Kapitel 24: Kommunikationen Rainbow Dash klammerte sich mit ihren Flügeln an mich, dabei haltlos schluchzend. "Warum? Wieso hat Donnic das getan? Ich habe ihm vertraut! Wie kann er Trixie einfach..." Der Rest ihrer Worte ging erneut in verzweifeltem Weinen unter. Ich stand hilflos da, ohne recht zu wissen, wie ich dem himmelblauen Pegasuspony Trost hätte spenden sollen - ich strich mit einer Hand wieder und wieder durch ihre Mähne und drückte sie mit der anderen fest an mich, aber ich sagte kein Wort. Was hätte ich auch sagen sollen? Immerhin verstand ich selbst nicht, was auf der anderen Seite des Tores vor sich gegangen war - ich konnte mir nicht vorstellen, was Donnic bewogen haben mochte, auf ein durch das Tor kommendes Pony zu feuern, hatte er doch selbst eine miserable Meinung vom aktuellen Befehlshaber des Militärcamps, Oberst Klank, und dessen Weisungen und Anordnungen. Wortlos sah ich zu der großen Ansammlung aus Unicorns und Alicorns hinüber - auch dort breiteten sich Fassungslosigkeit und Entsetzen aus, wobei es sich bei den magischen Wesen sicherlich nicht allein darauf bezog, daß Trixie allem Anschein nach niedergeschossen worden war, sondern viel eher darauf, daß das magische Gleichgewicht abrupt gestört worden war und der Verschluß der Barriere zwischen den zwei Welten dadurch eben nicht vollständig geglückt war. Magische Ponys sahen sich mit ungläubigen Gesichtsausdrücken an, und im Grunde redeten alle durcheinander - vielleicht eine halbe Minute lang. Dann breitete ein besonders großes weißes Wesen seine Schwingen aus und stieg einige Meter in die Luft. "Ich ersuche um euer Gehör, meine Ponys!", rief Celestia über die unruhige Menge hinab - nicht besonders laut, aber sie schaffte es dennoch, ihre Stimme so präsent zu machen, daß man sie nicht überhören oder ignorieren konnte. Wahrscheinlich wurde ich soeben Zeuge einer modernisierten royalen Sprechweise, und tatsächlich verstummte das Gemurmel fast augenblicklich. "Danke. Twilight Sparkle wird sich um euch, eure Belange und das weitere Vorgehen hier kümmern, und genau wie bisher ersuche ich euch, ihr zu folgen. Wir haben einen Teilerfolg erzielt und werden sicherlich nicht aufgeben, aber es sind neue Vorbereitungen für das Vervollständigen der Aufgabe erforderlich - hierzu ist unverändert eure Mitwirkung und volle Konzentration erforderlich. Ich weiß, daß ihr dazu in der Lage seid, und fordere euch auf, nach wie vor mit Prinzessin Twilight Sparkle zusammenzuarbeiten. Für den Moment müssen meine Schwester und ich euch allerdings vorerst verlassen - wir müssen die Sicherheit Equestrias bis zum nächsten Versuch sicherstellen." Damit drehte sie ab und kam mit undeutbarem Gesichtsausdruck auf uns zugeschwebt - oder vielmehr: auf mich. Luna sprach noch mit Twilight, sah dabei aber unverwandt in unsere Richtung. Das weiße Alicorn landete genau vor uns. "Botschafter - wir müssen reden." Ihre Stimme klang kalt und distanziert in meinen Ohren. "Bitte nicht!", schluchzte Rainbow auf, um ihren Kopf zu heben und ihre Prinzessin aus verweinten Augen anzusehen, und die Umklammerung ihrer Flügel wurde so fest, daß ich kaum noch Luft bekam. "Ich flehe Euch an - bestraft Michael nicht! Er hat nichts Unrechtes getan, verbannt ihn nicht! Wenn, dann... dann verbannt lieber mich, denn ich habe Donnic ebenfalls vertraut, und dadurch ist ein anderes Pony zu Schaden gekommen, ich bin meinem Element gegenüber den Ponys nicht gerecht geworden... ich..." Nun zeigte sich doch eine Regung im Gesicht der Prinzessin - nämlich Verwirrung, Verwirrung darüber, was die Fliegerin denken oder meinen mochte. Dann schüttelte sie sacht den Kopf, ging in die Knie, streckte einen Flügel aus und berührte das aufgewühlte Pegasuspony sanft mit der Spitze, und tatsächlich hatte sie Erfolg: Rainbows Atem beruhigte sich, ihr Schluchzen verebbte, und ihr Flügelgriff lockerte sich ein wenig. "Aber Rainbow Dash. Ich habe nicht vor, über den Botschafter zu richten... wenn, dann müßte ich allenfalls über mich selbst richten, ich kannte das Risiko, ich habe Klanks Drohungen mit angehört, aber ich hielt es für ausgeschlossen, daß es ein Pony geben sollte, das freiwillig durch das Tor gehen würde. Als Beschützerin meiner Ponys hätte ich das Risiko, daß aber eben doch ein Pony die Welten würde wechseln wollen, nicht eingehen dürfen... aber geschehen ist geschehen. Außerdem ist Michael nicht Klank und auch nicht Donnic. Trotzdem muß ich mit ihm sprechen... keine Sorge, ich will ihm nichts Übles." Ihr Horn begann, fast unmerklich sacht zu schimmern. "Warum begibst du dich nicht zu deiner Freundin in den Hauptgebäuden der Farm? Hier kannst du nichts ausrichten im Moment, aber bei Applejack wartet Scootaloo auf dich... ich bin sicher, sie braucht jetzt ein erfahrenes Pegasuspony an ihrer Seite, nachdem sie, wie ich von Twilight erfahren habe, ihren ersten eigenständigen Flug erlebt hat." Rainbow, deren Schluchzen inzwischen verebbt war, sah sich mit verwundertem Gesichtsausdruck um, als wäre sie soeben aus einem tiefen Schlaf erwacht und wüßte noch nicht richtig, wo sie sich überhaupt befand. "Sicher... sicher habt Ihr damit recht, Prinzessin... aber ich weiß nicht, ob ich es allein schaffe... ich... möchte jetzt ungern allein sein..." Ihre Stimme verlor sich. Celestia schenkte ihrer schnellsten Fliegerin ein warmes Lächeln. "Ich bin sicher, Luna wird dich gern begleiten. Sie liebt übrigens das Fliegen und wollte schon immer einmal die Gelegenheit haben, sich mit dir darüber auszutauschen - wenn du magst, heißt das." Erst in den großen roséfarbenen Augen, dann im ganzen Gesicht des himmelblauen Pegasus erschien ein glückliches Strahlen. "Es wäre mir eine Ehre, mich mit der Prinzessin über die Fliegerei zu unterhalten!" Celestia lächelte - es wirkte auf schwer bestimmbare Weise traurig, aber das schien Rainbow nicht zu bemerken. "So sei es. Hier kommt sie auch schon", sie trat einen Schritt zur Seite, um ihrer in einem eleganten Bogen heranschwebenden dunkelblauen Schwester Platz zu machen. Die beiden Schwestern sahen sich nur einmal kurz an, und es gehörte nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, daß sie sich bereits auf telepathischem Weg verständigt hatten und somit die eine von der anderen wußte, was diese dachte und vor hatte. Luna nickte Rainbow mit aufmunterndem Lächeln zu, dann erhoben sich die beiden flugfähigen Wesen und verschwanden in Richtung der Hauptgebäude von Sweet Apple Acres, ohne daß mich Rainbow Dash auch nur noch eines Blickes gewürdigt hätte. Kaum waren sie außer Hörweite, stieß Celestia einen tiefen Seufzer aus, schloß die Augen und neigte den Kopf in Richtung Boden, und ihr Gesichtsausdruck strahlte nun eindeutig Trauer und Schmerz aus. Das Schimmern ihres Horns erlosch übergangslos. "Prinzessin! Was habt Ihr? Kann ich Euch helfen?", fragte ich, halbwegs erschrocken. Ich streckte die Hand aus, um dem großen Alicorn den Hals zu streicheln, aber ich führte die Bewegung nicht zu Ende - zum einen traute ich mich schlicht nicht, die Herrscherin dieses Landes derart persönlich zu berühren, zum anderen fiel mir gerade noch rechtzeitig ein, daß wir nicht allein waren. Zwar waren die Unicorns rund um Twilight wohl viel eher mit sich selbst als mit uns beschäftigt, dennoch konnten wir gesehen werden - und eine gewisse Etikette mußte auch eine Celestia sicherlich bewahren. Das Alicorn vor mir schien dieselben Gedanken mit demselben Schluß zu haben, denn noch einmal stieß sie mit resignierendem Ton die Luft aus, dann hob sie mit einem Ruck wieder den Kopf und öffnete ihre Augen. Zwar waren diese auf mich gerichtet, aber ihr Blick schien geradewegs durch mich hindurch zu gehen, direkt in die Unendlichkeit hinein. "Ich fühle mich immer so schlecht, wenn ich das freie Denken meiner Ponys manipulieren muß", murmelte sie. "Auch wenn es zu ihrem Besten sein mag... ich will das einfach nicht tun, aber wer fragt schon danach." Die Worte galten wohl eher ihr selbst als mir, dennoch ging ich darauf ein. "Du meinst...", fragte ich unsicher, entschloß mich dann aber, bei der persönlichen Anrede zu bleiben - immerhin befand sich kein anderes Pony in Hörweite. "Du hast sie irgendwie beeinflußt, damit sie sich beruhigt hat? Deshalb also ist sie so plötzlich und ohne Widerrede mit Luna abgeflogen und hatte scheinbar völlig vergessen, daß ich überhaupt hier war?" Sie nickte, eine Bewegung, die kaum zu sehen war. "Ich habe ihr gewissermaßen das magische Gegenstück einer eurer Beruhigungstabletten verpaßt. Ich hasse es, so etwas tun zu müssen, zumal ich weiß, daß du ihr auch einiges bedeutest... um genau zu sein, fast soviel wie Applejack, was sie durchaus manchmal in einen gewissen Loyalitätskonflikt stößt, bisher hat sie es aber immer geschafft, sowohl gegenüber ihr als auch dir loyal zu bleiben. Tapferes Pony... ich bin nicht sicher, ob jedes andere das auch kann." Sie kicherte, als sie meinen erstaunten Gesichtsausdruck bemerkte, aber der Laut klang gequält und humorlos. "Überrascht, daß ich so gut Bescheid weiß? Lebenserfahrung, mein Lieber, und meine Fähigkeiten, die ich habe, ob ich will oder nicht... und die ich auch nicht abstellen kann, die telepathischen Informationen fluten gewissermaßen in meinen Geist, ob ich das nun will oder nicht. Und dann muß ich auch noch ihren Geist manipulieren... ich bedaure, aber sie hätte uns jetzt und hier nichts genützt, erst recht nicht in ihrem aufgewühlten Zustand. Da ist sie zusammen mit Luna bei ihrer Freundin und natürlich ihrer Adoptivschwester deutlich besser aufgehoben." Ein unsichtbarer Ruck schien durch das Wesen zu gehen, als sie ihre Gedanken und Emotionen wieder so weit sortiert hatte, um ihrer Rolle als Regentin wieder gerecht zu werden. "Was uns zur aktuellen Situation zurück bringt, und deshalb wollte ich dich sprechen. Wie ernst ist Klanks Drohung zu nehmen, daß er Invasionstruppen zu uns schickt, wie bewertest du als Vertreter der menschlichen Spezies die Situation?" "Die Drohung war ernst gemeint, keine Frage. Und ich muß es leider so hart sagen: wir haben versagt beim Versuch, die Barriere zwischen beiden Universen wieder zu verschließen, noch dazu ist genau das geschehen, wovor er ausdrücklich gewarnt hatte: ein Pony ist von Equestria in die Menschenwelt gewechselt. Durch das Tor hier kann er keine Truppen und auch keine Maschinen mehr schicken, das ist schlicht zu klein geworden - aber es ist ernsthaft zu befürchten, daß er Truppen durch die Übergangszone am anderen Ende von Ponyville schickt, seine Ankündigungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig." "Können diese Truppen durch die Überlagerung hindurch?" "Zumindest wir konnten es, genau wie dieser Fischer mit seinem improvisierten Vandalentrupp, also sollten die es auch können." "Dann müssen wir uns unbedingt vor Ort einen Überblick verschaffen und sehen, daß wir retten, was zu retten ist. Und da Teleportieren hier im Moment nicht mehr möglich ist..." Sie ging mit den Vorderhufen in die Knie. "Aufsitzen." Das Wort war keine freundliche Bitte, sondern ein eindeutiger Befehl, allerdings kam der für mich so unerwartet, daß ich zögerte. "Aber... auf eine Prinzessin...?" Ein ärgerliches Funkeln erschien in ihren Augen, scheinbar war es die Prinzessin schlicht nicht gewöhnt, daß ihren Worten nicht umgehend Folge geleistet wurde. "Es geht hier nicht um meinen Titel, sondern einzig darum, daß ich als Alicorn die nötige körperliche Stärke habe und noch dazu das einzige flugfähige Wesen in der Nähe bin, und zu Fuß bist du als Mensch nun einmal schlicht zu langsam. Und nun wäre ich dir sehr verbunden, wenn wir das nutzlose Diskutieren beenden könnten." Ohne weitere Umschweife schwang ich mich auf den Rücken des uralten schneeweißen Wesens und hielt mich an ihrem Hals fest. Kaum hatte ich einigermaßen sicheren Halt gefunden, breitete Celestia ihre Schwingen aus und hob in steilem Winkel vom Boden ab, um rasant auf mindestens einhundert Stundenkilometer zu beschleunigen - die Bemerkungen, die Luna gegenüber Rainbow über die fliegerischen Fähigkeiten von Alicorns gemacht hatte, trafen offenbar zu, wie ich soeben am eigenen Leib vorgeführt bekam. Immerhin flog sie langsam genug, daß ich noch Luft zum Atmen bekam und mir nicht der Fahrtwind alle Luft davonriß - offenbar kannte sie die physischen Grenzen meiner Art dafür genau genug. "Tut mir leid, wenn es etwas ruppig werden sollte, aber wir haben einfach keine Zeit, und ich kann jetzt nicht erst mit Zeitdilatationen anfangen. Wo genau müssen wir nun eigentlich hin?" "Nordwest, bitte, genau einmal über Ponyville hinweg." Zum Glück hatte ich dank Rainbow die Stadt schon mehrmals von oben gesehen und konnte mich einigermaßen orientieren. "Im Grunde zur Straße Richtung Fillydelphia, aber wir dürfen nicht zu weit fliegen, sonst geraten wir in die Übergangszone hinein - flieg langsamer, bitte, da vorne ist sie bereits. Rainbow hatte innerhalb dieser Zone heftige Flugprobleme, weil die Wahrnehmung normaler Wesen stark verzerrt wurde, sie sagte, es scheint kein Oben und kein Unten zu geben, was die Orientierung im Raum sehr erschwert." Auch ohne meine Warnung hatte Celestia das Tempo bereits wieder deutlich zurückgenommen, denn ich hatte noch nicht ausgeredet, als wir die Bescherung sehen konnten. Die Überlagerung beider Welten existierte noch, und nach allem, was ich von hier oben aus erkannte, war sie zwar nicht kleiner, aber immerhin auch nicht größer geworden. Dafür sah sie von außen und noch dazu von hoch oben noch bizarrer aus als bisher schon: equestrianische Bäume wuchsen, auf absurde Weise in sich verdreht, teilweise gestaucht und teilweise verzerrt, direkt aus dem Asphalt einer Landstraße aus der Menschenwelt, Gebäude von Ponys und Pflanzen aus der Menschenwelt nahmen denselben Raum gleichzeitig ein, an Farben schien es nur noch ein ungesund wirkendes, allein bei längerem Ansehen Übelkeit verursachendes grünes Grau zu geben, und natürlich entdeckte ich fast sofort zahlreiche Militärfahrzeuge: sowohl Jeeps und Motorradpatrouillen, die offenbar für eine erste Erkundung vorausgeschickt worden waren, als auch Spähwagen desselben Typs, mit dem Donnic früher am Tage gekommen war, als auch Lastwagen verschiedener Größen und Bauformen, und auch einige Panzer in der Ferne fehlten nicht - auf Tarnung war es Klank offenbar nicht angekommen, dafür hatte er Wort gehalten und eine Invasionsarmee auf die Beine gestellt. Eine Armee, die, in völliger Reglosigkeit erstarrt, ebenfalls denselben Raum einnahm wie Pflanzen, Zäune oder Gebäude - wieder war es, als würde man ein doppelt belichtetes Foto betrachten, ein Foto allerdings, das anschließend von einem Künstler nachbearbeitet worden war, dessen täglichen Drogenkonsum ich lieber nicht genau kennenlernen wollte. Und keines der Fahrzeuge rührte sich vom Fleck - tatsächlich wirkte alles wie eine absurd große Panorama-Fotoaufnahme, eben weil sich absolut gar nichts bewegte. "Du meine Güte... das ist schlimmer, als ich dachte", ließ sich Celestia vernehmen. "Landen wir erst einmal...", sie setzte ihre Worte umgehend in die Tat um, "und sehen wir, wie es in Ponyville aussieht - oder besser, in dem, was von Ponyville noch übrig ist." Sie setzte sanft auf dem Boden, vielleicht noch zwanzig Meter vom Beginn der Überlagerungszone entfernt, auf und ging in derselben Bewegung in die Knie, um mich absteigen zu lassen. "Ich hoffe doch, daß hier keine Ponys mehr sind..." "Twilight hat zumindest diesen Teil der Stadt evakuieren lassen." "Gutes Pony. Sehr umsichtig von ihr... ich freue mich, daß sie sich so schnell in ihre neue Rolle einfindet." "Es bleibt ihr ja keine Wahl... und ich denke, sie nimmt ihre Verantwortung, die du ihr übertragen hast, sehr ernst. Abgesehen davon wollten die Ponys sowieso weg von hier - verständlicherweise, denn in einer Umgebung wie dieser", ich zeigte mit einer ausschweifenden Geste über einige Häuser, die bereits von den sinnverdrehenden Effekten der Überlagerung betroffen waren, "wöllte wohl kein vernünftiges Wesen gerne freiwillig bleiben." "Trotzdem sollten wir uns umsehen, ob nicht noch ein Pony in Gefahr ist - ich habe heute bereits eines verloren, eines reicht für einen Tag. Oder auch ein Jahrtausend." Die letzten Worte klangen hart und kalt - eine Härte, die einzig ihr selber galt, wie ich deutlich spürte, und es hätte das abrupte Wegdrehen ihres Kopfes nicht gebraucht, um mir klarzumachen, wie heftig die Vorwürfe waren, die sie sich selbst machte, weil sie Trixies fatalen Wechsel in die andere Welt nicht verhindert hatte. Dieses Mal hielt ich mich nicht zurück: ich umschlang den Hals des großen Wesens mit beiden Armen und drückte sie an mich, während ich sie beruhigend streichelte. Ihre Mähne konnte ich dabei nicht berühren - es war, als würde ich versuchen, Nebel zu berühren, die in verschiedenen Pastelltönen schimmernde Erscheinung schien unter meinen Fingern schlicht nicht zu existieren, was sie allerdings nicht daran hinderte, ein elektrisierendes Kribbeln in meinen Fingerspitzen zurückzulassen. "Du konntest nicht ahnen, was Trixie vor hatte - niemand konnte das. Und du bist du, nicht Trixie... niemand wird es wagen, dir deshalb Vorwürfe zu machen." "Niemand außer mir selber, meinst du wohl... seit vielen Jahrhunderten war es meine Aufgabe, auf die mir anvertrauten Ponys und ihr Wohlergehen aufzupassen, und seit hunderten von Jahren, seitdem Luna und ich den damals noch bösartigen Discord besiegt hatten, habe ich kein einziges von ihnen mehr verloren... bis heute... vielleicht werde ich wirklich alt und sollte darüber nachdenken, die Verantwortung an ein jüngeres Pony azugeben. Aber danke für den Zuspruch - auch wenn ich mir selber nicht verzeihen kann." "Celestia, bitte... ich kann mir auch als Wesen von begrenzter Lebensdauer vielleicht ein wenig vorstellen, was in dir vorgehen muß, aber jetzt ist nicht der richtige Moment für Schuldzuweisungen. Ich bin überzeugt, daß die Häuser hier geräumt sind, aber wir können durchaus zur Sicherheit einen kleinen Rundgang unternehmen - ich habe nicht den Eindruck, als würde Klanks Armee jetzt angreifen." "Das würde ihnen auch schlecht bekommen." Obwohl es nicht direkt in meinem Blickfeld lag, bemerkte ich ein helles Aufleuchten, das der Farbe nach nur von Celestias Horn kommen konnte, und ich konnte mir denken, was es zu bedeuten hatte. Die Lichterscheinung erlosch direkt wieder, dafür breitete das Alicorn einen Flügel aus und berührte mich an der Schulter, und ich verstand und ließ die Prinzessin Equestrias los. "Gehen wir." Wir liefen vielleicht eine Viertelstunde durch die angrenzenden Straßen und sahen stichprobenartig in verschiedene Häuser hinein, trafen aber tatsächlich kein einziges Pony mehr an - offenbar war dieser Stadtteil tatsächlich verlassen worden. Wir bogen um eine Häuserecke - und standen erneut direkt vor der Anomalie, in der beide Welten eins wurden. Und ebenso direkt vor der Statue eines Soldaten auf einem Motorrad, der vielleicht noch zehn Meter von Equestria entfernt war. Wenigstens sah es aus wie eine Statue, die von demselben scheinbar besonders avantgardistischen Künstler erschaffen worden war wie unser imaginäres Luftbild von vorhin. Die Statur des Soldaten oder vielmehr seine Proportionen stimmten nicht und wirkten eher wie die boshafte Karikatur eines Menschen, sein Geländemotorrad wäre mit Rädern, die gleichzeitig quadratisch wie auch rund waren, wohl kaum fahrfähig gewesen, und in seinem Gesicht mischten sich, soweit man das durch die völlig verzerrten Züge noch erkennen könnte, ein sachtes Erstaunen und ein abgrundtiefes Entsetzen. Der Mund war zu einem letzten, stummen Schrei geöffnet, allerdings war kein Laut zu hören - und auch keine Bewegung zu sehen, obwohl er beide Füße auf den Fußrasten seiner Maschine hatte. Ungläubig blickte er uns an, ohne uns jedoch zu sehen - sein Blick ging geradewegs durch uns hindurch ins Leere. "Ich darf vermuten, daß dieser Zustand auch bei Menschen wohl eher nicht normal ist", meldete sich Celestia neben mir mit sarkastisch klingender Stimme zu Wort - scheinbar war das ihre Art, mit dem Geschehen fertig zu werden. "Ich weiß nicht, was genau hier vorgeht... jedenfalls sah es vorhin, als ich erst mit Donnic und dann noch einmal mit Twilight und dem Forscher hier war, noch nicht so aus. Hier geht irgend etwas ganz gewaltig schief... und das dürfte es auch sein, was mich vorhin an dem Gesamtbild gestört hat: es scheint keine Bewegungen mehr zu geben." "Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden: wir oder vielmehr ich muß da hinein." "Warte... es ist niemandem geholfen, wenn auch du da drin plötzlich...", ich suchte nach einem passenden Wort, fand aber keines, "... schockgefroren wirst. Ich würde ja mitkommen, aber ich weiß nicht, wie wir uns gegen die Effekte der Überlagerung abschirmen könnten." "Du nicht, aber ich... es stimmt: Abschirmen ist des Rätsels Lösung. Und vielleicht ist es wirklich kein Fehler, wenn du mitkommst: vier Augen sehen bekanntlich mehr als zwei. Wenn ich also wieder bitten dürfte...?" Erneut ging sie in die Knie, um mir den Aufstieg zu ermöglichen, was ich dieses Mal ohne zu zögern tat. Dann richtete sie sich auf und entfaltete ihre Flügel, ohne allerdings schon abzuheben - dafür spürte ich, wie sie in tiefe Konzentration verfiel. Ihr Horn begann zu schimmern, und rund um uns herum begann sich eine Art Energiefeld zu bilden - offenbar genau die Abschirmung, die sie vorgehabt hatte. Nach einigen Sekunden, wir befanden uns inzwischen in einer Art Energieblase, die offenbar kontinuierlich von ihrem Horn erzeugt wurde, wich die Anspannung aus ihrem Körper. "Das sollte es tun... im Grunde nichts anderes als die Zeitdilatation, die ich sonst auch manches Mal verwenden muß. Wollen wir hoffen, daß es hält und reicht." Ich bekam keine Gelegenheit zur Widerrede, denn kaum hatte sie ihre Gedanken ausgesprochen, hob sie ab - und wir flogen direkt in die Überlagerungszone hinein, dicht über den Kopf des glücklosen Spähers vor uns hinweg. Tatsächlich hielt uns Celestias magischer Schutzschild die unangenehmen Auswirkungen der Raumanomalie vor uns fast vollständig vom Leib: wir sahen zwar alles, was sich um uns herum oder vielmehr unter uns befand, aber die übelkeitserregenden Effekte der verbogenen Linien und falschen Farben blieben aus, und auch Oben und Unten blieben eindeutig erhalten. Dafür sahen wir überall im Wesentlichen dasselbe Bild: die Zeit selbst schien innerhalb der Überlagerungszone stehengeblieben zu sein, sämtliche Bewegungen waren eingefroren. Ein- oder zweimal bildete ich mir ein, sogar Insekten zu sehen, die reglos in der leeren Luft hingen, aber wir waren zu schnell vorbei, als daß ich mir hätte sicher sein können. "Was genau ist eigentlich das da?" Das Alicorn schwebte hinunter zu einem Lastwagen, auf dessen offener Ladefläche Soldaten saßen. Gleichzeitig befanden sich an dieser Stelle an die fünf Meter hohe Holundersträucher - mit dem Ergebnis, daß die Soldaten und die Äste und Zweige der Sträucher eins geworden waren, dummerweise hatte sich der Lastwagen aber in dem Moment, in dem die Pflanzen in demselben Raum erschienen waren, offenbar mit voller Fahrt fortbewegt. Fast sah es so aus, als würden Zweige und Blätter aus den Menschen herauswachsen oder wären als Tarnung auf die Helme aufgesteckt, aber man mußte keine Details sehen, um zu erkennen, daß dem nicht so war - ein Blick in das, was von ihren Gesichtern noch erkennbar war, reichte aus, um mir zu sagen, daß sie in ihrem letzten qualvollen Moment wohl begriffen hatten, daß der Befehl, hierher vorzudringen, offenbar einem Befehl zu einer besonders unangenehmen Form des Selbstmords gleichgekommen war. Von einem plötzlichen Würgereiz, der aus der Kombination aus Farben, Form und dem eingefrorenen grausigen Geschehen allgemein herrühren mochte, erfaßt, drehte ich mich weg, und Celestia, die meine Bewegung und meine körperlichen Reaktionen natürlich spürte, stieg sanft, aber bestimmt ein beachtliches Stück in die Höhe, weg aus der direkten Blicklinie auf die grausige Szenerie. "Dafür wird sich dieser Affenarsch verantworten müssen", stieß ich hervor, nachdem sich mein Magen wieder einigermaßen beruhigt hatte. "Ich sehe, du möchtest dringend telefonieren, und das ist wohl auch anzuraten... also fliegen wir am besten zu deiner Botschaft zurück." Damit traten wir den Rückweg an und landeten dank der Tatsache, daß die Luftlinie deutlich kürzer war als der Weg am Boden und das Alicorn wieder eine beachtliche Geschwindigkeit an den Tag legte, nach vielleicht höchstens zwei Minuten neben meinem Schreibtisch. Beim Landeanflug hatte ich Gelegenheit, das verbliebene Tor von oben anzusehen: tatsächlich war seine räumliche Ausdehnung massiv zusammengeschrumpft und hatte vielleicht noch einen Durchmesser von drei Metern, und durch den Energievorhang, der die Grenzen deutlich machte, sah ich von oben herab bearbeitetes Land, wo sich in Equestria nur eine Wiese befand. Celestia setzte sanft neben dem Schreibtisch auf und ging ein letztes Mal in die Knie, um mir den Abstieg zu ermöglichen, und ich tat es - nicht ohne mein Gesicht dabei kurz und für Außenstehende unmöglich zu erkennen an ihren Hals zu schmiegen. "Danke - für das Flugtaxi und die Gesellschaft." "Stets gern zu Diensten, es freut mich, wenn meine Fähigkeiten geschätzt werden." Ich trat an den Schreibtisch heran, wappnete mich in Gedanken für das, was kommen würde, und nahm den Hörer des Telefons ab. Tatsächlich dauerte es wieder einmal gar nicht lange, bis die Verbindung zustande kam. "Jaaaa, bitte sehr, Oberst Klank am Apparat!", vernahm ich eine vor Selbstzufriedenheit triefende Stimme. Er gab mir keine Gelegenheit, selbst etwas zu sagen, sondern sprach direkt weiter. "Tja, ich würde sagen, das war wohl nichts, Herr Botschafter! Man sollte eben nicht mit Dingen herumspielen, von denen man keine Ahnung hat, oder wollen Sie mir weismachen, Ihre wirren Pläne wären von Erfolg gekrönt gewesen? Hähähähä!" "Nicht mit Dingen spielen, von denen man nichts versteht...", wiederholte ich langsam. "Das sagt ja nun genau der Richtige. Wissen Sie, wo Celestia und ich gerade herkommen, Oberst?" "Ich nehme an, vom gemütlichen Kaffeetrinken bei lustigen bunten verzauberten Keksen irgendwo in ihrem hübschen bunten Märchenschloß." Sein Tonfall war eine Mischung aus süffisanter Häme und betonter Langeweile sowie Desinteresse. "Nett, daß Sie ein wenig mit mir plaudern wollen, aber eigentlich habe ich im Gegensatz zu Ihnen eine Armee zu kommandieren, wenn es Ihnen nichts ausmacht, also fassen Sie sich kurz." "Gehört zu Ihrem Kommando auch, Ihre Männer ins sichere Verderben zu schicken?" Ein seltsames Geräusch war die direkte Antwort, was ich nach einigem Überlegen als unterdrücktes Husten erkannte - offenbar hatte Klank sich verschluckt, und ich beschloß, die Gelegenheit zu nutzen und noch einmal nachzusetzen. "Herr Oberst? Sind Sie noch da? Sie sind gerade etwas schlecht zu verstehen. Ich fragte, ob Sie Ihre Männer mit Absicht auf ein Himmelfahrtskommando geschickt haben?" "Wie... meinen Sie das?", keuchte Klank, hörbar bemüht um einen unbeteiligten Tonfall - allerdings blieb es für den Moment bei dem Bemühen. "So, wie ich es sage. Celestia und ich kommen gerade von der Überlagerung, in die Sie Ihre kleine Invasionsarmee geschickt haben - und ich glaube nicht, daß noch einer von denen am Leben ist. Zumindest machten sie nicht den Eindruck, daß Pflanzen, die quer durch ihre Körper hindurch einfach erschienen sind, ihnen sonderlich gut bekommen sind, und schockgefrorene Zeit selbst scheint auch nicht eben gesund zu sein." "Ach. Und woher wollen Sie das alles wissen? Sie sind gut im Märchenerzählen, das muß ich Ihnen lassen." Zumindest nach außen hin hatte er seine übliche Überheblichkeit zurückgewonnen. "Wenn es wirklich so unbekömmlich ist, sich dort aufzuhalten, wie erklären Sie es mir dann, daß Sie jetzt überhaupt mit mir sprechen können, häh? Und Ihr schönes weißes Märchenpferdchen, wie hat das die Sache weggesteckt?" "Die Prinzessin", ich betonte den Titel absichtlich übertrieben, "verfügt über Fähigkeiten, die Menschen von Natur aus nicht haben - hierzulande nennen wir das Magie. Ich habe sie nicht, und Ihre Soldaten auch nicht - aber im Gegensatz zu denen hat Celestia mich und natürlich sich selber von den Einwirkungen der Überlagerungszone geschützt." "Aha? Und Ihre eigenen Artgenossen hat sie wohl verrecken lassen, wie ich das so höre und verstehe? Ehrlich, es wundert mich, daß Sie sich überhaupt noch mit diesen Pferdchen abgeben." Ich verdrehte die Augen. "Wie lange Ihre Männer schon in diesem... Zustand sind, konnten wir nicht feststellen. Ich vermute aber ganz stark, daß Sie - ja, genau Sie meine ich, Oberst Klank! - sie dahin befohlen haben, bevor wir hier versucht haben, den Übergang zu verschließen und die ganze Angelegenheit zu beenden - was leider nicht ganz geklappt hat. Während des Vorgangs haben sich die sowieso schon unvorhersagbaren Gegebenheiten in der Überlagerungszone dann schlagartig noch einmal verändert... was für alle, die zu dem Zeitpunkt darin waren, fatale Konsequenzen hatte. Und das auf Ihren Befehl, Herr Oberst - ich nehme an, Sie werden sich dafür verantworten müssen." "Blödsinn!" Klank versuchte, seine Stimme so überheblich und selbstherrlich klingen zu lassen wie immer, allerdings blieb es bei dem Versuch. "Selbst wenn dem so wäre und keine Eigenmächtigkeit vorliegen würde, sage ich es Ihnen gerne nochmal: zerbrechen Sie sich nicht ständig meinen Kopf! Außerdem sind wohl viel eher Sie schuld an allem, was da passiert sein könnte, Sie und Ihre Pferdchen mit ihrer komischen... Magie! Und sollten Sie sich jemals wieder hier blicken lassen, werden wohl eher Sie zur Verantwortung gezogen werden und nicht ich! Außerdem... können Verluste immer eintreten, das weiß jeder Soldat. Man merkt doch immer wieder, daß Sie nichts weiter sind als ein dämlicher Zivilist!" "Wenn Sie das so sehen, Herr Oberst, ist es wohl allein Ihre Sache", erwiderte ich kalt. "Ich wollte Sie nur warnen, nicht noch mehr Truppen in dieses Gebiet hineinzuwerfen - ich weiß nicht, was mit denen geschehen würde, zumal Menschen keine vieldimensionalen Schutzschilde haben, wie Alicorns sie erzeugen können, aber wenn Sie mir nicht zuhören wollen und resistent gegen alle Hinweise sind, dann kann man Ihnen wohl wirklich nicht mehr helfen." "Ich glaube, das Zauberpferdchen hat Ihnen jetzt komplett ins Gehirn geschissen! Was ich hier befehle und was nicht und wo ich meine Leute hin schicke und wo nicht, ist ja wohl allein meine Sache und nicht Ihre! Und erst recht nicht die einer komischen Märchenfigur mit bunt getönten Haaren!" Ich verspürte einen leichten Zug am Telefonhörer und sah aus den Augenwinkeln Celestia, deren Augen unheilverkündend funkelten und deren Horn leicht schimmerte. Ich verstand die unausgesprochene Aufforderung, machte aber eine Geste, daß ich meinen Anteil am Gespräch noch schnell beenden wollte. "Ich für meinen Teil habe alles gesagt. Ich würde Ihnen aber empfehlen, jetzt am Apparat zu bleiben, denn die hiesige Regentin, die Sie eben so nett beschrieben haben, möchte ebenfalls mit Ihnen sprechen. Botschafter Ende." Damit ließ ich den Hörer los, und richtig schwebte er zu dem großen Alicorn. Sie sah noch einmal kurz zu mir, und ein kaum sichtbares Funkeln ihres Horns flog auf mich zu. Offenbar hatte die Magierin eine telepathische Verbindung mit mir hergestellt, denn obwohl sich die Hörmuschel des Telefons außerhalb meiner Hörweite befand, hörte ich trotzdem weiterhin mit - jetzt allerdings direkt in meinem Kopf. "Hier spricht die Regentin Equestrias, Prinzessin Celestia." Die Stimme des Alicorns klang förmlich und kalt. "Ich begehre zu erfahren, was mit meiner Untertanin Tríksolín Poníver Lulamoon, bekannt auch als Trixie, geschehen ist." Die Antwort war ein fassungsloses Schnaufen, und es dauerte einige Sekunden, bis der Oberst seine Fassung so weit zurückgewonnen hatte, daß er zu einer verbalen Antwort in der Lage war. "Was... wer... ich glaube es nicht... das Zauberpferdchen... es kann... sprechen...? Oooooch, zu drollig aber auch! Ich habe doch gesagt, ich spreche nur mit Menschen und nicht mit irgendwelchen bunt angepinselten Tieren!" Seine Stimme war konstant lauter geworden, aber Celestia verzog keine Mine und ließ den Hörer auch nicht von ihrem Ohr wegschweben, sondern blieb nach außen hin völlig unbewegt. "Der Botschafter ist außen vor!", antwortete sie, nun in hörbar scharfem Tonfall. "Noch bin ich die Regentin dieses Landes, und es ist allein meine Entscheidung, womit ich den Botschafter oder sonstwen betraue und worum ich mich selbst kümmere, Herr Oberst! Und nun wiederhole ich mein Anliegen: was ist mit meiner Untertanin geschehen?" "Tja, eigentlich würde ich sagen, da hast du schlichtweg Pech gehabt, Pferdchen." Seine Stimme klang nun wieder gewohnt süffisant. "Was sollte mich daran hindern, den Hörer hier bei mir aufzulegen und dich einfach stehenzulassen, häh?" "Vielleicht die Tatsache, daß dann ein umgehender Bericht über Ihre fehlenden diplomatischen Fähigkeiten an Ihre direkten und auch Ihre höchsten Vorgesetzten gehen würde. Ich mag zwar aus einer anderen Welt stammen, aber wie Sie ja aus Ihrer Familiengeschichte wissen, stehen mir durchaus einige Wege offen, gegen die Sie nicht das Geringste unternehmen können." "Das gibt es doch nicht... dieses dumme Pferdchen wagt es, mir zu drohen! Und ich gehe auch noch darauf ein, ich kenne mich ja selber nicht wieder... sag mal, Pferdchen, hast du zu wenig mit der Reitgerte auf den Arsch bekommen? Vielleicht wärst du dann nicht so vorlaut einem Menschen gegenüber! - Aber warte... natürlich... Tiere sind von Natur aus dumm, deshalb kannst du ja gar nicht wissen, wie das bei den Menschen läuft und daß ihr bei uns hier eben nichts zu melden habt!" Ich schnappte ob des Tonfalls, den der Oberst der Regentin gegenüber anschlug, schwer nach Luft, aber wenn Celestia das hörte, so ignorierte sie es vollkommen - ebenso wie sie es meisterhaft verstand, sich von den Beleidigungen des Oberst nicht provozieren zu lassen. "Falls Sie es noch nicht wissen sollten, Herr Oberst, auch Menschen sind Tiere - Säugetiere, um genau zu sein, übrigens genau wie Ponys. Und nun wiederhole ich meine Frage ein letztes Mal, bevor ich mir ernsthaft überlegen muß, andere Maßnahmen zu ergreifen: was ist mit Tríksolín Poníver Lulamoon geschehen?" "Schön, ich bin ja gar nicht so. Also, wenn es dich so brennend interessiert: ich habe es deinem Botschafter ja schon gesagt, wahrscheinlich hat diese Flasche es einfach verpennt, dich zu informieren - oder er weiß einfach, daß wir Menschen euch normalerweise keine Rechenschaft schuldig sind. Ich habe es ihm klar und deutlich angesagt: welches Wesen auch immer hier durch den Übergang kommt, wird als Angreifer einer feindlichen Macht betrachtet, und es wird entsprechend gehandelt! Ich habe dieses Gespräch sogar aufgezeichnet, es kann keiner sagen, ich hätte euch da drüben nicht gewarnt! Wenn diese Flachpfeife von einem Botschafter das nicht weiterleitet, kann ich auch nichts dafür." "Es war nicht nötig, ich habe als Alicorn ein Hörvermögen, welches das von Menschen bei weitem übersteigt, ich habe Ihre Ankündigung sogar selbst vernommen." "Ja, und warum fragst du dann überhaupt noch, was passiert ist?! Die Soldaten haben meinen Befehl ausgeführt, nichts weiter ist vorgefallen!" "Sie haben also tatsächlich ein Pony, von dem keine unmittelbare Gefahr ausging, niederschießen lassen." Celestias Stimme blieb kalt und emotionslos, und in ihren Gesichtszügen war keine Regung zu erkennen, aber aus ihren violetten Augen schossen inzwischen Blitze - und das nicht nur in übertragenem Sinne, tatsächlich zuckten violette Energiebündel aus den Augen, lösten sich allerdings nach wenigen Zentimetern in Nichts auf. "Ich darf wohl aus persönlichem Interesse fragen, wie Sie es geschafft haben, den uns freundlich gesonnenen Stabsfeldwebel Erpensberger dazu zu bewegen, Ihren Befehl auszuführen." "Ach, Erpensberger war das? Danke für die Info, das wußte ich auch noch nicht... ist scheinbar doch kein so schlechter Soldat, wie ich dachte. Tja, da hast du deine Antwort... er ist Soldat, und als Soldat führt man seine Befehle aus, ohne sie vorher ins Kleinklein auseinanderzudiskutieren." Die Energieblitze aus Celestias Augen verschwanden - offenbar war sie von Klanks Aussagen ebenso überrascht und schockiert wie ich, dennoch bewahrte sie meisterhaft ihre Fassung. "Dann ersuche ich Sie hiermit, Trixies Leichnam freizugeben." "Der wird wohl längst beim Abdecker sein, nehme ich an... weiß ich gerade selber nicht, Augenblick, ich sehe mir gerade mal die Bilder des Vorfalls selber an... wieso verschwende ich eigentlich meine Zeit mit so etwas... ah ja, hier. Stimmt, tatsächlich war Erpensberger der Schütze, der die Bedrohung zuerst erkannt und sie konsequent bekämpft hat, ich staune, der Junge hat wohl doch Potential. So... ja, hier tragen sie das Pferdchen weg... selber schuld, wie gesagt, ich hatte gewarnt... weg sind sie, außerhalb des Kamerabereichs. Keine Ahnung, wo sie damit hin sind... aber bei uns werden Tierkadaver eigentlich nicht aufbewahrt, sondern umgehend entsorgt und beseitigt. Wir haben schließlich Hygieneansprüche. Weil ich gute Laune habe, kann ich mir ja noch kurz die Berichte durchsehen, das muß ich sowieso noch erledigen... hm, reichlich nichtssagend, da steht nur gemäß den Hygienevorschriften verbracht, nichts weiter. - Sonst noch was? Meine Zeit ist begrenzt - Hoheit." Das letzte Wort war eindeutig als herablassende Beleidigung gemeint, aber noch immer tat Celestia ihm nicht den Gefallen, darauf zu reagieren. "Danke, für den Moment habe ich keine weiteren Anliegen. Ich danke Ihnen für -" Ein Klacken war in der Leitung zu hören und machte uns deutlich, daß der Oberst die Verbindung beendet hatte. Celestia ließ den Hörer zum Telefon zurückschweben und sanft auf die Gabel gleiten, dann wandte sie ihren Blick mir zu. "Du hast alles mit angehört, du bist also informiert", hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf, obwohl kein Laut ihre Lippen verließ - offenbar behielt sie die telepathische Kommunikationsform für den Moment oder vielleicht auch nur aus reiner Gewohnheit bei. "Ich werde Twilight informieren, daß Trixie in der Menschenwelt geblieben ist und Donnic -" "Warte bitte", unterbrach ich sie, ebenfalls rein gedanklich - zu meinem eigenen Erstaunen kamen meine Worte offenbar sogar bei ihr an. "Ich glaube einfach nicht, daß Donnic Trixie niedergeschossen hat und sie jetzt einfach... wegwirft wie einen alten Putzlappen, da steckt noch etwas anderes dahinter. Immerhin war er gestern abend mit bei ihrer Vorstellung und hat sich noch gestern nachmittag persönlich mit ihr unterhalten, nach so einer Erfahrung ballert kein Mensch einfach das entsprechende Lebewesen über den Haufen." "Na schön. Dann informieren wir Twilight nur darüber, daß sie mit Trixie nicht mehr rechnen kann für den Moment." Damit begaben wir uns hinüber zu der Ansammlung bunter Unicorns, zwischen denen ein fliederfarbenes Alicorn geschäftig hin- und herlief - um plötzlich, auf ein unhörbares Zeichen ihrer bisherigen Mentorin hin, abrupt stehenzubleiben und zu uns an den Rand zu kommen. "Nur zur Information, Twilight. Du hast gesehen, daß Trixie in die Menschenwelt gewechselt ist, und wir werden... wohl auf sie verzichten müssen", telepathierte Celestia ihrer früheren Schülerin, und selbst in Gedanken konnte ich das Stocken ihrer Stimme hören. Twilight kniff die Augen zusammen und senkte den Blick. "Ist sie... tot?" Das weiße Alicorn sah mich auffordernd an. "Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher... sowohl das, was wir gesehen haben, als auch Klanks Aufzeichnungen sprechen sehr dafür. Allerdings war nachweisbar Donnic der Schütze, und ich glaube einfach nicht, daß er Trixie tatsächlich erschossen hat. Im Moment können wir das aber nicht herausfinden, also müssen wir zumindest davon ausgehen, daß sie so schnell nicht wieder bei uns sein wird." "Ich verstehe... und bitte, Celestia, laß Trixie nichts Schlimmes passiert sein... oh. Verzeihung, Prinzessin..." "Keine Ursache, Twilight." Ein schmerzliches Lächeln erschien für einen Moment auf Celestias Zügen. "Außerdem wünsche ich mir genauso wie du, daß Michael recht haben und Trixie vielleicht doch noch leben könnte." "Ich werde also die Zauber neu konfigurieren... ohne Trixies Spezialtalente." "So soll es sein. Michael und ich begeben uns nun zu Applejack und den anderen Ponys." Ohne weitere Verabschiedung wandte sich Twilight wieder den magischen Wesen um sie herum zu, während wir uns - dieses Mal allerdings beide zu Fuß - auf den Weg zu den Hauptgebäuden der Farm machten. "Ich bewundere deine Ruhe in dem unerbaulichen Gespräch mit Klank." Ein leises, humorloses Lachen erscholl in meinem Kopf. "Du meinst, ich hatte mich gut in der Gewalt?" "Auf jeden Fall! Wäre ich du und der Typ wäre mich so angegangen, ich hätte mich nicht beherrschen können." "Danke." Erneut erklang das lautlose Kichern. "Aber so gut ist meine Selbstbeherrschung nicht - er hat mich an meine äußersten Grenzen gebracht. Noch eine provozierende Bemerkung, und ich wäre auf der Stelle durch das Tor geflogen und hätte mich persönlich mit ihm unterhalten." "Ich habe die Blitze aus deinen Augen gesehen -" " - und die sind das letzte Alarmzeichen, das ich unbewußt gebe. Auch ich bin, trotz meines Alters, nur ein emotionales Wesen, wenngleich die anderen Ponys mich auch ständig auf einen viel zu hohen Sockel stellen und in mir etwas Gottgleiches, Übernatürliches, Unfehlbares und Perfektes sehen... aber vielleicht ist das mein Schicksal." Ihre Stimme klang müde und auf schwer faßbare Weise alt bei den letzten Worten. "Nun ja... teilweise haben sie regelrecht Angst... vor deinem Zorn." "Wegen der alten Geschichte damals mit Nightmare Moon, ich weiß." Sie seufzte schwer - dieses Mal allerdings wirklich, nicht nur telepathisch. "Ich frage mich, ob irgendein Pony auch nur ansatzweise nachvollziehen kann, was es heißt, wie es sich anfühlt, wenn die eigene Schwester, die man liebt wie kaum ein zweites Wesen, sich über Monate und Jahre immer mehr verändert... ich bin immer weniger und schlußendlich gar nicht mehr an sie herangekommen... ich habe versucht, was ich nur konnte, um die unheilvolle Entwicklung aufzuhalten damals, aber selbst da habe ich bereits versagt... und dann kam der von mir befürchtete Moment der Verwandlung, und spätestens ab da gab es kein Zurück mehr. Das da vor mir war nicht mehr Luna, das war ein eigenes, boshaftes Wesen... dennoch erkennt man immer noch Teile der eigenen Schwester... und muß tun, was einem die Verantwortung für die Ponys eben abverlangt. Seither habe ich nie wieder ein Pony verbannt, es war nicht nötig, und ich weiß nicht einmal, ob ich es überhaupt gekonnt hätte... das, was ich mir selbst und ihr antun mußte, anderen Ponys anzutun." "Trotzdem ist dein Zorn gefürchtet." "Es ist wie mit allen Mythen und Legenden: je länger sie leben und je mehr sie herumerzählt werden, desto schrecklicher und angsteinflößender werden sie. Die ersten paar hundert Jahre hat es weh getan, daß man mir unterstellt hat, ich würde beim leisesten Unmut Ponys auf den Mond oder sonstwohin verbannen... inzwischen habe ich mich daran gewöhnt; und mit Luna habe ich mich direkt nach ihrer Rückkehr und Rückverwandlung ausgesprochen. Und um auf die aktuelle Situation zurückzukommen", der Tonfall der gedanklichen Stimme machte deutlich, daß sie nicht länger über die Vergangenheit zu sprechen wünschte, "Klank hat mich zwar jetzt bis zum Äußersten gereizt, aber nicht einmal ihn hätte ich zum Mond geschossen. Es wäre auch schlicht nicht nötig gewesen - schon ein rein gedankliches Duell hätte er verloren, und im Grunde habe ich schon allein dadurch gewonnen, daß er entgegen seiner Überzeugungen mit mir gesprochen und mir sogar alle Informationen gegeben hat. Nichts für ungut, aber ich bezweifle, daß er das bei dir getan hätte." "Das bezweifle ich allerdings auch... trotzdem wissen wir nicht mit Sicherheit, was mit Trixie geschehen ist, das ist das Problem. Ich müßte einfach selbst da hinüber kommen und selber nachforschen...", sinnierte ich. "Durch das Tor kannst du nicht gehen - bestenfalls würde er dich einfach festnehmen, schlimmstenfalls würde er dich abschießen lassen, er hat offenbar keinerlei Skrupel, wie wir ja an seinen bedauernswerten Mannen in der Überlagerungszone gesehen haben. So ungern ich das auch sage und so kalt es auch klingt: für uns ist es gut, so wie es dort momentan ist, offenbar ist es unmöglich, ohne Schutz, den Menschen nun einmal nicht haben, dort hindurchzukommen. - Auch wenn es mir für deine Artgenossen sehr leid tut... aber das hat Klank zu verantworten." "Sehe ich genauso. Und ich kannte niemanden dort persönlich... sicher, für die Betroffenen und ihre Angehörigen ist es hart, aber als Soldat kann man umkommen, da hat Klank völlig recht, auch wenn diese Opfer dort absolut unnötig und vermeidbar waren, aber dafür wird er sich möglicherweise vor dem Militärstaatsanwalt verantworten müssen. Trotzdem müßte man auf der anderen Seite selbst nachforschen, was nun aus Trixie geworden ist." "Ich kann als Prinzessin schlecht einfach so in die andere Welt, genausowenig wie Luna... das Risiko ist zu groß, und die Menschen sind momentan zu sehr auf mein Erscheinungsbild sensibilisiert. Und Twilight ist in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten zwar schon erstaunlich fortgeschritten, dennoch würde ich sie nie auf eine derartige Mission schicken. Und du bräuchtest magischen oder auch vieldimensionalen Schutz." "Warte mal... vielleicht gibt es ein Wesen, das diesen Anforderungen gewachsen wäre... wie wäre es mit Discord?" "Wie soll ich sagen... er ist... schwer berechenbar. Sicher, er hat Luna und mich gestern und heute mehrfach mit Energie versorgt, die wir eigentlich selbst längst nicht mehr gehabt hätten, und uns so sehr geholfen. Ob er allerdings für eine derartige Mission zu begeistern wäre, ist schwer zu sagen." "Ein Versuch könnte doch sicherlich nicht schaden." "Wohl wahr... behalten wir das als Option in Gedanken." Damit hatten wir die Haupthäuser erreicht. Schon aus einiger Entfernung war zu erkennen, daß sich das Anwesen verändert hatte: war es bisher eher spärlich mit Ponys bevölkert gewesen, quoll es jetzt von diesen Wesen beinahe über. Scheinbar hatte sich halb Ponyville hier, in einigermaßen sicherer Entfernung, eingefunden, und als wir näher kamen, sahen wir, daß sämtliche Scheunen zu provisorischen Unterkünften umfunktioniert worden und zudem auf den freien Flächen Zelte errichtet worden waren. Obwohl es sich hier klar um Notunterkünfte handelte, nahmen die Ponys, die in dieser Menge ein buchstäblich buntes Gewimmel darstellten, die Situation erstaunlich gelassen hin: die allgemeine Stimmung schien durchaus gut zu sein, Ponys standen in Grüppchen zusammen und schwatzten miteinander, Fillys spielten unbekümmert dazwischen, und zufrieden wirkende Gesichter blickten aus hochgelegenen offenen Heubodentoren, wo sie es sich im Stroh offenbar den Umständen entsprechend komfortabel eingerichtet hatten. Ein hellgelbes Pegasuspony mit rosafarbenen Haaren flatterte umher und schien sich um seine Artgenossen zu kümmern - Fluttershy. Offenbar hatte sie diejenigen Ponys, die zu ihr gekommen waren, nicht bei sich einquartiert, was wegen der Platzverhältnisse in ihrem Cottage auch eher schlecht möglich gewesen wäre, sondern sie ebenfalls zu Applejack geleitet und hier bei der Gelegenheit eine Art Helferschicht übernommen. Nach einigem Suchen entdeckten wir auch Rainbow, die Hausherrin Applejack und Luna in der Menge. Die meisten Ponys benahmen sich in Gegenwart der Prinzessin der Nacht so wie immer, einige wenige hielten sich aber offenbar lieber in einiger Entfernung auf und beäugten das dunkelblaue Alicorn skeptisch. "Mit diesem Ruf, den sie nun einmal hat, muß sie wohl noch einige Jahre oder auch Jahrzehnte leben... leider. Genau wie ich übrigens auch, da sind wir wieder bei dem Punkt, daß wir als große, aus dem Blickwinkel anderer Ponys praktisch unsterbliche und noch dazu einer äußerst seltenen Rasse angehörige Wesen automatisch anders behandelt werden als die übrigen Ponys... bedauerlich, aber dagegen kommen wir nicht an. Ich wünschte mir manchmal, es wäre anders", kommentierte Celestia, die meine Beobachtungen natürlich registriert und meine Gedanken gehört hatte. "Laß uns zuerst einmal Luna informieren." Tatsächlich übertrug die Prinzessin der Nacht das, was immer sie gerade tat, an Applejack und kam herangeschwebt. "Meine Schwester. Es ist schön, dich wiederzusehen. Besteht für unsere treue Untertanin Trixie noch Hoffnung?" "Sieh und urteile bitte selbst." Ein Sturm aus Bildern, Wortfetzen, Informationen und Gedanken setzte ein, der zwar nur einige Sekunden lang anhielt, meinen Geist aber heftig genug traf, um mich taumeln und die Welt sich um mich herum drehen zu lassen - offenbar wurde ich soeben Zeuge der wahren telepathischen Fähigkeiten und bekam vorgeführt, wie Alicorns tatsächlich miteinander kommunizierten, eine Kommunikation, die weit über reine gesprochene Worte hinausging. Ich wankte einige Schritte, da mein Gehirn offenbar Mühe hatte, mit der plötzlichen Informationsflut fertig zu werden, und hielt mich an dem Erstbesten fest, das ich zu fassen bekam. Das Schwindelgefühl verebbte, und ich öffnete die Augen - und blickte geradewegs in die erstaunten Augen Lunas, die sich offenbar wunderte, warum ich mich an Celestias linken Flügel klammern mochte. Rasch ließ ich los. "Verzeihung... ich glaube, ich bin eurer Kommunikation nicht gewachsen." "Der Fehler liegt wohl eher bei mir. Ich hätte die geistige Verbindung längst trennen sollen, aber ich wende sie so selten auf normalerweise nicht telepathische Wesen an, daß ich das schlicht vergesse, zumal kaum eines dieser Wesen lange genug in der direkten gedanklichen Reichweite verbleibt, um volle Telepathie zu erleben." Damit verstummte die Stimme in meinem Kopf, und von einem Moment auf den anderen hatte ich nur noch meine eigenen Gedanken - offenbar hatte Celestia die Verbindung gelöst. Über Lunas Gesicht glitt ein verstehendes Lächeln, als sie begriff, daß ich in der für mich untypischen Kommunikationsverbindung gewesen und unbeabsichtigt Zeuge der Verständigung der Alicorns untereinander geworden war. "Rainbow Dash hat sich beruhigt, ich denke, sie wird über den Verlust Trixies und den vermeintlichen Verrat des Menschen hinwegkommen", sagte sie unaufgefordert. "Ich hatte ein interessantes Gespräch über Hochgeschwindigkeits- und Kunstflug mit ihr, und ich freue mich, mit ihr einige entsprechende Übungen abhalten zu dürfen, wenn die derzeitige Situation bereinigt sein wird." "Wobei wir wieder beim Thema wären." "In der Tat. Idealerweise sollten wir die Elementsträgerinnen einbeziehen, außer Twilight sind alle hier vor Ort. Discord ist mit ihnen vertraut, und wir würden ihn solcherart nicht allein rufen müssen." "Pinkie und Rarity sind mit hier?" "Sie bestanden darauf, hier zu helfen. Während Rarity sich darum bemühte, die Quartiere wohnlich herzurichten, insistierte Pinkie Pie, für eine angemessene gute Stimmung sorgen zu müssen." "Typisch Pinkie, so kenne und liebe ich sie... ah, da kommen sie schon, es ist wohl nicht erforderlich, sie zu rufen." "Woher weiß Pinkie...", setzte Luna an und sah einigermaßen erstaunt zu den fünf Freundinnen, die sich soeben zusammenfanden und dann geschlossen auf uns zumarschierten. "In meiner Welt hieß es in so einem Fall immer: sie ist eben Pinkie", feixte ich. "Sie hat einfach einen zusätzlichen Sinn... den versteht keiner, muß man wahrscheinlich auch nicht verstehen." Weiter kam ich nicht, denn die unterschiedlichen Ponys hatten uns erreicht. Applejack, Pinkie und Rarity verzichteten auf überflüssige Begrüßungsgesten, Rainbow machte einen Flughopser auf mich zu und umarmte mich kurz mit ihren Flügeln, und Fluttershy sah unsicher zu Boden. Celestia gab ihnen einen Überblick über die aktuelle Situation. "Dann... will ich sehen, ob ich... Discord erreiche", ließ sich Fluttershy vorsichtig vernehmen. Sie schloß die Augen und schien in sich hineinzuhorchen, und ich fragte mich, ob zwischen ihr und dem unbegreiflichen Wesen eine ähnliche geistige Verbindung bestehen mochte wie zwischen den Alicorns. Anscheinend war das der Fall. Es vergingen nur wenige Sekunden, bis ein Blitz den Innenhof erhellte und Discord mitten unter uns schwebte. Er streckte sich und gähnte übertrieben betont. "Aaaaaaaaah ja, ihr seid es nur. Hab gerade soooo gut geschlafen und soooo schön chaotisch geträumt... und dann müßt ihr einen wecken... aber für meine liebe Shutterfly hier tue ich doch alles." "Du brauchst selber Schlaf?", kommentierte ich ungläubig, allerdings ging Discord nicht darauf ein. Stattdessen sah er sich mit gespielter, tiefer werdender Betroffenheit um. Natürlich war sein Erscheinen nicht unbemerkt geblieben, und ein vielstimmiger Aufschrei ging über den Hof. "Es ist Discord!" - "Bringt euch in Sicherheit!" - "Schnell weg, meine Kleinen!" - "Steckt DER also hinter all dem Chaos?! Hätte ich mir ja denken können!" - "Celestia, Luna, helft uns!" So und so ähnlich klangen die Ausrufe, die meine Ohren erreichten, und die Ponys begannen, durcheinanderzurennen. Celestia versuchte, aufzusteigen, wohl, um das Wort direkt an die Ponys zu richten, aber eine unsichtbare Kraft zog sie sofort wieder nach unten und legte ihre Flügel, sichtlich gegen ihren Willen, wieder zusammen. Stattdessen blitzte es erneut, und Discord schwebte nun gute fünf Meter hoch in der Luft. Im Arm hielt er Fluttershy, die er an sich kuschelte wie ein Plüschpony, während er in einem seiner Augen wieder sein schon fast obligatorisches Monokel trug. Alle Ponys rings um uns froren reglos in ihren jeweiligen Bewegungen ein, und Discord schüttelte mit übertrieben betrübter Miene den Kopf. "Tsk-tsk-tsk. Es dauert mich, stets auf meine zugegeben unrühmliche Vergangenheit reduziert zu werden, und ich wäre wirklich hocherfreut, könnte ich euch einmal davon überzeugen, daß ich euch lieben süßen Knuddelponys nichts Schlechtes mehr will, eigentlich wollte ich das auch nie. So bleibt doch bitte bei mir... habt ein wenig Vertrauen, so, wie es eure Freundinnen, die Trägerinnen der bunten Glitzersteine, auch haben. Ach ja... und natürlich eure großen Oberpferdchen hier." Seine Stimme klang mehr und mehr wie die des gütigen Märchenonkels, der der Kinderschar eine schöne Geschichte vortrug, und der Bann, der die Ponys festhielt, erlosch - sie konnten ihre Bewegungen zu Ende führen, was sie freilich nur zum Teil taten. Die meisten blieben tatsächlich stehen und sahen mit sichtlich widerstrebenden Gefühlen zu dem seltsamen Wesen hoch. "Ich danke euch, daß ihr euch entschlossen habt, hier zu bleiben. Die erste, die mir vertraut hat, war übrigens die liebe zurückhaltende Shutterfly hier - sie ist einfach so liebenswürdig." Erneut kuschelte er das Pegasuspony, das sich nicht wehrte, an sich. "Ähm - ich heiße Fluttershy, wenn es dir nichts ausmacht?", ließ sie sich leise, aber dennoch bestimmt vernehmen. "Oh - meine Rede. Jedenfalls würdet ihr einem alten Discord eine große, große Freude machen, wenn ihr seinetwegen nicht wegrennt. Oh, ich weiß das Chaos, was durch eine durcheinanderrennende Ponyherde entsteht, sehr wohl zu schätzen, aber nehmt es mir nicht übel... wirkliches Chaos geht anders, da kommt ihr leider noch nicht heran. Vielleicht mit etwas Übung, oder was meinst du, Tia? Komm hoch zu mir auf die Bühne!" Mit einem erneuten Blitz verschwand das weiße Alicorn neben mir, um tatsächlich hoch oben wieder zu erscheinen und prompt einen Meter abzusacken. Blitzschnell entfaltete sie ihre Flügel und stieg zu Discord auf, ohne auf seine mehr oder minder scherzhaften Provokationen einzugehen. "Ich hätte nicht gedacht, das einmal zu sagen, aber er hat recht. Habt keine Angst vor ihm - er wird euch nichts Böses tun, er hat im Gegenteil gestern und heute meiner Schwester und mir bereits sehr geholfen, und wir alle sind ihm sogar jetzt schon zu Dank verpflichtet." Die Antwort bestand aus einem vielstimmigen verwunderten Gemurmel. Allerdings ging Celestia nicht weiter darauf ein, sondern landete wieder neben uns und warf Discord dabei einen Blick zu, der sehr deutlich machte, daß er ihrem Willen nach seine Selbstdarstellung beenden und sich zu uns bemühen sollte. Achselzuckend warf er noch einen Blick in die Runde, dann erschien Fluttershy in einem weiteren Blitz neben uns, und Discord schwebte zu uns herab, wobei er tatsächlich mit seinen absurd kleinen Flügelchen flatterte. "Größe ist nicht alles", raunte er mir zu - offenbar hatte er meinen Blick bemerkt und richtig gedeutet, wurde aber sofort wieder ernst. "Also, meine Lieben - was gibt es?" Celestia brachte ihn auf den aktuellen Stand der Dinge. "Ich soll also in die Menschenwelt hinüber? Ich soll nach Trixie sehen? Aber warum soll ausgerechnet ich mich dieser außergewöhnlich wilden und kriegerischen Spezies stellen? - Oh - nichts für ungut, Herr Botschafter, aber es ist nun einmal eine Tatsache, daß deine Spezies so veranlagt ist, wie ich auch einem gewissen anderen Menschen bereits mehrfach klarzumachen versucht habe." "Warum du? Sehr einfach: Celestia kann nicht hinüber, sie wird hier gebraucht und würde dort zu sehr auffallen, ihr Bild ist drüben außerdem bereits zu sehr bekannt. Für Luna gilt dasselbe, andere Ponys können keine Schutzschilde wirken, und ich kann mich dort auch nicht sehen lassen - in die Menschenwelt hinüber käme ich sicherlich, aber garantiert nicht wieder zurück." "Also bleibt wieder einmal alles an dem alten Discord hängen." Er seufzte theatralisch. "Aber gut, wenn es denn so sein soll..." Damit wurden wir alle in Lichtblitze eingehüllt, um uns nur einen Augenblick später an der Botschaft in direkter Nähe zum Tor wiederzufinden. Verwundert sahen wir uns um, und ich bemerkte praktisch nebenbei, daß Twilight mit ihren Unicorns inzwischen das Gelände verlassen hatte - vermutlich befanden sie sich wieder an ihrer Bibliothek. "Ich dachte, Twilight hat gesagt, Teleportation wäre nicht mehr möglich?", ließ sich eine erstaunte Pinkie vernehmen. Discord wuschelte ihr mit nachsichtigem Blick durch die lockige Mähne. "Gerade du müßtest es eigentlich besser wissen, aber nun gut, kein Pony ist perfekt", kommentierte er. "Und nur, weil ihr Ponys es im Moment wohl tatsächlich nicht fertig bringt - ooooch, nicht böse sein, Celly und Lunchen, es ist doch einfach nur die Wahrheit - muß das noch lange keine universelle und absolute Wahrheit sein. Vielleicht habe ich einfach nur andere Mittel und Wege... es hat schon seine Gründe, daß ihr beiden damals ohne eure bunten Glitzerstraßsteinchen nicht gegen mich angekommen seid." Zum Beweis für seine Worte umrundete er die Wiese mit dem Übergang in die Menschenwelt einmal auf typische Weise - er verschwand in einem Lichtblitz und tauchte jedes Mal einige Meter entfernt in einem ebensolchen Blitz in teilweise reichlich absurden Körperhaltungen wieder auf, nur um den Vorgang gleich darauf zu wiederholen. Vielleicht zehn Blitze später erschien er wieder bei uns. "Na also, klappt doch prima! - Und jetzt nochmal langsam zu Mitmeißeln, was ich nun tun soll, bitte." Eine Steinplatte erschien vor ihm, und in seinen Händen hielt er plötzlich tatsächlich Hammer und Meißel. "Ganz einfach. Wir bitten dich, in die Menschenwelt hinüberzugehen und in Erfahrung zu bringen, was mit Trixie geschehen ist, und idealerweise darum, sie zu retten und zu uns zurückzubringen." Discord nahm seine eigene Ankündigung wörtlich - er setzte den Meißel an und schlug meine Worte buchstäblich in die Steinplatte hinein, allerdings deutlich schneller, als jeder menschliche Bildhauer das gekonnt hätte: der Hammer klang wie ein Preßlufthammer und arbeitete auch genauso schnell. "Fertig. Also gut, wenn ihr mich so nett darum bittet... Aber ich glaube nicht, daß es was bringt, sich mit diesen wilden und kriegerischen Wesen auseinanderzusetzen... na gut, ich geh ja schon, ich versuche es ja", fügte er eilig hinzu, als er Fluttershys schärfer werdenden Blick bemerkte. Die Steinplatte und das Werkzeug landeten auf der Wiese und verschwanden kurz darauf, und Discord ging los - auf das Tor zu und direkt hindurch. Sofort wurden auf der anderen Seite Klanks Wachen aktiv: Gewehrläufe wurden hochgerissen und auf die Kreatur gerichtet, und obwohl wir wie üblich keinen einzigen Laut hörten, weil das Tor nur Licht, aber keinen Schall passieren ließ, konnten wir sehen, daß die Soldaten offenbar irgend etwas in Richtung des Wesens brüllten. Discord schüttelte sichtlich amüsiert den Kopf, verbeugte sich spöttisch, sagte einige Worte und setzte an, einfach weiterzugehen, als die Wachen abdrückten. Mündungsflammen zuckten aus den Läufen der Maschinengewehre, und wir beoachteten fassungslos, wie die Einschläge Discord trafen. Widerwillig mußte ich die Perfektion der Schützen anerkennen, denn wie ich in einem dunklen Winkel meines Bewußtseins registrierte, trafen sämtliche Schüsse - zumindest sausten keine verirrten Kugeln in Richtung Equestria. Ich fragte mich noch mit emotionsloser und kalter Neugier, über die ich selber ein wenig erschrak, warum um alles in der Welt er sich nicht durch irgendeine Form von Schild geschützt hatte, als er auch schon anfing zu taumeln und sich ein paarmal um die eigene Achse zu drehen. Er verzog übertrieben theatralisch das Gesicht, riß die Arme hoch und wankte zurück in Richtung Equestria. Fluttershy gab neben mir ein entsetztes Quietschen von sich, während die anderen Ponys nur fassungslos keuchten. Discord erreichte die Grenze des Tors und das Gelände von Applejacks Farm und taumelte weiter. "Ich bin getroffen! Hilfe! Sanitäter!", rief er, wobei sein Tonfall nicht wirklich zu seinen Worten paßte, sondern eher wirkte, als versuchte ein besonders talentloser Schauspieler, seinen Text angemessen aufzusagen. Fluttershy hob vom Boden ab und flatterte auf das Wesen zu, wurde aber nach wenigen Metern in der Luft von einer unsichtbaren Kraft angehalten und sanft, aber bestimmt zu uns zurückgeschoben. Discord taumelte und schrie noch einige Augenblicke weiter und schien schlußendlich zu stürzen, aber kaum hatte er den Boden berührt, richtete er sich mit einem Ruck wieder zu voller Größe auf - von Schwäche oder Schmerzen war von einem Moment zum nächsten nichts mehr zu sehen. "Genug herumgekaspert. - He, ihr Menschen da drüben, denkt ihr etwa, ich bin getroffen?!", rief er in Richtung des Tors, und mit einem Mal war ich mir nicht mehr sicher, ob die Angesprochenen auf der anderen Seite ihn tatsächlich nicht hören konnten. Mit einem Lichtblitz erschien ein großes Glas voll mit der für seine Auftritte typischen Schokomilch in seiner Hand, und er stürzte es in einem Zug hinunter - und richtig sprudelte die Flüssigkeit wie aus einem bizarren Springbrunnen aus zahllosen Löchern in seinem Körper wieder hinaus. Mit einer neckischen Bewegung warf er das leere Glas in das Tor hinein, wo es einem Blitzknaller gleich mit einer hübsch anzusehenden Rauchwolke explodierte. "Wißt ihr was? Das denke ich auch!!!" Er holte tief Luft und schien etwas in seinem Körper hochzuziehen, und sein Mund beulte sich sichtlich aus. Dann setzte er an - und bevor ich richtig verstand, was genau ich da eigentlich sah, spuckte er die Kugeln, die ihn getroffen hatten, Einzelschüssen gleich durch das Tor hindurch in das Militärcamp. Es sah so aus, als würde ein Mensch Kirschkerne davonspucken, aber Discord ließ an seinen Lippen sogar Mündungsfeuer aufblitzen - und die Geschosse, die er solcherart abfeuerte, hatten die entsprechende Geschwindigkeit. Mit sichtlich erschrockenen Ausrufen gingen die Soldaten hinter ihren Sandsackbarrieren in Deckung, und genau wie bei ihnen zuvor, saß auch bei Discord jeder Schuß. Offenbar hatte er aber nicht vor, die Menschen tatsächlich zu treffen, denn keine einzige Kugel ging über die Deckung hinweg, dafür spritzte Sand aus den Schutzwällen auf. Nach einigen Sekunden hatte er offenbar die Munition, die er unfreiwillig eingesammelt hatte, komplett verschossen, denn er drehte sich ohne weitere Umstände um und kam kopfschüttelnd zu uns herangestapft. "Discord! Ist dir etwas passiert? Brauchst du Hilfe?" Fluttershy rannte dem unfaßbaren Wesen aufgeregt und sichtlich den Tränen nah entgegen. Discord blieb stehen und sah auf das hellgelbe Pony herab, und tatsächlich erschien in einem Blick etwas, das zu sehen ich dort nicht erwartet hatte: Rührung und echte Wärme. Er verneigte sich tief und ließ Fluttershy auf seine Hand springen, um sie dann wie einen besonders zerbrechlichen Gegenstand vorsichtig in die Höhe zu heben und seinen Weg zu uns fortzusetzen. "Nicht doch, mein kleines Pony, nicht weinen, ist doch alles gut. Lieb von dir, daß du dich so um mich sorgst, aber um mich kleinzukriegen, braucht es schon noch ein wenig mehr als so ein paar lächerliche Metallklumpen, was die da drüben gerade mal losgelassen haben - ich nehme an, denen würden solche Dinger mehr weh tun als mir." "Dann... ist dir nichts passiert?" "Oh bitte. Wäre es so leicht, mir wirklich eins auszuwischen, wäre ich kaum so alt geworden und hätte kaum den beiden großen Ponys hier so viel Kopfzerbrechen bereiten können, nicht wahr? - Aber ich schätze, ihr habt es jetzt selbst gesehen: da drüben wartet eine ausgesprochen wilde und kriegerische Spezies. Genau wie ich es bereits mehrfach gesagt habe." "General Holzberg war aber anders drauf", kommentierte ich. "Ausnahmen bestätigen nun mal die Regel", antwortete Discord achselzuckend. "Tja, wenn sonst nichts weiter war... dann kann ich ja nun zu meinem gemütlichen Nachmittagsschläfchen zurückkehren, wenn es recht ist." Erneut streckte er sich und gähnte übertrieben demonstrativ. Fluttershy erschien in einem Blitz neben uns, und Discord sah fragend zu uns herab. "Kleine Ponys? Botschafter? Celly? Königin der Nacht?" "Kannst du mit deinen Kräften nicht dich selber oder einen von uns unsichtbar machen?", meldete ich mich zu Wort. "Also bitte. Ich bin Meister des Chaos, kein Hexenmeister. Außerdem... hätte so etwas Nebenwirkungen, wenn ich dich unsichtbar machen würde, dazu müßte ich deine Elementarteilchen phasenverschieben. Sicher könnte ich das, aber es würde dir nichts nützen - du könntest mit niemandem sprechen, keine Computerknöpfe mehr drücken, keine Türklinken betätigen - obwohl, das müßtest du auch nicht, weil du durch Wände und Türen hindurchgehen könntest. Trotzdem darf ich dir versichern, daß du so nicht weiterkommst, zumal es selbst für mich schwierig würde, dich wieder komplett und richtig in die Phase zurückzuversetzen. Also: nein. Sonst noch Fragen?" "Wir danken dir für deine Bemühungen, Discord." Die förmlich klingenden Worte kamen von Celestia. "Aber gern geschehen, ein wenig Spaß zwischendrin kann doch nichts schaden. Und wenn es was Neues gibt oder ihr was Interessantes vorhabt, laßt es mich bitte wissen, da bin ich gerne jederzeit dabei. Also dann, tschaaa-haauuu!" Mit einem Blitz verschwand die Kreatur, und wir waren wieder allein auf der Wiese. "Und was jetzt?", fragte ich einigermaßen ratlos in die Runde. "Hier könn' wir sicher für'n Moment nich' viel ausrichtn, also würd ich vorschlagn, wir gehn zurück zu den andern' un' guckn mal, wie's da so läuft." "Gute Idee!", ließ sich eine überenthusiastische Stimme vernehmen - Pinkie. "War da nicht noch was mit dem Erstflug eines gewissen Fillys heute? Das muß gefeiert werden!" "Unter diesen Umständen?", fragte Rarity entgeistert. "Bist du sicher, meine Liebe, daß der Zeitpunkt für eine Party angemessen ist? Ich hege da doch gewisse Zweifel." "Aber gerade jetzt! Der aktuelle Moment ist immer der Beste!", sprudelte sie hervor und schaute erwartungsvoll einen nach dem anderen an, aber offenbar war ich nicht der einzige, der ihr nicht wirklich folgen konnte. Sie schnaufte. "Ooooch, kommt schon! Seid doch nicht so begriffsstutzig! Scootaloo hat heute etwas vollbracht, was sie bisher nicht konnte, richtig? Na also. Große Leistung für sie, und gerade als Filly will man nicht ewig warten mit einer Party dafür. Außerdem lenkt es die Ponys von der... naja... etwas mißlichen Lage ab, wenn sie feiern können, das hebt die Stimmung! Und das sollten wir doch wollen, oder?" "Ich glaube, du hast da einige gute Argumente, Pinkie", überlegte Celestia. "Juiiiii, abgesegnet von höchster Stelle! Ich werde alles vorbereiten! Kommt ihr auch, kommt ihr auch?" Begeistert hüpfte das pinkfarbene Pony um die beiden Alicorns herum, was diesen immerhin ein Lächeln ins Gesicht zauberte. "Wenn bis dahin nicht noch etwas Ernstes dazwischenkommt, gern." "Prima! Ich sage Twily Bescheid! Bis daaa-haaaann!" Damit hüpfte das Erdpony, fröhlich vor sich hinsingend, in Richtung der Stadt davon. Rainbow und ich schüttelten die Köpfe, und Applejack grinste, als sie unsere Reaktion sah. "Sie is' ebn Pinkie." "Zumindest in einem Punkt hat sie recht... der Flug heute war ein wichtiges Ereignis für die Kleine. Ich hab sie auch noch nicht angemessen beglückwünschen können, das muß ich noch nachholen", kommentierte die Fliegerin. "Gehen wir also zurück zu den Häusern." Nach einigen Metern passierten wir meinen Schreibtisch. Automatisch sah ich im Vorübergehen auf den Bildschirm des Notebooks darauf - und stutzte. Zwar war der größte Teil davon dunkel wie schon seit heute morgen, aber ein kleines, hin- und herfliegendes Symbol war vorhin noch nicht da gewesen. Ich trat näher und beendete den Energiesparmodus, und richtig verkündete mir eines der Programme, die ich sonst nicht benutzte, daß eine neue Mail eingetroffen wäre. Verwundert überprüfte ich den Status der Datenverbindung - natürlich war das Gerät offline, so, wie es gewesen war, seit Klank mir die Abbildung des Gemäldes, das sein Vorfahr von Celestia gemalt hatte, geschickt hatte, und nichts anderes hatte ich erwartet. Offenbar hatte es in der Zwischenzeit aber wenigstens eine kurze Online-Phase gegeben, denn das um Aufmerksamkeit heischende umherhüpfende Popup-Fenster erschien erneut. Nun, es konnte sicher nichts schaden, nachzusehen, wer oder was mir da geschrieben hatte, also brachte ich das Programm auf volle Größe und öffnete die Botschaft. Der Absender bestand nur aus unsinnigem Zeichenwirrwarr, und einen Betreff gab es erst gar nicht. Dafür war die Nachricht in der Tat erst etwa eine Stunde alt. Sie bestand nur aus einer einzigen Zeile: trixie sediert, im siloah d.e. Ich rieb mir die Augen und las die kurze Botschaft wieder und wieder. Die Ponys, die derweilen weitergegangen waren, hatten inzwischen bemerkt, daß ich an meinem Schreibtisch stehen geblieben war, und kamen nun eines nach dem anderen zurück, um mich fragend anzusehen. "Ist dir etwas, Michael?", fragte Rarity. "Was'n los, Sugarcube? Haste 'n Gespenst gesehen?", wollte Applejack gleichzeitig wissen. Die beiden Pegasi schwebten in der richtigen Höhe, um die Nachricht selbst lesen zu können (inzwischen konnten sie dank der zahlreichen Videos und Präsentationen, die sie mit mir zusammen in den vergangenen Monaten gesehen hatten, die menschliche Schrift recht passabel), und die Alicorns hatten schon aufgrund ihrer Größe keine Probleme, ebenfalls auf den Bildschirm zu blicken und selbst zu sehen, was mich derart faszinierte. Ein langsam aufkeimendes, stärker werdendes freudiges Prickeln erfaßte mich, als ich die Bedeutung der einen Textzeile endlich realisierte. "Die Nachricht ist von Donnic! Wißt ihr, was das heißt? Das heißt, daß Trixie lebt! Sie ist betäubt, und sie haben sie ins Krankenhaus Siloah in der Menschenwelt gebracht, aber Trixie ist am Leben!"