Kapitel 22: Eiszeit Mit flatternden Fingern öffnete ich die Schreibtischschublade, in der ich am Tag zuvor das mir vom Militär der Menschenwelt zur Verfügung gestellte Notebook verstaut hatte, um es vor einem einigermaßen unnatürlichen Regen in Sicherheit zu bringen. Zwar hatte ich das Netzwerkkabel schnell angeschlossen, aber ich brauchte drei Versuche, um die Energieversorgung richtig einzustecken - dabei war es natürlich nicht hilfreich, daß ich zwischendurch aufsah, noch immer in der vagen Hoffnung, das bizarre Bild, welches durch das Tor zu sehen war, möge sich auflösen wie ein Trugbild in der Wüste. Natürlich tat es das nicht: die Kanonen der Panzer und die Raketenwerfer blieben auf Equestria ausgerichtet, und bewaffnete Patrouillen, die das Tor bewachten, schienen bereit, ihren Auftrag, der nicht schwer zu erraten war, auszuführen. Während ich den Computer startete und er hochfuhr, sah ich noch einmal zu Prinzessin Twilight und ihrem Bruder neben mir - vielleicht hatten sie ja gegen alle Erwartungen doch eine Erklärung für die Drohkulisse, die die Menschen - nach dem friedlichen Zusammenleben und dem netten Abend vom gestrigen Tag gegen alle Erwartungen - aufgebaut hatten. Wie nicht anders zu erwarten war, hatten sie diese Erklärung nicht. Während Shining Armor mit grimmigem Gesichtsausdruck auf das Militär starrte, sah seine Schwester mich an. "Finde heraus, was geschehen ist." Ihre Stimme klang jetzt, anders als noch vorhin, beinahe flehend, und die tiefe Fassungslosigkeit, die ich selbst verspürte und nun in ihren Augen lesen mußte, ließ mich den Blick senken. Gleichzeitig gab sie mir aber neue Energie - ich würde in Erfahrung bringen, was in Holzberg gefahren war, hier eine derartige Krigesmaschinerie aufzufahren. Ich wandte mich dem Notebook zu, startete das Kommunikationsprogramm, schickte den Rufwunsch ab und ertappte mich dabei, ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte zu trommeln, während ich darauf wartete, daß die Verbindung zustande kam. Offenbar war mein Anruf auf der anderen Seite erwartet worden. Es verging vielleicht eine Minute, bis der Bildschirm aufleuchtete. Ein mir bisher unbekannter schwarzhaariger Offizier, der vielleicht Mitte Vierzig sein mochte, eine Nickelbrille trug und dessen hoher Haaransatz deutlich auf den beginnenden Haarausfall hinwies, erschien. Er trug einen normalen Flecktarn-Kampfanzug, auf dem der Name eingestickt war: Klank stand da zu lesen. Die Schulterstücke, die den Dienstrang verraten hätten, waren durch den Winkel der Kamera nicht richtig zu erkennen - selbst wenn, hätte mir dieses Wissen nicht viel genützt, da ich die militärischen Ränge nicht kannte. "Ah, sieh da, wer endlich ausgeschlafen hat. Der selbsternannte Botschafter der zwei Welten." Seine Stimme troff vor Sarkasmus, und ich hatte direkt nach dem ersten Satz Mühe, die Fassung zu bewahren. Klank gehörte offenbar zu jener Sorte Menschen, die es einem leicht machte, sie vom ersten Moment an nicht zu mögen - dennoch riß ich mich zusammen, so gut ich konnte, immerhin sprach ich in meiner offiziellen Funktion mit ihm, und niemand hatte je behauptet, daß man als Botschafter seine Gesprächspartner allesamt zu mögen oder sympathisch zu finden hatte. "Guten Morgen, Herr Klank", erwiderte ich kühl. "Wer ich bin, wissen Sie offenbar bereits, während ich von Ihnen bisher nur den Namen kenne, den ich freundlicherweise an Ihrem Anzug ablesen darf. Ich hätte gern General Holzberg gesprochen." Ein gehässiges Lächeln zog sich über Klanks Gesicht. "Ich fürchte, Sie werden mit mir vorlieb nehmen müssen. Damit wir uns gleich richtig verstehen: ich habe jetzt hier das Kommando, und ich gedenke es auch zu nutzen." "Darf ich fragen, warum? Ich dachte, General Holzberg -" "Holzberg wurde abkommandiert!", fiel mir Klank ins Wort. "Er mußte noch in der Nacht aufbrechen in die Hauptstadt - antreten zum Rapport beim Verteidigungsminister, dem Innenminister, einigen Abgeordneten und natürlich den Geheimdiensten. Und da ich der Offizier mit dem nächstfolgenden Rang bin, bin ich automatisch sein Stellvertreter - deshalb ist das hier jetzt mein Camp und mein Kommando. Verstanden?" Fassungslos schüttelte ich den Kopf. "Aber wieso wurde er so plötzlich abberufen?" "Machen Sie Witze, Mann?! Sie waren es doch, der hier mit doppeltem Überschallknall eine polydimensionale Everettsche multiversale Verbindung hat erscheinen lassen! Dieses Ding hier und damit unser Einsatz geht auf Ihr Konto, denn unsere Aufgabe ist es, unser Land zu schützen! Und so ein... Ding, was Sie hier erschaffen haben, bleibt natürlich nicht unbemerkt - schon mal was von Satellitenaufklärung gehört? Oder leben Sie da drüben vielleicht noch im Mittelalter?! Na, sehen Sie! Und was meinen Sie, wie andere Geheimdienste und Aufklärungen überall in der Welt reagiert haben, als sie auf ihren Bildern gesehen haben, was hier abgeht! Wollen Sie vielleicht auch noch für den Dritten Weltkrieg verantwortlich sein?! Na also! Und jetzt fragen Sie nochmal, warum der General abberufen wurde zur Obrigkeit - die wollen vielleicht zu Recht auch mal erfahren, was hier los ist, damit der Außenminister dann wenigstens versuchen kann, ein paar Wogen zu glätten!" Ich fühlte mich auf unangenehme Weise erinnert an das, was mir Donnic gestern - freillich in völlig anderem Ton - erzählt hatte. Allerdings sah ich es nicht ein, daß ich oder überhaupt Equestria hierfür verantwortlich sein sollten. "Herr Klank", begann ich meine Antwort betont förmlich und umständlich - nur um sofort abermals unterbrochen zu werden. "Für Sie immer noch Oberst Klank, Sie komischer Zivilist!" Für einen Moment schnappte ich nach Luft - Diplomatie oder gar ein auch nur halbwegs gepflegter Umgangston schienen nicht zu den besonderen Talenten des Oberst zu gehören. "Also schön - Oberst Klank, meinetwegen!" Es fiel mir schwer, ruhig zu bleiben. "Um das klarzustellen: nicht ich habe den Übergang zwischen den beiden parallelen Universen erschaffen, sondern nach unseren Erkenntnissen handelt es sich hier um ein natürliches Phänomen. Sie wissen vielleicht, was gestern abend geschah -" Klank schnaubte. "Und ob ich das weiß! Verletzung von Vorschriften; Soldaten, die sich benommen haben wie im Kindergarten, irgendeine lustige Showvorführung, die besser zu jeder Kinderbelustigung passen würde als zu einer Armee - dazu wie erwähnt die Verletzung von Vorschriften, sinnlose Verschwendung von teurer Munition, Zersetzung der Kampfesmoral der Truppe... soll ich fortfahren?" "Es reicht, Klank!" Ich spürte, wie meine Fähigkeit zur Selbstbeherrschung immer mehr an ihre Grenzen geriet. "Ich meinte nicht den Besuch von Menschen hier in Equestria - außerdem hat gerade Sie niemand gezwungen, mitzukommen, und soweit ich weiß, waren die Leute in ihrer Freizeit hier, und was Ihre Leute in ihrer dienstfreien Zeit machen, dürfte Sie ja nun rein gar nichts angehen!" Die Antwort bestand in einem süffisanten Grinsen, aber ich ließ den Offizier nicht zu Wort kommen. "Ich meinte die zeitweise Überlagerung unser beider Universen! Und erzählen Sie mir nicht, Sie wüßten davon nichts, der Vorfall wurde garantiert gemeldet - immerhin fand er nicht irgendwo statt, sondern im Fahrzeugpark Ihres Camps! Wollen Sie vielleicht, daß solche Überlagerungen häufiger auftreten? Oder wollen Sie, daß die beiden Welten endgültig ineinander übergehen?" Klanks Grinsen blieb bestehen, aber seine Augen funkelten kalt. "Was meinen Sie, warum ich die Sicherheitsstufe angepaßt habe? Natürlich weiß ich, was geschehen ist! Und das, mein Lieber, kann ich jederzeit als Angriff werten! Deshalb habe ich ja verfügt, daß die Bewachung der schwachen Stelle verschärft wird! Und ich warte ehrlich gesagt nur darauf - geben Sie mir einen einzigen guten Grund, und ich zeige Ihnen und Ihren komischen bunten Viechern, daß unsere Truppe nicht aus irgendwelchen Weichflöten besteht, die sich lustige Zaubertrick-Vorführungen ansehen, sondern daß wir auf den Ernstfall vorbereitet sind!" "Sagen Sie mal... sind Sie eigentlich wirklich so verbohrt oder tun Sie nur so, Herr Oberst? Sie wollen allen Ernstes mit Raketen und Geschossen auf eine natürliche Anomalie feuern und erwarten, daß Ihnen das irgend etwas bringt?" "Natürlich nicht", erwiderte Klank demonstrativ gelangweilt. "Ich habe mir selbstverständlich von den Eierköpfen berichten lassen. Interessant, was die zu erzählen haben... wissen Sie, was da bei Ihnen an Ressourcen ungenutzt schlummert? Eine intakte Umwelt, die viele unserer Probleme lösen könnte, eine im Wesentlichen schwache und unnütze Bevölkerung, für die wir auch noch irgendeine Verwendung finden, und diese sogenannte Magie ist nichts anderes als Energie in konzentrierter, reiner Form - das allein hat die Forschung um Jahre vorangebracht, das gebe ich ja gerne zu. Regenerative Energien, Mensch! Begreifen Sie das nicht?! Wenn wir einen Weg finden, diese sogenannte Magie anzuzapfen und zu kanalisieren - und das werden wir, verlassen Sie sich darauf - dann sind die Energieprobleme der Menschheit gelöst! Keine Atomreaktoren mehr, keine Windparks, keine nervtötenden Bürgerinitiativen gegen neue Stromleitungen, keine teuren und uneffektiven Solaranlagen - besser gehts doch gar nicht! Und die Herren Wissenschaftler haben mir auch berichtet, daß Erde und Ihr komisches... Equestria... geografisch und topografisch identisch sind, mal abgesehen von der Bebauung und Besiedelung - na wunderbar! Und da sollten mich die Überlagerungen stören? Sie machen sich lächerlich. Ich gedenke nur, Aktionen von Ihrer Seite zu verhindern, die nicht in... meinem Interesse sind." "Und die hier lebende Bevölkerung, die Ponys? Sind Ihnen wohl egal?" Klanks Gesichtsausdruck war Antwort genug, "Herr Oberst Klank. Ist Ihnen eigentlich bewußt, was Sie da gerade gesagt haben? Sie haben eine Angriffsdrohung ausgesprochen!" "So, habe ich das? Na, wenn Sie das sagen, wird es wohl so sein." Mit selbstzufriedenem Lächeln lehnte er sich zurück. "Fast möchte ich sagen, daß ich mich darauf freue, wenn sich die beiden Welten, wie Sie sich auszudrücken pflegen, vereinigen." "Und wie gedenken Sie Ihre Vorführung hier General Holzberg zu erklären, wenn er zurückkommt? Immerhin wird sein Bericht in der Hauptstadt nicht ewig dauern." "Oh, zerbrechen Sie sich da mal nicht meinen Kopf." Sein Lächeln wurde nun eindeutig überheblich. "Mir scheint, Sie unterschätzen die Macht der Bürokratie... so schnell wird der Al- der General nicht wieder hier erscheinen, verlassen Sie sich darauf." Ich wandte mich um zu Twilight, die alles mit angehört hatte - das Entsetzen, das ich fühlte und das tiefer nicht sein konnte, war in ihrem Blick ebenfalls deutlich abzulesen. "Prinzessin, Ihr habt den derzeitigen Befehlshaber der Menschen gehört. Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier als Botschafter noch viel ausrichten kann im Moment." "Oh, das wird wohl auch kaum nötig sein - Botschafter; sowas wie Sie brauchen wir im Moment zuallerletzt", meldete sich Klank vom Bildschirm aus, aber Twilight beachtete ihn nicht weiter. Insgeheim bewunderte ich sie für ihre Stärke, als sie heran- und direkt vor den Computer mit seiner Kamera trat. "Oberst Klank. Meinen Sie das, was Sie soeben gesagt haben, tatsächlich alles so?" Klank schnaubte abfällig. "Jetzt ist aber Schluß mit dem Mummenschanz! Denken Sie etwa, ich rede allen Ernstes mit irgendwelchen quietschebunten Viechern? Sie können ja meinethalben da drüben gern machen, was Sie wollen, aber tun Sie mir einen Gefallen - ich rede nicht mit irgendwelchen Kreaturen, die sich einbilden, eine menschenartige Intelligenz zu haben, sondern nur mit Menschen, wenn es denn schon unbedingt Gequatsche sein muß." Er sah vor seinem Bildschirm demonstrativ nicht auf das fliederfarbene Pony, sondern nur in meine Richtung. "Bedauerlich, daß Sie das so sehen", antwortete das Alicorn kühl, um sich ihrem Bruder zuzuwenden. "Shining Armor? Es wird Zeit, unseren Schutzschild wieder zu errichten." Der weiße Hengst hatte offenbar nur auf diesen Befehl gewartet, denn er schloß die Augen, und binnen weniger Sekunden war das Tor, so wie es vor wenigen Tagen gewesen war, in eine Kuppel aus schwach violett leuchtender Magie gehüllt. "Ooooch, wie niedlich", kommentierte Klank vom Bildschirm aus sarkastisch. "Ein kleines Kraftfeld... rührend. Und Sie denken allen Ernstes, uns damit aufhalten zu können?" "Ehrlich gesagt weiß ich selber nicht, ob wir Ihre Raketen damit aufhalten können", antwortete ich an Shining Armors Stelle - immerhin hatte Klank ja mehr als deutlich gemacht, daß er es nicht wünschte, mit einer anderen Spezies als Menschen zu sprechen. "Der Erkundungs-Rover vor wenigen Tagen konnte dieses Feld passieren, das ist wohl richtig. Aber ich rate Ihnen nicht, uns hier unangemeldeten Besuch zu schicken - dieses Feld läßt keinerlei Lebewesen ohne Erlaubnis passieren." "Ich hätte doch gar nicht erwartet, daß es einen Punkt gibt, an dem wir uns einig sind!", verkündete der Oberst mit falscher Fröhlichkeit. "Von meiner Seite aus ist hier der Laden nämlich ebenfalls dicht - ich rate Ihnen nämlich auch nicht, irgendwen oder eines Ihrer Tierchen hierher zu schicken, das würde ich nämlich als unbefugtes Eindringen in unser Hoheitsgebiet interpretieren und entsprechend behandeln. Das gilt übrigens auch für Sie, Sie sogenannter Botschafter: ich an Ihrer Stelle würde mich nicht auf diplomatische Immunität verlassen, denn für mich sind Sie, mit Verlaub, nichts anderes als ein Spinner und ein Zivilist. Ich meine, Botschafter? Jetzt mal im Ernst: Botschafter kann man nur von einer Nation sein, die es auch wirklich gibt und die auch als solche anerkannt ist - und Ihr komisches Märchenreich da drüben dürfte wohl kaum in der Vollversammlung der Vereinten Nationen vertreten sein, also hat es sich was mit einem Botschafter." Er gab mir keine Gelegenheit, zu protestieren, sondern sprach unbeirrt einfach weiter. "Und seien Sie versichert: von menschlicher Seite her kommt nur noch der dem Übergang auch nur nahe, der einen Passierschein oder schriftlichen Befehl mit meiner eigenhändigen Unterschrift besitzt - oder der Unterschrift eines ranghöheren Offiziers. Momentan dürften das nur ein paar Weißkittel sein, die weiterforschen sollen... lassen Sie sie bei sich drüben herein oder lassen Sie es bleiben, mir ist es im Grunde egal." Erneut lehnte er sich zurück. "Ich erwarte allerdings heute noch Besuch", antwortete ich - und hätte mir selbst nur einen Moment darauf am liebsten auf die Zunge gebissen. Wie kam ich dazu, dem Oberst von Donnics geplantem Besuch zu erzählen? Aber es war zu spät - die Worte waren einmal gesagt und konnten nicht zurückgenommen werden. Klanks Miene verfinsterte sich. "Dieser pflichtvergessene Stabsfeldwebel, ich weiß. Dummerweise hat der wirklich einen Passierschein vom General persönlich... und ich weiß natürlich auch, daß er mit einem unserer Panzerspähwagen unterwegs ist, das habe ich leider nicht rechtzeitig verhindern können, zumal er heute tatsächlich seinen freien Tag hat, ja, schauen Sie nicht so ungläubig, ich bin nicht deshalb Oberst geworden, weil ich regelmäßig nicht informiert wäre. Ich bin schon auf sein Gesicht gespannt, wenn ich ihm die Rechnung für die Einsatzstunden für seine Extratouren und den Kraftstoffverbrauch präsentiere." Sein Gesicht hellte sich in vorgezogener Schadenfreude wieder auf, während ich mich nur noch abgestoßen fühlte. "Geld, Geld, Geld... ist das alles, worum es Ihnen geht, Klank? Wenn Sie meine persönliche Meinung hören wollen, die läßt sich in ein einziges Wort packen: widerlich!" "Hören Sie sich eigentlich auch manchmal noch selber zu?! Natürlich geht es letztendlich um Geld! Was meinen Sie, was unser Einsatz hier Tag für Tag an Steuergeldern kostet?! Aber sowas interessiert Sie natürlich nicht, Sie brauchen es ja nicht zu bezahlen. Dafür versuche ich wenigstens, noch etwas aus der Situation herauszuholen! - Und was Erpensberger angeht: bin gespannt, ob er immer noch so locker für seinen privaten Kram unseren Sprit verfährt, unsere Fahrzeuge beansprucht und unsere Munition für irgendwelche dämlichen Showvorführungen verballern läßt, wenn er mal merkt, daß das alles seinen Preis hat." Sein Lächeln war nun eindeutig gehässig - was mich nur noch mehr in Rage versetzte, aber genau darauf spekulierte Klank offenbar. Also nahm ich alle Willenskraft, die ich noch hatte, zusammen, atmete tief ein und aus und wandte mich dann wieder dem Bildschirm zu. "Wissen Sie was... ich war nicht immer in Equestria und erst recht nicht Botschafter hier, sondern habe bis zu meinem Wechsel hierher, dessen Einzelheiten ich Ihnen gern erspare, in derselben Welt gelebt wie Sie, ich hatte meine Arbeit und geordnete Verhältnisse. Ich hatte auch Bankkonten mit ausreichendem Guthaben, allerdings brauche ich das Geld der Menschen hier in Equestria nicht mehr. Ich gebe Ihnen gerne meine Daten und komme damit für Ihre Forderungen auf - aber ich werde nicht zulassen, daß Sie mit Ihrer billigen Schikane verhindern, daß ich hier Besuch bekomme, auf den ich mich freue und der mit ausdrücklicher Einladung sogar der höchsten Stellen hierher kommt. Ich hoffe, das Thema Finanzierung von Sprit und Einsatzstunden ist damit vom Tisch." Klanks Überraschung schien echt zu sein. "Sehr generös von Ihnen... Ihre Daten habe ich natürlich längst. Immerhin wurden Sie hier als vermißt gemeldet und offiziell gesucht, wissen Sie das überhaupt? Ihr Arbeitgeber hat Sie gesucht, als Sie plötzlich verschwunden waren, ohne ihn zu informieren - das zeugt übrigens auch nicht gerade von vorbildlichem Pflichtbewußtsein, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf. Ihre Wohnung wurde geöffnet und Ihre Unterlagen gesichtet auf der Suche nach einem Hinweis auf Ihren Verbleib, aber natürlich wurde nichts gefunden. Sie sehen also, ich bin durchaus informiert. Und Sie wollen also bezahlen? Na wenigstens etwas... das nehme ich doch gerne an. Meinetwegen soll Erpensberger nachher also zu Ihnen rübergondeln, wenn es unbedingt sein muß - das ändert auch nichts mehr." Ohne weiteren Kommentar verschwand das Gesicht des Oberst vom Bildschirm, und das Programm wurde geschlossen - wäre es ein Telefon gewesen, hätte Klank in diesem Moment wohl den Hörer zurück auf die Gabel geworfen. Ich trat heran und tippte auf dem Computer herum - allerdings hatte Klank offenbar vorgesorgt: zwar konnte ich noch einige Programme öffnen, aber ich bekam keine brauchbare Datenverbindung mehr in die Welt der Menschen. Klank hatte mir den Datenstecker gezogen, und ich versäumte es nicht, Twilight darauf hinzuweisen. "Und was soll ich jetzt tun?", fragte mich das fliederfarbene Alicorn ratlos. Dieselbe Frage hatte ich mir bereits die ganze Zeit nebenbei gestellt. "Ich schlage vor, wir lassen die Wissenschaftler erst einmal herein, auch wenn sie andere Aufträge erhalten haben sollten - die Forscher dürften ungefährlich sein, und mit denen kann man auch reden. Donnic hat ja jetzt sogar von seinem neuen Kommandanten grünes Licht bekommen, er darf also selbstverständlich auch kommen - aber sonst niemand. Klank hat offenbar sehr wohl verstanden, daß hier nur durch Shining Armors Schutzschild hindurch darf, wer die Erlaubnis bekommt - er wird nicht so dumm sein, von sich aus einen Invasionstrupp zu schicken. Paßt aber unbedingt auf die Kanonen und Raketen auf, nicht daß er die Dinger doch abfeuert... falls er das tut, macht einfach dasselbe wie Trixie gestern abend, haltet sie in der Luft an - und dann zurück an den Absender damit." Twilight schluckte sichtbar. "Ich... stimme zu, Michael. Ich hoffe nur, er schießt nicht wirklich auf uns... nicht alle Unicorns sind so begabt wie Trixie, wenn es darum geht, Geschosse im Flug anzuhalten, und eigentlich sind wir Ponys auch nicht auf die Abwehr von solchen Dingen eingerichtet." "Ich denke nicht, daß er einen Erstschlag riskiert - auch wenn er, vorsichtig gesagt, ein absoluter Kotzbrocken ist, wird er seinen hohen Rang wohl doch durch irgendwas verdient haben. Er weiß von der Vorführung gestern abend, wird aber kaum wissen, ob alle Unicorns zu solchen Leistungen in der Lage sind oder nicht - und er wird kaum das Risiko eingehen, seine eigenen Raketen auf sein Camp zurückgeschossen zu bekommen." "Ich hoffe, du behältst recht... und dabei hat es sich alles so gut angelassen mit deiner Spezies. Ich habe in den vergangenen Monaten zusammen mit der Prinzessin - mit Celestia, meine ich - ihre Erfahrungen studiert, die sie über die Jahrhunderte in der Menschenwelt gemacht hat, sie muß dabei teilweise ähnlich unangenehme Erfahrungen gemacht haben. Und ich dachte noch gestern, es würde auch anders gehen..." Ihre Stimme verlor sich, und sie blickte abrupt zur Seite. Ich streckte die Hand aus, um sie tröstend zu streicheln, führte die Berührung aber nicht zu Ende - immerhin gehörte ich zu derselben Spezies, von der sie soeben so bitter enttäuscht worden war. Sie spürte die Bewegung trotzdem, drehte den Kopf und lächelte mich trauig an. "Wir wissen, daß du nicht verantwortlich bist für deine Artgenossen... und auch du hast uns ja immer wieder gewarnt, außerdem hast du keine Schuld daran, daß unsere beiden Welten nun mehr und mehr verschmelzen - niemand kann etwas für natürliche Erscheinungen. Wenn jemand schuld ist an meiner Leichtgläubigkeit, dann höchstens ich selber, weil ich mich auf die Freundlichkeit des Generals verlassen habe... ach, irgendwie war es einfacher, als es nur Equestria und noch keine weitere Welt gab." Sie schüttelte den Kopf, wohl, um die düsteren Gedanken zu vertreiben und sich wieder auf die aktuelle Situation zu konzentrieren. "Aber das hilft uns jetzt nicht weiter... die Situation ist da, und ich muß damit zurechtkommen." Ihr Blick wurde hart, kühl und unnahbar - auf frappierende Weise begann sie, ihrer bisherigen Mentorin zu ähneln, zwar nicht, was die körperliche Erscheinung, wohl aber, was ihre Ausstrahlung betraf - langsam fand sie sich offenbar in ihre neue Rolle als örtliche Regentin ein. "Genug geplauscht. Die Fronten sind klar, und ich weiß, daß ich mich auf dich, mein Bruder, verlassen kann." Shining Armor nickte bestätigend. "Dann sollten wir die Forscher der Menschen begrüßen gehen." Der letzte Satz war keine Bitte mehr, auch kein Vorschlag, sondern ein klarer Befehl. Dennoch hielt ich sie zurück. "Augenblick - die Wissenschaftler können nicht wissen, daß sie kommen dürfen. Ich werde versuchen, wenigstens diese Information noch durch das Tor hindurchzubringen." Wider besseres Wissen begann ich, erneut auf der Computertastatur herumzuklappern und mit einigen Tricks zu versuchen, eine Verbindung zum Camp herzustellen, aber nach vielleicht zwei Minuten mußte ich einsehen, daß ich damit keinen Erfolg haben würde - Klank war gründlich gewesen und hatte den Rechner abgehängt, nur die Stromversorgung hatte er aus mir unerfindlichen Gründen aktiv gelassen. "Ponymist... ich komme nicht durch... halt, Moment. Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob der Herr Oberst wirklich an alles gedacht hat." Mein Blick hatte das anachronistische Wählscheiben-Telefon aus schwarzem Bakelit gefunden, welches mir Discord vor ein paar Tagen mit auf den Tisch gestellt hatte und über welches der erste Kontakt stattgefunden hatte. Ich nahm den Hörer ab. Natürlich konnte ich keine Nummer wählen, da ich schlicht nicht wußte, welche Zahlenfolge überhaupt irgendeinen Sinn ergeben hätte, also hielt ich den Hörer auf gut Glück ans Ohr. Mein Versuch wurde belohnt. Ich hörte das typische Rufzeichen tuten, und bereits nach wenigen Malen Läuten auf der anderen Seite wurde am anderen Ende abgenommen. "Einsatzstab Sondercamp, Hauptmann Korecks", meldete sich eine mir unbekannte Stimme knapp - allerdings mit einer hörbaren leichtenVerwunderung, wohl darüber, wer da direkt im Stab anrufen mochte. "Botschafter der zwei Welten hier, in Equestria. Sie können die Wissenschaftler schicken, sie haben auf unserer Seite Passiererlaubnis - aber auch nur sie. Und keine Waffen und auch keine Tricks mit getarnten Soldaten, sonst raucht es am Kraftfeld." Ich gab meinem Gesprächspartner keine Zeit zum Antworten, sondern legte direkt wieder auf - mochte der Offizier sich wundern, wie die Ponys imstande sein sollten, als Forscher getarnte Soldaten zu identifizieren. "Ihr wißt, Botschafter, daß wir nicht wirklich dazu in der Lage sind, zu unterscheiden, wer genau da zu uns kommt und wer nicht? Und ich kann auch nicht verhindern, daß Waffen durch das Abschirmfeld gebracht werden, so stark ist meine Magie nicht!", protestierte Shining Armor. Ich schenkte ihm das liebenswürdigste Lächeln, zu dem ich im Moment fähig war. "Das wissen wir, aber das wissen die da drüben nicht. Man muß nicht immer alles verraten... kleine Informationsvorsprünge erhalten mitunter das Kräftegleichgewicht, genau wie ein kleiner Bluff hier und da. Es reicht völlig, wenn Klank auch nur die Möglichkeit in Betracht zieht, daß wir es können." Der Gesichtsausdruck des weißen Hengstes verriet nicht, was er von meiner Antwort dachte. Stattdessen begab ich mich nun endlich mit seiner Schwester an einen Punkt auf halbem Wege zwischen meiner Botschaft und dem Tor - mißtrauisch beäugt von den Wachen auf der menschlichen Seite. Lange brauchten wir nicht zu warten. Wie am Tag zuvor machten sich einige beladene Jeeps auf den Weg und erreichten uns unbeschadet - wenngleich mir der zwischen Vorsicht, Neugier und Furcht schwankende Gesichtsausdruck, mit dem die Forscher Shining Armors Abschirmfeld musterten (und natürlich bei der Gelegenheit versuchten, es mit Meßgeräten zu erfassen), keinesfalls entging. Der Kahlköpfige, der sich mir am Vortag als wissenschaftlicher Leiter vorgestellt hatte, sprang trotz seines Alters erstaunlich behende vom ersten Wagen, kaum daß dieser zum Stehen gekommen war, und eilte auf mich zu. "Botschafter... und natürlich Prinzessin. Ich bedaure die neue Kommandostruktur außerordentlich und versichere Ihnen, daß ich weder Klanks Säbelgerassel noch unseren neuen Forschungsauftrag gut heiße, ich distanziere mich sogar ausdrücklich davon. Ich werde auch nicht gegen Ihren Willen in Ihrem Land bleiben, falls Sie es wünschen, ziehe ich mich und auch meine Kollegen sofort zurück." "Wie genau sieht dieser neue Auftrag denn aus?", erkundigte sich Twilight vorsichtig. Der Forscher suchte einen Moment nach Worten und sah dann zu Boden. "Klank hat verlangt, daß wir unsere Untersuchungen rein auf die Kraftfelder der Hornponys, also auf deren Magie, fokussieren. Wir sollen Mittel und Wege finden, diese Energie anzuzapfen, zu konvertieren und sie nutzbar zu machen... von der Everettschen Barriere fiel kein Wort mehr, als ob er gar nicht daran interessiert wäre, wie sie zu stabilisieren ist." Ich tauschte einen vielsagenden Blick mit Twilight - offenbar hatte sie, genau wie ich, eben das, was der Wissenschaftler uns soeben bestätigt hatte, befürchtet. "Und gedenken Sie, diesen Auftrag auszuführen?" Die Stimme des Alicorns klang neutral, dennoch zuckte der Kahlköpfige zusammen. "So gefragt - nein. Beim Militär wäre das wohl Befehlsverweigerung, aber ich bin glücklicherweise nur Zivilangestellter, und als solcher kann ich schlimmstenfalls rausgeworfen werden. Ich und mein Team, wir wollten eigentlich sogar verstärkt an der Barriere forschen - erst recht nach dem erstaunlichen Ereignis gestern abend. Dieser Wahnsinnsknabe im Stab da drüben hat doch keine Ahnung, mit welchen Naturgewalten er sich da anlegt, die Risiken eines Ineinanderdriftens von zwei unterschiedlichen Universen sind einfach unkalkulierbar und könnten im schlimmsten Fall ein sogenanntes Raumparadoxon hervorrufen... nein, das kann und werde ich nicht untersützen." "Dann haben Sie meine Erlaubnis, Ihre Arbeiten fortzusetzen. Sollte ein Passieren des Tores erforderlich sein, wenden Sie sich bitte an den Captain der royalen Garden - Sie können ihn gar nicht verfehlen." "Shining Armor, ja, ich weiß. Und vielen Dank, Prinzessin - das, was wir hier sehen, ist zwar zweifellos erstaunlich, einmalig und alle Nachforschungen wert, aber das Ereignis von gestern abend zeigt, daß wir alle gut daran tun, möglichst bald wieder eine stabile Trennung der parallelen Universen zu erreichen." "Es freut mich, daß wir uns in diesem Punkt einig sind." Ich vermochte nicht zu sagen, ob das warme Lächeln, das Twilight dem Wissenschaftler, dessen Namen ich noch immer nicht wußte, schenkte, echt war oder nur perfekt gespielt. Während er sich seinen Kollegen zuwandte, um ihnen den neuesten Stand der Dinge mitzuteilen und sie zu ihren jeweiligen Arbeiten einzuteilen, ging Twilight einige Schritte zurück in Richung Botschaft, und ich wertete das als Aufforderung, ihr zu folgen. "Für den Moment wäre dann wohl alles geklärt, Michael - wenn du willst, teleportiere ich dich zurück in dein Haus, während ich selber mich wieder wieder an die Arbeit mache, Zauber für die anderen Unicorns zu entwickeln und sie aufeinander abzustimmen. Je eher wir dieses... Ding da wieder loswerden, desto besser." "Eine Frage habe ich noch: wie weit informierst du die anderen Ponys über die aktuellen Entwicklungen? Nicht, daß ich auf der Farm mehr ausplaudere, als dir lieb ist." Ihr Blick schweifte in die Ferne, und ein Ausdruck unbestimmter Trauer erschien darin. "So weit ist es also schon mit unserer einst so friedlichen, offenen und freundlichen Gesellschaft gekommen, daß wir einander nicht mehr alles erzählen können... ich frage mich, ob Celestia und Luna Ähnliches durchmachen mußten." Erneut gab sie sich einen Ruck, aber der Widerstreit der Gefühle und Empfindungen, der in ihrem Inneren toben mußte, ließ sich nicht verleugnen - insgeheim wunderte ich mich, wie lange sie diese Situation durchhalten mochte. "Aber auch das hilft uns nicht weiter. Also folgendes: Applejack und Rainbow Dash werden informiert, aber auch nur sie - nicht ihre Geschwister, nicht Granny Smith, für die das alles womöglich sowieso zuviel Aufregung bedeutet, und erst recht nicht die anderen Fillys. Die Information kannst du übernehmen, da du sowieso vor Ort bist - ich tue in Ponyville das gleiche bei Rarity, Pinkie Pie und Fluttershy. Und alle sollen sich darauf vorbereiten, ihre Elemente der Harmonie anzulegen und einzusetzen, wenn es erforderlich wird - ich weiß nicht, ob es funktionieren würde oder überhaupt so weit kommen muß, aber kampflos wird dieser Klank Ponyville und Equestria nicht bekommen, solange ich noch ein Wörtchen mitzureden habe." Das noch immer flügellose Alicorn schloß die Augen, und einen hellen, lilafarbigen Blitz später fand ich mich in meinem Haus wieder. Da es ohnehin keinen Sinn gehabt hätte, mich wieder hinzulegen, ging ich ins Haupthaus hinüber, wo Rainbow soeben mit einem herzhaften Gähnen die Treppe hinuntergeschwebt kam und Granny Smith dabei war, den Frühstückstisch zu decken. "So früh schon auf'n Beinen?", begrüßte sie mich fröhlich - immerhin kam es nicht eben häufig vor, daß ich weit vor der eigentlichen Zeit eintraf. "Ich... konnte nicht mehr schlafen", flunkerte ich - genaugenommen stimmte das sogar, nur verschwieg ich, daß ich am Weiterschlafen von einem gewissen Alicorn und ihrem Bruder oder besser indirekt von einem gewissen Oberst gehindert worden war. Das alte Pony bekam davon zum Glück nichts mit. "Jaa-jaa, irgendwann werd't auch ihr jung'n Ponys mitkriegn, daß der Tag mit dem Aufgang von Celestias Sonne anfängt un' nich' erst mittags", kommentierte sie, was ihr einen schiefen Blick von Rainbow eintrug. Auch Applebloom, die in dem Moment die Treppe herunterkam, schnitt eine entsprechende Grimasse, offenbar kannte sie den Spruch ihrer Großmutter bereits und machte sich darüber lustig - was wiederum das blaue Pegasuspony dazu veranlaßte, sich offenbar recht mühsam ein Kichern zu verkneifen. Normalerweise hätte ich an der allgemeinen Heiterkeit gern teilgenommen, aber heute morgen war ich dazu verständlicherweise nicht in Stimmung. Ich rang mir, damit der Schein gewahrt blieb, einige freundliche Worte ab und nahm Platz, und richtig dauerte es auch nicht mehr lange, bis Applejack und Big Macintosh zur Tür hereinkamen und unser erstes als ihr zweites Frühstück nutzten. "Howdy, ihr Schlafmützn", begrüßte uns die Farmerin fröhlich. "Endlich ausgeschlafn, meine Lieben?" "Ich wollt, ich hätte es gekonnt", murmelte ich vor mich hin, während Rainbow und Applebloom demonstrativ und übertrieben gähnten. "Was'n los, Michael? Da stimmt doch was nich', das merk ich doch... dabei wollt ich mich nochma' bei dir für gestern ab'nd bedankn, so gutn Umsatz un' so nette Gesellschaft hatt' ich schon lange nich' mehr auf meiner Farm." "He! Ist meine Gesellschaft vielleicht nicht nett?", protestierte die Fliegerin in gespielter Empörung, während ich nur den Kopf schüttelte. "Ich fürchte, das wird so bald nicht wieder vorkommen... wenn es am schönsten ist, soll man ja bekanntlich aufhören." "Oh. - Ja... naja, besser als nischt. Jetzt wolln wir aber erstma' was essen!" Nach dem Frühstück, nachdem Granny Smith in der Küche verschwunden und damit außer Hörweite war, sah mich Applejack an. "Raus mit der Sprache, Michael - was'n los, was haste? Ich merk doch, daß was nich' stimmt." "Ja, genau! So kennen wir dich ja noch gar nicht!", pflichtete ihre Freundin ihr bei. "Ich will auch wissn, was los is', immerhin bin ich kein' kleines Filly mehr!", meldete sich auch Applebloom zu Wort. Ich seufzte. "Ich... würde sagen, es handelt sich um Elemente-der-Harmonie-Kram." Ein verstehender, aber gleichzeitig enttäuschter Ausdruck erschien auf dem Gesicht des hellbeigen Fillys. "Oooch, immer ihr großn Ponys mit eurer Geheimniskrämerei", schmollte sie. "Applebloom, Liebes. Du weißt, daß deine große Schwester und noch'n paar andere Ponys nu' mal diese Zusatzaufgabe habn... un' dich intressiert sowas doch eigentlich sowieso nich'. Außerdem haste mit dein' beidn Freundinn'n doch auch deine klein'n Geheimnisse... Angelegnheitn der Cutiemark Crusaders, oder nich'?" Applejack zwinkerte ihrer jüngeren Schwester zu. "Stimmt, Cutiemark-Crusader-Sachn sin' nur für uns Crusaders! Aber vielleicht is' das ja unser besonderes Talent - Elemente der Harmonie wer'n?" "Wer weiß, Kleenes, wer weiß, was Celestia noch alles mit euch vor hat. Kann schon sein, daß ihr drei uns mal folgn werd't, ich würds zumindest ma nich' ausschließn." "Das probiern wir heute nach der Schule gleich aus! Oh... ach ja... ich gloob, ich muß langsam los, Scoots wird schon an unser'm Treffpunkt wartn." Damit schnappte sich das junge Erdpony seine Schul-Satteltaschen, winkte uns zum Abschied zu und sauste davon, und auch Big Macintosh stand auf. "Ich mach' dann ma' weiter - kommst nach, wenn'de soweit bist, Schwester." Ohne weitere Umschweife stand er auf, nickte mir und Rainbow zu und war verschwunden. "So, ihr beiden... wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang? Dann erzähle ich euch mehr... nichts für ungut, aber Granny soll sich nicht unnötig aufregen." Damit verließen wir das Haus und begaben uns hinein in die schier endlosen Reihen von Apfelbäumen, die den allergrößten Teil des Farmgeländes ausmachten. "Also dann - jetzt kannste Klartext mit uns redn." Ich tat, was Applejack verlangt hatte. Nachdem ich mit meinem Bericht fertig war, sah mich Rainbow, die inzwischen nicht mehr wie gewohnt neben uns herflatterte, sondern gelandet war und ihre Freundin in einer festen Flügelumarmung hielt, unsicher an. "Aber es lief doch alles so gut mit dem General! Wieso kommt jetzt so ein komischer und unangenehmer Oberst und macht alles kaputt?" Ich seufzte. "Rainbow... erinnerst du dich daran, wie ich dir schon vor Monaten erzählt habe, daß mich viele Menschen um einen Platz an deiner Seite beneiden und es darum sogar zu Kämpfen kommen könnte? Du hast mich ganz entgeistert gefragt, ob wir Menschen wirklich so gemein zueinander sind, und ich habe gesagt, daß das leider oftmalen der Fall ist - du konntest oder vielmehr wolltest mir damals nicht richtig glauben. Ich fürchte, mit Klank sind wir an ein besonders unfreundliches Exemplar meiner Art geraten... unser Pech, daß er jetzt das Kommando da drüben im Camp hat." "Aber es gibt doch auch noch nette Menschen, oder? So wie Donnic?" "Natürlich gibt es die - und die bleiben uns auch erhalten. Donnic kommt nachher zu seinem angekündigten Besuch, zumindest das wird Klank uns nicht kaputtmachen können." Mit trotzigem Gesichtsausdruck sah die blaue Fliegerin mich an, während sie ihre Freundin weiterhin mit ihren Flügeln umschlungen hielt. "Dieser Oberst soll nur kommen - ich werde meine liebe Apples hier vor ihm beschützen, sie und jedes andere Pony! Wer irgendeinem Pony ans Fell will, der muß es erst einmal mit mir aufnehmen!" "Lieb gemeint von dir, Sugarcube, aber ich denke, ich kann auf mich aufpassn. Aber ich seh', du hast dein Element der Harmonie nich' umsonst." "Ich... könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren... deshalb will ich alles tun, um dich zu behalten und dich zu beschützen." Rainbows Stimme versagte, als sich die Gesichter beider Ponys trafen. "So schlimm wird es sicher nicht werden, zumal nicht alle Menschen so sind wie Klank. Wie gesagt, denkt an Donnic oder den General -" "- oder an dich", fiel mir das Pegasuspony ins Wort, während sie Applejack zwar weiterhin nicht losließ, aber mir einen flehentlichen, langen Blick zuwarf. "Jedenfalls wißt ihr jetzt, was los ist... und warum ich schon so zeitig auf den Beinen war. Twilight läßt aber ausrichten, daß ihr das Wissen um die aktuellen Entwicklungen am Tor für euch behalten sollt - nur die Elemente der Harmonie sollen davon wissen, sie will zu Recht keine Unruhe unter den Ponys." "Verständlich... hey Apples...", Rainbows Blick driftete in die unbestimmte Ferne und dann an dem Baum, unter dem wir standen, nach oben. "Erinnerst du dich an diesen Apfelbaum hier?" "Wie könnt' ich den vergessn... hier hab' ich dich das erste Mal getroffn... oder besser, hier biste gewissermaßn aus'm Himmel heraus auf mich gefalln." Sie kicherte, und Rainbow stimmte ein. "Stimmt, war schon lustig. Das war den kaputten Flügel wert." "Ich habe mich sowieso schon immer gefragt, wie ihr euch kennengelernt habt", schaltete ich mich ein. Offenbar tat es den beiden Ponys gut, sich mit einem gedanklichen Ausflug in die Vergangenheit ein wenig von der aktuellen Situation abzulenken. "Ist 'ne längere Geschichte, Sugarcube... un' is' auch alles schon 'ne Weile her." Applejack schüttelte die Erinnerungen an die Vergangenheit mit sichtlicher Anstrengung ab. "Jetz' sollt'n wir für den aktuelln Tag lebn... un' wenn ich mich richtig erinner', kommt nachher gleich netter Besuch aus der Menschnwelt, um gegn 'n anständiges Farmpony im Hufdrückn anzutretn." Damit hatte sie zweifelsohne recht, und so begaben wir uns (ich heute schon zum zweiten Mal) zu meiner Botschaft - dieses Mal allerdings auf konventionelle Weise zu Fuß. Rainbow schwebte die meiste Zeit in niedriger Höhe neben uns her, einige Male ging sie - für sie völlig untypisch - auch zu Fuß, wohl, um ihrem besonderen speziellen Pony nahe sein zu können. Auf ihre sonst üblichen Flugmanöver verzichtete sie fast völlig. Auf der Wiese am Tor angekommen, wurde unsere Geduld auf keine besonders harte Probe gestellt. Durch einen schwach violetten Schimmer hindurch sah ich, wie ein Spähwagen auf die Kontrollposten zurollte, von diesen natürlich gestoppt und nach erfolgter Überprüfung seiner Papiere schlußendlich passieren gelassen wurde. Dann fuhr das wuchtige, in Tarnfarben gehaltene, geländegängige Fahrzeug langsam auf das Tor zu - und ohne weitere Beeinträchtigungen hindurch, um zielsicher vor uns zum Stehen zu kommen. Die Fahrertür wurde geöffnet, und Donnic stieg aus. "Hallo zusammen - es freut mich, daß ich von euch aus kommen durfte. Ich hoffe, unser neuer Big Boss hat euch nicht zu sehr erschreckt." Ich schüttelte den Kopf. "Ja und nein... die einzigen Ponys, die von der neuen Situation wissen, sind die Elementsträgerinnen, Shining Armor und die Garden. Aber was Klank da an kaum verhohlenen Drohungen abgelassen hat... das war... heftig, würde ich sagen." "Klank ist ein Idiot", antwortete Donnic schulterzuckend und in so beiläufigem Ton, als würde er übers Wetter plauschen - oder etwas anderes im Grunde völlig Unwichtiges und Unbedeutendes. "Ich kann euch auch gerne direkt sagen, worauf er aus ist: der will mit aller Gewalt befördert werden und ist heiß darauf, endlich selber wenigstens einen Stern zu bekommen. Bei den letzten Auslandseinsätzen, wo er sich hätte bewähren können, ist er wegen seiner impulsiven Art und seiner Nichteignung für höhere Kommandoposten übergangen worden, und das wurmt ihn natürlich - und hier sieht er seine Chance gekommen, sich endlich mal richtig zu profilieren." "Aber er sitzt an den Feuerknöpfen für die Raketen!", protestierte ich. "Das ist leider wahr, aber nicht einmal er wird so dumm sein, sie abzufeuern. Ein Land, welches man selber wie auch immer nutzen will, schießt man nicht vorher zu Klump, außerdem könnte es ja sein, daß er seinen eigenen Schießkram postwendend von euch zurück bekommt - das ist eine völlig neue Situation, so etwas gab es bisher noch nicht." "Aber warum ist er so heiß darauf, daß sich beide Welten vereinigen? Merkt er nicht, was das für Gefahren mit sich bringt?" "Scheinbar denkt er, daß die Auswirkungen lokal begrenzt sind und es ihn damit nichts angeht - wie ich schon sagte, der Typ ist ein Knallkopf der Sonderklasse." Donnic grinste, als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte. "Überrascht, wie ich über meinen kommandierenden Offizier spreche?" "Das... könnte man so sagen, ja." "In meiner Zeit beim Militär habe ich gelernt, mich nicht von Rängen beeindrucken zu lassen, sondern von tatsächlicher Leistung - und da fehlt es bei Klank doch ganz erheblich. Im Moment kann er uns das Leben zwar schwer machen, mehr aber auch nicht." "Da sagst du was... immerhin wollte er dir die Rechnung für Einsatzstunden deines Wagens und den verfahrenen Sprit präsentieren, praktisch wollte er dir mit diesen Kosten den Besuch hier trotz Passierschein vom General vermasseln." Donnic reagierte erneut anders, als ich erwartet hätte - er lachte. "Na, das hätte er mal versuchen sollen. Abgesehen davon, daß er es schon rein rechtlich nie durchbekommen würde - immerhin kann ich mich ja offiziell in einer Aufklärermission hier befinden, also sehr wohl in dienstlichem Auftrag! - sollte er sich so etwas gut überlegen. Bekanntlich trifft man sich immer zweimal im Leben... zum Beispiel auch mal dann, wenn ich mal wieder nachts auf Wache bin und der werte Herr Oberst ungeschickterweise im Dunkeln stolpern könnte." Trotz des scherzhaften Tones machte sein Blick klar, daß der junge Unteroffizier seine Worte durchaus ernst meinte, und ich zweifelte nicht daran, daß, egal welchen Rang man bekleidete, man sich ihn besser nicht zum Feind machte. Aber ich konnte nicht weiter über seine Worte nachdenken, denn er sprach bereits weiter. "Was er leider wirklich geschafft hat, diesen Etappensieg muß ich ihm dummerweise lassen, ist, den anderen Brony-Kameraden ihren Ausflug hierher zunichte zu machen. Sie haben zwar allesamt heute dienstfrei, aber keinen Passierschein vom General erhalten, weil der dienstlich gestern noch nicht nötig war und sie ihn heute nicht mehr angetroffen haben. Und Klank gibt natürlich keine Erlaubnisscheine mehr aus. Sie haben aber alle etwas dazugegeben - der Wagen ist voller Waren, und der Getränkemarkt, in dem ich vorhin war, hat vermutlich den Umsatz des Jahres an Colaverkauf gemacht." "Ich bin dafür wirklich sehr dankbar - dafür habe ich Klank vorhin gesagt, daß ich für die Kosten von Fahrzeug und Treibstoff aufkomme. Hat ihn offenbar sehr überrascht." "Das kann ich mir denken... der geht eben nur von sich aus und hätte selber so etwas nie auch nur in Betracht gezogen. Aber wie gesagt, das war eine leere Drohung mit den Fahrzeugkosten - dazu ist er weder befugt noch rechtlich in der Lage. Wenn du wirklich was Nützliches mit dem Geld anstellen willst, kannst du es ja an uns spenden, du weißt ja sicherlich, daß Meetups und größere Feste leider auch Geld kosten - und viele Bronies oft etwas klamm bei Kasse sind." Er begleitete seine Worte mit einem Augenzwinkern. "Warum nicht... wie ich Klank bereits gesagt habe, habe ich hier sowieso keine Verwendung mehr für menschliches Geld. Ich schreib dir gern eine Vollmacht mit allen erforderlichen Daten - und ihr veranstaltet dafür dann ein richtig schönes Equestriafest-Meetup mit allem Drum und Dran, und du kannst den anderen Bronies dann aus erster Hand berichten, wie es hier wirklich aussieht." Donnic stutzte. "Echt jetzt? Hey, das war als Scherz gemeint! Ich kann doch nicht einfach über dein Konto verfügen!" "Und warum nicht? In Equestria gibt es bekanntlich keine Geldautomaten oder SB-Terminals meiner Hausbank, und selbst wenn, könnte ich mit dem Kram hier ohnehin nichts mehr anfangen. Ich werde bekanntlich hier bleiben. Meinethalben sieh es als Stiftung an... damit Meetups und Feste eben nicht ständig an diesem leidigen Thema Geld kranken." "Tja, dann... danke, denke ich mal! Ich bin überrascht über so viel Großzügigkeit." "Stimmt, Michael, ich auch", schaltete sich Rainbow ein. "Ich wußte ja noch gar nicht, daß eine Rarity in dir steckt?" Sie zwinkerte mir zu. "Wißt ihr... in meinem früheren Leben war das anders, da war ich oft unangemessen geizig. Aber das Leben hier hatte einen positiven Einfluß auf mich - also, was solls." "Ich glaube, langsam verstehe ich besser, warum Celestia gerade dich als Botschafter hierher geholt hat", sinnierte Donnic, wurde aber sofort von der Schnellfliegerin unterbrochen. "Aber sag mal, warum ist dieser Klank so fies? Nur wegen einer Beförderung? Hey - ich wollte auch zu den Wonderbolts, aber deshalb hätte ich doch nie absichtlich Schaden irgendwo angerichtet, andere Ponys bedroht oder gar einen Krieg angezettelt!" "Du hast eben einfach eine andere Persönlichkeit. Allerdings ist da bei Klank noch etwas, ich habe da gestern was gehört... müßte ich zwar noch genauer überprüfen, aber im Grunde ging es darum, daß ein Vorfahr von ihm vor paar hundert Jahren schon ein Bild von Celestia gemalt hat, er hat damit als Kind im Kindergarten und in der Grundschule rumgeprahlt und wurde natürlich als Mädchen ausgelacht. Hat ihm nicht gefallen, das kann man sich ja vorstellen, und deshalb hat er auch einen persönlichen Groll gegen Ponys und wohl gegen Celestia ganz besonders - oder er will einfach nur nachträglich kommerziellen Profit aus der ganzen Sache schlagen, das traue ich ihm am ehesten zu." "Aber wie kann das sein? Dieses Tor hier gibt es doch erst seit ein paar Tagen!" "Sugarcube, du vergißt, daß die Prinzessin als Alicorn schon seit paar hundert Jahrn hin- un' herreisn konnte, das hat'se uns sogar selber erzählt", meldete sich Applejack zu Wort. "Jetzt, wo du es sagst... ja, da war was. Das Gemälde unserer Prinzessin würd ich allerdings gerne einmal sehen." "Ich denke, das wird sich einrichten lassen, zumindest als Foto - ansonsten könnt ihr das eigentlich auch selber über das Internet herausfinden, das Notebook dafür habt ihr ja hier." "Können wir eben leider nicht - Klank hat uns den Datenstecker gezogen. Das einzige, was noch funktioniert, ist die Stromversorgung von dem Ding, aber Netzwerk und Kommunikation sind von ihm aus abgeklemmt." Donnics Gesicht verfinsterte sich. "Ich kümmere mich darum, wenn ich wieder im Camp bin... ich kenne einige der Fernmelder, und wir werden ja noch sehen, wer hier wen von der Datenwelt abhängt. - Aber jetzt sollten wir uns vielleicht lieber zur Farm begeben... es sei denn, Hufdrücken und Wagenziehen wurden abgesagt, weil ihr euch nicht mehr traut?", wechselte er das Thema. Applejack zog ihren Hut demonstrativ tiefer ins Gesicht und funkelte den Soldaten aus emeraldgrünen Augen gespielt angriffslustig an.