: diese Waffen sind, wenn sie ernsthaft eingesetzt werden, dazu gedacht, Lebewesen zu verletzen oder gar zu töten, das ist kein Spaß. Diese Dinger sind eine ernste Sache - ich sage es lieber dazu: das sind keine Spielzeuge. Um Mißverständnisse auszuschließen: versuche nicht, damit oder mit ihren Trägern zu spielen, es kann sein, die verstehen da keinen Spaß, und auch unabsichtlich ausgelöste Schüsse können überaus ernste und nicht wiedergutzumachende Konsequenzen haben. Ich weiß ja nicht, was du vor hast - aber welche Waffen die Feldjäger heute abend auch immer dabei haben werden, kein Mensch und kein Pony wünscht irgendwelches absichtliches oder unabsichtliches Blutvergießen." In die violetten Augen trat ein - wie üblich übertrieben theatralisch - trauriger Ausdruck. "Aber Botschafter... die friedliebende Trixie könnte nie einem Lebewesen etwas zuleide tun... und natürlich wird sie nichts tun, was derartig negative Folgen auch nur im Entferntesten haben könnte. Es schmerzt, daß Ihr der verantwortungsvollen Trixie so wenig zutraut." "Nichts für ungut... aber da hat der Botschafter recht, und besser, man redet vorher darüber, als daß man hinterher das große Heulen und Zähneklappern hat. Immerhin soll es doch für alle ein netter und schöner Abend werden - wir alle freuen uns bereits darauf, die große und machtvolle Trixie in Aktion sehen zu dürfen." Das Gesicht des Bühnenponys hellte sich sichtlich auf. "An Trixie soll es nicht liegen. Ich bin sicher, Menschen und Ponys werden eine unvergeßliche Zeit zusammen mit der großen und machtvollen Trixie erleben", beschied sie uns liebenswürdig. "Trixie enteilt nun, denn sie hat noch so viel vorzubereiten! Auf Wiedersehen um acht Uhr!" Offenbar war die Audienz damit beendet, denn sie verschwand rückwärts gehend in ihrem Wagen, und die Tür, die wieder in eine Wolke aus hellblauer Magie gehüllt war, knallte zu - wobei die Magie wie eine Staubwolke zerstob. Snips und Snails, die sich die ganze Zeit in respektvoller Entfernung zu ihrer selbsterwählten Herrin und ihren Gästen gehalten hatten, kamen wieder herbei, ohne allerdings erneut den Fehler zu begehen, uns anzusprechen. Ich nickte den beiden zum Abschied kurz zu (was sie ein sichtliches Stück wachsen zu lassen schien), nahm Donnic am Arm und führte ihn ein paar Schritte weg. "Was war das denn nun wieder? Eigentlich hätte ich ja vorbereitet sein müssen... aber es ist doch immer noch etwas anderes, etwas über eine Persönlichkeit aus nur aufbereiteten Informationen zu erfahren, oder diesen Jemand selber zu treffen. Ist sie immer so... seltsam drauf?" "Kann ich dir nicht sagen, ich habe sie heute vormittag auch zum ersten Mal getroffen. Twilight war allerdings überhaupt nicht gut auf sie zu sprechen, soviel habe ich sehr deutlich mitbekommen." "Tja, wer weiß, was mit den beiden früher war... aber es war ausgesprochen interessant, mit Trixie höchstselbst reden zu können. Allein dafür hat sich der gesamte Aufwand ja schon gelohnt - wenigstens für mich. Und schon dafür werde ich morgen, wenn ich frei habe, mit dem größten Vergnügen einkaufen gehen, um dich hier versorgt zu wissen - das ist das Mindeste, was ich dafür, daß ich all das hier erleben darf, tun kann." Er sah auf die Uhr und wechselte das Thema, um - nun wieder ganz der aufgeräumte Soldat - fortzufahren. "Gut, es bleiben noch genau zweiunddreißig Minuten, bis ich wieder im Camp beim Briefing mit General Holzberg und dem Stab sein muß, das ist genau die richtige Zeit. Wir sehen uns dann heute abend zwanzig Uhr." Er hielt mir die zusammengeballte Faust zum hier traditionellen Gruß entgegen, aber ich zögerte noch einen Moment. "Findest du allein von hier zum Tor zurück? Ich kann dich gern hinbringen." Er feixte - offenbar hatte ich seine Ausbildung soeben erneut unterschätzt. "So schwer ist es ja nun auch nicht, sich hier zu orientieren - heute morgen der Besuch mit dem General, dann unser Weg von vorhin - wenn ich das nicht schaffen würde, jetzt den Weg zurück zu finden, wäre ich in meiner Position und bei der Ausbildung neuer Rekruten wohl irgendwie falsch." Ich zuckte mit den Achseln und erwiderte den Brohoof nun doch. "Tja... hätte ja sein können, nicht jeder findet sich so schnell zurecht. Dann bis heute abend!" Damit wandte Donnic sich um und war kurz darauf im scheinbaren Durcheinander aus Unicorns, ihren Wagen und menschlichen Forschern mit ihren Gerätschaften verschwunden. *** Wie gewohnt, saß ich mit der Apple-Familie und Rainbow beim Abendessen im Haupthaus von Sweet Apple Acres. Mit Essen waren wir fast fertig, und bis zum Beginn von Trixies Vorstellung sollten noch etwa eineinhalb Stunden Zeit sein. Applejack hatte stolz verkündet, für den Abend alles bereit zu haben - der Stand sei aufgebaut und reichlich bestückt, hatte sie uns beschieden, Big Macintosh hatte gleich mehrere Wagen mit verschiedenen Produkten der Farm beladen und bereitgestellt, um sie nachher mitzunehmen, und auch Applebloom freute sich auf den Abend - sie würde ihrer Schwester am Stand assistieren dürfen. Das von draußen hereinfallende Licht verdunkelte sich - wenigstens vor einem der Fenster. Als ich irritiert genauer hinsah, erkannte ich den Grund: ein hellgrünes Pegasuspony mit mintgrüner Mähne und Schweif war erschienen und schwebte, schwer mit den Flügeln schlagend, davor. Verblüfft stand ich auf, um es hereinzulassen, und bemerkte erst, als es mitten im Raum landete, warum es solche Mühe gehabt hatte, sich in der Luft zu halten: Haare und Federn waren triefend naß. "Medley! Was bei Celestias Mutter ist passiert?" Rainbow hatte den Zustand ihrer Wetterkontroll-Kollegin ebenfalls erkannt und kam herbeigeeilt, genau wie Granny Smith. "Ja, Kleines, was'n los - bist ja ganz naß! Komm, wir müssn dich erstma' trocken kriegn!" Die Angesprochene schüttelte ihre nasse Mähne - mit dem Ergebnis, daß Wassertropfen durch die gesamte Stube spritzten und Applebloom erschreckt unter dem Tisch in Deckung ging. "Danke, aber dazu bleibt wohl keine Zeit. Rainbow Dash, wir brauchen dich am Tor - allein schaffen wir es nicht!" "Schafft ihr was nicht?", fragte das Regenbogenpony unsicher, obwohl sie die Antwort vermutlich bereits wußte oder zumindest ahnte. "Wolken! Regen! Aber das ist kein normaler Regen wie bei uns, wir können ihn kaum unter Kontrolle halten! Und das Schlimmste: er perlt nicht einfach von uns ab, wie es normalerweise sein sollte, sondern setzt sich fest! Schnell - du mußt uns helfen!" Das Gesicht der blauen Fliegerin wurde ernst. "Tut mir leid, meine Lieben - aber ihr seht, ich werde gebraucht. Ich seh euch nachher." Damit spreizte sie ihre Schwingen und startete übergangslos aus dem Stand zum offenen Fenster hinaus - und war nach wenigen Sekunden in einer regenbogenfarbigen leuchtenden Spur am Himmel verschwunden. Ich sah ihr nach und in die Richtung, in der das Tor lag - tatsächlich schienen sich dort dunkle Wolken zusammenzuballen. "Was zum... aber natürlich... das Regengebiet, das Donnic erwähnt hat! Das hatte ich ja völlig vergessen!" "Verzeihung? Ein Regengebiet war für ganz Ponyville und Umgebung nicht vorgesehen, deshalb waren Cloud Kicker und ich ja heute auch allein mit der Wetterkontrolle betraut." Ich sah das hellgrüne Pegasuspony direkt an. "Für Ponyville war wohl wirklich nichts geplant - aber in der Menschenwelt. Das heißt, geplant ist vielleicht der falsche Ausdruck: Wetter kann bei uns bestenfalls vorhergesagt, aber nicht geplant oder gar gesteuert werden. Und ein Freund aus der Menschenwelt hat mich informiert, daß heute ein Starkregengebiet heranziehen sollte - verdammt, er hat mich extra noch gefragt, ob meine Botschaft nicht besser in einen Container oder in ein Gebäude kommen sollte, aber ich habe gesagt, hier wird das Wetter kontrolliert! Aber warte mal... sind die Wolken, die ich da sehe, etwa durchs Tor gekommen?" Medleys Gesichtsausdruck wurde unglücklich. "Wenn ich das nur korrekt beantworten könnte... ich habe so etwas noch nie gesehen. Das Tor-Dings ist nicht mal annähernd hoch genug für Wolken, so tiefliegende Regenwolken dürfte es ja nicht mal in der Menschenwelt geben - gibt es ja selbst im nicht von uns kontrollierten Everfreee Forest nicht. Die Wolken sind einfach über dem Tor... erschienen, ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll. Das allein ist schon sonderbar genug - noch merkwürdiger ist aber, daß wir sie kaum in Schach halten können und sie uns komplett durchnässen." Sie schüttelte leicht den Kopf, als sie sich innerlich zur Ordnung rief. "Tut mir leid, Botschafter - ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich muß zurück an meine Arbeit, dort wird jeder Pegasus gebraucht!" Damit breitete sie ihre Flügel, die inzwischen leidlich getrocknet waren, aus und folgte ihrer Abteilungsleiterin. Ich sah die Erdponys der Apple-Familie an. "Irgendwas läuft dort ganz gewaltig schief. Ich sollte mir die Sache besser vor Ort ansehen. Ich hätte ja den Abend gern etwas ruhiger eingeleitet, aber offenbar geht es nicht anders." "Wir komm' mit", antwortete Applejack entschlossen. "Applebloom - wir brauchn dich. Guck, ob'de Twilight oder eine von'n Prinzessinnen findest - oder 'n anderes Unicorn, das vielleicht was helfn kann. Los, everypony - wir gehn, nich', daß uns hier irgend'n unkontrollierter Regn alles unter Wasser setzt." Damit brachen wir auf. Am Tor angekommen, bot sich mir ein höchst seltsamer Anblick: die Erscheinung lag da, wie wir es seit Tagen gewohnt waren. Beim Hindurchsehen war klar zu erkennen, daß es in der Menschenwelt nicht nur regnete - es schüttete wie aus Kübeln, und es war nicht schwer zu erraten, daß das Camp des Militärs sich in eine prächtige Schlamm- und Matschwüste verwandelt haben mußte. Aus Richtung Tor wehte ein merklich kalter Lufthauch herüber - dabei standen wir im schönsten Schein der frühsommerlichen Abendsonne. Das allein war allerdings noch nicht das Absonderliche - viel fremdartiger wirkte der Anblick der Wolken, die sich hoch über dem Tor aus dem Nichts zu materialisieren schienen und aus denen es ebenfalls goß, was nur möglich war. Der Bereich, in dem sie offenbar entstanden, war dabei annähernd kreisrund und mochte einen Durchmesser von höchstens zweihundert Metern haben. Die Wolken, die da auf so unheimliche Weise erschienen, blieben natürlich nicht stabil als Turm am Himmel, sondern zerfielen und zerfaserten ständig nach allen Richtungen, dabei freilich unentwegt weiter regnend. Der Himmel war voller bunter Pegasi, die ihr Möglichstes taten, um die Wolken mit der Kraft ihrer Flügel wenigstens in eine Richtung ab- und damit von meiner Botschaft und der Wiese allgemein wegzulenken - mit sehr viel mehr gutem Willen als Erfolg. Inmitten der Ponys sah ich es von Zeit zuZeit himmelblau und regenbogenbunt aufblitzen - Rainbow Dash war offensichtlich bei der Arbeit, koordinierte Pegasi, beorderte andere zu anderen Stellen am Himmel und tat mit ihren eigenen Schwingen und Hufen ihr Möglichstes, die Wolken zu beeinflussen. Mein Schreibtisch mit der Ausrüstung wurde von einem grauen Pegasuspony mit blonder Mähne und ebensolchem Schweif, das vielleicht einen Meter darüber auf der Stelle flatterte, vor dem hier zwar nur noch leichten, aber dennoch vorhandenen Regen geschützt. Ich kannte die in Ponyville wohnende Stute natürlich: es handelte sich um Derpy, die von klein auf an einer Art Höhenschielen litt und deswegen nie beim Wetterdienst oder anderen pegasustypischen Flugdiensten beschäftigt sein würde, was aber ihre gegenüber dem Leben durchweg positive Grundeinstellung keineswegs beeinträchtigte. Vielmehr hatte sie ihr Auskommen als örtliche Briefzustellerin und zusätzlich mit einer Art Luftpost-Sonderservice gefunden, und auch wenn sie gelegentlich ein wenig tollpatschig war, was an ihrem Sehfehler liegen mochte, respektierten die anderen Ponys sie so, wie sie war. Die allermeisten mochten sie sogar sehr gern, soweit ich mitbekommen hatte - immerhin schien Derpy nie schlecht gelaunt zu sein, traurig, wütend oder gar nachtragend, besaß andererseits aber auch nicht die schrille überdrehte Fröhlichkeit von Pinkie. Ich ging, gefolgt von den ob (oder vielleicht auch gerade wegen) des selbst für hiesige Verhältnisse völlig untypischen Wetters einigermaßen fassungslosen Apples, zu meinem Schreibtisch und zu Derpy, die uns freundlich entgegenblickte. "Hallo, ihr Farmbewohner!", begrüßte sie uns freundlich. "Das ist mal ein Wetterchen, was?" Applejack gab ein Geräusch von sich, das am ehesten an das Prusten eines Ponys unter Wasser erinnerte. "Kannste wohl so sagn... wenigst'ns haste dein' Humor nich' verlorn. Was'n hier eigentlich los? So'n Wetter gibts doch gar nich'!" "Och, doch, schon", antwortete die graue Fliegerin gelassen. "Prinzessin Twilight war vorhin kurz hier und hat es sich angesehen... sie sagte was davon, daß Prinzessin Celestia recht hatte mit ihrer Erklärung, daß die Barrieren zwischen den Welten schwächer werden. Dadurch, daß sie schon so durchlässig und dünn geworden sind, drückt es die Wolken einfach hindurch, deshalb sind sie jetzt hier - tjaja, und da regnet es eben. Davon verstehe ich ja nun nicht besonders viel, aber das macht ja auch nichts. Rainbow Dash hat mich nur gebeten, deine Techniksachen hier vor dem Regen zu beschützen, sie sagt, das wäre dir sicher sehr wichtig, und sie sagt, das kann ich - und ich kann es ja auch!" Stolz wölbte sie ihre Brust nach vorn. "Kein Tröpfchen Wasser ist hier gelandet! - Uuups - ich sollte wohl lieber weiter den Regen hier vertreiben." Während ihrer letzten Worte hatte sie tatsächlich vollkommen vergessen, mit ihren Schwingen den Schreibtisch weiter abzuschirmen, und prompt hatte es angefangen, auch hier zu regnen. Rasch trat ich an ihre Seite, klappte das Notebook zu, entfernte die externen Anschlüsse und verlagerte es in die Schublade, die der Schreibtisch dankenswerterweise besaß. Für einen Moment überlegte ich, auch das uralte Telefon, welches nach wie vor an seinem Platz stand, an den Discord es gestellt hatte, abzubauen und zu verstauen, entschied mich dann aber dagegen - das schwarze Bakelit konnte durch den Regen nicht beschädigt werden und sollte das Innenleben des antiken Geräts hinreichend gegen Wasser von oben schützen. "Warum hat'n Twilight nich' die Wolkn weggezaubert oder die Barriere verstärkt?", wunderte sich Applejack. "Hat gesagt, da braucht sie noch etwas Hilfe dazu, und sie kommt wieder." Derpys Tonfall blieb unbekümmert, als ob nichts weiter Ungewöhnliches vorgefallen wäre und wir uns einfach nur zufällig zu einem netten Plausch getroffen hätten. "Seltsam ist nur, daß wir hier alle so naß werden... das kenne ich sonst vom Regen gar nicht, klar, Erdponys und Unicorns, die werden naß, aber doch nicht die Pegasi... naja, wird schon einen Grund haben. Vielleicht hängt es ja damit zusammen, daß die Ponys da oben solche Schwierigkeiten haben, die Wolken wegzubringen." "Vielleicht darf ich das erklären, immerhin hängt es mit meinem Spezialtalent zusammen", meldete sich eine vertraute Stimme hinter uns. Wir drehten uns um - und sahen den Besitzer der Stimme: es war niemand anderes als Discord, der sich, von oben bis unten in Ölzeug gekleidet wie ein norddeutscher Fischer bei schwerem Wetter, unbemerkt materialisiert hatte. "Aber sicher kommt ihr auch von selber darauf, wenn ich euch ein klitzekleinwenig helfe. Fangen wir ganz leicht an: woraus bestehen Wolken und Regen?" "Wasser", antwortete Applejack automatisch. "Richtig! Und was macht Wasser aus?" "Daß es naß ist?", fragte Derpy fröhlich. Discord tätschelte ihre Mähne in der Weise, in der ein lieber Onkel dem noch einigermaßen unverständigen Kleinkind, das soeben eine besonders dumme Antwort gegeben hatte, auf nachsichtige Art den Kopf tätscheln mochte. "Das natürlich auch, liebes kleines Pony, aber naß sind andere Flüssigkeiten auch - oder fühlen sich wenigstens so an. Aber aus was besteht Wasser eigentlich? Nun?" Seine Stimme klang erwartungsvoll. "Waaaah, Wasser is' Wasser! Hat dir eig'ntlich schon mal'n Pony gesagt, daß du ganz gehörig nervn kannst?!", kam es in entsprechendem Tonfall von Applejack. Discord schüttelte amüsiert den Kopf. "Disqualifiziert, würde ich sagen - na gut, genaugenommen eigentlich erst gar nicht qualifiziert und daher außer Konkurrenz, immerhin bist du ein Erdpony. Aber die liebe Derpy ist ein Pegasus, da solltest du doch was übers Wetter wissen, oder?" Bevor das graue Pony antworten konnte, schnaubte Applejack nun hörbar verärgert. "Hör bloß auf, auf der Kleinen hier herumzuhacken!" Jeglicher Akzent war mit einem Mal aus ihrer Stimme verschwunden. "Derpy ist nicht beim Wetterdienst, das weißt du ganz genau, und ich verbitte es mir, daß du sie lächerlich machst! Noch ein Wort, und du bekommst richtigen Ärger - aber mit einem Erdpony, und dann werden wir sehen, wer oder was hier außer Konkurrenz zu wem läuft! Vielleicht sind meine Hinterhufe..." Der Rest ihrer Worte verschwand hinter einer Wand aus Eis - im wahrsten Sinne des Wortes. Von einer Sekunde auf die andere war das orangene Farmpony in einem hohlen Eiswürfel eingeschlossen. Sie schimpfte noch ein paar Augenblicke für uns unhörbar weiter, drehte sich dann um und versuchte, das sie umgebende Eis mit einem Huftritt zu sprengen - allerdings trat sie, so sehr sie es auch versuchte, ins Leere. Nach einigen erfolglosen Tritten wandte sie sich wieder uns zu, nun mit völlig fassungslosem Gesichtsausdruck. Big Macintosh, dessen Gesicht inzwischen nicht mehr wesentlich heller war als der Himmel über dem Tor, machte Anstalten, sich auf das unbegreifliche Wesen zu stürzen, aber Discord hob eine Hand und schüttelte mit dem Zeigefinger hin und her. "Ah - ah - ah - aaahh", machte er, hörbar belustigt. "Nicht doch, Großer - ruhig, Roter, immer ruhig. Deiner kleinen Schwester passiert nichts, ich könnte doch nie einem Pony etwas zuleide tun." Sein Tonfall klang nun einigermaßen beleidigt. "Ich kann mich nur nicht in Ruhe unterhalten, wenn sie, obwohl sie disqualifiziert ist, ständig dazwischenredet - eine Unsitte, möchte ich meinen, und mir wird immerzu schlechtes Benehmen vorgeworfen. Ich bin enttäuscht. - Aber um dich zu beruhigen, großer Roter: sie kommt ja gleich wieder aus ihrem vorübergehenden Domizil aus festem Wasser hervor - das ist übrigens wirklich nur festes Wasser, kein Eis, ich bitte das zu bedenken! So etwas kann euch nicht gleich jeder hinstellen! - sie kommt also wieder da raus, sobald wir hier fertig sind. Dauert nur noch ein winziges Minütchen." Er wandte sich wieder Derpy zu. "Nun, mein liebes Pony? Woraus besteht Wasser, und was macht es so besonders?" "Wasser ist chemisch gesehen Diwasserstoffmonoxid, besteht also aus zwei Wasserstoffatomen und einmal Sauerstoff. Die Wasserstoffatome sind in einem Winkel von exakt 104,45 Grad zueinander am Sauerstoffatom angeordnet, das ist der sogenannte Wasserwinkel." In gespieltem Erstaunen sah Discord uns an. "Na, was sagt ihr nun? Derpy hat's doch voll drauf! Und wir sind der Meinung, das war... spitzeeeee!" Er sprang demonstrativ ein Stück in die Luft, um mitten in der Bewegung wie eingefroren zwei oder drei Sekunden hängenzubleiben, bevor er übergangslos wieder auf dem Boden stand und uns angrinste. "Na schön, genug gespielt." Er schnipste mit den Fingern, und die vier durchsichtigen Wände rund um Applejack stürzten als kleine Wasserfälle zu Boden. Das Farmpony war schlau genug, nicht noch einmal gegen Discords Verhalten zu protestieren oder ihn gar tätlich anzugreifen - sie blieb mit abwartendem Gesichtsausdruck einfach stehen. "Derpy hat recht - das Geheimnis ist der Wasserwinkel. Nun stellt euch mal vor, wie die Wolken durch die Barriere zwischen den Welten - genauer gesagt, zwischen den beiden parallelen Universen - gequetscht werden. Was könnte da wohl mit den Wassermolekülen passieren? Nun, Botschafter? Ihr Menschen seid ja nun auch nicht gerade doof, du könntest vielleicht darauf kommen." Erwartungsvoll sah er mich an - eine Haltung, die die Ponys um mich herum direkt übernahmen. "Der Winkel verändert sich - und damit die Oberflächenspannung, sowas in der Art muß es sein. Und deshalb perlt das Wasser nicht mehr wie gewohnt von den Pegasi ab, sondern durchnäßt sie bis auf die Haut!" Ein Strahlen lief über Discords Gesicht. "Richtig! Bravo! Famos! Um genau zu sein, bewirkt diese zugegeben seltene Erscheinung, daß der Winkel aufgeweitet wird, er liegt jetzt je nach Molekül zwischen 105,74882 bis zu 109,99231 Grad - die genaue Verteilung müßte ich nachzählen, wenn es euch sehr interessiert. Deshalb hängt die ganze Sache ja auch mit meinem Spezialtalent zusammen - Chaaoooooooosssss!", kommentierte er gedehnt. "Die Entstehung dieses verbogenen Wassers und die Verteilung erfolgen völlig chaotisch, und das in einer so ordentlichen Welt - einfach herrlich, einfach faszinierend! Wie ist es, soll ich nachsehen, wieviele Moleküle mit welchen Winkeln wir hier haben?" Abwehrend hob ich die Hände - das letzte, was wir jetzt gebrauchen konnten, war ein Discord, der anfing, einzelne Wassermoleküle auszuzählen. Nicht daß ich es diesem Wesen nicht zugetraut hätte, aber eine derartige Beschäftigung war für den Moment sicher wenig gewinnbringend. "Tja, du bestärkst mich in meiner Meinung über die Menschen... oberflächlich, allgemein, aber ihr habt Potential, das habe ich immer gewußt, ihr müßt nur wollen. Zu schade, daß es sich bei Menschen um eine außergewöhnlich wilde und kriegerische Rasse handelt und ihr eure Begabung mehr darauf verwendet, euch gegenseitig zu eliminieren, als auf wirklich wichtige Sachen... Anwesende natürlich ausgenommen." Er räusperte sich gekünstelt. "Die Erklärung war jedenfalls richtig... diese Wolken da werden mit Gewalt durch eine Barriere hindurchgepreßt und kommen nicht etwa durch ein Tor, deshalb verändert das Wasser sein typisches Verhalten, und die Pegasi, die darauf natürlich nicht eingerichtet sind - arme Wesen, wie sollten sie auch, woher sollten sie auch wissen, was los ist - bekommen ungeahnte Probleme damit. So. Nun wißt ihr, was Sache ist." Selbstzufrieden betrachtete er in mir bereits bekannter Manier seine Fingernägel. "Is' ja zugegebn alles ganz int'ressant, was'de da erzählst", meldete sich Applejack wieder zu Wort. "Aber wär's zuviel verlangt, wenn der große un' mächtige Discord uns unwissnd'n un' unfähign Kreaturn vielleicht mal helfn könnt' un' das Problem hier behebn könnt', anstatt nur kluge Redn zu schwingn?" Der Angesprochene sah das Farmpony an, als überlegte er erst einmal allen Ernstes, ob er sie einer Antwort überhaupt für würdig erachten sollte, rang sich dann aber schließlich doch dazu durch. "Nö - einfach Wolken verschwinden lassen ist doch zu langweilig. Ich mache stattdessen etwas anderes und gucke zu, was ihr daraus macht." Bevor einer von uns widersprechen konnte, schnipste das Wesen mit den Fingern, und in einem Lichtblitz erschien Twilight Sparkle neben uns. Das fliederfarbene flügellose Alicorn wirkte müde und abgespannt, unter ihren Augen lagen dicke dunkle Ringe, und ihre Mähne und ihr Schweif hingen in unordentlichen Strähnen an ihrem Körper. Derpys Gesichtsausdruck wandelte sich von der Unbekümmertheit, die sie die ganze Zeit über beibehalten hatte, zu echter Besorgnis, und Applejack war mit einem Satz neben ihrer Freundin, während Discord sich in einer spöttischen Grußerweisung verbeugte. "Twilight! Was is' mit dir? Könn' wir dir helfn? Du siehst... ähm... müde aus!" "Meinen respektvollen Gruß der neuesten Prinzessin", kommentierte Discord mit belustigtem Unterton gleichzeitig, wurde aber übergangslos ernst. "Oh - hier stimmt noch was nicht. Prinzessin? Alicorn, wie ich hörte? Ohne Flügel?" "Luna hat gesagt, die kommen von selbst, wenn die Zeit reif ist", erwiderte Twilight. Es klang, als käme ihre Stimme von einem uralten Tonband, und ich vermißte jede Energie - sie leierte die Worte kraftlos herunter. "Die Tore kommen jetzt öfter... ich habe heute selber vier von ihnen verschlossen, und ich verstehe jetzt, wieviel Kraft es die Prinzessinnen kosten muß. Dann versuche ich immer wieder, die Unicorns zu synchronisieren, ich hab ja auch sonst nichts zu tun... ach nein, da war ja auch noch das, wie konnte ich das nur vergessen." Ihr Blick hatte die unnatürlichen Wolken über dem Tor gefunden. "Was solls... was sein muß, muß sein." Müde schloß sie die Augen, aber Discord, dessen sorgloses Grinsen verschwunden war, hielt sie auf. "Warte, Twilight Sparkle. Ich habe vor einiger Zeit versprochen, euch zu helfen, und wenn ich von der lieben kleinen Fluttershy eines gelernt habe, dann, daß ich meine Versprechen halten sollte." Sein Blick, mit dem er Twilight anstarrte, wurde beschwörend, und die roten Pupillen in seinen gelben Augen verwandelten sich in hypnotisch drehende Spiralen, die immer mehr an Geschwindigkeit zulegten. Ich sah zu Twilight und befürchtete das Schlimmste - aber offenbar half er ihr auf eine wohl nicht nur mir völlig unklare Weise wirklich: ihre Mähne und ihr Schweif glätteten sich von selber, die Haut straffte sich, und die dunklen Ringe verschwanden genauso wie die allgemeinen Anzeichen von Erschöpfung. Nach vielleicht einer halben Minute schloß Discord seine Augen, schüttelte den Kopf und öffnete sie wieder - die quirlenden Spiralen waren verschwunden. Fassungslos sah Twilight an sich selbst hinab, betrachtete ihren Körper, soweit sie es konnte, und wandte dann ihren Blick dem Drachenequus zu. "Ich... bin nicht sicher, was genau du getan hast... aber ich fühle mich wieder... frisch und ausgeruht. Ich hätte kaum gedacht, das einmal sagen zu können - danke, Discord." Das Wesen wurde übertrieben gespielt rot im Gesicht und wand sich in gekünstelter Verlegenheit. "Ooooch, das war doch nicht der Rede wert, das habe ich doch gern für euch getan. Aber vielleicht sollte ich tatsächlich einmal nachsehen, was Tia und Luna so treiben - vielleicht können die ja auch ein wenig Unterstützung gebrauchen. Ihr kommt ja hier jetzt allein zurecht, nehme ich an? Also dann, tschüüü-hüüüüß!" Ein Lichtblitz zuckte auf, und die Gestalt war verschwunden. Twilight sah zu uns. "Ich denke, Discord hat recht - ich schaffe es jetzt allein, wenigstens die Barriere wieder ausreichend zu verstärken, so daß keine weiteren Wolken mehr hindurchgepreßt werden. Aber ich werde zur Verstärkung meine Krone brauchen... baaah, wenn Trixie mich damit sieht, denkt sie wieder, ich wöllte mich in den Vordergrund drängen und mit meinem Status angeben wollen, aber auf solche Befindlichkeiten kann ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen." In einem lilafarbigen Lichtblitz verschwand das Alicorn, um gleich darauf in einem weiteren Blitz wieder zu erscheinen - dieses Mal mit ihrer Krone auf ihrem Haupt. "Derpy? Sei so nett und flieg da hoch. Sag den Pegasi Bescheid, sie sollen entweder herunterkommen oder sich entfernen - und zwar alle. Ich weiß nicht genau, was passieren wird, aber ich will nicht, daß auch nur ein einziges Pony in Gefahr ist." "Aber was ist mit den Sachen des Botschafters? Rainbow Dash hat mir eindeutig aufgetragen, diesen Tisch und alles darauf trocken zu halten, da kann ich doch nicht einfach wegfliegen, oder?" Ich widerstand im letzten Moment der Versuchung, meine Hand auszustrecken und ihr über Kopf und Mähne zu streichen, aber ich sah sie freundlich an. "Du hast deinen Auftrag gut erfüllt, und ich danke dir dafür. Aber ich habe inzwischen alles, was nicht naß werden darf, in Sicherheit gebracht, und jetzt ist es wichtiger, daß die Ponys da oben informiert werden - und das kann nur ein Pegasus machen. Ich bin sicher, Rainbow würde es genauso sehen." "Ich eile, ich fliiiiiege!" Derpy begann, stärker mit den Flügeln zu flattern, und gewann tatsächlich an Höhe, um kurz darauf in der Masse von Pegasi zu verschwinden. Es dauerte nicht lange, und die Ponys am Himmel begannen, in allen Richtungen davonzufliegen, etliche setzten auch zur Landung rings um das Tor an. Derpy kam wieder zu uns herangeflattert, während oben nur noch ein einziges Pony zu sehen war: Rainbow. Offenbar kontrollierte sie, daß wirklich alle der fliegenden Wesen aus dem Gefahrenbereich verschwunden waren, denn sie flog mehrmals in die Wolken hinein, um an anderen Stellen wieder aufzutauchen. Nachdem sie sich ihrer Sache sicher war, kam sie im Sturzflug zu uns hinuntergezischt, um zielsicher vor uns in der Luft aus voller Bewegung heraus anzuhalten - mit dem Ergebnis, daß sie uns mit einem Schwall feiner Wassertröpfchen, die durch den abrupten Stop aus ihrem Fell und ihrem Gefieder geschleudert wurden, überschüttete. "Alle weg, kannst loslegen", meldete sie knapp, um dann neben mir und Applejack zu landen. Erst jetzt sah ich, in welchem Zustand sie sich befand: Schweif und Mähne hingen klatschnaß an ihr herunter, aus ihrem Fell und ihren Flügeln tropfte das Wasser, und die sonst so durchtrainierte und athletische Fliegerin zitterte und keuchte vor Erschöpfung. Applejack legte einen Vorderhuf um ihren Hals, und nach kurzem Widerstand gab Rainbow ihren inneren Widerstand auf und gönnte sich den Luxus, sich an ihre Freundin anzulehnen und für einen Moment die Augen zu schließen. Ich ging in die Hocke und streckte die Hand aus, um ihr durch die nassen Haare zu streichen. Die Berührung ließ sie ihre Augen wieder öffnen - der Blick, den sie mir aus zornig funkelnden Augen zuwarf, hätte jeden Reißwolf vor Neid erblassen lassen, aber ich spürte, daß ihr Ärger nicht mir galt. "Ich bin vielleicht nicht mehr die Allerjüngste, aber auch noch kein uraltes Waschweib!", fauchte sie frustriert. "Und so eingeweicht hat mich auch noch kein Regen - das kann doch nicht wahr sein, daß Rainbow Dash nicht mal mehr mit ein paar läppischen Wolken fertig wird! Wartet nur, bis ich wieder bei Kräften bin, ich brauch nur einen kleinen Moment Ruhe - dann wollen wir doch mal sehen, wer hier das Sagen über das Wetter hat!" "Aber, aber, Sugarcube, Darling. Du mußt dir keene Vorwürfe machn, du kannst nischt dafür... wir ham's hier mit 'ner bisher nich' dagewes'nen natürlichn Erscheinung zu tun, dagegn kommste nich' an." "Was soll das heißen?! Ich bin schon mit ganz anderen Wolken fertig geworden, im Speedball-Team auf der Flugschule haben wir mit ausgewachsenen Gewittertürmen als Hindernissen trainiert! Das hab ich dir aber alles schon erzählt, schon wieder vergessen?!" Applejack begann, ihrer Freundin die Erklärung zu erzählen, die uns Discord gegeben oder besser uns hatte erarbeiten lassen. Allerdings verlor sich ihre Stimme nach wenigen Worten, und ich bezweifelte, daß Rainbow davon überhaupt etwas mitbekam, denn der Anblick, der sich uns bot, war einfach zu phantastisch, als daß die Ponys noch irgendwelche Gedanken an den veränderten Wasserwinkel hätten verschwenden können. Twilight hatte in altgewohnter Manier ihre Augen geschlossen, und ihr Horn begann, erst dunkelviolett, dann über lila bis hin zu grellweiß immer heller zu glühen und zu leuchten. Das unheimliche magische Leuchten erfaßte auch ihre Krone, und in ihrem Zentrum, in dem ein violetter, kunstvoll geschliffener Edelstein eingearbeitet war, schien eine neue, in boshaftem harten weißen Licht strahlende Sonne aufzugehen. Geblendet schloß ich die Augen, aber die Helligkeit war so intensiv, daß ich durch meine geschlossenen Lider in einem bizarren Schwarzweißbild, in dem sämtliche Farben verschwunden waren und es nur noch Hell und Dunkel ohne Schattierungen gab, weiterhin sah, was geschah: Twilight begann zu schweben. Erst hob sie mit den Vorder-, dann mit den Hinterhufen vom Boden ab und stieg senkrecht gute zehn Meter in die Höhe. Das grelle Leuchten verlor an Intensität, weit genug, daß ich meine Augen wieder öffnen konnte. Twilight schwebte nun völlig aufrecht und mit weit nach links und rechts gespreizten Vorderhufen ein gutes Stück über uns, und ihre Mähne sowie ihr Schweif begannen, im Wind zu wehen - viel stärker, als es den tatsächlichen Luftströmungsverhältnissen nach hätte der Fall sein dürfen. Sie öffnete ihre Augen, die, wie ich es bereits kannte, nun nur noch in hartem Grellweiß strahlten und kalte, zuckende Lichtfinger durch die dunklen brodelnden Wolken schickten. Die nassen Luftmassen hatten inzwischen, da sie nun überhaupt nicht mehr von den Pegasi beeinflußt wurden, begonnen, sich in allen Richtungen auszubreiten, und noch immer entstanden Wolken neu und schienen aus dem zentralen Wolkenturm in der Mitte der Erscheinung hervorzuquellen. Twilights Horn und ihre Krone luden sich sichtlich auf, dann sprang etwas, das mich an einen stabilen Lichtbogen erinnerte, vom Horn auf den Kristall über, wurde dort auf mir völlig unerklärliche Weise verstärkt - und ein einzelner, sicher armdicker Strahl aus purer Energie schoß aus dem Kristall heraus und zielsicher in die Wolke hinein. Das Ergebnis war einfach nur erstaunlich. Erst geschah für zwei, drei endlos scheinende Sekunden gar nichts, und ich fürchtete bereits, daß Twilights Zauber wirkungslos gewesen sein könnte. Dann begannen kleine, hin- und herzuckende und sich windende Blitze aus dem Inneren des gewaltigen Wolkengebirges hervorzuzucken und die Wolken einzuhüllen. Nach einigen weiteren Augenblicken umspannte ein ganzes Netz aus reiner Energie, in dem es pausenlos abgehackte, blitzähnliche Bewegungen gab, die Wolken. Die gezackten weißen Linien verdichteten sich mehr und mehr, das Netz wurde von Sekunde zu Sekunde engmaschiger - und dann waren die dunklen Regenwolken verschwunden! Ein vielstimmiger Aufschrei hallte über die Wiese - natürlich war die Aktion nicht unbeobachtet geblieben. Inzwischen waren auch einige Soldaten, mit Schirmen, Tischen und Bänken bepackt, durch das Tor gekommen und hatten aus nächster Nähe gesehen, was geschehen war - und, wie nicht anders zu erwarten, versank die Wiese in einem einzigen Durcheinander aus gleichzeitig redenden Stimmen, während die letzten Tropfen, die noch in der Luft gewesen waren, den Boden erreichten. Am Himmel waren nur noch einige harmlose weiße Haufenwolken übrig geblieben, und der Nachschub an Regenwolken war verschwunden. Fort, als hätte es ihn nie gegeben. Twilight, deren Mähne und Schweif aufgehört hatten, in einem nicht vorhandenen Sturm zu wehen, schloß die Augen, das magische Glühen ihrer Krone wurde schwächer und erlosch schließlich ganz, während sie zum Boden zurück schwebte, um erst mit den Hinterhufen und dann mit den Vorderbeinen sanft aufzusetzen. Das Leuchten ihres Horns endete so abrupt, als wäre es abgeschaltet worden, und sie taumelte, nun, da sie nicht mehr von unbegreiflichen Mächten gehalten wurde. Rasch sprang ich hinzu und fing sie auf, bevor sie zusammenbrechen konnte - was mit einem vielstimmigen erschrockenen Ausruf rings um mich herum quittiert wurde. Mir schossen Bilder eines ähnlichen Erlebnisses durch den Kopf, das ich vor einigen Monaten, am Abend nach meiner Ankunft in Equestria, gehabt hatte, und mit einem Mal wußte ich wieder, womit ich das Alicorn wieder zu Kräften bringen konnte - auch ohne Discords Fähigkeiten. "Cola!", brüllte ich über den Platz, so laut ich nur konnte. "Bringt mir eine Flasche Cola hierher - und das möglichst heute noch!" Verwundert sahen sich Menschen und Ponys an, dann rannten gleich mehrere Soldaten in Richtung ihres Camps, um das Verlangte zu holen. Ein anderer Soldat kam auf uns zu und tastete nach Twilights Hals. "Ich bin Sanitäter", kommentierte er, ohne sich selbst mit einer Begrüßung oder weiteren Vorstellung aufzuhalten. "Laß mal sehen, die Vitalfunktionen sind doch bei allen Lebewesen gleich... aha... ja." Er tastete weiter am Körper des Alicorns herum. Twilight öffnete die Augen und sah uns müde an. "Hat es... wenigstens... funktioniert?" "Es war perfekt, würde ich sagen. Die Wolken sind weg, und es kommen auch keine neuen mehr nach." "Dann... hat es... sich... gelohnt. Bin... so müde..." "Kein Wunder - schwerer Erschöpfungszustand, das ist eindeutig. Ich kann dir natürlich nichts vorschreiben, aber als Sani würde ich sagen: ab ins Bett mit dir." Schwach schüttelte das fliederfarbene Pony den Kopf. "Kann nicht... so wenig... Zeit... so viel... zu tun." "Erinnerst du dich noch an das Ereignis mit Celestia und Luna und an die Cola? Ich habe schon welche bestellt, vielleicht hilft dir das." "Danke... wird schon wieder... ich fühle mich schon... etwas besser." Tatsächlich wurde ihre Sprache wieder flüssiger, und sie wirkte bereits weniger angeschlagen als noch vor einer Minute. "Langsam verstehe ich... wie die Prinzessinnen... das aushalten. Ich muß noch viel lernen." Der Sanitätssoldat, dessen Namen ich noch immer nicht wußte (tatsächlich hatte ich mir bisher nicht die Mühe gemacht, auf sein eingesticktes Namensfeld zu sehen), schüttelte mißbilligend den Kopf. "Kann das sein, daß du dich selbst überschätzt? Bei jedem anderen Wesen wäre die Behandlung klar: Ruhe, Ruhe und noch mehr Ruhe. Was die Cola angeht: Zucker und Koffein... na gut, das kann helfen, aber nur als erste Notfallmaßnahme. Es ersetzt allerdings keinen gesunden Schlaf." Twilight lächelte. "Danke für die Besorgnis - aber ein paar Stunden muß es noch gehen. Ich hätte nie erwartet, daß Prinzessin Celestia derartige Aufgaben für mich vorgesehen hat..." Ein weiterer herbeieilender Soldat, der gleich in jeder Hand einen Sechserpack Cola mit sich schleppte, enthob uns der Notwendigkeit einer Antwort. Ich schnappte mir eine Flasche, aber ich brauchte sie nicht einmal aufzuschrauben: kaum hatte ich die Flasche aus der Folienverpackung gelöst, wurde sie in eine schwach lilafarbig schimmernde Magiewolke gehüllt, mir sanft aus der Hand genommen, und der Verschluß drehte sich von selbst herunter. Während Twilight die Flasche mit wenigen Schlucken leerte, sah der Sanitäter nur erstaunt zu - was nicht nur an der Geschwindigkeit, mit der die Menge an Flüssigkeit verschwand, liegen mochte, sondern auch an dem sichtlichen Effekt, den sie hatte. Bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten tankte das Alicorn zusehends neue Energie, die letzten Anzeichen von Müdigkeit und Erschöpfung verschwanden, die dunklen Augenringe, die sich erneut gebildet hatten, wurden schwächer und verblaßten schließlich ganz, und bereits nach wenigen Sekunden stand sie wieder sicher auf ihren eigenen Hufen. Sie ließ die leere Flasche zu mir zurückschweben, und ich griff automatisch danach. "Ich danke euch sehr... damit sollte ich den Abend noch überstehen. Und diese Nacht werde ich hoffentlich in meinem Bett verbringen, ich verspreche es - falls nicht wieder irgendwelche Notfälle dazwischen kommen." Sie sah den Sanitäter freundlich an. "Vielen lieben Dank für deine Unterstützung." "Das ist schließlich meine Aufgabe - war mir ein Vergnügen." Er salutierte lässig und wandte sich dann wieder dem zu, weswegen er gekommen war: dem Aufstellen von Tischen und Bänken. "Hat es die Prinzessin doch wieder einmal geschafft, allen anderen Ponys hier die Show zu stehlen", vernahm ich einen nicht besonders freundlich klingenden Kommentar. Er kam von einem einige Schritte entfernt stehenden himmelblauen Unicorn, welches mitsamt einem Wohnwagen erschienen war - Trixie hatte sich eingefunden. "Hoffentlich bist du nun glücklich, genug Aufmerksamkeit dürfte dir deine kleine Vorführung hier ja gebracht haben." Twilight stöhnte auf. "Trixie - glaubst du wirklich allen Ernstes, ich würde das alles hier nur wegen Aufmerksamkeit machen? Ich hätte dir auch gern die Ehre überlassen, selber die polydimensionale Barriere zwischen den Wolken wieder zu verstärken und die verbogenen Wassermoleküle zu beseitigen, aber nimms mir nicht übel... ich glaube nicht, daß du das geschafft hättest. Ich jedenfalls hätte gut auf diese Übung verzichten können." "Tja, das Los einer Prinzessin ist schon hart", kommentierte das Showpony völlig ungerührt. "Es stimmt aber, das ist etwas, was ich nicht kann und auch nicht können muß, das ist eindeutig Alicorn-Magie - glücklich das Pony, das damit gesegnet ist. Trotzdem, Twilight Sparkle: mußte es so auffällig sein, so viel Showeffekt? Wäre das nicht unauffälliger, diskreter gegangen? Jetzt habe ich wieder das Problem, diese Vorstellung überbieten zu müssen!" "Jetzt mach aber ma' halblang!", schnaufte Applejack, bereits wieder hörbar verärgert. "Wärs der ach-so-großn un' mächtig'n Trixie vielleicht lieber gewesn, wenn'se hätte im strömenden Regn un' im Matsch auftretn müssn?! Obwohl - vielleicht wär das ja eher das richtige Umfeld für dich gewesn." Trixie überhörte die kaum verhohlene Beleidigung, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. "Pfüh - als ob es mein Fehler wäre, daß die Pegasi hier anscheinend unfähig sind, ihre Arbeit zu erledigen. Naja - ein angemessenes Umfeld für die große und machtvolle Trixie hat aber auch etwas für sich, das gebe ich gerne zu." "Hey!", protestierte Rainbow, die sich inzwischen offenbar ebenfalls wieder erholt und einigermaßen trockengeschüttelt hatte. "Wem unterstellst du hier Unfähigkeit?! Mit den Wolken, die jetzt noch dort oben sind, werde ich fertig - zehn Sekunden, keine einzige mehr!" Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck spreizte sie ihre Schwingen und zischte in den Himmel, um den weißen Haufenwolken, die ziellos umhertrieben, zu Leibe zu rücken: einige zertrat sie kurzerhand, andere ließ sie durch flügelerzeugten Wind regelrecht zerstieben, und durch wieder andere rauschte sie hindurch und ließ sie dabei durch einen Effekt, dessen genaue Ursache mir immer noch unbekannt war, verpuffen. Einige andere Pegasi, die gesehen hatten, daß ihre direkte Chefin sich wieder an die Arbeit machte, starteten ebenfalls vom Boden, aber natürlich hatten sie keine Chance, die blaue Hochgeschwindigkeitsfliegerin einzuholen. Es dauerte nicht einmal zehn Sekunden, bis der Himmel über dem Tor wieder so klar war, wie er es die letzten Tage gewesen war. Rainbow flog mit einer einigermaßen spöttischen Geste, die sowohl Grußerweisung als auch Verabschiedung sein mochte, an den anderen Pegasi vorbei und landete wieder neben uns - dieses Mal, ohne auch nur halbwegs außer Atem gekommen zu sein. "Ja, ganz nett", kommentierte Trixie gespielt kühl, hatte aber ihre Gesichtszüge nicht völlig unter Kontrolle: die großen Augen verrieten, daß sie in Wirklichkeit durchaus beeindruckt von Rainbows Leistung war. "Das dürfte das angemessene Umfeld für die große und machtvolle Trixie sein - jetzt sollte nur noch das Gelände wieder trocken werden." "Tja, Tríksolín, das solltest du aber selber durchaus können - wenn du damals besser aufgepaßt hättest. Ihr, Prinzessin, solltet übrigens auch dazu in der Lage sein, aber ich glaube, das Trocknen war nie Eure Spezialität, wenn ich mich recht erinnere." Die Worte waren von einem männlichen Unicorn schwer bestimmbaren mittleren Alters gekommen, welches eine Frisur und einen Schnauzbart trug, wie beides in der Menschenwelt in den Siebzigern in Mode gewesen sein mochte. Der Hengst hatte sich uns unbemerkt genähert, angeführt von Applebloom und gefolgt von gleich mehreren Wissenschaftlern, die Sensoren und Meßgeräte auf ihn gerichtet hielten - eine Tatsache, die er ebenso demonstrativ ignorierte wie die Menschen selbst. Die beiden von ihm angesprochenen Ponys verneigten sich, die eine in einer Geste ehrlichen Respekts, die andere eher halbherzig. "Professor Desert - es freut mich, Sie wiederzusehen, ich bin so frei, Sie vorzustellen. Meine Freunde, dies hier ist Professor Bonedry Desert, einer der Lehrer an Celestias Schule für begabte Unicorns. Sein Spezialtalent und sein Unterrichtsfach ist die Manipulation von Wasser in jeglicher Form und das Abtrocknen ganzer Landstriche bis zu jedem gewünschten Grad." Twilight stellte uns vor bis auf Trixie, die den Lehrer ebenfalls noch zu kennen schien, sich aber ihm gegenüber mit ihrer üblichen Großspurigkeit zurückhielt. Einige der Menschen, die Bonedry Desert begleiteten, zückten kleine elektronische Geräte und machten sich eifrig Notizen. "Es freut mich, daß Ihr Euch an mich erinnert, Prinzessin Twilight; es hat nicht jeder die Ehre, ein Alicorn unterricht haben zu dürfen - auch wenn erst später bekannt wird, wen er da in seiner Klasse hatte." "Jaaaaa, wer hätte das gedacht", kommentierte Trixie und verdrehte die Augen. "Nur kein Neid, Tríksolín Lulamoon. Du weißt genau wie wir, wie selten Alicorns sind, und wir können auch nicht nur Prinzessinnen haben, sonst wären sie ja nichts Besonderes mehr, oder? - Aber wie ich hörte, hast auch du deine durchaus ehrenwerte Bestimmung gefunden - es ist nicht jedem Pony gegeben, große Unterhaltungsshows zu gestalten und sich dem Publikum zu stellen, und ich muß sagen, ich freue mich, heute abend deine Show bewundern zu dürfen. Und da du nicht mehr in der Schule bist, mußt du auch keine Bewertung von mir oder einem anderen Pony aus dem Lehrerkollegium befürchten - wir betrachten es als netten Zufall und gute Gelegenheit, der ehemaligen Schülerin zusehen und ihre Vorstellung genießen zu dürfen." Das himmelblaue Unicorn schien bei diesen Worten ein Stück zu wachsen. "Die große und machtvolle Trixie freut sich, ein anspruchsvolles Publikum unterhalten zu dürfen, und wird ihr Bestes geben, ein gutes und hochwertiges Programm für ihre verehrten Gäste zu bieten!" In den Augen des magischen Professors blitzte es belustigt auf, aber er enthielt sich eines entsprechenden Kommentars und kam stattdessen auf die aktuelle Lage zurück. "Dann vermute ich, daß die Wiese und die Landschaft hier in einen angemessenen Zustand versetzt werden sollen, richtig? Wie ist es - wollt ihr beiden mitmachen?" Die ehemaligen Schülerinnen sahen sich kurz an und waren sich offenbar ausnahmsweise sofort einig. "Es dürfte wohl besser sein, wenn wir Ihnen nicht in Ihr Spezialtalent hineinzaubern, Professor", schmeichelte Trixie, und der Angesprochene konnte sich ein Grinsen nicht länger verkneifen. "Ihr meint wohl, es ist besser, den Alten die Arbeit allein tun zu lassen. Aber bitte sehr, dafür hat mich die Kleine hier", er tätschelte Applebloom den Kopf, "schließlich hergebracht. Trockne ich die Wiese und die Gegenstände also selbst, immerhin ist das ja mein Paradebeispiel, wenn ich das in aller Bescheidenheit anmerken darf." Professor Desert schloß die Augen, während die Wissenschaftler hinter ihm in hektische Betriebsamkeit ausbrachen, neue Meßgeräte hervorkramten und einer sogar etwas, das wie eine kreisförmige Antenne aussah, vor dem Unicorn in die Wiese steckte. Trixie wollte die Menschen ärgerlich anfahren, aber Twilight schüttelte nur leicht den Kopf und hob einen Vorderhuf, und die Bühnenmagierin brach mitten in der Bewegung ab und machte einige Schritte zurück. Dann war Bonedry Desert offenbar bereit: eine in sanftem Orange schimmernde Wolke aus Magie hüllte sein Horn ein und breitete sich wie leuchtender Nebel über die gesamte Wiese aus. Bevor einer der anwesenden Soldaten in Panik geraten oder irgend etwas hätte tun können, waren sowohl der Platz als auch sämtliche Menschen und Ponys in die Magie des Professors eingehüllt, und das Regenwasser, das sämtliche Oberflächen bedeckte und die Kleidung der Soldaten durchtränkt hatte, verdampfte - unspektakulär und völlig ohne Wärmeentwicklung. Binnen Sekunden bildete sich eine Schicht aus Bodennebel, die rasch nach oben stieg und sich in einigen Metern Höhe einfach verflüchtigte. Vielleicht eine Minute, nachdem das Unicorn begonnen hatte, war es auch schon vorbei: das gesamte Areal inklusive Menschen und Ponys war wieder so trocken, wie man es nach mehreren Tagen Frühsommer erwarten sollte. Das Leuchten am Horn des Hengstes erlosch, und die alles einhüllende Magiewolke wurde blasser und blasser und war nach wenigen Sekunden verschwunden. "Ich muß sagen, ich bin beeindruckt. Wenn alle Unicorns, die Twilight versammelt hat, derartig viel Magie hervorbringen, dürfte das Tor doch im Nullkommanichts geschlossen sein", meldete ich mich zu Wort. Bonedry öffnete die Augen und sah mich direkt an. "Danke, aber zuviel der Ehre, Botschafter. Die Wasserbeeinflussung ist leider mein einziges größeres magisches Talent, was mich von anderen Unicorns unterscheidet... im Gegensatz zu Prinzessin Twilight kann ich zum Beispiel weder teleportieren noch Magien, die nicht meine eigenen sind, bündeln, und erst recht kann ich keine neuen Zauber entwickeln, auch wenn ich mich früher häufiger daran versucht habe. Auch eigne ich mich nicht als Entertainerpony wie unsere werte Trixie hier, das liegt mir nun überhaupt nicht. Und so geht es den meisten höher begabten Unicorns: wir haben Inselbegabungen, mehr nicht. Die Prinzessinnen hingegen, alle von ihnen, können wesentlich mehr, das ist das ganze Geheimnis." Seine Worte wurden eifrig protokolliert. *** Etwa eine Stunde später war es soweit: Trixie hatte ihre Bühne aufgebaut (sie war den menschlichen Forschern gegenüber entgegenkommend genug gewesen, diese dabei zusehen zu lassen: es handelte sich um gewöhnliche Levitationsmagie, die Bühne verbarg sich normalerweise in Einzelteile zerlegt in und an ihrem Wagen), die Soldaten die Tische und Sitzbänke, und Applejack ihren Verkaufsstand für alle möglichen Produkte ihrer Familie, die sich bereits regen Zuspruches erfreuten. Ich hatte am Rande registriert, daß alles, was sie anbot, sowohl für Ponys als auch für Menschen genießbar war und sie somit gewissermaßen gemischte Kundschaft hatte. Offenbar gab es durchaus Gemeinsamkeiten im Nahrungsspektrum beider Spezies, was ich nach meiner Zeit in Equestria zwar längst wußte, was bei einigen Menschen aber durchaus für Erstaunen sorgte. Ich hatte mir als Sitzgelegenheit den Stuhl meiner Botschaft auserkoren, während Donnic lässig auf dem Schreibtisch saß. General Holzberg hatte sich entschuldigen lassen. Wie Donnic mir erzählte, hätte der General die Vorstellung ebenfalls gern gesehen, hatte aber nach wie vor an seinem Auftrag zu arbeiten, der Regierung genauere Informationen über das hiesige Phänomen zu liefern, Berichte zu schreiben und Anfragen von irgendwelchen Geheimdiensten zu beantworten - und, wie er selbst früher am Tag gesagt hatte, war er natürlich nach wie vor in erster Linie Soldat und nicht zu seinem persönlichen Vergnügen im Camp, daher gingen seine dienstlichen Aufgaben logischerweise vor. Twilight hatte sich verabschiedet, um an ihren Studien weiterzuarbeiten, und sich optimistisch gezeigt, daß die Unicorns am nächsten Tag soweit sein würden, das Tor zwischen den beiden Welten zu verschließen, dafür hatte sie uns als Beobachter Spike geschickt - sollte es erforderlich werden, daß sie selbst erschien, würde er sie auf direktem Wege benachrichtigen können. Trixie hatte Twilights Verschwinden zwar klugerweise nicht weiter kommentiert, schien aber insgeheim froh zu sein, keine magische Konkurrenz, ob beabsichtigt oder nicht, bei ihrer Show befürchten zu müssen. Die Forscher waren größtenteils zurückgekehrt in die Menschenwelt (einige von ihnen allerdings recht widerstrebend, wie mir nicht entgangen war), um mit den Auswertungen der gesammelten Daten zu beginnen - immerhin sollte die Aktion, die die beiden Welten (oder besser: parallelen Universen, wie sie sich ausgedrückt hatten) wieder stabil voneinander trennen würde, möglichst synchron in beiden Welten beginnen, daher stand für etliche der Wissenschaftler wohl eine Nachtschicht an. Rainbow, deren kurze Flugvorführung die Show einleiten sollte, posierte unterdessen vor der Bühne für die Kameras der anwesenden Soldaten, und ich fand mich selbst gerührt darüber, daß sie den Fluganzug, den Rarity genäht und ich ihr geschenkt hatte, trug - wie damals (Damals? Was heißt 'damals'? Das alles war erst wenige Tage her!, dachte ich erstaunt), als wir ihr nach ihrer harten Ablehnung durch Arado Flash gezeigt hatten, wie sehr wir sie mochten und vor Ort brauchten. Donnic hatte sich, was die Zahl der menschlichen Besucher anging, ebenso gründlich verschätzt wie wir Bewohner Equestrias mit der Anzahl der Ponys: auf der Wiese mochten sich an die dreihundert Menschen (darunter auch etliche Frauen, was für die Ponys wohl das erste Mal sein mochte, daß sie weibliche Menschen kennenlernten) und um die zweihundert Ponys befinden. Interessanterweise, obwohl - anders als bei meinem Eintreffen - die Spezies von der Existenz der jeweils anderen wußten, kam es allerdings, wie ich aus der Ferne sah, kaum zu Kontakten untereinander: bis auf einzelne Gespräche blieben Menschen und Ponys weitgehend unter sich, offenbar waren sich die meisten Vertreter der jeweiligen Art unsicher, wie sie mit der jeweils anderen umgehen sollten. Nun, dachte ich, vielleicht würde sich das noch ändern, wenn das Tor länger offen blieb als geplant... vielleicht war ich vor einigen Monaten doch zu pessimistisch gewesen, was meine eigene Art anging, und ein friedliches Miteinander der Spezies lag wohl doch immerhin im Bereich des Möglichen. - An der allgemeinen friedlichen Grundstimmung änderte auch die Präsenz der Feldjäger nichts, die Donnic angekündigt hatte: zwei Zweierstreifen waren gekommen, zu meinem Erstaunen bestand jede von ihnen aus einem Mann und einer Frau. Sie waren als Militärpolizei eindeutig gekennzeichnet, und nun, da ich direkt danach Ausschau hielt, sah ich auch ihre Bewaffnung: sie bestand pro Person aus einer Pistole und einem umgehängten Sturmgewehr. Allerdings war das auch schon alles, was sie von den übrigen Soldaten auf der Wiese unterschied - ohne die Kennzeichnung wären sie inmitten der Menge vielleicht nur dadurch aufgefallen, daß sie zusammen mit jeweils drei Unicorns der royalen Garden unterwegs waren. Ähnlich wie ihre menschlichen Kollegen trugen die Wachponys ihre volle Montur, aber keine Waffen - aus dem einfachen Grund, daß sie keine nötig hatten. Alles, was sie im Ernstfall zur Verteidigung gebraucht hätten (in dem Fall einfach auf Nahkampf spezialisierte Magie, vermutete ich, oder schlimmstenfalls würde es sicher auch ein altmodischer Huftritt tun), führten sie von Natur aus ständig bei sich. Vor der Bühne stand nicht nur das bekannte blaue Hochgeschwindigkeitspony - auch zwei junge männliche Unicorns wuselten umher und taten ihr Möglichstes, um so wichtig, wie es nur irgendwie ging, zu erscheinen. Snips und Snails trugen jeweils einen Zylinder, der natürlich zu groß war und daher eher albern wirkte, sowie schief sitzende Fliegen und etwas, das sie wohl für elegante Abendgarderobe halten mochten - in Wirklichkeit sah es einfach nur aus, als hätte jemand wahllos im Fundus einer Operette herumgewühlt und die erstbesten Stücke an Herrenbekleidung, die er gefunden hatte, den beiden jungen Hengsten verpaßt. Entsprechend belustigt fiel die Reaktion der Besucher aus, aber die beiden bemerkten den sanften Spott darin entweder wirklich nicht, oder sie freuten sich einfach, überhaupt irgendeine Form von Anerkennung zu finden. Auch sie wurden zum Motiv zahlreicher Fotos, aber offenbar hatte Rainbow es sich ausbedungen, daß die beiden sie in Ruhe und ihr genügend Raum ließen - zwar flankierten sie sie von Zeit zu Zeit zu beiden Seiten, aber immer mit ausreichendem Abstand. Es mochte genau acht Uhr sein, als sich am oberen Rand der Bühnenrückwand einige Feuerräder in vielfarbigen Funkenschauern zu drehen begannen. "Laßt die Vorführung beginnen!", rief eine Stimme, die aus der Luft selbst zu kommen schien und die ich als zu Trixie gehörig erkannte. Rainbow posierte für die letzten Bilder, sagte einige Worte, die ich über die Distanz natürlich nicht hören konnte und die wohl ohnehin nur an die Besucher, die sich direkt vor ihr befanden, gerichtet waren, und hob ab, um mit ihrer versprochenen Flugvorführung die Show einzuleiten. Genau wie vor einigen Tagen stieg sie steil in die Höhe, vollführte Loopings, Korkenzieherfiguren sowie spitze Winkel, die in der Menschenwelt bisher nichts und niemand je geflogen war - begleitet von den begeisterten Ausrufen der Besucher, und ich sah, daß etliche Kameras, die nun offenbar Videos aufnahmen, auf sie gerichtet waren. Nach einigen kunstvollen Figuren gewann sie weiter an Höhe, um dann wieder dem Boden zuzurasen, und genau, wie ich es bereits kannte, begann sich hinter ihr eine Art regenbogenfarbiger Kondensstreifen zu bilden, der mit zunehmender Geschwindigkeit immer intensiver leuchtete. Natürlich wußte sie, daß sie keinesfalls bis auf Schallgeschwindigkeit beschleunigen sollte - dafür raste sie senkrecht auf die Bühne zu, um vielleicht zehn Meter darüber abrupt anzuhalten, zur Seite zu fliegen und aus fast völligem Stillstand derart zu beschleunigen, daß sie einen formvollendeten, strahlenden Regenbogen über dem gesamten Aufbau zog. Sie landete auf der Bühne, verbeugte sich zu dem begeisterten und stürmischen Applaus und stieg dann wieder hoch in den Himmel, um für eine kurze Zeit dort zu bleiben. "Besucher zweier Welten!", erschallte wieder die scheinbar allgegenwärtige Stimme. "Dies war die schnellste und beste Fliegerin Equestrias - Rainbow Dash! Und nun... die große! Und machtvolle! Trixie!!!" In einer demonstrativen Rauchwolke erschien das himmelblaue Unicorn, bekleidet mit einem lilafarbigen, hellblau gesäumten und mit gleichfalls hellblauen Sternen dekorierten Umhang und einem ebensolchen spitzen (und für meine Begriffe eher albernen) Hut, auf der Bühne. Trixie, die, vermutlich sehr zu ihrer Freude, mit begeistertem Applaus empfangen wurde, verbeugte sich, um sich dann hoch aufzurichten und ihr Programm zu beginnen. Feuerwerk sprühte, Lichteffekte, die keine sichtbare Quelle wie etwa Scheinwerfer hatten, sondern aus der leeren Luft zu kommen schienen, zuckten, und das Showpony führte allerlei magische Kunststücke verschiedener Art vor. Snips und Snails sahen sich dabei offenbar als Trixies Assistenten und wurden von ihrem Idol immerhin nicht verjagt, sondern, so gut es eben ging, eingebunden - offenbar hatte Trixie eingesehen, daß sie die beiden ohnehin nicht loswerden würde und sie daher genausogut mit einspannen konnte. Zwar standen die beiden sich oft genug gegenseitig im Weg und sorgten so eher für unfreiwillige Lacherfolge als für Bewunderung für die Magie des blauen Unicorns, dafür hatte Trixie aber andererseits gleich zwei beständige Freiwillige, die sie zum Beispiel in einem Flugballett aus Levitationsmagie umherschweben lassen konnte. Auf Anfrage des Publikums durften die beiden sogar versuchen, ihre eigenen magischen Kräfte unter Beweis zu stellen - allerdings erschöpften diese sich in einigen schwachen Funken aus ihren Hörnern, und Trixie bewies ein bewundernswertes Talent, diesen schwachen Teil der Vorstellung gekonnt zu überspielen. Inzwischen war Rainbow unauffällig zu uns heruntergekommen und hatte sich nach kurzem Zögern in reichlich despektierlicher Haltung zu Donnic auf den Schreibtisch gesetzt, wobei sie mich einigermaßen unverschämt angrinste. Allerdings wußten wir beide, daß sie sich dieses Verhalten bei mir durchaus leisten konnte, und so ignorierte ich Donnics erstaunte Blicke und widmete meine Aufmerksamkeit wieder Trixies Show. "Die große und machtvolle Trixie hat gehört, daß es Menschen gibt, die ebenfalls so tun, als könnten sie zaubern?", fragte sie nach vielleicht zwanzig Minuten ihrer Show mit falscher Liebenswürdigkeit ins Publikum. Sofort wurde von dort einiges Gejohle (das wohl auch durch den Genuß von Applejacks Cider begünstigt wurde, nahm ich an) laut, und die unsichtbaren Scheinwerfer suchten und fanden tatsächlich zwei Soldaten, auf die ihre Kameraden eindeutig zeigten. "Würdet ihr Trixie wohl die Ehre erweisen, ihr eure Fähigkeiten einmal zu zeigen?" Ihre Stimme klang nach wie vor schmeichelnd. Einer hob abwehrend die Hände und rief als Antwort etwas davon, daß er seine notwendigen Utensilien nicht dabei hatte, der andere aber nahm die Herausforderung an und drängelte sich durch seine Kameraden hindurch zu einem Mittelgang, wo ihn Snips und Snails, die eifrig herbeigaloppiert gekommen waren, in Empfang nahmen und auf die Bühne eskortierten. Sein Mut wurde mit einigem Applaus belohnt. "Nun, verehrter Kollege - was könnt Ihr uns zeigen?", fragte Trixie scheinheilig. Die Magie, die sie einsetzte, um ihre eigene Stimme überall gleichermaßen gut hörbar zu machen, konnte sie offenbar auch auf andere anwenden, denn die Antwort des Soldaten erscholl ebenso aus der leeren Luft wie die Stimme des Unicorns. "Ich habe immer ein Skatkartenspiel dabei, zumindest damit kann ich einen Trick zeigen, wenn ihr das wollt." Er erntete begeisterte Zurufe und ein ermutigendes Nicken von Trixie und fischte das Spiel aus seiner Brusttasche. "Dann wollen wir mal. Wie gesagt, hier habe ich ein ganz normales Kartenspiel, nichts besonderes. So eines habe ich eigentlich immer einstecken, damit ich bei Bedarf direkt eine Runde Skat auflegen kann." Er nahm die Karten aus der Schachtel und fächerte sie auf. "Ihr seht: handelsübliche Skatkarten, weder gezinkt noch besonders abgenutzt." Er hielt den Kartenfächer mit der Bildseite zu Trixie. "Zieh irgendeine Karte - ich darf natürlich nicht sehen, was darauf ist." Trixie levitierte eine Karte aus der Mitte heraus und ließ sie vor ihren Augen schweben, während der Soldat die übrigen Karten wieder zusammenschob und begann, den Stapel zu mischen. "Ihr seht, ich mische die Karten, kenne also spätestens jetzt die Reihenfolge, in der sie liegen, nicht mehr. Jetzt muß ich sie mal eben - nichts für ungut, Trixie - etwas verzaubern, dauert nur einen winzigen Moment." Er führte den Stapel hinter seinen Rücken und fuhrwerkte dort, für das Publikum unsichtbar, mit beiden Händen irgendetwas herum, begleitet von einem recht ausdrucksstarken Minenspiel Trixies, welches so etwas wie sarkastisch gemeinte Anerkennung ausdrückte - sehr zur Erheiterung sowohl von Menschen als auch von Ponys. "Es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn das Publikum weiß, welche Karte es ist - ich selber darf es natürlich nicht sehen. Wäre das möglich?" "Für Trixie ist alles möglich!" Eine vergrößerte Projektion des Kartenbildes, die wie ein Hologramm wirkte, erschien vor der Bühne, und ich zweifelte nicht daran, daß diese tatsächlich nur für die Zuschauer sichtbar war - Trixie hatte sich für das Schellen-Daus entschieden. "Gut, wenn dann alles bereit ist... schieb die Karte wieder in den Stapel, aber ich darf sie natürlich nach wie vor nicht sehen." Trixie levitierte das Blatt, mit der Rückseite zu dem Soldaten, wie gewünscht in das Kartenspiel, das er ihr, fest zusammengedrückt, hinhielt, hinein. "Gut. Meine Magie muß ich leider verstecken... einen Moment bitte." Er drehte sich um, hantierte dort ein klein wenig mit den Karten herum und wandte sich wieder Trixie und dem Publikum zu, wobei er triumphierend das Schellen-Daus in die Höhe hielt. "Ich nehme an, das hier war Trixies Karte?" Der Beifall war Antwort genug. Trixie verzog das Gesicht in gespielter Anerkennung. "Gar nicht mal schlecht für eine Spezies, die ja leider keine echte Magie inne hat, das muß Trixie ja sagen. Möchtet Ihr, werter Magier, uns verraten, wie dieser Trick funktioniert?" Der Zauberkünstler schüttelte den Kopf. "Nein. Nichts für ungut, aber wir Menschen verraten uns nie gegenseitig unsere Tricks. Die meisten hier kennen ihn sowieso, etwas so Besonderes ist er nun auch wieder nicht - aber für die besseren Tricks bräuchte ich meine Ausstattung, die habe ich aber leider zuhause, ich war ja auch nicht darauf eingestellt, heute abend aufzutreten." "Wie macht er das nur? Ich habe diesen Trick schon öfter bei ihm gesehen, und viele Kameraden kennen ihn anscheinend wirklich... aber ich bin nie dahintergekommen, wie der Trick geht", kommentierte Donnic neben mir. Ich grinste amüsiert - natürlich kannte ich den Trick ebenfalls, aber es wäre zu langweilig und trocken gewesen, ihn Donnic einfach nur mit Worten zu erklären. "Warts ab - ich könnte mir vorstellen, Trixie wird uns gleich zeigen, was er da gemacht hat." Meine Vermutung war richtig. "Darf die große und machtvolle Trixie, die heute abend zum ersten Mal einen Kartentrick gesehen hat - wir Ponys haben einfach keine Spielkarten, der verehrte Botschafter kann das bei Bedarf sicher bestätigen - zeigen, wie dieser Zauber funktioniert?" Der Soldat grinste. "Nur zu. Versuch es. Bei den Menschen sind manche schon von selber dahintergekommen, manche aber auch nicht." "Nun denn! Ich brauche bitte die Karten." Der Stapel begann zu schweben und fächerte sich vor dem Soldaten auf. "So zieht denn eine Karte - genau, wie ich es getan habe. - Ja, danke...", die Karten schoben sich zusammen und wurden von unsichtbaren Händen gemischt, "dann wollen wir einmal die Menschenmagie nachvollziehen: machen wir dieses und dieses", die erste und die letzte Karte lösten sich vom Stapel, drehten sich und wurden wieder angelegt, so daß der Eindruck entstand, der Stapel würde genau anders herum liegen als gerade eben noch. "Jetzt sollte es eigentlich schon allen klar sein." Donnic machte neben mir ein entsprechendes Geräusch, was deutlich machte, daß nun endlich der Groschen bei ihm gefallen war. "Aber spielen wir es zu Ende, die Karte kommt also wieder hinein... ja, genau so. Im Verborgenen braucht man jetzt nur noch den Stapel aufzufächern und die Karte, die falsch herum im Spiel liegt, herauszunehmen - schon hat man sie. Denkbar einfach, aber recht effektiv. Ich danke für die Vorführung!" Erneut brandete Applaus auf, der übrigens nicht nur aus dem Händeklatschen der Menschen, sondern auch aus dem Huftrappeln zahlloser Ponys bestand. "Wollen wir aber noch ein wenig echte Magie mit den Karten betreiben?" Die begeisterten Rufe waren Antwort genug. "In Ordnung... Karten herausfinden kann die große und machtvolle Trixie selbstverständlich auch. Ihr gestattet, daß Trixie Euer Spiel noch einmal verwendet?" "Es wäre mir eine Ehre!" "So sei es... wollen wir sie mischen... und nun zieht wieder, ich sehe diese Karte natürlich nicht." Der Soldat zog erneut und hielt die Karte in die Höhe - so, daß Trixie sie unmöglich sehen konnte. Allerdings hatte sie ihre natürlichen magischen Fähigkeiten bereits eingesetzt - sie zwinkerte dem Publikum verschwörerisch zu, so, daß es ihr mehr oder minder freiwilliger Bühnenpartner seinerseits nicht sah, und ließ erneut eine vergrößerte Projektion, die nur vom Publikum gesehen werden konnte, aufleuchten: es handelte sich dieses Mal um den Grün-Unter. "Steckt die Karte einfach wieder hinein... dankeschön... und nun noch einmal mischen... hm, wollen doch mal sehen." Sie fächerte die Karten mit der Bildseite zu sich auf und betrachtete das Durcheinander aus Symbolen und Zahlen scheinbar ratlos. "Diese hier?" Eine Eichel-Lusche, die ich von meinem Platz aus nicht genau erkennen konnte, schwebte kurz heraus, aber bevor der Soldat antworten konnte, redete sie schon weiter. "Nein, die war es nicht, das weiß ich genau... kann gar nicht sein. Oh, eure Karten sind kniffelig... vielleicht... diese hier?" Das Schellen-Daus wurde sichtbar. "Nein, falsches Spiel, die hatten wir vorhin. Bleibt eigentlich nur... dieser Mensch hier!" Triumphierend zückte ihre Levitationsmagie zielsicher den Grün-Unter, und erneut brandete Beifall auf. "Vielen Dank - auch an euch, verehrter magischer Kollege, daß Ihr Euch bereit erklärt habt, gegen die große und machtvolle Trixie anzutreten. Aber sagt, wer sind eigentlich die Menschen auf den Karten?" "Das sind nur symbolische Figuren, die sind niemandem genau nachempfunden... sind nur allgemeine Zeichnungen. Unter, Ober und König, so heißen sie, nach Farben unterteilt. Und das Daus, diese recht gefüllten Karten, bringt im Spiel am meisten, wenn man es für sich verbuchen kann." "Trixie versteht... allerdings ist euer Skatspiel mit Magie vermutlich reichlich witzlos. Wäre es nicht viel interessanter, die gemalten Menschen einmal von Angesicht zu Angesicht zu begrüßen?" Bevor der Hobbymagier antworten konnte, geschah etwas, das wohl weder Trixie und erst recht nicht er vorausgesehen oder gar erwartet hätte. Ein kurzes, aber sehr intensives und folglich äußerst unangenehmes Schwindelgefühl erfaßte mich ohne Vorwarnung, und ein Blick in die Runde sagte mir, daß es nicht nur mir so ging - der Effekt erfaßte alle Menschen und Ponys gleichermaßen, wie ich an den Reaktionen erkennen konnte. Der Anfall verging so schnell, wie er gekommen war, aber ich war mir nicht sicher, ob es wirklich vorbei war: ein Zittern und Beben ging durch die Wirklichkeit selbst, für einen Moment verschwammen sämtliche Umrisse und Konturen, verbogen und verzerrten sich auf eigentlich völlig unmögliche Weise - und dann überlagerten sich die Welten! Was auf der Seite der Menschenwelt war, war in Equestria, und Trixies Bühne stand auf einmal inmitten des Militärfuhrparks! Mit einem fast körperlich fühlbaren Ruck, der durch die Wirklichkeit selbst ging, fielen die Welten wieder zurück, aber es war, als hätte eine unfaßbare Macht die Realität genommen, zu unsanft abgesetzt und sie dabei verbogen, so daß sie nicht mehr ganz an ihre angestammte Stelle paßte: alle Farben wirkten plötzlich fahler als noch gerade eben, Konturen, die scharf sein sollten, waren unscharf und verwischt, hier und da hatten sich gestaltlose Flecken gebildet, die einfach nur aus nichts zu bestehen schienen, so seltsam sich das auch anhören mochte - und die Lichtstrahlen, die Trixies Bühne erleuchteten, hatten einen unangenehmen Grünstich erhalten. Auch die Akustik blieb von den Auswirkungen dieses Vorfalls nicht verschont: alles, was ich hörte, klang, als wäre es leicht verzerrt, so, als käme es aus einem nicht mehr richtig funktionierenden Lautsprecher. Ein vielstimmiger Aufschrei ließ mich herumfahren. Allerdings war nicht die plötzliche und unerklärliche Verschiebung der Wirklichkeit der Grund für die Aufregung - denn als ich sah, was alle anderen bereits gesehen hatten, vergaß ich die falschen Farben und die veränderte Akustik um mich herum sofort. Trixies Bühne stand tatsächlich inmitten des Fuhrparks des Militärcamps - und die geländegängigen Lastwagen, Späh- und Schützenpanzer sowie Jeeps befanden sich auf einer Breite von mindestens hundert Metern und einer unmöglich zu schätzenden Länge inmitten von Equestria! Es war nicht etwa so, als wäre ein neues Tor erschienen - vielmehr sah es so aus, als würde ich ein doppelt belichtetes Foto betrachten. Die Fahrzeuge waren vorhanden, aber sie waren unscharf und halb durchsichtig wie unsauber programmierte Gegenstände in einem Computerspiel. Trixies Bühne war zwar erkennbar stofflicher, aber auch durch sie konnte man an manchen Stellen hindurchsehen und erkannte dort dann die Militärfahrzeuge, die sich an denselben räumlichen Koordinaten in der Menschenwelt befanden. Die Bühne befand sich inmitten der Fahrerkabinen und Motoren von drei Lastwagen. Gleichzeitig regnete es in Strömen, und doch regnete es wieder nicht, und sowohl Bühne als auch Wiese blieben trocken - wir hatten es tatsächlich mit einer Überlagerung beider Welten zu tun! Auch auf der Menschenseite war diese Erscheinung nicht unbemerkt geblieben. Natürlich wurde der Fahrzeugpark bewacht, und an einzelnen Fahrzeugen wurde auch gearbeitet - nur daß die dazugehörigen Soldaten sich nun teilweise in den Stämmen von Applejacks Bäumen oder in Trixies Wagen und Zubehör befanden. Natürlich taten sie das nicht wirklich, aber es sah frappierend danach aus. Die in der Menschenwelt patroullierenden Wachen rissen ihre Gewehre von den Schultern und gingen hinter den Fahrzeugen in Deckung - aber es gab nichts, worauf sie anlegen konnten. Auf was hätten sie auch schießen sollen? Trixie legte von einem Moment zum nächsten ihre Rolle als Showpony komplett ab, so abrupt, als würde sie sie ausschalten. Ohne daß er es selbst bemerkte, levitierte sie den Kartenstapel in die Hemdtasche des Soldaten und stieß ihn mit dem Kopf an. "Runter von der Bühne!" Es war keine freundliche Bitte oder ein Vorschlag, sondern ein glasklarer Befehl. Der Soldat reagierte automatisch und sprang hinunter, und Trixie folgte ihm, während sie ihren Hut mit einem Magiestrahl davonstieß. Ihr Horn lud sich sichtlich auf, und ein hellblauer (durch die Farbverschiebung eher hellgrauer) Magiestrahl schoß heraus und legte sich wie Nebel auf das Publikum, woraufhin einzelne Bewegungen wie etwa das Aufspringen einer Zuschauerin oder das Losgaloppieren eines Ponys erstarrten. Trixie rannte auf uns zu. Auch die Feldjäger und die royalen Garden, die ihre Überraschung noch nicht überwunden hatten, wurden mit eingeschlossen, nur Donnic, Spike, ich und Rainbow wurden nicht erfaßt. Selbst die Wachen am Tor wirkten wie eingefroren. "Spike - Twilight her." Auch das war ein Befehl, aber Spike hatte ihn offenbar bereits erwartet und blies eine giftgrüne Feuerwolke in die Abenddämmerung. "Was hast du getan?", fragte Donnic neben mir fassungslos und mit so leiser Stimme, daß ich Mühe hatte, ihn zu verstehen, aber Trixie hatte die Worte, obwohl sie viel weiter weg war, gehört. Sie lachte - es war ein hart klingender Laut ohne jeden Humor. "Für den Moment ist die Show vorbei, das hier ist kein Spaß mehr. Das Publikum darf auf keinen Fall in Panik geraten, soviel muß man als Schausteller einfach wissen - deshalb habe ich sie in temporale Stasis versetzt." "Du meinst, du hast...", begann Donnic unsicher. "Die Zeit für sie angehalten, ganz genau. Ist das wirklich so schwer zu verstehen?!" Jede falsche Freundlichkeit war aus Trixies Stimme verschwunden - sie klang kalt und bestimmt. "Aber... aber ich dachte...", setzte Rainbow an, wurde aber sofort unterbrochen. "Daß ich nur ein Showpony bin? Weiter nichts als ein beliebiges Unicorn, das auf der Bühne steht und nur für Spaß und Unterhaltung sorgt? Oh nein, da kennt ihr Trixie aber schlecht. Ich komme nicht an Twilight heran, das gebe ich auch zu - aber den einen oder anderen Zauber abseits der Show habe ich durchaus auf Lager." "Celestias Schule für begabte Unicorns", murmelte ich. "Sie hat dir also von unserer gemeinsamen Vergangenheit erzählt. Ganz recht, auch ich war mit ihr auf dieser Schule, sogar in derselben Klasse - nur war das Lernen und Studieren nie meine Sache, aber das wißt ihr sicher schon längst. Ein paar Dinge habe ich aber trotzdem gelernt dort, bevor ich zum reisenden Bühnenpony wurde - und temporale Stasis gehört dazu. Es kostet viel Kraft, deshalb setze ich sie ungern ein, aber ich habe auch Verantwortung für mein Publikum - klar erlaube ich mir manchen Spaß mit meinen Zuschauern, aber hier ist der Spaß eindeutig vorbei. Wo bleibt denn nun... aha, da ist sie." Ein Lichtblitz zuckte auf, und Twilight erschien neben uns. "Was gibts, wo brennts... oh. Ich sehe es... ich wünschte, es würde brennen, das wäre leichter unter Kontrolle zu bringen als das." "Du sollst nicht quatschen, Alicorn Twilight, sondern handeln, ich glaube, das ist deine Aufgabe als Prinzessin." Ich hörte, wie Rainbow ob dieses Tonfalls von Trixie erschrocken die Luft einsog, aber Twilight nahm keinen Anstoß daran - offenbar hatte sie erkannt, daß es in dieser Situation Wichtigeres gab als Etikette. Sie schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht, was ihr hier losgetreten habt, aber das ist eine Nummer zu groß für ein einzelnes Alicorn. Spike - informiere Celestia und Luna." Ohne Widerrede spie der kleine Drache erneut eine grün schimmernde Feuerwolke in den Himmel. Es dauerte vielleicht eine Minute, in der wir wortlos abwarteten, bis sich zwei farbige leuchtende Kugeln in der leeren Luft neben uns bildeten, immer mehr an Größe und Substanz gewannen und schließlich zu den beiden älteren Alicorns wurden. Rainbow und Twilight verneigten sich - eine Geste, die Trixie nicht teilte. "Tut mir leid - aber ich muß die temporale Stasis aufrecht erhalten, das ist verdammt nochmal schwer!", preßte sie hervor. Twilight zuckte schuldbewußt zusammen, aber Celestia berührte sie nur leicht mit einem Flügel. "Nicht notwendig, Twilight. Erinnere dich besser an deine Studien über die Barrieren - wir werden jetzt gemeinsam versuchen, diese wieder zu stabilisieren. Ich merke", sie schloß die Augen, "daß du heute hier schon einmal etwas ganz ähnliches getan hast - gute Arbeit. Die Aufgabe jetzt funktioniert fast genauso - laß dich von uns führen." Das fliederfarbene Alicorn schluckte, nickte wortlos und schloß die Augen, genau wie Celestia und Luna. Während die drei machtvollen Wesen ihre magischen Kräfte aufluden, sah ich wieder zu der bizarren Überlagerung. Auf der Seite der Menschen waren Soldaten mit Feuerlöschern erschienen - allerdings gab es keinen Brand, den sie hätten löschen können. Da ich wußte, was geschehen würde, stand ich auf und wedelte mit den Armen in dem Versuch, ihre Aufmerksamkeit zu erheischen - ich wollte sie mit Gesten aus der Überlagerungszone hinauskommandieren, allerdings schienen sie mich nicht wahrzunehmen, obwohl sie genau in meine Richtung sahen und offenbar ratlos miteinander debattierten. "Vergiß es, die können dich nicht sehen", kommentierte Trixie knapp. "Aber wieso? Ich sehe sie doch auch!" Das Unicorn schnaufte ungeduldig - offenbar war ihr meine Auffassungsgabe zu langsam. "Siehst du die Menschenwelt außerhalb dieses Bereiches?" "Ähm - nein? Nur Equestria." "Na bitte. Und die sehen nur deine Welt. Beides gleichzeitig ist räumlich begrenzt, die würden dich nur sehen, wenn du direkt dort reinrennst! Ist das so schwer zu verstehen?" Ich zog es vor, auf diese Frage nicht zu antworten, aber das hatte Trixie wohl auch gar nicht erwartet. Hinter mir waren die Alicorns mit ihren Vorbereitungen fertig. Ein gut armdicker, in den individuell typischen Farben der einzelnen Alicorns leuchtender Strahl aus reiner Energie schoß auf Trixis Bühne zu - und prallte vielleicht zwei Meter davor auf eine unsichtbare Mauer. Es sah fast so aus, als würde der Löschstrahl eines starken Feuerwehrrohres auf eine Wand aus massivem Panzerglas treffen - die Magie zerspritzte förmlich. Allerdings blieb sie nicht wirkungslos: das doppelte Bild, das ich sah, verbog und verzerrte sich auf unmögliche Weise, dann lief erneut ein Zittern und Beben durch die Wirklichkeit, alle Umrisse und Konturen verschwammen und wurden unscharf, das schon bekannte kurze, aber heftige Schwindelgefühl erfaßte mich wieder - und dann war es vorbei. Das Schwindelgefühl verschwand wie abgeschaltet - und alles um mich herum war wieder normal. Die Farben sahen wieder so aus, wie sollten, nicht mehr wie kranke Verfälschungen ihrer selbst, es gab keine leeren Flecken mehr in der Wirklichkeit, und alle Dinge hatten wieder die Konturen, die sie haben sollten. Trixies Bühne stand leer und verlassen auf der ebenfalls wieder leeren Wiese - von den Militärfahrzeugen oder den halb durchsichtigen Soldaten auf der anderen Seite der Barriere zwischen den Welten war nichts mehr zu sehen. Trixies Publikum allerdings befand sich nach wie vor in einer magischen Erstarrung. Ich sah zu den machtvollen magischen Wesen. Twilight und Luna taumelten vor Schwäche, und ich beglückwünschte mich in Gedanken dazu, die Flaschen, die von der Cola, die der Soldat vor nicht einmal zwei Stunden hierher gebracht hatte, übrig geblieben waren, unter meinem Schreibtisch deponiert zu haben. Wortlos holte ich den angebrochenen Sechserpack hervor und entnahm der Folienverpackung zwei Flaschen, die mir in altgewohnter Weise direkt abgenommen wurden. Trixie begann ebenfalls zu zittern, und Schweiß lief über ihr Gesicht - offenbar nahm die Anstrengung, das Feld aus gefrorener Zeit, in dem ihr Publikum praktisch gefangen war, aufrecht zu erhalten, überhand. Celestia neigte ihr Haupt, ihr Horn begann erneut zu leuchten, und eine weitere Schicht Magie überzog die Szenerie. Sanft berührte sie Trixie mit dem Flügel. "Es ist gut, Tríksolín. Ich übernehme - du solltest dich wenigstens kurz ausruhen." Die schimmernde Magie um Trixies Horn erlosch übergangslos, und sie sackte zusammen wie eine Marionette, deren Fäden losgelassen wurden. Ich wollte aufspringen, aber Donnic war schneller: mit einem Satz war er bei ihr und fing das zusammenbrechende Pony auf. Müde öffnete sie die Augen. "Ich weiß, ich war nicht immer besonders nett - aber hättet ihr wohl noch etwas von eurem Zaubertrank für mich?" Ich lächelte. "Zaubertrank... wenn das gewisse Menschen hören könnten. Natürlich kannst du davon haben, soviel du willst." Ich entfernte die Folie von den verbliebenen drei Flaschen. "Bitte sehr, bedien dich, es ist genug da... und selbstverständlich auch für Euch, Prinzessin Celestia, wenn Ihr eine Stärkung wünscht." Meine Worte wurden mit einem warmen Lächeln des großen weißen Alicorns belohnt, während Trixie bereits gierig trank. Die Cola verfehlte ihre Wirkung nicht: mit jedem Schluck schien sie mehr Energie zurückzubekommen, und nachdem sie ihre Flasche geleert hatte, sah sie mich verwundert an. "Und ihr behauptet, ihr hättet keine Magie? Und darf ich fragen, warum du die Andeutung über den Zaubertrank so negativ kommentiert hast?" "Ganz einfach... es gibt Gesundheitsapostel unter den Menschen, die meinen, anderen Menschen vorschreiben zu müssen, was diese essen und trinken sollen und was nicht. Und Cola steht auf deren Haßliste ganz weit oben - Rattengift nennen es manche, trinkt man zuviel davon, ist sie auch ungesund, aber das ist mit allen anderen Sachen genauso. Wenn die hören würden, daß das ein Zaubertrank sein soll... das Geschrei wäre groß." Donnic und ich konnten uns das Grinsen nicht verkneifen. "Trotzdem ist an dem Zeug absolut nichts Magisches dran, auch wenn das Rezept als riesengroßes Firmengeheimnis gehütet wird. Es hat nur eben zufällig zumindest auf magisch begabte Ponys eine besondere Wirkung, das dürfte an eurer Anatomie und eurem Stoffwechsel liegen - mehr ist da nicht dran." "Bemerkenswert... davon könnte ich größere Vorräte gebrauchen. Eure Hoheit?", wandte sie sich in für sie völlig ungewohnt respektvollem Ton an Celestia, deren Mähne und Schweif zwar kraftlos und stumpf herunterhingen, die die temporale Stasis aber unverändert aufrecht erhielt und sichtlich amüsiert zugehört hatte. "Ich würde dann wieder übernehmen und auf die Bühne zurückkehren, wenn Ihr gestattet." Das uralte Alicorn neigte huldvoll den Kopf und schenkte der Bühnenmagierin einen warmen, freundlichen Blick. "Wie du wünschst, große Tríksolín. Du hast gute Arbeit geleistet bis hierher - ich sehe nun, daß deine Zeit an meiner Schule nicht vergebens und deine Aufnahme dort berechtigt war." Trixie schien bei diesen Worten ein beachtliches Stück zu wachsen. "Ich bitte dich, führe deine Vorstellung wie geplant zu Ende - es ist wichtig, daß keine Panik ausbricht, und meiner Schwester und mir ist sehr an guten und freundschaftlichen Beziehungen zu den Menschen gelegen." Trixie neigte demütig ihren Kopf. "Wie Ihr wünscht, Prinzessin - und vielen Dank für die Anerkennung. Gestattet noch diese Fragen: darf ich hier eine Erscheinungsbeschwörung irrealer Figuren zeigen, oder ist das Gefüge dafür zu instabil? Außerdem plane ich die Erschaffung von ein paar kleinen Gegenständen." Celestia schloß für einen Moment die Augen und schien in die leere Luft zu horchen - in Wirklichkeit prüfte sie wahrscheinlich, ob das Raum-Zeit-Kontinuum oder das Universum selbst an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt die von Trixie geplante Magie verkraften konnten. "Keine Erscheinungsbeschwörung, nicht bei derart instabilen Barrieren. Erschaffung ist unproblematisch, das kannst du gern tun. Und nun geh bitte zurück auf deine Bühne - auch meine Kräfte sind nicht unbegrenzt." Celestia hatte in sanftem Ton gesprochen, dennoch zuckte das Unicorn schuldbewußt zusammen. Ihr Horn begann zu schimmern, als sie den Zauber, der ihr Publikum nach wie vor bannte, von der Prinzessin zurücknahm, und sie galoppierte davon. Celestia seufzte erleichtert. "Endlich... ich bin verwundert über dieses Pony, daß sie den Zauber so lange aufrecht erhalten konnte. Darf ich nun ebenfalls eine Cola haben, Botschafter?" Ich machte eine einladende Handbewegung auf die verbliebenen beiden Flaschen, und Celestia bediente sich wunschgemäß. Binnen Sekunden hatte sie ihr Getränk restlos geleert und, wie ich an ihrer wieder etwas stärker leuchtenden und wehenden Mähne erkennen konnte, zumindest etwas Energie zurückgewonnen. "Ich möchte nicht gierig erscheinen, aber wäre es vermessen, nach mehr zu fragen? Immerhin bin ich ein großes Pony", kommentierte sie augenzwinkernd. Ich griff unter meinen Schreibtisch und förderte den zweiten Sechserpack zutage. "Nehmt, soviel Ihr wollt. Möglicherweise bekomme ich morgen ja Nachschub", antwortete ich mit Seitenblick auf Donnic. Celestia lächelte. "Einen verantwortungsvollen Umgang damit vorausgesetzt, wäre das sehr nützlich - du würdest Equestria damit möglicherweise einen wertvollen Dienst erweisen." "Verlaßt Euch auf mich!" Donnic salutierte zackig. "Dann dürfen meine geliebte Schwester und ich uns die Freiheit erlauben, die verbliebene Cola mitzunehmen... es könnte noch eine lange Nacht für uns werden. Entschuldigt uns nun - ich denke, es ist besser, wenn wir erst gar nicht gesehen werden, das würde nur für Irritationen sorgen, wenn Tríksolín den Stasiszauber aufhebt. Auf bald." Die beiden älteren Alicorns verschwanden so, wie sie gekommen waren: ihre Umrisse wurden unscharf und konturenlos, als lösten sie sich auf, und ballten sich zu Kugeln in der leeren Luft, die kleiner und kleiner wurden und nach wenigen Sekunden verschwunden waren. Twilight nickte uns zum Abschied zu und teleportierte sich in einem Lichtblitz davon. Trixie hatte von ihrer Bühne aus alles beobachtet - nachdem die Alicorns verschwunden waren, zuckte sie kurz mit dem Kopf, und der schwach leuchtende Schleier über dem Publikum verschwand. Alle angefangenen Bewegungen wurden zu Ende geführt, und die Verwirrung über das Vorgefallene (oder vielmehr den Teil davon, den das Publikum selbst mitbekommen hatte) war fast mit Händen greifbar. Ich konnte mir die Verwunderung gut vorstellen - immerhin waren sämtliche unheimlichen Erscheinungen verschwunden, und alles wirkte wieder so wie vor dem unbegreiflichen Ereignis. Natürlich waren Details anders: der Soldat mit den Karten befand sich nun wieder im Publikum, Snips und Snails, für die die Zeit ebenfalls stehengeblieben war, standen an anderen Stellen als zuvor, und auch sonst stimmte nicht jede Einzelheit. Trixie gab den Menschen und Ponys allerdings keine Zeit, sich zu viele Gedanken darum zu machen. "Auch der großen und machtvollen Trixie gelingt nicht immer alles genau so, wie sie es geplant hat - aber wenn immer alles gelingen würde, wäre sie ja übergroß, übermachtvoll und ein Alicorn!", trompetete sie durch die Luft - offenbar war die Magierin wieder komplett in ihrer Rolle als Showpony aufgegangen. "Aber lasset uns fortfahren! Zunächst dankt Trixie dem netten Menschen mit den Karten - es war sehr aufschlußreich für Trixie, solcherart über die Menschen zu lernen!" Unsicherer Applaus brandete auf. Trixie führte ihre Show völlig ungerührt fort, als ob nichts geschehen wäre, und überdeckte die Unsicherheit und Verwunderung über den seltsamen Vorfall, der aus der Sicht des Publikums anscheinend doch nicht stattgefunden hatte, mit einigen Lachern und spektakulären Feuerzaubereffekten. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, daß ich dieses Unicorn, das so sorgsam die Rolle des divenhaften und launischenShowponys kultivierte, bisher gewaltig unterschätzt hatte. "Waren das gerade eben wirklich die beiden Prinzessinnen?", fragte Donnic unsicher. Rainbow antwortete an meiner Stelle. "Yep, waren sie." "Das sagst du so locker?" Er sah die Fliegerin zweifelnd an. "Klar! Warum auch nicht? Na gut, es sind Alicorns - aber trotzdem auch noch Ponys, mit denen kommt man aus. Außerdem hatte ich schon öfters das Vergnügen, als Elemente-Trägerin habe ich doch immer wieder einmal direkt mit ihnen zu tun. - Hey, Donnic", sie boxte ihn freundschaftlich in die Seite, "du solltest dich glücklich schätzen: nicht jeder Mensch hat bisher gleich mit den beiden Prinzessinnen persönlich gesprochen." "Das sehe ich allerdings auch so... ich kann es immer noch nicht glauben! Und was war das für ein Zauber auf dem Publikum? Ist für die wirklich... die Zeit stehengeblieben? Seid ihr wirklich dazu in der Lage?" Das Pegasuspony zog eine Grimasse. "Damit kenne ich mich nun nicht wirklich aus - das ist Unicorn- und Alicornsache, ich bin zuständig fürs Fliegen und alles, was damit zusammenhängt." "Aber ich weiß es... wenigstens teilweise", schaltete ich mich ein. "Ja, für das Publikum ist die Zeit wirklich stehengeblieben - sie werden es spätestens nachher im Camp merken, wenn ihre Uhren, egal ob Armbanduhren oder die in den Smartphones, Kameras und sonstigen Geräten, auf einmal alle gemeinschaftlich um einige Minuten nachgehen." Ich grinste. "Bin gespannt, wie sie sich das erklären werden." "Ihr könnt also tatsächlich die Zeit selbst beeinflussen... ich hoffe nur, daß auf unserer Seite nicht irgendsoein Vollidiot auf die Wahnsinnsidee kommt, hier mit der Kavallerie und der Angriffstrompete einzufallen. Zum Glück seid ihr Ponys ja offenbar sehr friedliche Wesen - gegen euch hätten wir äußerst schlechte Karten." Falls Donnic noch einen Beweis gebraucht hätte, daß - zumindest in einer vorhersehbaren Situation - menschliche Waffen gegen die Ponys oder wenigstens gegen begabte Unicorns wirkungslos sein dürften, so bekam er ihn etwa eine Viertelstunde später. Trixie kündigte den nächsten und letzten Teil ihrer Show an. "Für die letzte Attraktion benötige ich die...", sie tat, als ob sie nach dem Begriff suchen müßte, "Feldjäger, richtig?" Die magischen Scheinwerferstrahlen suchten und fanden eine der beiden Streifen - die zierliche blonde Soldatin und ihr Kamerad waren sichtlich überrascht. "Wie ich vom Botschafter und seinem Freund weiß", auch wir beide wurden für einen Moment angestrahlt, "habt ihr sogenannte Schußwaffen dabei - das ist etwas, was es in Equestria bisher nicht gibt. Könnt ihr uns die Dinger vielleicht einmal zeigen? Wir haben auch Ponys unter uns, die kennen so etwas noch nicht. - Nur zu, keine Sorge, Trixie weiß, was es damit auf sich hat... Trixie tut nichts Unüberlegtes." Die beiden Feldjäger sahen unsicher zu Donnic - offenbar war er der ranghöchste Vertreter der Menschen vor Ort. Er nickte den beiden zu, woraufhin sie ihre Pistolen und die Sturmgewehre gut sichtbar in die Luft hielten." "Aaaaah ja, das also sind die menschlichen Waffen - gefährliche Dinger, wie ich hörte. Die große und machtvolle Trixie bietet eine Herausforderung an: die Geschosse aus einer beliebigen dieser Waffen werden ihr Ziel nicht erreichen! Haltet ihr dagegen?" "Trixie... die Dinger hier sind kein Spielzeug, damit ballert man nicht zum Spaß herum!", protestierte die Soldatin. "Und welches Ziel? Wir schießen nicht einfach auf irgendwelche Lebewesen!" "Aber, aber, aber. Wie Trixie bereits sagte, sie weiß Bescheid... vielleicht sehen wir es lieber als kleine Übung und Demonstration?" Die Stimme des Unicorns klang zuckersüß. Ein Lichtblitz zuckte ein beachtliches Stück neben der Bühne auf, und aus dem Nichts erschienen in einiger Entfernung ein Sandwall, ein metallener Kugelfangtrichter und eine gewöhnliche Schießscheibe mit Ringen davor. "Seht ihr? Das Ziel ist nur eine Übungsscheibe - das Ganze ist auch nur eine Demonstration, wozu wir gegenseitig fähig sind, und Trixie garantiert, daß keinem Menschen und keinem Pony auch nur irgend etwas geschieht." Zweifelnd sah die Militärpolizistin (ihr Kollege hielt sich im Hintergrund) zu Donnic. Der nickte. "Auf Ihre Verantwortung, Stabsfeldwebel!" "Erlaubnis erteilt - meine Verantwortung, Oberfeldwebel." Jeglicher Zweifel schien von der Frau abzufallen. Entschlossen marschierte sie nach vorn und stellte sich an Trixies improvisiertem Schießstand auf. "Trixie hat eine Frage: welches ist die stärkste und schnellste Waffe, die Ihr bei Euch führt?" "Das Sturmgewehr natürlich. Bessere Treffsicherheit, stärkere Durchschlagskraft, größere Reichweite und höhere Schußfolge, erst recht bei Dauerfeuer." "Dann fordert Trixie das Sturmgewehr heraus! Zeigt uns, was Ihr damit könnt." "Auf die geringe Entfernung ist das ja nun kein Problem... bitte, an mir solls nicht liegen." Die Soldatin lud durch, entsicherte, legte in einer geschmeidigen Bewegung an und feuerte einen einzelnen Schuß auf die Scheibe ab, um den Sicherungshebel dann wieder zurückzulegen und das Gewehr abzusetzen. Eine Projektion der Scheibe erschien - mit einem Loch genau in der Mitte. Die Soldatin hatte auf Anhieb zehn Ringe geschossen, und ein anerkennendes Raunen ging durch die Menge ihrer anwesenden Kameraden. "Trixie erkennt, daß das eine sehr gute Leistung war. Sagt, könntet Ihr das vielleicht noch einmal wiederholen?" "Sollte wohl so sein!" Erneut setzte die Feldjägerin an und feuerte - und es geschah genau das, was ich geahnt hatte. Statt ins Schwarze oder auch nur in die Ringe zu treffen, ging der Schuß gründlich daneben und stanzte nur ein Loch in die obere linke Ecke, gefolgt von einem Funkenschauer aus dem Kugelfangtrichter. Verblüfft setzte die Soldatin ab. "Aber... was... eine glatte Fahrkarte! Das gibt es doch nicht, das ist mir noch nie passiert!" Sie sah das Pony prüfend an. "Magie, richtig?" "So ist es - das ist Magie!", antwortete Trixie mit unverhohlener Fröhlichkeit. "Sagt - dieses Gewehr kann auch mehrfach am Stück schießen, richtig?" "Das nennt sich Dauerfeuer und liefert maximal siebenhundertfünfzig Schuß pro Minute, genau." "Dann seid so gut und feuert einfach noch einmal auf die Scheibe - mit Dauerfeuer." Die Soldatin tat, was Trixie gesagt hatte. Sie legte den Sicherungshebel um, legte an und drückte ab, ohne allerdings ihr Magazin komplett leerzuschießen - denn sie sah, daß ihre Waffe keine Wirkung erzielte. Die Geschosse erreichten die Scheibe nie. Sie schlugen auch nicht in den Sandwall ein - um genau zu sein, trafen sie absolut gar nichts. Sie hingen in der leeren Luft vor der Scheibe - für alle in der Vergrößerungsprojektion gut sichtbar. Trixie hatte sie offenbar auf magischem Weise einfach mitten im Flug angehalten! Dann ließ das Showpony eine walzerähnliche Musik erklingen, und die Projektile begannen, passend dazu in der Luft zu tanzen. Sie drehten sich umeinander und schwebten dabei auf die Feldjägerin zu. Diese streckte - ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen ohne eigenes Zutun - die Hand aus, die Musik klang aus, und die Geschosse fielen in ihre Hand, ohne irgendwelchen Schaden anzurichten. "Aber... das ist doch..." "Magie?", schlug Trixie mit zuckersüßer Stimme vor. "Warum auch nicht?" "Aber... das waren acht Schuß, und das bei nahezu halber Schallgeschwindigkeit - auf die kurze Entfernung sind die ja nicht mal zu sehen, geschweige denn, daß man darauf reagieren könnte!" "Nun, hochverehrtes Publikum, das ist die Magie der großen... und machtvollen... Trrrrrixiiiiiieee!" Erneut brandete Beifall auf. Der Schießstand verschwand von einem Moment auf den anderen, als hätte es ihn nie gegeben. Die offensichtlich noch immer sehr erstaunte Soldatin, die hiermit von der Showvorstellung entlassen war, ging wieder zu ihrem Kameraden und den die beiden begleitenden Wachponys, während Trixie ihr Abschiedsfeuerwerk startete. "Die große und machtvolle Trixie dankt allen Anwesenden, Menschen wie auch Ponys, für den schönen Abend und steht für Autogrammwünsche selbstverständlich zur Verfügung!" Damit war der offizielle Teil des Abends beendet. Während einige Besucher den Platz in Richtung ihrer jeweiligen Heimat verließen, blieben andere noch, plünderten von Applejacks Stand, was noch übrig war (sie verkündete mir später glückstrahlend, daß sie zum ersten Mal überhaupt völlig ausverkauft war - und das nicht nur mit Cider, wie sonst üblich), holten sich Autogramme des himmelblauen Unicorns oder diskutierten miteinander über das Gesehene. "Ich sollte mich dann langsam mal wieder ins Camp begeben", ließ sich Donnic vernehmen. "Die werden drüben zwar sicher wieder die Videoteleskope angeworfen haben, aber alles haben sie garantiert nicht gesehen... ich bin sicher, der General brennt schon auf meinen Bericht. Außerdem kann ich jetzt aus erster Hand bestätigen, daß wir gut beraten sind, möglichst gute Beziehungen zu euch aufrechtzuerhalten - gegen jemanden wie Trixie würde ich nur sehr ungern antreten müssen." "Kann ich mir vorstellen... ich muß gestehen, ich habe sie bisher ebenfalls unterschätzt. Aber das bestätigt mich darin, daß es richtig war, sie mit ins Boot zu holen, um das Tor zu verschließen und die Barrieren zwischen den Welten zu stabilisieren - was passieren kann, wenn wir das nicht tun, haben wir ja heute abend gesehen." "Stimmt natürlich... trotzdem schade, daß sich beide Welten schon wieder trennen sollen... ich würde gerne noch hierbleiben und mehr über diese erstaunlichen Wesen lernen. Aber sich überlagernde Universen sind vermutlich für beide Seiten ungesund... schade, aber nicht zu ändern. Ich sollte wohl froh sein, daß ich überhaupt nach Equestria kommen durfte - nach wie vor werden das die wenigsten Bronies je von sich behaupten können." "Allerdings... aber wir wissen nicht, ob alle Menschen so positiv gegenüber Equestria und den Ponys eingestellt wären wie du. Außerdem kommst du ja wieder - wann? Morgen vormittag um zehn?" "Sagen wir lieber elf Uhr, hier. Ich muß vorher noch einkaufen, und es ist ein beachtlicher Weg vom Camp bis zum nächsten Supermarkt." "Elf Uhr, gut. Was das Geld angeht -" "- das laß mal allein meine Sorge sein", unterbrach er mich unwirsch, entschärfte die Worte aber wenigstens halbwegs mit einem verlegenen Lächeln. "Entschuldige bitte - aber angesichts dessen, was ich heute alles sehen und erleben durfte, habe ich wirklich keinen Nerv mehr, jetzt auch noch an Geld zu denken. Ich werde die Einkäufe schon bezahlt bekommen - das ist es mir mehr als nur wert." Damit verabschiedeten wir uns. *** Am nächsten Morgen, draußen war es jahreszeitgemäß bereits hell, erwachte ich kurz vor sechs Uhr, wie mir ein träger Blick auf die Uhr neben meinem Bett verriet (dankenswerterweise hatte ich schon vor längerer Zeit im Raum der menschlichen Artefakte ein zwar technisch völlig veraltetes, aber funktionsfähiges Uhrenradio gefunden - auch wenn es in Equestria keine Radiostationen zu empfangen hab, diente mir das Gerät seither als lautlose elektronische Zeitanzeige). Mehr als eine ganze Stunde hatte ich noch, bis ich aufstehen sollte, wenn ich mit den Ponys (namentlich mit Rainbow und Applebloom, da Applejack und Big Macintosh zu dieser Jahreszeit bereits seit Stunden auf den Beinen waren und demzufolge das Frühstück längst hinter sich hatten - zusammen mit Granny Smith, die aus alter Gewohnheit zusammen mit ihren arbeitenden Nachkommen aufstand) gemeinsam frühstücken wollte. Aus dem Herumdrehen wurde nichts. Ich hatte den Gedanken nicht einmal völlig zu Ende gedacht, als mich zwei Lichtblitze inmitten meines Schlafzimmers blendeten. Ich blinzelte und erkannte Twilight und ihren Bruder Shining Armor - offenbar hatte sie sich und ihn direkt hierher teleportiert. Und das keineswegs aus Versehen, wir mir ein Blick in das besorgte, aber gleichzeitig bitter entschlossene Gesicht ihres Bruders verriet. "Botschafter. Ich bedaure, Euren Schlaf vorzeitig beenden zu müssen, aber ich gehe davon aus, daß eure Anwesenheit am Tor dringend erforderlich ist. Macht Euch bereit." Mit einem Ruck schlug ich die Bettdecke beiseite. "Was'n los?", nuschelte ich, noch nicht völlig wach. Shining Armor setzte zu einer Antwort an, aber seine jüngere Schwester kam ihm zuvor. "Es ist besser, wenn du das selber siehst - aber möglichst bald, wenn ich das so direkt sagen darf. Die Lage ist ernst." Ich sah ein, daß es keinen Sinn hatte, weiterhin im Bett zu bleiben. Mühsam quälte ich mich auf und schlurfte ins Bad, um mich leidlich zurechtzumachen - der Captain der royalen Garden konnte sich ein ungeduldiges Trappeln mit den Hufen nicht verkneifen. Offenbar war die Lage wirklich bedenklich, wenn er sich, ohne daß Twilight protestierte, zu einem derart unhöflichen Benehmen hinreißen ließ. Kaum hatte ich das Bad verlassen, schwebten meine Kleider in einer Wolke aus Levitationsmagie auf mich zu. Rasch kleidete ich mich an, zog meinen Anzug noch einmal glatt und nickte den beiden Ponys zu. Twilight schloß die Augen, und einen Lichtblitz später fand ich mich mit den beiden vor dem Schreibtisch meiner Freiluft-Botschaft und blickte auf das Tor - oder besser das, was dahinter lag. Und ich glaubte, meinen Augen nicht mehr trauen zu können. Ich schloß und rieb sie, aber als ich sie wieder öffnete, war das Bild immer noch da. Verstört sah ich mich um. Davon, daß hier gestern abend Trixies bejubelte Vorstellung stattgefunden hatte, war nicht mehr viel zu sehen: sämtliche Möbelstücke, Trixies Bühne und ihr Wagen waren verschwunden, es lag nicht einmal Müll herum, nur das Gras war niedergetrampelt. Ich beendete meinen Rundblick und wandte mich wieder dem Tor zu. Und starrte direkt in die Mündungen der Kanonen gleich mehrerer Kampfpanzer sowie auf einige voll aufmunitionierte Raketenwerfer, die allesamt auf Equestria ausgerichtet waren. Wer immer dafür verantwortlich war, hatte auch nicht versäumt, bewaffnete Streifen zu postieren, die das Tor von der Menschenseite her bewachten wie ein Hochsicherheitsgefängnis. Auf eine absurde Art war ich direkt froh, daß auf unserer Seite des Tors ähnliche Schutzmaßnahmen getroffen worden waren - auch wenn die Mitglieder der royalen Garden, die Shining Armor postiert hatte, bei weitem nicht so eindrucksvoll aussahen. Mit einem Mal fror ich - was beileibe nicht nur an den frühmorgendlichen Temperaturen lag. Verwirrt drehte ich mich zu den beiden Ponys. "Was um alles in der Welt geht hier vor?" Twilight deutete mit einer beinahe anklagenden Geste ihres Vorderhufes auf meinen Schreibtisch, in dem ich gestern das Notebook vor dem Regen in Sicherheit gebracht hatte. "Finde du es heraus, Botschafter - wir können es nicht."